Dialyse aktuell 2010; 14(5): 294-295
DOI: 10.1055/s-0030-1261746
Forum der Industrie

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Frühe Therapieoptimierung nach Nierentransplantation – Aktuelle immunsuppressive Konzepte

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Publication Date:
16 June 2010 (online)

 
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Die Nierentransplantation ist heute ein therapeutisches Routineverfahren mit hervorragenden Ein-Jahres-Überlebensraten von Patienten und Organen. Langfristig limitiert wird der Erfolg durch den Funktionsverlust des Transplantats und durch das Versterben des Organempfängers mit funktionstüchtigem Transplantat [1] - vorrangig bedingt durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Malignome oder opportunistische Infektionen (Abb. [1]) [2].

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Abb. 1 Ursachen für den Tod mit funktionstüchtigem Organ jenseits des 1. Jahres nach Nierentransplantation.

Als aussagekräftiger Prädiktor für die Langzeitprognose nach Nierentransplantation (NTx) hat sich das Serumkreatinin herauskristallisiert: Je höher die Konzentration nach den ersten 12 Monaten, desto wahrscheinlicher ist nicht nur ein Versagen des Transplantats in den folgenden 5 Jahren [3], sondern auch der kardiovaskulär bedingte Tod innerhalb der nächsten 10 Jahre [4]. Daraus ergibt sich folgerichtig die Notwendigkeit einer frühzeitigen Optimierung der Nachsorge unter Berücksichtigung des individuellen klinischen Profils des Patienten. Die aktuell diskutierten Konzepte zur Langzeitimmunsuppression zielen auf die Elimination von Calcineurininhibitoren (CNI).

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Langfristig bessere Nierenfunktion

Als Alternative zu Ciclosporin oder Tacrolimus wurde der mTOR-Inhibitor (mTOR: "mammalian target of rapamycin") Sirolimus zuletzt in 3 kontrollierten Studien untersucht. Alle Patienten erhielten nach der Transplantation zunächst eine Antikörperinduktionstherapie zusammen mit Kortikosteroiden, Mykophenolatmofetil (MMF) und einem CNI. Nach 10-21 Tagen (SMART-Studie), 12 Wochen (CONCEPT-Studie) oder 30-180 (im Mittel 117) Tagen (Spare-the-Nephron-Studie) wurden die Patienten randomisiert und vom CNI auf Sirolimus umgestellt oder mit CNI weiterbehandelt [5]-[7]. Voraussetzung für die Randomisierung war eine Kreatininclearance von mehr als 40 ml/min und eine Proteinurie von weniger als 1 g/24 Stunden. Primärer Endpunkt war die Nierenfunktion 12 Monate nach NTx.

Wie in allen Studien ergab sich auch in der auf 5 Jahre Nachbeobachtung angelegten CONCEPT-Studie ein signifikanter Vorteil für die Patienten im Sirolimus-Arm in Hinblick auf die Nierenfunktion. Dieser Effekt blieb über 30 Monate erhalten (Abb. [2]) [8]. Die Inzidenz biopsiebestätigter akuter Abstoßungsreaktionen war in den jeweiligen Studiengruppen vergleichbar, ebenso das Patienten- und Transplantatüberleben. Ähnliches gilt für die Sicherheit und Verträglichkeit der Therapieregime. Die Proteinausscheidung war unter Sirolimus basierter Immunsuppression nach 30 Monaten tendenziell höher (340 versus 290 mg/24 Stunden), wobei einige wenige Patienten den Durchschnittswert erhöhten - 18,5 versus 7,5 % mit einer Proteinurie von mehr als 500 mg/24 Stunden.

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Abb. 2 Veränderung der Nierenfunktion nach Umstellung der Basisimmunsuppression auf Sirolimus – CONCEPT-Studie/On-Treatment-Auswertung. Ordinate: eGFR/MDRD-Formel (ml/min/1,73 m2).

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Weniger Malignome

In der CONCEPT-Studie wurde auch ein geringeres Risiko für die erstmalige oder erneute Manifestation eines Malignoms oder einer lymphoproliferativen Erkrankung gesehen (Abb. [3]), wie dies bereits in der Zulassungsstudie für Sirolimus beschrieben wurde [9].

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Abb. 3 Kumulative Malignominzidenz nach Umstellung der Basisimmunsuppression auf Sirolimus – CONCEPT-Studie.

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Günstiges kardiovaskuläres Profil

Für eine Sirolimus basierte Immunsuppression spricht auch das günstige kardiovaskuläre Risikoprofil: keine Beeinflussung des Blutdrucks, geringere Zunahme des Körpergewichts bzw. des BMI (Body-Mass-Index) als unter CNI [10], Prävention bzw. Reduktion von Intimaproliferation und Mikroinflammation sowie die mit entsprechender Begleitmedika-tion leicht beherrschbare Hyperlipidämie oder Anämie.

Der Einfluss eines neu auftretenden Diabetes mellitus nach NTx auf das Transplantatüberleben ist vergleichbar mit dem akuter Abstoßungsreaktionen [11]. Ob und wie Sirolimus in den Glukosestoffwechsel eingreift, ist bisher noch wenig untersucht bzw. führte in Studien zu widersprüchlichen Ergebnissen [12]. Den Hinweis auf einen zumindest neutralen Effekt lieferte kürzlich eine belgische Arbeitsgruppe. Als unabhängigen Prädiktor für das Auftreten eines Diabetes mellitus haben sie eine Hypomagnesiämie (Spiegel < 1,9 mg/dl) im ersten Post-NTx-Monat identifiziert, ein Effekt, der unter einer CNI basierten Immunsuppression stärker ausgeprägt ist als unter einer Sirolimus basierten Abstoßungsprophylaxe [13].

