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DOI: 10.1055/s-0030-1267879
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York
Sprunggelenksendoprothese – Vorsicht bei innenrotiertem Talus!
Publication History
Publication Date:
06 October 2010 (online)
Zur Entwicklung eines besseren Verständnisses für die biomechanischen Grundlagen der Sprunggelenksendoprothetik wurde im Rahmen der vorliegenden Arbeit der Effekt einer Malrotation des Talus auf den Kontaktstress und die Kraftübertragung via das Sprunggelenk untersucht. Impact of Talar Component Rotation on Contact Pressure after Total Ankle Arthroplasty: A Cadaveric Study. Foot Ankle Int. 2010; 31: 404 – 411
Einleitung
Biomechanische Forschung zu Sprunggelenkstotalendoprothesen haben bereits gezeigt, dass geringfügige Inkongruenzen im Bereich der Endoprothese Funktionseinschränkungen zur Folge haben können. Vermehrter Kontaktstress etwa bewirkt ein schnelleres Aufbrauchen des Polyethyleninlays, Auftreten von Osteolysen und kann letztlich das Versagen der Endoprothese zur Folge haben.
Methodik
An 6 humanen anatomischen Präparaten von Unterschenkel mit Sprunggelenk und Fuß wurden 3-mal pro Präparat eine Agility-Sprunggelenkstotalendoprothese unter Rotation der talaren Komponente in 7,5° Innenrotation, 7,5° Außenrotation und in Neutralposition implantiert. Dabei wurde das Alignment fluoroskopisch gesichert. Die Implantation erfolgte in üblicher Art und Weise, die Komponenten wurden zementiert. Achsanalysen wurden per CAD-Vermessung 2-zweimal implantiert, sodass im Rahmen der Versuche 18 Modelle konstruiert wurden.
Die Testungen wurden in einer Beinhalterung mit Simulation eines Bewegungsausmaßes von Plantarflektion/Dorsalextension, Inversion/Eversion und Innen-/Außenrotation durchgeführt unter Simulation eines maximalen Körpergewichts von 74 kg. Tekscan-Sensoren registrierten entstehende Drücke im Sprunggelenk. So wurden Spritzendrücke und Belastungsflächen unter statischer Last, statische versus dynamische Spitzendrücke sowie mit talarer Rotation auftretender Torsionsstress untersucht.


Bild: Schünke M et al. Prometheus. Allgemeine Anatomie und Bewegungsapparat. Grafik: M. Voll Stuttgart: Thieme, 2004.
Ergebnisse
Unter zunehmender statischer Belastung erhöhen sich die gemessenen Spitzendrücke. Der größte Effekt besteht bei innenrotiertem Talus. Die Kontaktfläche der Endoprothese vergrößert sich bei zunehmender statischer Belastung in allen konstruierten Modellen in ähnlichem Maß. Eine Inkongruenz resultiert letztlich in einer Zweipunktbelastung. Es hat sich im Rahmen der Versuche ebenfalls gezeigt, dass sich in Rotationspositionen höhere Werte für dynamische Messungen als für statische Messungen ergeben. Torsionsstress erhöht sich ebenfalls unter zunehmender axialer Belastung, wobei Spitzenwerte bei innenrotierter talarer Komponente erzielt werden; bei außenrotierter talarer Komponente ergeben sich ebenfalls erhöhte Werte gegenüber Untersuchungen bei neutralem Alignment.
Kerstin Radtke
Orthopädische Klink der Medizinischen Hochschule Hannover
Email: Radtke.Kerstin.Orthopaedie@mh-hannover.de
Kommentar
Den Autoren dieser Arbeit ist es gelungen, ein Versuchsmodell zu konstruieren mit dem sowohl biomechanische Untersuchungen als auch dynamische Spitzendrucktestungen durchführbar sind.
In dieser Arbeit wird besonders der negative Effekt einer innenrotiert implantierten talaren Komponente auf die Biomechanik deutlich. Vor diesem Wissen ist bereits jetzt auf die Vermeidung dieses Fehlers bei der Implantation zu achten.
Es wird jedoch nur mit einer geringen Zahl an Modellen gearbeitet, und es kann aufgrund der geringen Anzahl an Rotationspositionen nicht herausgearbeitet werden, ob das Verhältnis zwischen dem Grad der Rotation und den auftretenden Belastungen zwischen den Komponenten linear oder exponentiell ist. Ebenso wäre es interessant zu analysieren, ab welchem Ausmaß einer malrotierten Implantation Auswirkungen auf die Biomechanik zu erwarten sind.
Es sind auf der Grundlage dieser Studie Folgen eines Malalignments der Komponenten wie talare Lockerung über Mikrobewegungen, Mehrpunktbelastungen bei Inkongruenz und gehemmtes Knochenwachstum denkbar. Zur Untersuchung der Auswirkungen der Malrotation von Komponenten und entsprechend assoziierter Spitzendrücke auf das In-vivo-Modell sind Nachuntersuchungen nach Implantation mit dreidimensionaler Abbildung der Endoprothese und radiologischer Analyse des Alignments jedoch unersetzlich. Die vorliegenden Ergebnisse sollten den orthopädischen Chirurgen dazu anhalten, bei persistierenden Beschwerden nach Sprunggelenkstotalendoprothesenimplantation weiterführende Diagnostik, wie die Durchführung von Rotations-CTs einzuleiten zum Ausschluss einer Malrotation.
Kerstin Radtke


Bild: Schünke M et al. Prometheus. Allgemeine Anatomie und Bewegungsapparat. Grafik: M. Voll Stuttgart: Thieme, 2004.