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DOI: 10.1055/s-0030-1267423
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York
Gerontopsychiatrisches und -psychotherapeutisches Wissen in die Praxis tragen
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
04. Oktober 2010 (online)
- 10-jähriges Bestehen der Deutschen Akademie für Gerontopsychiatrie und -psychotherapie e.V.
- Struktur der Akademie
- Grundlagen für alle
- Kompakt für Hausärzte
- Angebote für Nichtmediziner
- Welt-Alzheimertag 2010
- Vorankündigung
Verantwortlich für diese Rubrik: Martin Haupt, Düsseldorf; Thomas Kunczik, Wiehl
#10-jähriges Bestehen der Deutschen Akademie für Gerontopsychiatrie und -psychotherapie e.V.
In unserem Land gibt es immer mehr ältere Menschen. Dieser Trend wird sich in Zukunft weiter verstärken. Mit zunehmendem Lebensalter treten vermehrt Erkrankungen auf. Einen besonderen Stellenwert haben dabei psychische Erkrankungen wie etwa Depression und Demenzen. Aktuelle Hochrechnungen von Fritz Beske erwarten in den nächste 40 Jahren eine Verdoppelung der Demenzkranken von 1,1 auf 2,2 Millionen und damit eng verbunden auch eine Verdoppelung der Pflegebedürftigen von 2,2 auf 4,4 Millionen.
Um ein qualifiziertes Forum für Fort- und Weiterbildung in Gerontopsychiatrie und -psychotherapie zu schaffen, gründeten auf Initiative des Vorstandes der DGGPP am 21. Juni 2000 im Anschluss an die Fachtagung "25 Jahre Psychiatrieenquete: Was hat sie für die Gerontopsychiatrie gebracht?" engagierte Gerontopsychiater die Deutsche Akademie für Gerontopsychiatrie und -psychotherapie (DAGPP). Es wurden Fortbildungen durchgeführt sowie das "Gesamtcurriculum Gerontopsychiatrie und -psychotherapie" entwickelt und im Juni 2004 in Basel verabschiedet.
Damit diese erfolgreiche Arbeit eine festere Basis sowie Rechtsform bekommen und die Arbeit weiter in die Breite getragen werden konnte, gründeten Mitglieder der DGGPP e.V. im Februar 2007 in Mannheim schließlich die Akademie als eingetragenen Verein. Präsident Rolf D. Hirsch, Vizepräsident Claus Wächtler.
#Struktur der Akademie
Die Akademie ist eine unabhängige, multiprofessionelle Fort- und Weiterbildungseinrichtung und allein dem Wohl der Patienten und dem Stand der Wissenschaft verpflichtet – sie arbeitet ohne finanzielle Unterstützung sowohl der pharmazeutischen Industrie als auch von an-deren Anbietern im Gesundheitswesen. Ihre Mitglieder und die inzwischen 69 Lehrbeauftragten der Akademie sind Gerontopsychiater mit einem großen praktischen Erfahrungsschatz. Sie haben sich zur Einhaltung eines Kodex verpflichtet, ihre Honorare werden ausschließlich aus Teilnahmegebühren finanziert.
Im ersten Arbeitsschritt wurde 2007 das Curriculum "Gerontopsychiatrische Grundversorgung" entwickelt. Dieses vermittelt Grundkenntnisse in Diagnostik und Therapie sämtlicher gerontopsychiatrischer Krankheitsbilder sowie 20 Stunden Fallarbeit und 20 Stunden Hospita tion in einem Lehrkrankenhaus.
Um als Lehrkrankenhaus der Akademie ernannt zu werden, muss die Einrichtung/Abteilung über mindestens 2 gerontopsychiatrische Stationen verfügen (ersatzweise eine Station und eine gerontopsychiatrische Tagesklinik) und mindestens 300 gerontopsychiatrische stationäre/teilstationäre Fälle pro Jahr aufweisen. Außerdem sollte das "typische gerontopsychiatrische" Diagnosespektrum abgebildet sein. Inzwischen konnte die Akademie bundesweit 31 Lehrkrankenhäuser ernennen, die diese Kriterien erfüllen und in denen die Hospitationen durchgeführt werden. (Die aktuelle Liste findet sich im Internet unter http://www.dagpp.de)
#Grundlagen für alle
Die Akademie stellte das Zertifikat "Gerontopsychiatrische Grundversorgung" im Herbst 2007 der Fachwelt vor. Auf eine Aussendung gemeinsam mit der Deutschen Alzheimer Gesellschaft haben sich knapp 1000 Interessierte gemeldet. Die Umsetzung begann auf der ersten Jahrestagung der Akademie im Juni 2008 in Schwerin. Bislang haben über 100 Teilnehmer an den Kursen teilgenommen, 45 Zertifikate konnten überreicht werden – Tendenz weiter steigend.
