Proktologische Diagnostik
Bei der Diagnosestellung steht der Arzt vor einer Reihe besonderer Herausforderungen.
Zum einen sind die Symptome oft unspezifisch und können mit zahlreichen verschiedenen
Erkrankungen assoziiert sein. Zum anderen wird die Anamneseerhebung und Diagnostik
häufig dadurch erschwert, dass der Analbereich von den Patienten tabuisiert wird.
Dies hat zur Folge, dass sie den Arztbesuch scheuen und zunächst versuchen, sich selbst
zu behandeln, sodass man es nicht selten mit einem entsprechend vorbehandelten Befund
zu tun bekommt. In der Diagnostik und Behandlung analer Beschwerden hat die Dermatologie
einen wichtigen Stellenwert, weil sich viele Hautkrankheiten primär im Perianalbereich
manifestieren und deshalb die Patienten auch bevorzugt einen Dermatologen aufsuchen.
Die diagnostischen Standardverfahren, die vom proktologisch tätigen Dermatologen durchgeführt
werden (können), umfassen im Wesentlichen
Die Anamnese – einschließlich Familienanamnese – sollte Fragen nach bekannten Haut-
und Darmerkrankungen, Allergien und Atopieneigung einschließen. Bei Verdacht auf eine
(sexuell übertragbare) Infektion ist zu klären, ob der/die Sexualpartner oder andere
Personen mit engem Kontakt zum Patienten ebenfalls erkrankt sind. Auch die Information
über sexuelle Praktiken, vor allem Analverkehr ist von großer Bedeutung. Nicht zuletzt
sollte nach Medikamenten oder anderen Präparaten gefragt werden, die vorher bereits
in der Analregion appliziert worden sind.
An die Anamnese schließt sich die Inspektion und Palpation der Perianalregion und
die digitale rektale Untersuchung des Anus an. Die Inspektion erlaubt eine erste Beurteilung
des lokalen Hautbefundes. Bei der äußeren Palpation können ggf. schmerzhafte Schwellungen
oder derbe Stränge getastet werden. Die digitale rektale Untersuchung gibt Aufschluss
über die Funktion und den Tonus des Schließmuskels und die Beschaffenheit des Analkanals.
Sie ermöglicht ferner das Tasten evtl. vorhandener Läsionen, Ausstülpungen, Resistenzen,
Raumforderungen etc. Beim Mann sollte die Beurteilung der Prostata eingeschlossen
werden [1].
Für die proktologische Untersuchung kommen drei Lagerungen infrage: die Steinschnittlage
(SSL), die Linksseitenlage (Sims-Seitenlage) oder die Knie-Ellenbogen-Lage. Die Lokalisationsangaben
am Anus entsprechen dem Ziffernblatt der Uhr. Dabei liegt 6 Uhr in Richtung des Steißbeins
in SSL [1].
Als weiterer Schritt folgt die endoskopische Diagnostik des Analkanals bzw. Rektums
(Proktoskopie, Rektoskopie) in Seiten- oder Steinschnittlage. Für eine Rektoskopie
sollte der Patient mit einem Klysma vorbereitet werden. Die Proktoskopie erlaubt vor
allem eine Beurteilung des anorektalen Übergangs (insbesondere bei Hämorrhoiden),
während bei der Rektoskopie Veränderungen der Schleimhaut bis zu einer Höhe von ca.
15 – 20 cm erfasst werden können. Dabei kann auch eine Biopsie mit histologischer
Untersuchung indiziert sein. Die Untersuchungen sind in der Regel nicht schmerzhaft
und erfordern deshalb keine Prämedikation oder Sedierung [1].
Je nach Befund und Verdachtsdiagnose wird diese proktologische Standarddiagnostik
durch weitere Untersuchungen ergänzt, die unterschiedlich umfangreich sein können.
Diese umfassen etwa den Test auf okkultes Blut, Abstriche für die infektiologische
Diagnostik (Bakteriologie, Mykologie, Virologie, Parasitologie) oder eine allergologische
Abklärung (Prick- oder Epikutantest, Gesamt- und spezifisches IgE im Serum etc.).
Zu den speziellen (chirurgisch-)proktologischen Zusatzuntersuchungen zählen die Sphinktermanometrie,
Endosonografie, radiologische Diagnostik (Defäkografie, CT, NMR) u. a., die den dafür
spezialisierten Praxen oder Fachabteilungen vorbehalten bleiben [2].
Die häufigsten Krankheitsbilder
Die häufigsten Gründe bzw. Beschwerden, die Patienten dazu veranlassen, eine proktologische
Sprechstunde aufzusuchen, sind Juckreiz, Brennen, Nässen und Blutungen (siehe auch
[Tab. 2]). Die diesen Beschwerden zugrunde liegenden Erkrankungen sind äußerst vielfältig
und beruhen zum einen auf akuten Erkrankungen der perianalen Haut (perianale Dermatosen)
und zum anderen auf proktologischen Erkrankungen des Enddarmes. Die häufigsten Erkrankungen,
die zu Symptomen im Analbereich führen, sind in [Tab. 3] aufgeführt. Aus der großen Gruppe der perianalen Dermatosen ([Tab. 4]) werden hier nur die wichtigsten erläutert. Eine ausführliche Besprechung aller
Krankheitsbilder würde den Rahmen dieser Übersichtsarbeit sprengen.
