Gesundheitswesen 2011; 73(12): 853-859
DOI: 10.1055/s-0030-1265191
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Sozialmedizin an medizinischen Fakultäten: Realisierung des Teilbereichs im Fach „Sozialmedizin, Arbeitsmedizin“

Social Medicine in Medical Faculties: Realisation of the Topic in the Specialty “Social Medicine, Occupational Health”M. Behmann1 , S. Bisson1 , U. Walter1
  • 1Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung und Stiftungslehrstuhl Prävention und Rehabilitation in der System- und Versorgungsforschung
Further Information

Publication History

Publication Date:
30 September 2010 (online)

Zusammenfassung

Ziel der Studie: Am 1. Oktober 2003 trat die 9. Revision der Ärztlichen Approbationsordnung (ÄAPPO) vom 27. Juni 2002 in Kraft. Sozialmedizin wurde dabei untergliedert in das Fach „Arbeitsmedizin, Sozialmedizin“ sowie mehrere Querschnittsbereiche: Epidemiologie, medizinische Biometrie, medizinische Informatik; Gesundheitsökonomie, Gesundheitssystem, öffentliche Gesundheitspflege; Prävention, Gesundheitsförderung; Rehabilitation, Physikalische Medizin, Naturheilverfahren. Ziel der Erhebung war es, die Durchführung der Lehre im Fach Arbeitsmedizin, Sozialmedizin mit Schwerpunkt auf dem Teilbereich Sozialmedizin zu erfassen.

Methodik: Die Befragung erfolgte in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP). An 38 Instituten der 36 medizinischen Fakultäten in Deutschland wurde eine standardisierte schriftliche Befragung durchgeführt. Der Fragebogen enthält größtenteils geschlossene Fragen, Fragen zu Chancen und Barrieren des Fachs wurden mittels offener Fragen erhoben. Die Fragen beziehen sich auf Informationen zu zeitlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen und eingesetzten Unterrichtsmaterialien. Auf Basis des Stoffkatalogs der DGSMP wurden Unterrichtsthemen hinsichtlich ihrer Relevanz sowie der Integration in den Unterricht bewertet.

Ergebnisse: Der Rücklauf beträgt 68% (n=26). Wichtigste Unterrichtsthemen sind die Sozialversicherung, ihre grundlegenden Prinzipien, ihre Verankerung in den einzelnen Sozialgesetzbüchern sowie die verschiedenen Träger. Der Bedarf an Unterrichtsmaterialien ist hoch. 82% (n=18) der Fakultäten wünschen sich spezifische Unterrichtsmaterialien, darunter E-Learning, Übungsaufgaben, Unterrichtsentwürfe, Curricula, aber auch Lehrbücher. An 91% (n=19) der Fakultäten besteht ein Wunsch nach Informationsaustausch zwischen den Fakultäten hinsichtlich Unterrichtsinhalten, Motivierung von Studierenden und E-Learning.

Schlussfolgerung: Die Fakultäten unterscheiden sich in der Durchführung der Lehre hinsichtlich Stundenzahl, Unterrichtsmethoden und Anzahl der Studierenden pro Jahr. Als Problem wird die Motivation der Studierenden gesehen, aber auch die mangelnde Akzeptanz innerhalb der Klinik wird kritisiert. Erforderlich sind spezifische Unterrichtsmaterialien sowie Austausch zwischen den Universitäten hinsichtlich E-Learning. Dieses wird bislang nur an wenigen Fakultäten angeboten, das Interesse an einer intensiveren Verwendung ist allerdings vorhanden. Als Potenziale des Fachs Sozialmedizin werden die Bewusstseinsförderung der Studierenden sowie das „Erkennen der Grundlagen ärztlichen Handelns im System der sozialen Sicherung“ genannt. Das Fach bietet zudem eine Möglichkeit, die eher theoretisch ausgerichteten Institute mit der Klinik zu verknüpfen.

Abstract

Purpose of the Study: The 9th Revision of German Medical Licensing Regulations for Physicians has come into effect on October 1st 2003. Social medicine was separated into the fields „”occupational health, social medicine“ and the various cross-sectional modules: epidemiology, biometry, medical computer science; health economics, health-care system, public health; prevention, health promotion; rehabilitation, physical medicine, naturopathic treatment. This paper studies the realisation of teaching in the field social medicine at German medical faculties.