Wider Erwarten war das Interesse von Hausärzten an diesen Kursen relativ gering. Als Hauptursache wurde der relativ hohe Zeitaufwand für den Erwerb des Zertifikates identifiziert. Dabei hat die Hausarztpraxis die einzigartige Möglichkeit der Versorgung über eine lange Lebensspanne, auch bei wechselnden Versorgungsbedürfnissen, wie z.B. notwendige Hausbesuche oder Versorgung im Pflegeheim. Der Hausarzt gilt als "Schaltstelle" der Versorgung alter Menschen und speziell mit einer Demenz. Zudem werden mehr als 90% von etwa 1 Million Menschen, die derzeit in Deutschland an einer Demenz leiden, von Hausärzten betreut. Aus der Berliner Altersstudie geht hervor, dass 93% der über 70-Jährigen in regelmäßiger hausärztlicher Betreuung stehen.
#Kompakt für Hausärzte
Vor diesem Hintergrund wurde Anfang 2009 der Kompaktkurs "Gerontopsychiatrie für Hausärzte" entwickelt. An einem Fallbeispiel ("Kommt ein alter Mann zum Hausarzt, der sich öfters verläuft, Stimmungsschwankungen hat und über Gedächtnisprobleme klagt...") orientiert, wird in 2-mal 4 Stunden Theorie sowie 2 Stunden Hospitation in einer in der Ausbildungsregion liegenden gerontopsychiatrischen Klinik nicht nur die gerontopsychiatrische Kompetenz der Hausärzte gestärkt, sondern auch der Gerontopsychiatrie in der Region "ein Gesicht gegeben".
Erste Testläufe zeigten ein großes Interesse und sehr positive Rückmeldungen im Rahmen der Qualitätssicherung. Die Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern bietet wegen des guten Erfolges erneut die theoretischen Inhalte im Rahmen ihrer Fortbildungen an. 2011 wird der Kurs in das regelmäßige Angebot der Akademie aufgenommen, die Lerninhalte des Kom-paktkurses werden dabei inhaltlich und finanziell beim Erwerb des Zertifikates "Gerontopsychiatrische Grundversorgung" angerechnet.
#Angebote für Nichtmediziner
Die Bedarfe an gerontopsychiatrischem Wissen wachsen aber mit der zunehmenden Zahl an Betroffenen auch bei anderen Berufsgruppen wie der Pflege und der sozialen Arbeit. Zweitägige Kurse für professionell Pflegende wurden im Rahmen der 1. Jahrestagung 2008 in Schwerin und im Rahmen des 9.DGGPP-Kongresses 2009 in Berlin angeboten und rege genutzt.
In Kooperation mit der Dualen-Hochschule Baden-Württemberg in Stuttgart und der katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen in Köln wurde das Zertifikat "Gerontopsychiatrie für Soziale Arbeit" der Akademie entwickelt. Es wendet sich an Diplom-SozialarbeiterInnen/SozialpädagogInnen sowie weitere soziale Berufsgruppen. Mit 72 Stunden Theorie (u.a. Krankheitslehre, Psychologie, Recht, Pflege, Rehabilitation, Ökonomie) und 24 Stunden praktischer Vertiefung des sozi-alarbeiterischen Handlungswissens erhalten die Teilnehmer ein solides theoretisches und praktisches Wissen für ihre Arbeit. Der erste Kurs findet im Rahmen der 2. Jahrestagung der Akademie vom 10.- 13. November 2010 in der Dualen-Hochschule Baden-Württemberg in Stuttgart statt. (Mehr Informationen auf der Webseite der Akademie.)
Auf der Basis dieses Kurses wurde das Zertifikat Qualifizierte Pflegeberatung entwickelt. Die AOK-Baden Württemberg hat die Akademie beauftragt, ihre Pflegeberater mit dem 112-stündigen Kurs weiter zu qualifizieren. 50 AOK-MitarbeiterInnen werden im AOK-Bildungszentrum von Oktober 2010 bis Juni 2011 ausgebildet.
Der DGGPP-Vorstand gratuliert der Akademie und den in ihr engagierten Vorstandsmitgliedern und Lehrbeauftragten sehr herzlich zu der bisher geleisteten Arbeit und dem 10. Geburtstag und wünscht im Sinne der gemeinsamen Sache ein weiteres erfolgreiches Wachstum.
#Welt-Alzheimertag 2010
#Morbus Alzheimer: Vorhandene Behandlungsmöglichkeiten nutzen
Seit 1994 findet mit Unterstützung der WHO am 21. September der Welt-Alzheimertag statt, um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die Alzheimer-Krankheit zu richten. Aus diesem Anlass hat die DGGPP zusammen mit der Hirnliga e.V. – Deutschlands Alzheimer-Forschern – in diesem Jahr erneut dazu aufgerufen bei der Therapie des Morbus Alzheimer alle bereits heute zur Verfügung stehenden Behandlungsmöglichkeiten zu nutzen.
