Dialyse aktuell 2010; 14(7): 402-403
DOI: 10.1055/s-0030-1267324
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Patienten mit Diabetes mellitus und terminaler Niereninsuffizienz – Peritonealdialyse ist eine medizinisch sinnvolle Therapieoption

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Publikationsdatum:
20. September 2010 (online)

 
Inhaltsübersicht

Die Peritonealdialyse (PD) ist in Deutschland das wichtigste Heimdialyseverfahren, das den Patienten eine große Flexibilität in ihrer Lebensgestaltung bietet und die Möglichkeit gibt, weiterhin ihrem Beruf nachzugehen. Insgesamt werden in Deutschland - anders als in anderen europäischen Ländern - jedoch nur circa 5 % der dialysepflichtigen Patienten mit PD behandelt [1]. Dies steht dem immer mehr propagierten Ansatz einer integrativen Nutzung von PD und Hämodialyse (HD) mit der PD als Starttherapie entgegen. Auch die ERBP-Expertengruppe (ERBP: "European Renal Best Practice") spricht sich in der kürzlich erschienenen Therapieempfehlung für "PD first" aus [2].

Aus medizinischer Sicht könnten etwa 87 % aller Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz mit der PD behandelt werden [3]. Ausgenommen sind vor allem Patienten mit zum Beispiel akuten entzündlichen Darmerkrankungen [4]. Die Mortalität von PD- und HD-Patienten unterscheidet sich insgesamt betrachtet nicht [5], [6]. Dies gilt auch für Patienten mit Diabetes mellitus [7]. Für die ersten Jahre der Nierenersatztherapie bietet die PD gegenüber der HD die gleichen oder sogar bessere Überlebensraten [6], [7].

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Vorteile der PD für Patienten mit Diabetes mellitus

Patienten mit Diabetes mellitus leiden häufig schon vor Beginn der Dialysetherapie unter kardiovaskulären Erkrankungen wie ischämischen Herzerkrankungen und linksventrikulärer Hypertrophie. Die intermittierende Hämodialyse kann bei diesen Patienten dialysebedingt zu hypotonen Phasen, zu koronaren Ischämien sowie Arrhythmien führen und damit die kardiovaskuläre Situation der Patienten weiter verschlechtern. Diese Nachteile kommen bei der PD als kontinuierlichem Verfahren nicht zum Tragen. Darüber hinaus bietet die PD folgende Vorteile [8], [9]:

  • keine zusätzliche kardiale Belastung durch einen Shunt

  • keine Shuntkomplikationen, die bei Diabetikern gehäuft auftreten

  • längerer Erhalt der Nierenrestfunktion

  • Heimdialyse mit besserer Lebensqualität und höherer Patientenautonomie

  • keine Heparinisierung erforderlich

  • geringere Häufigkeit einer Anämie und daher geringerer Erythropoetinbedarf

  • geringere Infektionsgefahr mit hämatogen übertragbaren Viren

  • meist geringere Kosten

Bei HD-Patienten sinkt die Nierenrestfunktion im Vergleich zu PD-Patienten um 24-89 % schneller ab [1]. Der längere Erhalt der Nierenrestfunktion bei PD-Patienten wird als Hauptursache für die in den ersten Jahren herabgesetzte Mortalität betrachtet. Wie diese Argumente verdeutlichen, können viele Patienten - insbesondere Patienten mit Diabetes und kardiovaskulären Erkrankungen - von der PD profitieren.

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Optimierte Peritonealdialyse bei Patienten mit Diabetes mellitus

Für PD-Patienten mit Diabetes mellitus ist der Einsatz glukosehaltiger Dialyselösungen bei entsprechender Anpassung der Insulindosierung jederzeit möglich. Durch die Wahl glukosefreier PD-Lösungen kann man aber auch gezielt auf den Bedarf diabetischer PD-Patienten eingehen. So kann der Einsatz von Dialyselösungen mit Polyglukose (Icodextrin) oder Aminosäuren als osmotisch wirksamen Substanzen die Glukosebelastung um etwa 40 % herabsetzen (Abb. [1]) [10].

