Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2010; 45(7/08): 448-455
DOI: 10.1055/s-0030-1262471
Fachwissen
Intensivmedizin
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Intensivmedizinisches Management des malignen neuroleptischen Syndroms – Literaturübersicht mit Fallbeispiel

Intensive care treatment for neuroleptic malignant syndromeMario Hensel, Klaus Böhler, Rudolf Marnitz, Christian Binder, Michael von Brevern
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Publication Date:
21 July 2010 (online)

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Zusammenfassung

Eine junge Frau mit bipolarer Störung und komplizierter Lebenssituation nahm in suizidaler Absicht große Mengen an atypischen Neuroleptika und selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) ein. Durch diese Mischintoxikation kam es rasch zu einer neurologischen Symptomatik mit zunehmendem Bewusstseinsverlust, die zur Aufnahme auf die Intensivstation führte. In der Folgezeit entwickelte sich ein malignes neuroleptisches Syndrom (MNS), welches mit ausgeprägter Hyperthermie, schwerer Rhabdomyolyse und lebensbedrohlichen Organfunktionsstörungen einherging. Durch schnelle Diagnosestellung und umgehende Einleitung adäquater Therapiemaßnahmen konnte die Patientin gerettet werden. Der folgende Beitrag beschreibt die Ätiologie, Pathophysiologie und Symptomatik dieses seltenen Krankheitsbildes und diskutiert die Behandlungsoptionen.

Abstract

We report a case of severe neuroleptic malignant syndrome developing in a 28-year-old female patient following deliberate self-poisoning with atypical antipsychotic drugs and serotonin reuptake inhibitors. Because of an increasing loss of consciousness she was rapidly transferred to an Intensive Care Unit. Following this, she became progressively febrile associated with rhabdomyolysis and life-threatening organ dysfunctions. Due to fast diagnosis and immediate therapy the patient was treated successfully. This article describes etiology, pathophysiology and symptoms of neuroleptic malignant syndrome. In addition therapeutic options are discussed.

Kernaussagen

  • Das MNS ist ein seltenes, aber lebensbedrohliches Krankheitsbild, das vor allem durch Dopaminantagonisten, aber auch durch andere Psychopharmaka ausgelöst werden kann.

  • Es tritt bei hoher Dosierung oder schneller Aufsättigung der genannten Medikamente meist in den ersten Wochen nach Therapiebeginn auf. Im Einzelfall kann es jedoch auch hoch akut und fulminant beginnen.

  • Klinisch ist das MNS durch eine akute Hyperthermie mit Exsikkose ohne Infektionsnachweis sowie durch einen generalisierten Rigor charakterisiert. Darüber hinaus stehen vegetative Symptome und extrapyramidal-motorische Störungen im Vordergrund.

  • Wichtige laborchemische Hinweise auf das Vorliegen eines MNS sind CK-Erhöhung, Leukozytose, Myoglobinurie, Elektrolytverschiebungen und metabolische Azidose.

  • Häufige Komplikationen des MNS sind Rhabdomyolyse, akutes Nierenversagen, Phlebothrombose, Lungenarterienembolie, generalisierter Krampfanfall, Koma und Multiorganversagen.

  • Wichtigste Therapiemaßnahme ist das Absetzen des auslösenden Medikaments. Alle weiteren Maßnahmen sind eher unterstützend und beziehen sich auf die Sicherung der Vitalfunktionen und auf die Vermeidung weiterer Komplikationen.

  • Das MNS muss auf der Intensivstation behandelt werden.

  • Bei schweren Verläufen empfiehlt sich die frühzeitige intravenöse Gabe von Dantrolen, gegebenenfalls in Kombination mit einem Dopaminagonisten oder einem NMDA-Antagonisten.

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Literatur

PD Dr. med. Mario Hensel
Dr. med. Klaus Böhler
Dr. med. Rudolf Marnitz
Dr. med. Christian Binder
PD Dr. med. Michael von Brevern

Email: hensel@park-klinik.com

Email: klaus.boehler@gmx.de

Email: rudi.marnitz@web.de

Email: binder@park-klinik.com

Email: von.brevern@park-klinik.com