Tab. 2 Die häufigsten proktologischen Beschwerden.
– Juckreiz |
– Brennen |
– Blutung |
– Nässen |
– Druckgefühl |
– Schmerzen |
– Prolaps |
Tab. 3 Die häufigsten Erkrankungen, die zu analen Symptomen führen.
– Perianale Dermatosen (siehe [Tab. 4]) |
– Hämorrhoiden |
– Marisken |
– Analthrombose |
– Analfissuren |
– Prolapsformen |
– Analabszess, Analfistel |
Tab. 4 Perianale Dermatosen.
– Acanthosis/Pseudoacanthosis nigricans |
– Anale/perianale intraepidermale Neoplasie* (AIN/PAIN; früher bowenoide Papulose
bzw. M. Bowen) |
– Anale Tinea bzw. Candidose* |
– Analekzem* |
– Analkarzinom* |
– Condylomata acuminata* |
– Erythrasma |
– Extramammärer M. Paget |
– Fixes toxisches Arzneiexanthem (Baboon-Syndrom) |
– Herpes simplex/zoster |
– Lichen ruber |
– Lichen sclerosus et atrophicus* |
– Lues (Primäraffekt) |
– M. Behçet |
– M. Hailey-Hailey |
– Mollusca contagiosa |
– Oxyuriasis* |
– Perianale Streptokokkendermatitis |
– Psoriasis inversa |
*Dermatosen, die im Text und z. T. auch mit klinischen Bildern ausführlicher erläutert
werden. |
Analekzem
Das Analekzem ist eine der häufigsten proktologischen Krankheitsbilder und Folgeerscheinung
verschiedener Grunderkrankungen. Es manifestiert sich peri- oder intraanal bis zur
Linea dentata als proximale Begrenzung ([Abb. 1]). Die anatomischen Besonderheiten in dieser Region begünstigen die Entstehung eines
Analekzems: Sowohl der intertriginöse Raum als auch ein Sekretstau der Schweißdrüsen
führen zur Entstehung einer feuchten Kammer. Entsprechend der Ätiologie unterscheidet
man insbesondere das irritativ-toxische Ekzem, das atopische Ekzem sowie das allergische
Kontaktekzem [2]
[6]
[7].
Abb. 1 Analekzem.
Das am häufigsten vorkommende irritativ- bzw. kumulativ-toxische Analekzem ist eine
Reaktion der Haut auf äußere Reize chemischer (Detergenzien) oder mechanischer Art
(Toilettenpapier, zu intensive Reinigung) oder durch Absonderungen aus dem Darm (z. B.
bei Hämorrhoiden, Prolaps, Sphinkterinsuffizienz, Fisteln). Eine der häufigsten Ursachen
sind Hämorrhoidalleiden [2]
[6]
[7].
Ein Analekzem kann sich auch im Rahmen einer Atopieneigung als Form einer atopischen
Dermatitis manifestieren, wobei die Analregion eine charakteristische Prädilektionsstelle
für diese Hauterkrankung ist. Leitsymptom ist ein zumeist stark ausgeprägter Juckreiz.
Diagnostisch hinweisend sind weitere, in der Regel typische Ekzemlokalisationen und/oder
Atopiestigmata sowie andere Erkrankungen des atopischen Formenkreises wie Rhinokonjunktivitis
allergica oder allergisches Asthma – nicht nur in der Eigen- sondern auch in der Familienanamnese.
Dieser Ekzemform liegt eine immunologische Reaktion zugrunde, wobei sich in der Regel
erhöhte IgE-Antikörperspiegel im Blut nachweisen lassen. Auch eine allergologische
Diagnostik (Prick-Test, Atopie-Patchtest) kann weiteren Aufschluss geben [2]
[6]
[7].
Beim allergischen Kontaktekzem handelt es sich um eine spezifische, immunologisch
vermittelte allergische Entzündungsreaktion (Typ-IV-Sensibilisierung), die ca. 12
bis 72 Stunden nach direktem Hautkontakt mit dem auslösenden Agens auftritt. Auch
diese Ekzemform geht zumeist mit massivem Juckreiz einher. Häufige Auslöser sind Hautpflegemittel,
Intimsprays, proktologische Arzneimittel, Antimykotika oder feuchtes Toilettenpapier
[2]
[6]
[7]. Besonders häufig bei Patienten mit Anogenitaldermatosen sind Sensibilisierungen
auf Cinchocain, Bufexamac[1] und Benzocain [8]. Oft sind die Substanzen schon über Jahre hinweg in Anwendung, bevor es zur Sensibilisierung
kommt. Diagnostisch wegweisend ist ein Epikutantest [9]. Dieser sollte neben den vom Patienten verwendeten Produkten die Standardreihe nach
den Richtlinien der Deutschen Kontaktallergiegruppe (DKG) umfassen und kann ggf. durch
weitere DKG-Testreihen ergänzt werden. Empfohlen werden Externa-Inhaltsstoffe, Lokalanästhetika,
topische Antibiotika, Antimykotika, Kortikosteroide und Konservierungsmittel [8]
[10].