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Abb. 1 Dialyselösungen mit Polyglukose (Icodextrin) oder Aminosäuren reduzieren die Glukoselast um mehr als 40 %. mod. nach [10]

Glukosefreie Dialyselösungen senken gleichzeitig die Zufuhr sogenannter Glukoseabbauprodukte (GDPs: "glucose degradation products"). GDPs können mit Proteinen der Peritonealmembran unter Bildung von sogenannten AGEs ("advanced glycation endproducts") reagieren. Letztere sind unter anderem Einflussfaktoren bei den strukturellen und funktionellen Veränderungen der Peritonealmembran als Folge einer dauerhaft erhöhten Glukoseexposition [10]. Icodextrin- und aminosäurehaltige Lösungen können zusammen mit Glukoselösungen mit niedrigem GDP-Gehalt die GDP-Exposition deutlich reduzieren, wie Abbildung [2] zeigt [11].

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Abb. 2 Ein Niedrig-Glukose-Regime reduziert die systemische GDP-Exposition (GDP: "glucose degradation product") signifikant. mod. nach [11]

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Einsatz glukosefreier Dialyselösungen bei Patienten mit Diabetes mellitus

Innerhalb einer randomisierten, kontrollierten Multicenterstudie setzten Paniagua et al. Icodextrin bei CAPD-Patienten (CAPD: "continuous ambulatory peritoneal dialysis") mit Diabetes mellitus ein. Der Beobachtungszeitraum umfasste mindestens 12 Monate [12]. Die mit Icodextrin behandelten Patienten erreichten eine größere Ultrafiltration als die ausschließlich mit glukosehaltigen Lösungen behandelten Patienten. Der Einsatz von Icodextrin führte zu einem signifikanten Absinken des extrazellulären Flüssigkeitsvolumens und des systolischen und diastolischen Blutdrucks. Insgesamt zeigten die Patienten der Icodextringruppe eine verbesserte Stoffwechselsituation mit einer herabgesetzten Glukoseresorption, niedrigeren Nüchternglukose- und HbA1c-Werten, einem geringeren Insulinbedarf sowie niedrigeren Triglyzeridspiegeln.

Bei CAPD-Patienten mit Diabetes mellitus, die eine icodextrin- und aminosäurehaltige Lösung erhielten, konnten Marshall et al. im Vergleich zu konventionellen Dialyseregimen die beste Einstellung der Blutzuckerwerte erzielen: Dies galt sowohl für die durchschnittliche Höhe als auch die Schwankungen der Blutzuckerwerte [13].

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Blutzuckermessung bei Anwendung von Icodextrin

Patienten, die mit Icodextrin behandelt werden, sollten ausschließlich glukosespezifische Blutzuckermessgeräte und Teststreifen verwenden. Blutzuckermessgeräte und Teststreifen auf Basis der Pyrroloquinolinquinon-abhängigen Glukosedehydrogenase (GDH-PQQ) oder Glukose-Dye-Oxidoreduktase dürfen nicht verwendet werden. Auch einige – jedoch nicht alle – Messgeräte oder Teststreifen auf Basis der Flavin-Adenin-Dinukleotid-abhängigen Glukosedehydrogenase (GDH-FAD) dürfen nicht verwendet werden. Diese Methoden interferieren mit dem Icodextrinmetaboliten Maltose und können zu falsch hohen Blutzuckermesswerten bei Patienten führen, die Icodextrin erhalten. Weitere Information einschließlich einer Liste mit kompatiblen Blutzuckermessgeräten finden Sie unter http://www.glucosesafety.com.

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Peritonealdialyse bringt Patienten mit Diabetes mellitus viele Vorteile

Die Peritonealdialyse bietet den Patienten deutlich mehr Freiheiten und steigert ihre Überlebenschancen - zumindest in den ersten Behandlungsjahren. Moderne Dialyselösungen mit Icodextrin und Aminosäuren als osmotisch wirksame Substanzen können die Glukosebelastung im Rahmen der PD erheblich reduzieren. Ärzte sollten daher speziell Diabetespatienten, die mit einer Dialysetherapie beginnen, über die Möglichkeiten und Chancen der PD auch im Sinne des integrativen Einsatzes von PD und HD informieren.