Methods: The survey was conducted in collaboration with the German Association for Social Medicine and Prevention (DGSMP). A survey was conducted at 38 institutes of 36 German medical faculties. The written questionnaire contained mostly selection items in which chances and barriers of the field were queried with supply items. Information about time scale, general conditions and resources was aked for. On the basis of the guidelines of the DGSMP, the topics to be taught were evaluated concerning their relevance and integration into education.

Results: The response rate was 68% (n=26). Social insurance, basic principles, responsibility in the Social Security Code and the different providers were judged as the most important topics. There was a strong demand for lecturing material. 82% (n=18) of the faculties wished to have specific material, for example e-learning, examples, lesson plans, curricula and also textbooks. 91% (n=19) of the faculties requested an exchange of information between the faculties concerning educational contents, motivation of students and e-learning.

Discussion: The realisation of teaching is different between the faculties concerning the number of hours, teaching methods and number of students per year. The motivation of the students is one of the problems, but also the lack of acceptance within the clinic. Specific resources and exchange between the faculties are necessary concerning e-learning, which is offered at only few faculties so far, but interest for a more intensive usage exists. Potentials of social medicine are the promotion of awareness among the students and the “identification of basics for medical acts in the social security system”. Social medicine offers the possibility to connect the theoretical institutes with the clinic.

Literatur

  • 1 Bundesgesetzblatt 2002 Teil 1 Nr. 44, 2405–2453, ausgegeben am 3. Juli 2002
  • 2 Brennecke R, Boschek H-J, Geraedts M. et al . Deutsche Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP) Sozialmedizinischer Stoffkatalog für die ärztliche AppO vom 27.6.2002.  Gesundheitswesen. 2006;  68 48-64
  • 3 Walter U, Klippel U, Bisson S. Umsetzung der Ärztlichen Approbationsordnung im Querschnittsbereich „Prävention und Gesundheitsförderung“ an den medizinischen Fakultäten in Deutschland.  Gesundheitswesen. 2007;  69 240-248
  • 4 Dillman D. Mail and Internet Surveys. The Tailored Design Method. New York: John Wiley; 2000
  • 5 Brennecke R. Lehrbuch Sozialmedizin. Bern: Huber; 2004
  • 6 Schwartz FW, Badura B, Busse R. et al .Hrsg Das Public Health Buch – Gesundheit und Gesundheitswesen. 2. Auflage. München, Jena: Urban und Fischer; 2003
  • 7 Strauß B, Köllner V. Die neue Approbationsordnung: Eine Chance für die psychosozialen Fächer.  Psychother Psych Med. 2003;  53 43-46
  • 8 Erler A, Fuchs J. Praxisbezug in der sozialmedizinischen Lehre unter den Bedingungen der neuen ärztlichen Approbationsordnung. Erfahrungen aus der praxisbezogenen Seminararbeit und Möglichkeiten einer Weiterführung nach der neuen ärztlichen Approbationsordnung am Beispiel der Sozialmedizin.  Gesundheitswesen. 2005;  67 355-360
  • 9 Mau W, Kusak G. Umsetzung der neuen Approbationsordnung für Ärzte im Querschnittsbereich „Rehabilitation, Physikalische Medizin und Naturheilverfahren“ an den medizinischen Fakultäten in Deutschland.  Rehabilitation. 2005;  44 129-133
  • 10 Pfaff H, Kaiser C. Aufgabenverständnis und Entwicklungsstand der Versorgungsforschung. Ein Vergleich zwischen den USA, Großbritannien, Australien und Deutschland.  Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz. 2006;  49 111-119
  • 11 Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen .Gutachten 2000/2001 – Bedarfsgerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit. Baden-Baden: Nomos; 2002
  • 12 Gostomzyk JG. Angewandte Sozialmedizin. Handbuch für Weiterbildung und Praxis. München: Ecomed; 2009
  • 13 Deutsche Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention . Gegenstandskatalog für die zweite medizinische Staatsprüfung. Teilgebiet Sozialmedizin.  Gesundheitswesen. 2002;  64 292-297
  • 14 Brennecke R. Anforderungen an eine zukunftsorientierte Sozialmedizin.  Gesundheitswesen. 2005;  67 81-88
  • 15 http://www.uke.de/extern/dgrw/index.htm (Stand 23.03.2010)

Korrespondenzadresse

M. Behmann

Medizinische Hochschule

Hannover

Institut für Epidemiologie,

Sozialmedizin und

Gesundheitssystemforschung -OE 5410-

Carl-Neuberg-Straße 1

30625 Hannover

Email: Behmann.Mareike@mh-hannover.de

    >