Ein weiterer kardiovaskulärer Risikofaktor, der bei NTx-Patienten die Wahrscheinlichkeit für einen Tod mit funktionstüchtigem Organ signifikant erhöht, ist die Linksherzhypertrophie [14]. Für einen potenziell kardioprotektiven Effekt von Sirolimus sprechen nicht nur experimentelle, sondern auch klinische Daten. Zwölf Monate nachdem wegen einer Transplantatnephropathie der CNI gegen Sirolimus ausgetauscht worden war, konnte echokardiografisch eine signifikante (p < 0,001) Abnahme des LVMI (Index für die linksventrikuläre Masse) dokumentiert werden. In der bezüglich Alter und NTx-Zeitpunkt gematchten Kontrollgruppe hatten sich dagegen die echokardiografischen Parameter nur unwesentlich verändert (Abb. [4]) [15].

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Abb. 4 Rückbildung der Linksherzhypertrophie nach Umstellung der Basisimmunsuppression auf Sirolimus – signifikante Abnahme (p < 0,001) des LVMI. nach [15] CNI: Calcineurininhibitor, LVMI: Index für die linksventrikuläre Masse

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Schutz vor Virusinfektionen

Opportunistische Virusinfektionen wurden unter Sirolimus weniger beobachtet als unter CNI-Therapie. Die meisten klinischen Daten liegen zum Zytomegalievirus (CMV) vor. Eine Metaanalyse von 9 kontrollierten Studien ergab eine Odds-Ratio von 0,64 zugunsten von Sirolimus im Vergleich zu CNI oder Antimetaboliten (Abb. [5]) [16]. Selbst bei Ganciclovir resistenten CMV-Infektionen führte der Einsatz von Sirolimus zur Virusclearance [17]. Ein ähnlicher Effekt wurde für die prognostisch sehr ungünstige Polyoma-Virus-Nephropathie bei Einsatz des mTOR-Inhibitors beobachtet [18].

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Abb. 5 Wahrscheinlichkeit für eine Zytomegalivirus-Infektion unter Sirolimus im Vergleich zu anderen Immunsuppressiva.

Das "mammalian Target of Rapamycin" ist ein maßgeblicher Regulator für die Differenzierung von sogenannten Memory-CD8-T-Zellen. Mit Sirolimus kann durch mTOR-Hemmung die Quantität und Qualität dieser virusspezifischen Gedächtniszellen signifikant erhöht werden [19]. Somit stärkt Sirolimus sehr spezifisch Mechanismen, die eine effektive Immunantwort auf eine Infektion ermöglichen.

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Praxis hinkt dem Erkenntnisstand hinterher

Auf der Basis der gegenwärtig verfügbaren Daten ist die sequenzielle Umstellung der Immunsuppression auf ein Sirolimus basiertes Regime zu einem Zeitpunkt 3-6 Monate nach Nierentransplantation sicher und effektiv. Am meisten profitieren Patienten mit einer nur marginal eingeschränkten Nierenfunktion - mit einer glomerulären Filtrationsrate besser als 40 ml/min und einer Proteinurie von weniger als 800 mg/24 Stunden [20].

Eine solche Sirolimus basierte Erhaltungstherapie bietet - auch ohne Steroidkomponente - eine gute Chance auf

  • dauerhaften Erhalt der Nierenfunktion,

  • ein niedriges Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen und

  • eine geringe Inzidenz von Malignomen.

Diese gute wissenschaftliche Evidenz spiegelt das Nachsorgemanagement im klinischen Alltag jedoch noch nicht wider. Die Umstellung auf eine Sirolimus basierte Immunsuppression erfolgt im Schnitt erst 6,5 Jahre nach NTx - also in der Regel nicht elektiv, sondern reaktiv. Das bestätigt auch die erste Auswertung des kürzlich von der "German Sirolimus Study Group" erstellten Sirolimus-Registers. Ziel dieser Datenerhebung ist der Gewinn neuer Erkenntnisse zur Entwicklung der Transplantatfunktion in verschiedenen Subgruppen und die Suche nach prognostisch relevanten Prädiktoren für das Langzeitorganüberleben. Aus 10 Transplantationszentren wurden bislang 752 Patienten ausgewertet [21].

Gabriele Blaeser-Kiel, Hamburg

Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Wyeth Pharma GmbH, Münster, einem Unternehmen der Pfizer Gruppe.

Die Beitragsinhalte stammen aus dem Vortrag "Frühe Therapieoptimierung nach Nierentransplantation - Aktuelle immunsuppressive Konzepte" in der Plenarsitzung "Neues aus der forschenden Pharmaindustrie" bei der 18. Jahrestagung der Deutschen Transplanta-tionsgesellschaft 2009.

Die Autorin ist freie Journalistin.

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Literatur

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Abb. 2 Veränderung der Nierenfunktion nach Umstellung der Basisimmunsuppression auf Sirolimus – CONCEPT-Studie/On-Treatment-Auswertung. Ordinate: eGFR/MDRD-Formel (ml/min/1,73 m2).

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Abb. 3 Kumulative Malignominzidenz nach Umstellung der Basisimmunsuppression auf Sirolimus – CONCEPT-Studie.

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Abb. 4 Rückbildung der Linksherzhypertrophie nach Umstellung der Basisimmunsuppression auf Sirolimus – signifikante Abnahme (p < 0,001) des LVMI. nach [15] CNI: Calcineurininhibitor, LVMI: Index für die linksventrikuläre Masse

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Abb. 5 Wahrscheinlichkeit für eine Zytomegalivirus-Infektion unter Sirolimus im Vergleich zu anderen Immunsuppressiva.