Dr. Sigrid Schwarz, Kön

Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Baxter Deutschland GmbH, Unterschleißheim.

Die Beitragsinhalte wurden nach Informationen der Baxter Deutschland GmbH, Unterschleißheim, zusammengestellt.

Die Autorin ist Mitarbeiterin der FAI GmbH, Köln.

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Literatur

  • 01 Frei U , Schober-Halstenberg H J. Nierenersatztherapie in Deutschland. Bericht über Dialysebehandlung und Nierentransplantation in Deutschland 2006/2007. Quasi-Niere 2007. Im Internet:. http://www.bundesverband-niere.de/files/QuaSi-Niere-Bericht_2006-2007.pdf
  • 02 Covic A , Bammens B , Lobbedez T , et al . Educating end-stage renal disease patients on dialysis modality selection: a clinical advice from European Renal Best Practice (ERBP) Advisory Board.  Nephrol Dial Transplant. 2010;  25 1757-1759
  • 03 Mendelssohn D C, Mujais S K, Soroka S D, et al . A prospective evaluation of renal replacement therapy modality eligibility.  Nephrol Dial Transplant. 2009;  24 555-561
  • 04 Li P K, Chow K M. Peritoneal dialysis patient selection: characteristics for success.  Adv Chronic Kidney Dis. 2009;  16 160-168
  • 05 Lee C C, Sun C Y, Wu M S. Long-term modality-related mortality analysis in incident dialysis patients.  Perit Dial Int. 2009;  29 182-190
  • 06 Heaf J G, Lokkehaard H , Madsen M . Initial survival advantage of peritoneal dialysis relative to haemodialysis.  Nephrol Dial Transplant. 2002;  17 112-117
  • 07 Vonesh E F, Snyder J J, Foley R N, Collins A J. The differential impact of risk factors on mortality in hemodialysis and peritoneal dialysis.  Kidney Int. 2004;  66 2389-2401
  • 08 Fußhöller A , Rump L C. Peritonealdialyse. Mehr Unabhängigkeit für Dialysepatienten mit Diabetes.  Diabetologe. 2009;  5 549-556
  • 09 Kuriyama S . Peritoneal dialysis in patients with diabetes: are the benefits greater than the disadvantages?.  Perit Dial Int. 2007;  27 (Suppl 2) S190-S195
  • 10 Holmes C J, Shockley T R. Strategies to reduce glucose exposure in peritoneal dialysis patients.  Perit Dial Int. 2000;  20 (Suppl. 2) S37-S41
  • 11 le Pool C Y, van Ittersum F J, Valentijn R M, et al . The NEPP-PD regimen results in lower plasma levels of the glucose degradation product (GDP) 3-Deoxyglucosone in CAPD patients.  Perit Dial Int. 2004;  24 (Suppl 1) S20
  • 12 Paniagua R , Ventura M D, Avila-íaz M , et al . Icodextrin improves metabolic and fluid management in high and high-average transport diabetic patients.  Perit Dial Int. 2009;  29 422-432
  • 13 Marshall J , Jennings P , Scott A , et al . Glycemic control in diabetic CAPD patients assessed by continuous glucose monitoring system (CGMS).  Kidney Int. 2003;  64 1480-1486
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Literatur

  • 01 Frei U , Schober-Halstenberg H J. Nierenersatztherapie in Deutschland. Bericht über Dialysebehandlung und Nierentransplantation in Deutschland 2006/2007. Quasi-Niere 2007. Im Internet:. http://www.bundesverband-niere.de/files/QuaSi-Niere-Bericht_2006-2007.pdf
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  • 06 Heaf J G, Lokkehaard H , Madsen M . Initial survival advantage of peritoneal dialysis relative to haemodialysis.  Nephrol Dial Transplant. 2002;  17 112-117
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Abb. 1 Dialyselösungen mit Polyglukose (Icodextrin) oder Aminosäuren reduzieren die Glukoselast um mehr als 40 %. mod. nach [10]

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Abb. 2 Ein Niedrig-Glukose-Regime reduziert die systemische GDP-Exposition (GDP: "glucose degradation product") signifikant. mod. nach [11]