ergopraxis 2010; 3(10): 12
DOI: 10.1055/s-0030-1267461
wissenschaft

Geschlechterdifferenzen – Bei Jungen besteht häufiger Förderbedarf als bei Mädchen

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01 October 2010 (online)

 
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    Jungen benötigen häufiger Ergotherapie als Mädchen. Der Grund dafür ist, dass sich die beiden Geschlechter deutlich in ihren motorischen und auditiven Leistungen unterscheiden. Zu diesem Ergebnis kam die Ergotherapeutin Sonja Hüttemann und der Gesundheits- und Notfallpsychologe Gernot Brauchle in einer retrospektiven Querschnittstudie an der Privaten Universität für Gesundheitswissenschaften, Medizinische Informatik und Technik in Hall, Österreich.

    Die Forscher analysierten 352 Datensätze einer ergotherapeutischen Praxis. Die Akten stammten aus den vergangenen 15 Jahren und bezogen sich auf Kinder zwischen 5 und 9 Jahren, bei denen eine Entwicklungsstörung vorlag. Alle Dokumente beinhalteten neben anamnestischen Informationen auch Ergebnisse standardisierter Testverfahren zu den visuell-räumlichen Leistungen (FEW), der auditiven Wahrnehmung (Mottier-Test), den motorischen Fertigkeiten (FTM) und der Intelligenz (CFT1). 76 Prozent der Kinder waren Jungen, die sich in ihren motorischen Fertigkeiten signifikant von den Mädchen unterschieden. Letztere erzielten deutlich bessere Ergebnisse in den Bereichen Gelenkigkeit und Gleichgewicht. Die Jungen hingegen schnitten in Testaufgaben besser ab, welche Kraft oder Auge-Hand-Koordination erforderten. Weitere geschlechtsspezifische Differenzen bestanden in der auditiven Perzeption. So identifizierte der Mottier-Test bei 81 Prozent der Jungen eine auditive Störung, während entsprechende Auffälligkeiten nur bei 68,8 Prozent der Mädchen vorlagen.

    Aus Sicht der Forscher bestätigen diese Ergebnisse die Annahme, dass bei Jungen häufiger Entwicklungsstörungen auftreten als bei Mädchen. Aufgrund der ermittelten Differenzen empfehlen sie Ergotherapeuten daher, frühzeitig mit einer geschlechtsspezifischen Förderung in der Behandlung zu beginnen.

    akb

    ergoscience 2010; 5: 46–55