Die operative Versorgung der distalen Tibiafraktur mit intramedullärem Marknagel oder
mit minimalinvasiver Plattenosteosynthese stellen anerkannte Verfahren dar, die eine
frühe Mobilisation des Verletzten erlaubt. Die Hypothese der vorliegenden Studie ist
eine bessere Erholung von der distalen metaphysären Tibiafraktur durch Stabilisierung
und Versorgung mit einem intramedullären Verriegelungsmarknagel als durch die Versorgung
mit einer perkutan eingebrachten Plattenosteosynthese. Eine vergleichende prospektive randomisierte Studie zwischen perkutaner Platte und
intramedullärem Nagel bei distaler Tibiafraktur. J Bone Joint Surgery, 2010; 92b:
984–988
Material und Methoden
Von Juli 2005 bis Januar 2008 wurden 111 Patienten mit distaler Tibiafraktur randomisiert
in die Studie eingeschlossen und entweder mit einem intramedullärem Verriegelungsmarknagel
(IMN: S2 Marknagel, Stryker) oder mit einer minimalinvasiven Plattenosteosynthese
(MIPO: LCP, Synthes) versorgt.
Die Tibiafrakturen mussten ca. 3 cm proximal des Sprunggelenkspalts liegen und durften
keine Gelenkbeteiligung haben, damit der Patient in die Studie eingeschlossen werden
konnte (AO Klassifikation Typ 43A).
Patienten mit pathologischen Frakturen inklusive osteoporotischen Frakturen, rheumatischen
Erkrankungen, Diabetes mellitus, Nierenerkrankungen und Problemen bei der Kommunikation
sowie offene Frakturen 2. – 3. Grades nach Gustilo und Anderson wurden von der Studie
ausgeschlossen. Dies galt ebenfalls für jene Frakturen bei denen eine Versorgung der
Fibula notwendig wurde (10 Patienten in der IMN- und 9 in der MIPO- Gruppe)
Die intraoperativen Durchleuchtungszeiten und die Operationsdauer wurden dokumentiert
und ausgewertet. Postoperativ wurden die Patienten 3 Wochen in einem kurzen Unterschenkelgips
immobilisiert. Verzögerte Wundheilung wurde definiert als Wundsekretion länger als
2 Tage und Wunddehiszenz von >1cm Breite und Länge.
Die radiologischen Nachuntersuchungen erfolgten nach 6 Wochen, 3, 6, 12 Monaten. Der
Übergang zur Vollbelastung wurde individuell nach radiologisch nachgewiesener Durchbauung
durchgeführt. Die klinische Nachuntersuchung mit Erfassung des AOFAS-Scores wurde
12 Monate nach Operation durchgeführt. Zu diesem Zeitpunkt wurde die Entscheidung
zur Implantatentfernung getroffen.
Bild: Thieme Verlagsgruppe
Ergebnisse
Von den 111 Patienten mussten 26 Patienten ausgeschlossen werden. Die übrigen verteilten
sich mit 44 Personen auf die INM-Gruppe und 41 auf die MIPO-Gruppe. Geschlecht, Alter,
Frakturseite und Frakturtypen in beiden Gruppen zeigten sich nahezu identisch. Alle
Frakturen heilten. Es zeigte sich kein Unterschied bei der Dauer der Frakturheilung
(IMN 17,66 Wochen vs. MIPO 17,59 Wochen). Ein signifikanter Unterschied in den beiden
Gruppen zeigte sich nur bei der intraoperativen Durchleuchtungszeit und bei der Operationsdauer.
In beiden Parametern zeigte sich die Vorgehensweise mit dem intramedullärem Marknagelsystem
dem minimalinvasiven Plattenosteosynthesesystem überlegen.
Der AOFAS-Score zeigte sich bei der Marknagelversorgung ebenfalls besser als das Plattensystem,
wobei keine statische Signifikanz erkennbar war.
In der MIPO-Gruppe fanden sich mehr postoperative Wundheilungsstörungen, aber auch
hier war eine statistische Signifikanz nicht nachzuweisen.
Eine Wundrevision war zu keinem Zeitpunkt notwendig, alle Wunden heilten innerhalb
von 6 Wochen.
Eine Implantatentfernung wurde bei fast allen Patienten durchgeführt. Lediglich 3
Patienten entschieden sich gegen eine Entfernung. Die Implantate wurden im Schnitt
nach 15,5 Monaten entfernt. Hierbei zeigten sich Schwierigkeiten bei der Entfernung
der Platten. Bei 12 Schrauben von 169 eingebrachten traten Schwierigkeiten auf, während
die Nägel alle problemlos zu entfernen waren.
Dr. Patrick Haar
Abt. für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie
Chirurgische Klinik und Poliklinik der Universität Rostock
Email: Petzi.petzold@web.de