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DOI: 10.1055/s-0030-1269792
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York
European Association for the Study of Diabetes (EASD) – Highlights des Kongresses
Publication History
Publication Date:
25 November 2010 (online)
- Diabetes und Krebsrisiko
- Taillenumfang und Krebsrisiko
- Metformin und Krebsrisiko
- Metformin als Krebsmedikament
- Diabetes und Knochenfrakturen
- Vorsicht bei Knochendichtemessung
- Insulin und Knochenfrakturen
- Osteocalcin und Glukosestoffwechsel
- Diabetikerinnen ohne kardiovaskulären Schutz
- Neue Substanzgruppe SGLT-2-Inhibitoren
- Dapagliflozin und Genitalinfekte
- GLP-1-Analoga und Pankreatitis
- GLP-1-Analoga und Kardioprotektion
- GLP-Analoga und Betazellprotektion
- Kombination Exenatid und Insulin
- Exenatid zweimal täglich und Exenatid LAR


Themenschwerpunkte der diesjährigen EASD-Jahrestagung im September in Stockholm waren einerseits neue Diabetesmedikamente wie GLP-1-Analoga und SGLT-2-Inhibitoren und andererseits der Zusammenhang Diabetes und Krebsrisiko sowie Diabetes und Knochenstoffwechsel.
#Diabetes und Krebsrisiko
In der Session Diabetes, obesity and cancer wies H.-C. Yeh, Baltimore, USA, darauf hin, dass Diabetes mit einem erhöhten Krebsrisiko assoziiert ist und Patienten mit vorbestehendem Diabetes und Krebsdiagnose eine schlechtere Prognose haben. Mögliche Erklärungen seien ein schnelleres Tumorwachstum infolge erhöhter Insulin- oder Glukosespiegel, eine weniger aggressive Krebstherapie bei diabetesassoziierten Komorbiditäten oder eine weniger intensive Diabetestherapie infolge des Karzinoms.
Im anschließenden Vortrag stellte J. Holly, Bristol, Großbritannien, Studienergebnisse vor, wonach Personen mit erhöhten Spiegeln des Insulin-like growth factors (IGFs) ein höheres Risiko für die Entwicklung von Karzinomen der Mamma, der Prostata, des Kolons und des Rektums haben. Zurzeit liefen klinische Studien mit Antikörpern bzw. Kinase-Inhibitoren, welche den IGF-Rezeptor - und teilweise auch den Insulin-Rezeptor - blockierten. Ob diese Therapieoptionen daher auch bei insulinbehandelten Diabetikern einsetzbar sein werden, sei jedoch sehr fraglich, so J. Holly.
#Taillenumfang und Krebsrisiko
T. Pischon vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung, München, erinnerte daran, dass Übergewicht nicht nur ein wichtiger Risikofaktor für Typ-2-Diabetes, sondern auch für bestimmte Karzinome sei. In diesem Zusammenhang stellte T. Pischon die European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition-(EPIC)-Studie vor. Demnach könne der Taillenumfang - mehr noch als der Body-Mass-Index (BMI) - das Risiko sowohl für Diabetes als auch für Karzinome vorhersagen. Dies lasse sich möglicherweise dadurch erklären, dass das viszerale Fettgewebe im Vergleich zum subkutanen Fettgewebe metabolisch aktiver sei und für die Karzinomentstehung relevante Zytokine und Hormone produziere. Bemerkenswerterweise war sowohl in hohen als auch in niedrigen BMI-Kategorien die Mortalität mit steigendem Taillenumfang assoziiert. Das hieße, dass auch schlanke Menschen mit abdominal betonter Fettverteilung ein erhöhtes Sterblichkeitsrisiko hätten und auch bei ihnen der Taillenumfang routinemäßig erfasst werden sollte.
#Metformin und Krebsrisiko
An anderer Stelle berichtete M. Pollak, Montreal, Kanada, davon, dass mit Metformin behandelte Diabetiker im Vergleich zu anderen Diabetikern ein um 40 % reduziertes Krebsrisiko aufweisen. Es sei unklar, ob Metformin einen chemopräventiven Effekt habe, der vor der Krebsentwicklung schütze, oder ob es das Wachstum von bereits vorhandenen Karzinomen hemme oder beides, so M. Pollak. Ebenso müsse noch erforscht werden, ob diese Effekte auch bei Menschen ohne Diabetes relevant seien, dass heißt ob Metformin also auch bei Nicht-Diabetikern das Krebsrisiko reduziere.
