Laryngorhinootologie 2011; 90(3): 162-163
DOI: 10.1055/s-0030-1261913
Der interessante Fall
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Osteolytische Raumforderung des Felsenbeins

Osteolytic Mass of the Temporal BoneJ. Vent, R. Mischkowski, R. Goldbrunner, D. Beutner
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Publikationsdatum:
16. August 2010 (online)

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Ein 58 Jahre alter Patient stellte sich mit Kieferklemme und Schmerzen bei der Mastikation vor. Die Symptomatik war seit einem halben Jahr progredient. Seit 4 Monaten habe ein zusätzlicher Hörverlust auf der betroffenen Seite eingesetzt, sowie eine intermittierende Otorrhoe. Zusätzlich berichtete der Patient über ein Völlegefühl im Ohr und Gesichtsschwellungen, sowie Druckausgleichsprobleme beim Valsalvamanöver.

Die Ohrmikroskopie zeigte eine polypöse, granulierende Raumforderung, welche den linken Gehörgang subtotal verlegte. Im Tonschwellenaudiogramm zeigte sich neben einer symmetrischen geringgradigen Schallempfindungsschwerhörigkeit eine Schalleitungskomponente von 30–50 dB links.

Es wurde eine Probeexzision der Raumforderung des linken äußeren Gehörgang in örtlicher Betäubung entnommen. Die histopathologische Untersuchung ergab eine gefäßreiche, mononukleäre, spindel- und riesenzellige Läsion mit mikrofokal nachweisbarem Geflechtknochen mit Umbauzeichen.

Zusätzlich wurden ein hochauflösendes Felsenbein-Computertomogramm (CT) sowie ein MRT (Magnetresonanztomogramm) veranlasst. Die radiologische Diagnostik zeigte eine osteolytische Läsion des linken Felsenbeines. In den [Abb. 1], [2] sind repräsentative Aufnahmen der Schnittbildgebung wiedergegeben. Es zeigte sich eine 2,5–3 cm große Raumforderung ventral des linken Gehörganges und cranial des linken Kiefergelenkes mit Arrosion der Schädelbasis und der seitlichen Schädelkalotte. Zudem fiel eine weichteildichte Verschattung des Mittelohres, des Gehörganges und der Mastoidzellen links auf.

Abb. 1 Felsenbein-CT, axiale Schnittführung: dichte Läsion des linken Felsenbeines mit Osteolyse des Os temporale und des Kiefergelenkes.

Abb. 2 Kontrastmittel-MRT in T1 Wichtung zeigt eine hyperintense Raumforderung des linken Felsenbeines. Axiale (a) und coronare (b) Schichten.

Osteolytische Läsionen des Felsenbeins sind häufig. In erster Linie kommen entzündliche Reaktionen, wie bei Cholesteatomen, oder maligne Raumforderungen, wie beim Plattenepithelcarcinom, differenzialdiagnostisch in Betracht (Bibas AG et al., J Laryngol Otol 2008 Nov; 122 (11): 1 156–1 161). Auch wäre eine Langerhans-Histiozytosis X als Differenzialdiagnose zu erwägen.

Seltener ist ein Riesenzellgranulom Ursache der Osteolyse, obwohl die charakteristischen Ursprünge dieser histopathologischen Entität Maxilla und Mandibula sind (Tosco P et al., J Craniomaxillofac Surg 2009 Oct; 37 (7): 380–387). Die Lokalisation eines Riesenzellgranuloms im Felsenbein ist eine Rarität (Menge M et al., Acta Neurochir (Wien) 2009 Apr; 151 (4): 397–399). Sie können posttraumatischer Genese sein, jedoch ist die Ursache der Riesenzellgranulome unbekannt.

Die radiologische Diagnostik eines Riesenzellgranuloms im Felsenbein ist schwierig. CT und MRT sind wegweisend bezüglich der Ausdehnung, insbesondere der knöchernen Destruktion und der Involvierung des Weichteilgewebes (Murphey MD et al., Radiographics 2001 Sep; 21 (5): 1 283–1 309).

Der Terminus Riesenzell-Granulom („giant cell reparative granuloma””) wurde 1953 von Jaffe eingeführt, um eine reaktive intraossäre Läsion der Mandibula und Maxilla zu beschreiben, welche nach einem Trauma mit Einblutung in die Knochenstrukturen und Riesenzellen im histopathologischen Bild aufgetreten war (Jaffe HL. Oral Surg Oral Med Oral Pathol 1953 Jan; 6 (1): 159–175).