Pneumologie 2010; 64(10): 617
DOI: 10.1055/s-0030-1265713
Pneumo-Fokus

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Lungenkarzinom - Nikotinabusus: Untergewicht potenziert das Karzinomrisiko

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Publication Date:
11 October 2010 (online)

 
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Bei Rauchern besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Körpergewicht und dem Risiko, ein Lungenkarzinom auszubilden. Nichtraucher sind hiervon nicht betroffen. Das belegt eine von W.P. Koh et al. in Singapur durchgeführte epidemiologische Untersuchung. Br J Cancer 2010; 102: 610-614

In der Literatur wird seit Längerem der Verdacht geäußert, dass der Body-Mass-Index (BMI) bei Rauchern ein eigenständiges Risiko für die Entwicklung eines Lungenkarzinoms darstellt. Bisherige Studien konnten diesen Zusammenhang allerdings wegen methodischer Probleme nicht eindeutig klären. Vermutet wird, dass bei asymptomatischem Untergewicht ein per se gesteigerter Grundumsatz vorliegt, der auch die Proliferation von Karzinomzellen potenziert.

Die in Singapur zwischen 1993 und 2006 durchgeführte prospektive Studie erfasste die Daten von 63 257 Einwohnern chinesischer Herkunft. Tendenziell liegt bei dieser Bevölkerungsgruppe ein niedriger BMI vor, sodass sich diese Population besonders für den Studienansatz eignet. Die Forscher unterteilten die Teilnehmer in 4 Gewichtsklassen (BMI > 28, 28-24, 24-20 und < 20 kg m-2). Sowohl Raucher als auch Nichtraucher nahmen teil. Patienten mit einer Kachexie aufgrund bekannter Begleiterkrankungen wurden nicht in die Studie aufgenommen. Im Beobachtungszeitraum erfasste man alle Teilnehmer, bei denen ein Lungenkarzinom diagnostiziert wurde. Diese Daten lieferte das Singapore-Cancer-Register. Bei der Auswertung zeigte sich, dass die Teilnehmer in der Gruppe mit dem geringsten BMI (< 20 kg m-2) bei ausgeprägtem Nikotinabusus ein um den Faktor 11 erhöhtes Risiko (Hazard Ratio) für die Ausbildung eines Lungenkarzinoms aufwiesen. Bei Norm- oder Übergewicht (BMI > 28 kg m-2) war das Karzinomrisiko bei ebenfalls starken Rauchern nur um den Faktor 6 potenziert. Dies zeigte sich jeweils im Vergleich zu Nichtrauchern gleicher BMI-Klasse. Die statistische Auswertung ergab eine inverse, dosisabhängige (Zigaretten-pro-Tag-) Beziehung zwischen Lungenkarzinomrisiko und Körpergewicht. Dieser Zusammenhang war nicht geschlechtsabhängig. Auch bei einigen Nichtrauchern waren Lungenkarzinome aufgetreten. Deren Inzidenzraten ließen keinen Zusammenhang mit dem Körpergewicht (BMI) erkennen.

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Bei ausgeprägtem Nikotinabusus wiesen die Studienteilnehmer mit dem geringsten Körpergewicht das höchste Risiko für ein Lungenkarzinom auf (Bild: creativ collection).

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Fazit

Untergewicht stellt bei Rauchern einen bisher unterschätzten Risikofaktor für die Entwicklung eines Lungenkarzinoms dar. Die Patienten sollten über diesen Zusammenhang aufgeklärt werden, so die Autoren. Eventuell ergeben sich hieraus sogar spezifische Interventionsstrategien.

Dr. Horst Gross, Berlin

 
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Bei ausgeprägtem Nikotinabusus wiesen die Studienteilnehmer mit dem geringsten Körpergewicht das höchste Risiko für ein Lungenkarzinom auf (Bild: creativ collection).