Die komplexen Wirkungen von Metformin seien bisher nur teilweise erforscht, so M. Pollak. Metformin hemme unter anderem die Bildung des Energiemoleküls ATP in den Zellen. Erstens werde dadurch das Wachstum der Krebszellen gehemmt. Zweitens sinke durch Metformin nicht nur der Glukosespiegel, sondern auch der Insulinspiegel. Diejenigen Karzinome, die nachweislich unter Insulineinfluss wachsen, könnten so in ihrer Progression gehemmt werden. Und schließlich versuchten Krebszellen oftmals weiterzuwachsen ohne zu erkennen, dass sie dazu aufgrund des durch Metformin verursachten Energiedefizits nicht in der Lage seien.
#Metformin als Krebsmedikament
Diese Erkenntnis sei die Grundlage dafür, Metformin in der Krebsprävention und -therapie einzusetzen, wie aktuell in einer bereits laufenden klinischen Studie zum Einsatz von Metformin bei frühen Brustkrebsformen geschehen. Wenngleich der patentfreie Status von Metformin das Interesse der Industrie bremse, Studien mit Metformin durchzuführen, so sei doch das wissenschaftliche Interesse in diesem Bereich groß und es bestehe ja auch die Möglichkeit, neue Metformin-Derivate zu entwickeln, so Pollak.
#Diabetes und Knochenfrakturen
In der Session Diabetes and the bone wurde der Zusammenhang zwischen Diabetes und Knochenstoffwechsel diskutiert. P. Vestergaard, Aarhus, Dänemark, wies in seinem Vortrag auf die Auswirkungen hoher Glukosespiegel auf den Knochen hin. Typ-1-Diabetiker wiesen oft eine erniedrigte Knochendichte auf. Dies sei unter anderem auf einen erhöhten Kalziumverlust über die Niere und eine gestörte Knochenneubildung zurückzuführen. Demgegenüber zeigten Typ-2-Diabetiker - vermutlich aufgrund des durchschnittlich höheren Körpergewichtes - sogar eine etwas erhöhte Knochendichte. Trotzdem sei auch bei ihnen das Frakturrisiko erhöht, da die biomechanische Belastbarkeit ihrer Knochen herabgesetzt sei.
#Vorsicht bei Knochendichtemessung
Die üblichen Methoden zur Knochendichtemessung könnten dies nicht erfassen und neue Methoden zur Bestimmung des Frakturrisikos bei Typ-2-Diabetikern müssten erst noch etabliert werden. Zugleich warnt P. Vestergaard vor dem Einsatz traditioneller antiresorptiver Osteoporose-Medikamente bei Typ-2-Diabetikern, da häufig ein "low-turnover"-Zustand vorliege, der durch diese Medikamente zusätzlich verstärkt werden könne.
#Insulin und Knochenfrakturen
Im Gegensatz zu den Glitazonen beeinflusse Insulin den Knochenstoffwechsel nicht, so M. Monami aus Florenz, Italien. Dennoch sei auch unter Insulin das Frakturrisiko erhöht, allerdings hier infolge von Hypoglykämien. Männer seien häufiger als Frauen betroffen, und dass obwohl Männer eine geringere Inzidenz von osteoporosebedingten Spontanfrakturen zeigten. Der größere Einfluss der Osteoporose auf die Frakturinzidenz bei Frauen könnte bei ihnen die Auswirkung anderer Risikofaktoren, wie die der Hypoglykämie, maskieren, so M. Monami.