"Bislang gibt es kein Medikament, das die Alzheimer-Krankheit heilen kann. Wann und ob überhaupt eine solche Arznei zur Verfügung stehen wird, lässt sich nicht vorhersagen", so Prof. Hans-Jürgen Möller, Vorsitzender der Hirnliga e.V. Deutschlands Bevölkerung verändert sich, die Menschen werden immer älter. Das Alter ist aber der Hauptrisikofaktor für die Alzheimer-Krankheit. Der hohe und lange Pflegeaufwand macht sie zu einer der teuersten Krankheiten, deren Kosten weiter steigen werden, wie auch die aktuellen Berechnungen des Statistischen Bundesamtes zeigen.
"Die Forschung geht intensiv voran und es gibt vielversprechende Ergebnisse, aber auch Ernüchterungen. So ist etwa die Euphorie über eine baldig verfügbare "Alzheimer-Impfung" verflogen. Als Forscher können wir nur dringend empfehlen, alle heute schon vorhandenen Möglichkeiten zur Vorbeugung und Behandlung zu nutzen. Bei einer frühzeitigen Diagnose und rechtzeitigem Beginn der Therapie ist es möglich, den Verlauf der Alzheimer-Krankheit positiv zu beeinflussen", so Möller weiter.
Dabei sollen Medikamente, nichtmedikamentöse Therapien und pflegerische Maßnahmen in einem therapeutischen Gesamtkonzept eingesetzt werden. Die Therapien bewirken eine Verlangsamung der Krankheitsentwicklung und ermöglichen den Betroffenen und ihren Angehörigen, über einen längeren Zeitraum in Selbstbestimmung und Würde zu leben. Durch eine deshalb später erfolgende Aufnahme in Pflegeheime werden zusätzlich noch Kosten gespart.
"Bei psychisch kranken Älteren, insbesondere den Alzheimer-Kranken, herrscht seit Jahren eine klare medizinische Unter- und Fehlversorgung", so der Präsident der DGGPP e.V. Prof. Dr. Hans Gutzmann. "Viele Alzheimer-Patienten sind unerkannt und werden nicht behandelt. Aber auch bei jenen, die erkannt wurden, ist eine spezifische Behandlung leider nicht obligatorisch, auch kommt trotz des sehr komplexen Krankheitsbildes nur etwa jeder zehnte Alzheimer-Kranke im Laufe seiner Krankheit mit einem Facharzt in Kontakt. Diese Tendenz zur Unterversorgung setzt sich selbst in den Abteilungen für Alterspsychiatrie fort. Waren diese in den vergangenen Jahrzehnten Motor für eine Vernetzung und Verbesserung der ambulanten Versorgung, so können heute viele wegen fehlendem und überlastetem Personal schon länger nicht mehr mit der notwendigen Intensität und Qualität arbeiten."
Als eine wesentliche Ursache dieser Entwicklung sehen die Alterspsychiater die Trennung zwischen Kranken- und Pflegekasse: "Solange die Politik die Alzheimer-Krankheit eher als pflegerisches Problem betrachtet und die Chancen, die eine medizinische Behandlung bietet, nicht erkennt, bleibt die Trennung zwischen Kranken- und Pflegekasse erhalten. Betriebswirtschaftlich ist es dabei für eine Krankenkasse nicht sinnvoll eine Behandlung zu bezahlen, deren Nutzen – durch die verspätete Pflegebedürftigkeit – die Pflegekasse hat. Deshalb bleibt das medizinisch Notwendige und volkswirtschaftlich Sinnvolle ungetan", so Hans Gutzmann weiter.
Vor diesem Hintergrund fordert die DGGPP zusammen mit der Hirnliga e.V. seit langem Kranken und Pflegekasse unter einem Dach zu vereinigen.
#Vorankündigung
#X. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Gerontopsychiatrie und -psychotherapie e.V.
Thema: "Alterspsychiatrie 2011 – Seelische Gesundheit Demografischer Wandel"
11.-13. Mai 2011
Hotel Aquino, Tagungszentrum der katholischen Akademie, Hannoversche Str. 5b, 10115 Berlin
Vorgesehene Themen u.a.
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Lebensqualität bei Demenz
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Krankheitsmodifizierende Therapien bei Demenz
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Leitlinien und Versorgungsqualität
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Nichtmedikamentöse Verfahren
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Demenz & Fahrtauglichkeit
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Psychometrische Diagnostik
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Gerontopsychiatrische Versorgung in Heimen
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Palliative Behandlung, Sterbebegleitung
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Strategien bei herausforderndem Verhalten
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Gerontopsychiatrie für soziale Berufe
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Schnittstelle Gerontopsychiatrie/Geriatrie
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Wo fängt Gerontopsychiatrie an
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Paardynamik im Alter
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Angst im Alter
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Sucht im Alter
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Entgeltsysteme
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Psychisch kranke alte MigrantInnen
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Freie Vorträge
Mehr Informationen unter: http://www.dggpp.de