Kommentar
Die Besonderheiten des Arbeitsplatzes auf See führen es mit sich, dass Seeleute auch
heute noch berufsspezifischen gesundheitlichen Risiken wie Unfällen, erhöhter UV-Strahlung
oder psychomentalen Belastungen ausgesetzt sind. Aus infektionshygienischer Sicht
ist auch das enge, einem Haushaltskontakt vergleichbare, oft monatelange Zusammenleben
von Seeleuten aus unterschiedlichen Weltregionen ein Risikofaktor für die Übertragung
von ansteckenden Erkrankungen.
Die „Centers for Disease Control and Prevention“ in den USA benennen die „five C's
of MRSA transmission“ mit: „crowding“, „frequent skin-to-skin contact“, „compromised
skin integrity“, „contaminated items“ und „surfaces and lack of cleanliness“ [1]. La Mar et al. beschreiben das Auftreten einer Hautinfektion durch MRSA bei 2 Rekruten
an Bord eines Marineschiffes. Wie die Nasenabstriche der 125 Mannschaftskollegen im
selben Wohnbereich ergaben, waren 6,4 % asymptomatische MRSA-Träger [2].
Der Untersuchung von Lucas et al. zufolge sind Hautinfektionen durch MRSA bei Seeleuten
möglicherweise häufiger, als bisher angenommen. Wahrscheinlich wurde die Häufigkeit
von MRSA verdächtigen Befunden durch Fehlklassifikationen überschätzt. Genauere Daten
können nur Studien mit mikrobiologischer Probenentnahme liefern. Deren Ergebnisse
werden direkte Auswirkungen für die medizinische Behandlung der Seeleute haben und
darüber hinaus zum Verständnis der globalen Epidemiologie von CA-MRSA beitragen.
Die Prävalenz der bisher bekannten CA-MRSA Stämme unterscheidet sich geografisch erheblich.
Die Bedeutung des Reiseverkehrs und von Migrationsbewegungen bei der globalen Ausbreitung
verschiedener CA-MRSA-Stämme sind Gegenstand von Untersuchungen. CA-MRSA-Stämme wurden
praktisch in allen industrialisierten Ländern nachgewiesen [1]
[3]. In Asien und Osteuropa, wo ein Großteil der Seeleute der Handelsflotte rekrutiert
wird, ist die Epidemiologie von CA-MRSA bis auf wenige Fallberichte nicht bekannt
[4].
Ärzte, die in den Häfen eine chirurgische Behandlung von Panaritien, Furunkeln/Karbunkeln
oder Abszessen des Haut-Weichteilgewebes bei Seeleuten durchführten, sollten die Entnahme
eines Abstriches aus dem Eiter und eine mikrobiologische Untersuchung erwägen und
in der Auswahl des Antibiotikums eine mögliche MRSA-Infektion berücksichtigen. Die
Hafenärztlichen Dienste können die behandelnden Ärzte bei der Kommunikation der Befunde
an die Reedereien unterstützen.
Dr. Clara Schlaich, Hamburg