Die kausale Therapie des Analekzems ist abhängig vom Auslöser. Zunächst sollten alle
infrage kommenden Ursachen bzw. die zugrunde liegenden proktologischen oder sonstigen
Begleiterkrankungen möglichst beseitigt werden, was insbesondere beim allergischen
Kontaktekzem bedeutet, sämtliche Externa abzusetzen. Zusätzlich empfiehlt sich eine
Sanierung des Feuchtraummilieus. Dazu gehört auch eine adäquate Analhygiene ([Tab. 1]). Unterstützend wirkt eine symptomatische Behandlung, die sich am Zustand und der
Chronizität der Veränderungen orientiert. Dazu zählt die Anwendung indifferenter,
zumeist zinkhaltiger Externa wie Pasta zinci mollis (DAB 10), Lotio alba aquosa DAC
oder Unguentum emulsificans aquosum, wie auch synthetischer Gerbstoffe (z. B. Tannolact®, Tannosynt®) in Form von Sitzbädern oder auch Cremes. Bei nässenden Formen des Analekzems – wie
auch generell bei nässenden Formen analer Dermatosen – ist das mehrmals tägliche Einlegen
von Fließstoffkompressen (10 × 10 cm od. 10 × 20 cm) im intertriginösen Bereich der
Analfalte sehr hilfreich. Initial ist ggf. kurzfristig die topische Anwendung von
schwach bis mittelstark wirksamen Glukokortikoiden (Wirkstoffklasse I – II) indiziert,
beim atopischen Analekzem auch Calcineurin-Inhibitoren (Tacrolimus, Pimecrolimus)
[7].
Als Differenzialdiagnosen für ein Analekzem kommen insbesondere Psoriasis inversa
(anale Manifestation einer Psoriasis vulgaris), Lichen ruber, Lichen sclerosus et
atrophicus, anale Candidose, perianale Streptokokkendermatitis, Erythrasma, extramammärer
Morbus Paget, anale intraepitheliale Neoplasie oder fixes toxisches Arzneiexanthem
(Baboon-Syndrom) infrage [2]
[6]
[7]. Nachfolgend wird auf die bedeutendsten der Erkrankungen eingegangen, die sich in
erster Linie im Analbereich manifestieren.
Lichen sclerosus et atrophicus
Beim Lichen sclerosus et atrophicus (LSA) handelt es sich um eine chronische kutane
Bindegewebserkrankung unbekannter Genese, die mit Sklerosierung einhergeht. Frauen
sind deutlich häufiger betroffen (Verhältnis etwa 6 : 1); der Erkrankungsgipfel liegt
zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr. Der LSA ist gekennzeichnet durch erythematöse
Papeln, die in weißliche, atrophe Plaques übergehen. Die Veränderungen sind häufig
im Anogenitalbereich lokalisiert ([Abb. 2]). Die Diagnose wird in der Regel histologisch gesichert. Da sich auf dem Boden eines
LSA ein Plattenepithelkarzinom entwickeln kann, sollte der Befund regelmäßig klinisch
und ggf. histologisch kontrolliert werden [2]
[6].
Abb. 2 Lichen sclerosus et atrophicus.
Therapeutisch kommt die topische Anwendung potenter Glukokortikoide (z. B. Clobetasolpropionat)
oder Calcineurin-Inhibitoren (Cave: Off-Label-Use) infrage [2]
[6]. Darüber hinaus kann die Injektion von Glukokortikoid-Kristallsuspension in Betracht
gezogen werden.
Anale Pilzinfektionen
Anale Tinea durch Dermatophyten (z. B. Trichophyton rubrum oder mentagrophytes) ist
eine Seltenheit und resultiert meist durch Inokulation von einem Fußpilz. Unter den
Pilzerkrankungen der Haut in der Perianalregion steht die Sekundärinfektion mit Candida-Spezies
(Soorekzem) im Vordergrund, die in der Mehrzahl der Fälle durch Candida albicans verursacht
wird. Sie ist gekennzeichnet durch ein scharf begrenztes Erythem mit multiplen, kleinen,
papulopustulösen Streuherden im Randbereich. Bei der Symptomatik steht der Juckreiz
im Vordergrund. Die Besiedelung mit dem Hefepilz erfolgt auf zumeist vorgeschädigter
Haut aufgrund von Immundefekten, bei Diabetes mellitus, nach Antibiotikatherapie oder
toxisch-irritativ bedingten Störungen. Die Diagnose erfolgt mittels mikroskopischem
Erregernachweis oder Pilzkultur [2]
[6].