#Osteocalcin und Glukosestoffwechsel
Eine wichtige Verbindung zwischen Diabetes und Knochen stellt das Hormon Osteocalcin dar, welches im Knochen gebildet wird und sowohl den Knochen- als auch den Glukosestoffwechsel beeinflusst. Wie P. Ducy, New York, USA, ausführte, erhöhe Osteocalcin Insulinsekretion und Insulinsensitivität, vermehre die Betazellmasse im Pankreas und senke die Körperfettmasse mittels Bildung von Adiponektin. Umgekehrt habe Insulin Einfluss auf die Osteoblasten und Osteoklasten. Osteoblasten wiederum seien in der Lage ein Prähormon des Osteocalcin zu produzieren, während Osteoklasten durch Knochenabbau ein saures Milieu erzeugten, welches für die Aktivierung von Osteocalcin notwendig sei. P. Ducy sieht daher die Chance, zukünftig Diabetes auch durch Erhöhung des Osteocalcin-Spiegels zu behandeln.
#Diabetikerinnen ohne kardiovaskulären Schutz
In der Session Sex matters berichtete K. Schenk-Gustaffson, Stockholm, Schweden, von einer ausgeglichenen kardiovaskulären Mortalität zwischen den Geschlechtern. Der bei Nicht-Diabetikerinnen prämenopausal vermutlich durch Östrogen vorhandene Schutz vor kardiovaskulären Erkrankungen sei bei Diabetikerinnen zu keiner Zeit vorhanden. Vor diesem Hintergrund sei das Ergebnis der schwedischen RiKsHIA-Studie beachtenswert, wonach Frauen - im Vergleich zu Männern - nach Herzattacken seltener ACE-Hemmer, Betablocker, Acetylsalicylsäure und Statine erhalten. Auch im Euro Heart Survey waren im Vergleich Frauen mit Diabetes und kardiovaskulären Erkrankungen unterdiagnostiziert und untertherapiert worden. M. Laakso, Kuopio, Finnland hob die Bedeutung von Adiponektin als Marker für das Diabetesrisiko insbesondere bei Frauen hervor. Zusammenfassend wurde festgestellt, dass Frauen häufiger ihre Zielwerte nicht erreichen, weder für Blutdruck, Blutfette oder Blutglukose, ohne das bekannt wäre warum.
#Neue Substanzgruppe SGLT-2-Inhibitoren
Dapagliflozin ist die erste Substanz der neuen Wirkstoffklasse der selektiven Sodium-Glucose-Cotransporter-2-(SGLT-2)-Inhibitoren, welche Insulin-unabhängig die renale Glukosereabsorption hemmen. In Posterpräsentationen zu Dapagliflozin-Studien zeigte sich bei Personen mit Typ-2-Diabetes und unbefriedigender Stoffwechsellage für die Monotherapie [A. Salsali et al. Abstr 869-OR], als add-on Therapie zu Metformin [M. Nauck et al. Abstr 241-OR], als add-on Therapie zu Glimepirid [K. Strojek et al. Abstr 870-OR] sowie als add-on zu Insulin [N. G. Soler et al. Abstr 872-OR; J.P.H. Wilding et al. Abstr 871-OR] eine signifikante Senkung von HbA1c-Wert und Körpergewicht. In der höchsten Dosierung (10 mg Dapagliflozin) betrug die HbA1c-Senkung unter Monotherapie -0,89 %, als add-on zu Metformin -0,84 % und als add-on zu Insulin -0,90 %. Das Körpergewicht sank unter Monotherapie um -3,2 kg, als add-on zu Metformin um -2,9 kg und als add-on zu Insulin um -1,7 kg [S. Parikh et al. Abstr 869-OR].
#Dapagliflozin und Genitalinfekte
Hypoglykämien, Harnwegsinfektionen sowie schwere unerwünschte Ereignisse waren selten und traten im Vergleich zu Placebo nicht gehäuft auf. Lediglich Genitalinfekte - sowohl bei der Frau als auch beim Mann - waren unter Dapagliflozin häufiger zu beobachten. Inwiefern sich Wirksamkeit und Nebenwirkungsprofil der beiden anderen in Entwicklung befindenden SGLT-2-Inhibitoren Canagliflozin [J. Rosenstock et al. Abstr 873-OR] und BI 10773 [E. Ferrannini et al. Abstr 877-OR] unterscheiden, bleibt abzuwarten.