Zur Behandlung sind topische Antimykotika wie Nystatin, Ciclopirox oder Azol-Antimykotika
(z. B. Clotrimazol) in Form von Pasten indiziert; nur selten ist eine systemische
Therapie erforderlich [2]
[6].
Condylomata acuminata
Unter den virusinduzierten Erkrankungen spielen die Feigwarzen (Condylomata acuminata)
eine bedeutende Rolle; sie zählen zu den häufigsten sexuell übertragbaren Krankheiten.
Die Prävalenz beträgt etwa 1 % der sexuell aktiven Bevölkerung. Charakteristisch sind
hautfarbene, weißliche, rötliche oder bräunliche Papeln im Anogenitalbereich, die
solitär stehen oder zu größeren Herden konfluieren ([Abb. 3]). Gelegentlich bilden sich auch blumenkohlartige Tumoren, die destruierend (Buschke-Löwenstein-Tumor)
oder nicht destruierend (C. gigantea) sein können. Feigwarzen werden durch Humane
Papillomaviren (HPV) verursacht. Zumeist handelt es sich um die Typen 6 oder 11 mit
niedrigem onkogenen Potenzial, gelegentlich werden aber auch sog. High-Risk-Typen
(16, 18, 31, 33, 35) beobachtet, die mit einem erhöhten Risiko für intraepitheliale
Neoplasien einschließlich Karzinomen der Cervix uteri assoziiert sind. Die Übertragung
erfolgt vorwiegend sexuell, seltener auch durch gemeinsame Benutzung von Gegenständen
wie Handtüchern oder beim gemeinsamen Baden. Das Auftreten der Kondylome wird begünstigt
durch Immundefekte und lokal prädisponierende Faktoren wie feuchtes Milieu oder vorgeschädigte
Haut (z. B. durch Ekzeme oder Läsionen infolge von Kratzen oder Analverkehr). Der
Durchseuchungsgrad in der Bevölkerung ist hoch: Schätzungsweise etwa 60 % weisen Antikörper
gegen HPV auf. Die Symptomatik ist oft wenig ausgeprägt und kann je nach Lokalisation
aus Juckreiz, Blutungen und Nässen bestehen. Der diagnostische Nachweis erfolgt zumeist
klinisch durch Inspektion und Palpation oder mittels Essigsäuretest (5 Minuten nach
Betupfen mit 5 %iger Essigsäure färben sich die Warzen weiß an), in unklaren Fällen
auch durch Biopsie. Differenzialdiagnostisch kommen u. a. vulgäre oder seborrhoische
Warzen, Mollusca contagiosa, Morbus Paget oder Condylomata lata (Stadium II der Lues)
in Frage. Ein Befall des Rektums sollte mittels Endoskopie ausgeschlossen werden.
In bis zu 30 % der Fälle werden Spontanremissionen beobachtet. Bei langem Bestehen
kann sich ein Plattenepithelkarzinom bilden. Bei Patienten mit Immundefekten (HIV,
Organtransplantierte u. a.) wachsen die Feigwarzen rascher und es besteht ein erhöhtes
Rezidiv- und Entartungsrisiko [2]
[6]
[11].
Abb. 3 Condylomata acuminata.
Bei begrenztem Befall bzw. einzelnen Warzen in gut zugänglichen Arealen ist eine konservative
Behandlung mit Podophyllotoxin (Wartec®-Creme, Condylox®-Lösung; 2 × tägl. an 3 Tagen der Woche), Imiquimod (Aldara®-Creme, 3 × pro Woche) indiziert. Seit 2010 steht zudem eine Salbe mit einem Extrakt
aus Grüntee-Blättern (Veregen®, 3 × tägl.) zur Verfügung. Die Behandlung mit Podophyllotoxin, Imiquimod oder Grüntee-Extrakt
kann bei großflächiger Anwendung zu ausgedehnten und für die Patienten sehr unangenehmen
Irritationen in der Analregion führen. Ähnliches gilt für die Anwendung von Trichloressigsäure,
die vom Patienten allerdings nicht selbst durchführbar ist: Da sie bei großflächigem
Befall mit massiven Schmerzen und Nekrosen einhergehen kann, stellt sie nur für vereinzelt
stehende Kondylome eine Alternative dar. Bei ausgedehntem Befall kommen in der Regel
operativ-destruktive Verfahren zu Anwendung, wie Kürettage, Elektrokoagulation, Lasertechnik
(CO2, NdYAG) oder Kryotherapie [4]
[5]
[9]. Auch die Infrarot-Bestrahlung kann bei Kondylomen eingesetzt werden. Bei intraanalem
Befall ist neben den operativen Verfahren auch eine Therapie mit Haemotamps (Suppositorien
mit Mulleinlage) möglich, in die auf Basis einer Individualrezeptur Imiquimod (1/2
Beutel Aldara® pro Haemotamp, Anwendung 3 × pro Woche) eingearbeitet wurde [12]. Der Patient muss darüber aufgeklärt werden, dass diese Behandlung eine ausgeprägte
Proktitis zur Folge haben kann. Wichtig ist, dass Sexualpartner mit untersucht und
ggf. behandelt werden. Für weitere Informationen wird auf die Leitlinien der Deutschen
Gesellschaft für Koloproktologie (DGK) verwiesen [11].
Anale intraepitheliale Neoplasie
Die anale (AIN) bzw. perianale (PAIN) intraepitheliale Neoplasie, früher als bowenoide
Papulose bzw. Morbus Bowen bezeichnet, zählt zu den Vorläufern des Plattenepithelkarzinoms.
Wie die Condylomata acuminata sind die Veränderungen HPV-assoziiert (überwiegend Typ
6, 11, 16 und 18) und demzufolge sexuell übertragbar. Risikofaktoren sind Rauchen,
Immunsuppression bzw. -defizienz und riskantes Sexualverhalten (Promiskuität, Analverkehr).
Nicht selten besteht eine Koinfektion mit HIV oder Herpes-simplex-Virus [13]
[14]
[15].
Man unterscheidet drei Grade:
Grad I: leichte Dysplasie im unteren Epidermisdrittel
Grad II: mittelgradige Dysplasie in der unteren und mittleren Epidermis
Grad III: hochgradige Dysplasie in der gesamten Epidermis (M. Bowen; Carcinoma in
situ)
(P)AIN I und II können sich spontan zurückbilden oder in eine (P)AIN III übergehen
[13].
Die AIN tritt vorzugsweise bei Männern und Frauen im dritten bis vierten Lebensjahrzehnt
auf. Es finden sich peri- und intraanal gelegene, flach erhabene, multiple, scharf
begrenzte grau-braune bis braun-rötliche Papeln, die im Allgemeinen eine glatte samtartige
oder warzenähnliche Oberfläche aufweisen, aber auch mazeriert sein können ([Abb. 4]). Die Veränderungen verursachen häufig keine Beschwerden; gelegentlich kommt es
zu Juckreiz. Die Diagnostik beruht in erster Linie auf Inspektion, Palpation und digitaler
Untersuchung. Diese sollten durch eine Analzytologie ergänzt werden. Bei verdächtigen
bzw. pathologischen Zytologiebefunden ist eine Diagnosesicherung mittels Probeexzision
und histologischer Untersuchung empfehlenswert [13]
[15]. Zudem stehen heute Marker zur Verfügung, die auf eine durch HPV bedingte neoplastische
Transformation betroffener Zellen hinweisen [14]. Bei Risikopersonen bzw. nach Behandlung werden regelmäßig klinische und zytologische
Kontrollen empfohlen [15].
Abb. 4 Perianale intraepitheliale Neoplasie (PAIN).
Die Behandlung orientiert sich am Grad und der Lokalisation der Veränderungen. Bei
AIN/PAIN I und II sowie bei AIN III werden sowohl konservative Methoden mit Imiquimod-
oder 5-Fluorouracil-Creme (Efudix®), Podophyllotoxin und fotodynamische Therapie als auch operative Verfahren wie Elektrokaustik
eingesetzt. Bei PAIN III ist wegen des hohen Rezidivrisikos eine chirurgische Exzision
erforderlich. Weitere Einzelheiten hierzu siehe Leitlinien von DDG/DGK [13].
Analkarzinom
Beim Analkarzinom handelt es sich histologisch in der Regel um ein Plattenepithelkarzinom.
Unterschieden werden das Analrandkarzinom ([Abb. 5]) und das Analkanalkarzinom.
Abb. 5 Analrandkarzinom.
Während das Analkarzinom früher selten vorkam, wird es durch die zunehmende Anzahl
wie auch längere Überlebenszeiten immunsupprimierter bzw. -defizienter Patienten einschließlich
HIV-Infizierter in den letzten Jahren immer häufiger beobachtet[14]
[15]
[16]. Die jährliche Inzidenz beträgt etwa 1 : 100 000 [15]. Bei der Entstehung spielen HPV-Infektionen insbesondere mit Hochrisiko-Typen des
HPV eine bedeutende Rolle, wobei Vorstufen wie Condylomata acuminata oder AIN bzw.
M. Bowen lange Zeit vorausgehen können. Daneben kann sich ein Analkarzinom auch auf
dem Boden von chronischem Ekzem, LSA, Lichen ruber oder bei Morbus Crohn als Begleiterkrankung
entwickeln. Das Karzinom manifestiert sich zumeist als derber, oft verruköser hautfarbener
bis rötlicher Knoten, der vor allem bei Exulzeration zunehmende Beschwerden wie Juckreiz,
Nässen, Blutungen und Schmerzen verursacht. Inspektion, Palpation und digitale rektale
Untersuchung liefern erste Hinweise für die Diagnose, die letztlich histologisch gesichert
werden muss. Gleichzeitig sollte ein Staging erfolgen [2]
[6]
[14].