#GLP-1-Analoga und Pankreatitis
Neben den beeindruckenden Effekten der GLP-1-Analoga auf Stoffwechsel und Körpergewicht wird immer mal wieder über potenzielle (seltene) Nebenwirkungen berichtet. In der Session Non-insulin antidiabetic agents - typical and atypical effects wies M. Nauck, Bad Lauterberg, darauf hin, dass zwar Fälle einer akuten Pankreatitis berichtet wurden, ein möglicher pathophysiologischer Mechanismus aber bisher nicht bekannt sei. Man müsse auch bedenken, dass bekanntermaßen die Inzidenz einer akuten Pankreatitis bei Übergewicht und/oder Diabetes höher sei als in der Normalbevölkerung. In einem Poster wurde eine retrospektive Kohortenstudie präsentiert, welche anhand von Daten US-amerikanischer Krankenversicherer keine erhöhte Inzidenz für eine akute Pankreatitis unter der Behandlung mit Exenatid zeigte, insbesondere wenn berücksichtigt wurde, dass mit Exenatid behandelte Personen häufiger Übergewicht oder eine Cholelithiasis hatten [G. Bloomgren et al. Abstr 76-OR].
#GLP-1-Analoga und Kardioprotektion
M. Nauck berichtete außerdem von Tiermodellen, wonach sich beim Myokardinfarkt unter Therapie mit GLP-1-Analoga die Größe des Infarktes verringern ließ. Denkbar sei, dass es einen weiteren - bisher nicht genauer identifizierten - GLP-1-Rezeptor gebe, wodurch sich unter anderem die Dilatation von Blutgefäßen unter GLP-1-Analoga erklären ließe, so M. Nauck.
#GLP-Analoga und Betazellprotektion
Ebenfalls in Tiermodellen hätten GLP-1-Analoga bereits zeigen können, dass sie in der Lage sind, die Betazellmasse des Pankreas zu erhöhen, so M. Nauck. Beim EASD wurde ein Poster mit Studiendaten präsentiert. Die Patienten erhielten über 3 Jahre randomisiert entweder Exenatid oder Insulin Glargin. Bei identischer Stoffwechsellage war am Ende der 3 Jahre in der Exenatid-Gruppe die Erste-Phase-Antwort der Insulinsekretion nach Stimulation signifikant besser als in der Insulin-Gruppe [M. C. Bunck et al. Abstr 848-OR].
#Kombination Exenatid und Insulin
In einer anderen Posterpräsentation wurde weltweit erstmals eine kontrollierte Studie zur Kombination Exenatid und Insulin vorgestellt. Bei unzureichender Stoffwechsellage (durchschnittlicher HbA1c-Wert 8,4 %) unter der Therapie mit Insulin Glargin erhielten die Teilnehmer randomisiert entweder Exenatid 10 µg zweimal täglich oder Placebo über einen Zeitraum von 30 Wochen. Der HbA1c-Wert sank unter Exenatid signifikant stärker (-1,7 %) als unter Placebo (-1,0 %). Während das Körpergewicht in der Plazebo-Gruppe um 1,0 kg anstieg, reduzierte es sich in der Exenatid-Gruppe um durchschnittlich 1,8 kg [R. M. Bergenstal et al. Abstr 73-OR].
#Exenatid zweimal täglich und Exenatid LAR
In einer 24-wöchigen Vergleichsstudie (DURATION-5) wurde die einmal wöchentliche Injektion von Exenatid LAR 2,0 mg mit der zweimal täglichen Injektion von Exenatid 10 µg verglichen.
Bei einem durchschnittlichen Ausgangs-HbA1c-Wert von 8,4 % sank der HbA1c unter Exenatid LAR (minus 1,6 %-Punkte) signifikant stärker als unter Exenatid zweimal täglich (minus 0,9 %-Punkte; p < 0,0001). Die Gewichtsreduktion lag unter Exenatid LAR bei -2,3 kg und unter Exenatid bei -1,4 kg. Schwere Hypoglykämien traten in beiden Gruppen nicht auf. Studienabbrüche infolge unerwünschter Wirkungen waren selten [J. Pullman et al. Abstr 843-OR].
Dr. med. Winfried Keuthage, Münster