Die Behandlung richtet sich nach der Größe, Lokalisation und Ausbreitung des Tumors:
Therapie der Wahl beim Analrandkarzinom ist die primäre Exzision mit ca. 1 cm Sicherheitsabstand,
wobei der Defekt sekundär abheilen kann. Eine Alternative ist die Strahlentherapie.
Bei lokal fortgeschrittenem Tumor bzw. Befall der regionären Lymphknoten ist eine
primäre Radiochemotherapie und ggf. eine radikale Lymphadenektomie indiziert [6]
[16]. Beim Analkanalkarzinom mit Lokalisation distal der Linea dentata, einer Tumorgröße
< 2 cm und ohne Metastasierung erfolgt die lokale Exzision. In allen übrigen Fällen
ist die primäre Radiochemotherapie Standard. Wichtig ist die Nachsorge mit regelmäßigen
klinischen und zytologischen Kontrollen [2]
[6]
[15].
Hämorrhoiden
Hämorrhoiden sind definiert als symptomatische oder asymptomatische Hyperplasie des
Plexus haemorrhoidalis superior (Corpus cavernosum recti). Sie werden in vier Grade
eingeteilt ([Tab. 5], [Abb. 6] und [7]). Beim Hämorrhoidalleiden handelt es sich um eine der häufigsten Erkrankungen in
den Industrieländern. Schätzungsweise sind etwa 70 % der erwachsenen Bevölkerung im
Laufe ihres Lebens zumindest einmal davon betroffen [17]. Prädisponierende Faktoren sind erbliche Disposition, erhöhter Druck auf den Beckenboden,
Obstipation, verlängertes starkes Pressen, Adipositas und Bewegungsmangel. Häufige
Symptome sind Blutung, Pruritus, Brennen, Nässen, Wundsein, Stuhlschmieren, Druck-
und Prolapsgefühl. Die Diagnose erfolgt durch Inspektion und Proktoskopie mit Pressversuch.
Wichtige Differenzialdiagnosen sind Marisken, perianale Thrombose, hypertrophe Analpapille,
prolabierendes Rektumadenom, Analabszess, Analprolaps, Rektumprolaps und Condylomata
acuminata [17]
[18].
Tab. 5 Stadieneinteilung der Hämorrhoiden [18].
Grad I |
nur proktoskopisch erkennbare Vergrößerung |
Grad II |
Prolaps beim Pressen bis zum distalen Analkanal mit Spontanretraktion |
Grad III |
Prolaps beim Pressen ohne Spontanretraktion, jedoch manuell reponierbar |
Grad IV |
Prolaps permanent, nicht reponierbar |
Abb. 6 Hämorrhoiden Grad 1 (im Proktoskop).
Abb. 7 Hämorrhoiden Grad 3 (Pressversuch).
Die Behandlung in jedem Stadium sollte durch den Patienten selbst sinnvoll unterstützt
werden durch Optimierung von Ernährungsgewohnheiten und Stuhlregulierung ([Tab. 6]). Bei der Therapieentscheidung sind Therapieerfolg, Komplikationsrate, Rezidivrate
sowie Aufwand und Invasivität im Verhältnis zu Größe und Art der Veränderungen zu
berücksichtigen. Die wichtigsten stadiengerechten Therapieansätze sind in [Tab. 7] aufgeführt. Während in den frühen Stadien semioperative Verfahren wie Sklerosierung
([Tab. 8]) und Gummiringligatur ([Tab. 9]) infrage kommen, dominieren in fortgeschrittenen Stadien die rein chirurgischen
Verfahren [17]
[18]. Vor jeder Sklerosierungs- bzw. Ligaturbehandlung ist eine Proktoskopie zum Ausschluss
aktueller Kontraindikationen ([Tab. 8] bzw. [9]) durchzuführen. Die konservative Behandlung ist nur zur Überbrückung oder als symptomatische
Begleittherapie geeignet. Dazu zählen Analtampons und intraanal anwendbare Salben
(mit Applikator) mit Lokalanästhetika und antientzündlich wirksamer Escherichia coli-Suspension
(Posterisan®-Salbe/Zäpfchen) oder auch Glukokortikoide. Dabei ist das Risiko einer allergischen
Kontaktsensibilisierung zu beachten. Obsolet sind Monotherapien mit Salben oder Suppositorien,
Kryotherapie, Sphinkterdehnung oder Sphinkterotomie. Für weitere Informationen wird
auf die S1-Leitlinien der DGK verwiesen [18]. In den letzten Jahren wurden neue Therapieansätze entwickelt, zu denen ein evidenzbasierter
Nachweis der Gleichwertigkeit oder Überlegenheit gegenüber den konventionellen Verfahren
jedoch bislang noch nicht erbracht werden konnte. Dazu zählen u. a. die dopplergesteuerte
Hämorrhoidalarterienligatur (DGHA), Rectoanal Repair und thermische Koagulationstechniken
[17].
Tab. 6 Allgemeine Empfehlungen zur Stuhlregulierung.
– Ballaststoffreiche Ernährung |
– Ausreichende Flüssigkeitszufuhr |
– Verzicht auf Laxanzien |
– Vermeiden von übermäßigem Pressen |
– Körperliche Bewegung |
– Adäquates Stuhlentleerungsverhalten (Stuhldrang nicht zu lange unterdrücken) |
Tab. 7 Stadienorientierte Therapie des Hämorrhoidalleidens [6]
[17]
[18].
|
Therapie der Wahl |
Alternativen |
Grad I |
Sklerosierung (n. Blond od. Bensaude) |
Analtampons u. Salbe |
Grad II |
Gummiringligatur (n. Barron) |
Sklerosierung, DGHAL |
Grad III |
segmentär: Hämorrhoidektomie (n. Milligan-Morgan, Ferguson oder Parks),
zirkulär: Stapler-Hämorrhoidopexie (n. Longo) |
Gummiringligatur und Sklerosierung |
Grad IV |
operativ (Hämorrhoidopexie/analplastische Rekonstitution) |
|
DGHAL = Dopplergesteuerte Hämorrhoidalarterienligatur |
Tab. 8 Gebräuchliche Sklerosierungstechniken bei Hämorrhoiden.
Sklerosierungstechnik |
nach Bensaude |
nach Blond |
Injektionsort |
submukös oberhalb der Hämorrhoide (bei 3, 7 u. 11 Uhr) |
submukös intranodulär (tropfenweise zirkulär) |
Proktoskop |
vorne offen |
seitlich offen |
Lösung |
Phenolmandelöl od. -erdnussöl 5 % Polidocanol (Äthoxysklerol) 2 – 4 % |
Polidocanol (Äthoxysklerol®) 3 – 4 % (bzw. 10 % alkoholische Lösung) 0,1 – 0,2 ml je Knoten (Rändelspritze) |
Behandlungsfrequenz und -dauer |
2 – 4 Sitzungen in 2- bis 4-wöchigen Intervallen |
10 Sitzungen in 2-wöchigen Intervallen |
Nachteile/Risiken |
bei zu oberflächlicher Injektion Ulzera, Nekrosen, Blutungen bei zu tiefer Injektion Schmerzen bei Männern bei 12 Uhr: Prostata Ölgranulome |
Nekrosen, Blutung, Schmerzen |
Kontraindikationen |
Schwangerschaft, hämorrhagische Diathese, M. Crohn, Colitis ulcerosa, Thromboseneigung,
akute intraanale Entzündungen |
Tab. 9 Gummiringligatur bei Hämorrhoiden.
Methode |
nach Barron |
Vorgehen |
Ligatur an der Basis des Knotens Durchführung mittels Zange oder Vakuumpumpe |
Heilungsverlauf |
nekrotisches Gewebe fällt nach wenigen Tagen ab, Abheilung der ligierten Stelle nach
3 Wochen |
Behandlungsfrequenz und -dauer |
mehrere Sitzungen in 3- bis 4-wöchigen Intervallen |
Nachteile/Risiken |
therapiebedürftige Blutungen (in ca. 1 % der Fälle) [17]
ggf. Latexallergie bei Verwendung v. latexhaltigem Gummi |
Kontraindikationen |
hämorrhagische Diathese, HIV-Infektion, akute intraanale Entzündungen, Medikation
mit Antikoagulanzien (ASS, Thrombozytenaggregationshemmer oder Cumarin-Derivate) |
Marisken
Marisken (franz. marisque = Feige) sind hautfarbene, am äußeren Analrand gelegene
Knötchen und Knoten, die einzeln oder gruppiert auftreten können ([Abb. 8]). Histologisch handelt es sich um Angiofibrome. Sie sind relativ häufig: Etwa 70 – 80 %
aller Menschen entwickeln im Laufe ihres Lebens Marisken. Bei Frauen erfolgt die Erstmanifestation
im zweiten Lebensjahrzehnt, bei Männern überwiegend in der vierten Lebensdekade. Die
Veränderungen bilden sich nicht wieder zurück, wenn sie einmal aufgetreten sind. Hinsichtlich
der Entstehung unterscheidet man primäre von sekundären Marisken. Bei den wesentlich
häufigeren primären (idiopathischen) Marisken handelt es sich um Hyperplasien der
Haut, die sich ohne erkennbare Ursache entwickeln. Hingegen sind die sekundären (symptomatischen)
Marisken Folge von proktologischen Vorerkrankungen, wie Analfissuren, peri- oder intraanale
Entzündungszustände, oder Operationen (z. B. wegen Fisteln, Hämorrhoiden, Thrombosen).
Auch in Zusammenhang mit Morbus Crohn können sich Marisken entwickeln. Sie verursachen
in der Regel keine Beschwerden und fallen zumeist eher zufällig auf. Größere Marisken
können jedoch die Reinigung des Afters nach der Defäkation behindern. Intensive Reinigung
mit trockenem Toilettenpapier kann zu Reizung und Entzündung der Marisken und der
umgebenden Haut führen. Dies verursacht dann Beschwerden wie Juckreiz und Brennen.
Die Diagnose kann in der Regel alleine anhand der Inspektion und Palpation gestellt
werden. Wichtige Differenzialdiagnosen sind Vorpostenfalte bei Analfissur, perianale
Thrombosen, Condylomata acuminata oder prolabierende Hämorrhoiden [6]
[19].
Abb. 8 Marisken.
Eine Behandlung ist nicht unbedingt erforderlich. Allerdings sollten Empfehlungen
für eine gründliche Analhygiene befolgt werden ([Tab. 1]) Bei sehr störenden Marisken oder Problemen mit der Analhygiene kann eine operative
Abtragung in Lokalanästhesie erwogen werden. Dabei ist das Ergebnis in der Regel besser,
wenn die Wunde nicht vollständig durch Naht verschlossen wird. Die sekundäre Wundheilung
dauert zwei bis drei Wochen [6]
[19].
Analthrombose
Von Analthrombose (Perianalthrombose, Analrandthrombose) spricht man bei spontan auftretender
intravasaler Thrombosierung der kavernösen Venen am Analrand. Es handelt sich um einen
erbs- bis kirschgroßen Knoten, der ohne Beschwerden, aber auch mit starken Schmerzen
einhergehen kann ([Abb. 9]). Mögliche Auslöser sind unter anderem körperliche Anstrengung, lokale Kälteeinwirkung,
erhöhter intraabdomineller Druck (starkes Pressen) oder auch hormonelle Einflüsse.
Das Vorliegen ausgedehnter Hämorrhoiden kann prädisponierend wirken. Spontane Perforationen
sind möglich. Zur Diagnostik sind Inspektion und Palpation ausreichend [2]
[6]
[20].
Abb. 9 Analthrombose.
Eine Behandlung ist nicht zwingend erforderlich. Bei geringen Beschwerden reicht in
der Regel eine konservative Therapie mit nicht-steroidalen Antirheumatika aus (z. B.
Diclofenac 2 × 50 mg/Tag). Stark schmerzhafte Analthrombosen sollten in Lokalanästhesie
inzidiert oder – wegen des geringeren Rezidivrisikos – besser exzidiert werden. Zur
Rezidivprophylaxe empfiehlt sich das Vermeiden möglicher Auslöser sowie die Behandlung
eines evtl. vorliegenden Hämorrhoidalleidens [2]
[6]
[20].
Analabszess und Analfistel
Die Analfistel entsteht infolge eines Abszesses oder chronischen Infekts im Enddarm.
Über 90 % der Fisteln gehen von Krypten aus; dabei kommt es zur Entzündung der rudimentären
Proktodealdrüsen (Duftdrüsen) im intersphinkteren Raum und in der Folge zur Bildung
eines Abszesses ([Abb. 10]). Durch Perforation zur Haut oder zu benachbarten Organen entwickelt sich schließlich
eine Fistel ([Abb. 11]). Während es sich somit beim Abszess um eine Akutmanifestation handelt, entspricht
die Fistel der chronischen Verlaufsform. Sogenannte atypische Fisteln, die vom Rektum
ausgehen, treten zumeist im Zusammenhang mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen
wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa auf. Die Symptomatik ist charakterisiert durch
Schmerzen, Fieber und Schwellung. Diagnostisch wegweisend ist die proktologische Standarddiagnostik,
die ggf. durch Endosonografie und NMR ergänzt werden kann [2]
[6].
Abb. 10 Initialer Analabszess bei 6 Uhr SSL.
Abb. 11 Intraoperativer Situs einer transsphinktären Analfistel mit liegender Sonde bei 6
Uhr SSL.
Therapie der Wahl ist die Operation mit Spaltung und Drainage des Abszesses. Beim
Abszess handelt es sich um eine Notfallindikation für einen operativen Eingriff. Des
Weiteren sollte in jedem Fall eine Revision zum Ausschluss einer Fistel erfolgen.
Stark entzündliche und eiternde Fisteln werden zunächst durch Einlegen eines geknüpften
Fadens drainiert. Später erfolgt dann die Exzision und ggf. der plastische Verschluss
der inneren Fistelöffnung [2]
[6].
Analfissur
Bei der Analfissur handelt es sich um ein spindelförmiges Ulkus, das im distalen Analkanal
zumeist (in ca. 80 % der Fälle) im Bereich der hinteren Komissur (bei 6 Uhr in SSL)
lokalisiert ist ([Abb. 12]). Die Ursache ist ungeklärt; es wird eine multifaktorielle Genese angenommen, wobei
übermäßiges Dehnen durch harten und sehr voluminösen Stuhl, eine verminderte Elastizität
des Analkanals und/oder eine Kryptitis die Entstehung zu begünstigen scheinen. Häufig
kommt es zu einem Circulus vitiosus von Schmerzen, erhöhtem Sphinktertonus, mangelnder
Durchblutung bzw. Heilungstendenz, entzündlichen Prozessen und schließlich zu Sekundärveränderungen
(hypertrophe Analpapille, Vorpostenfalte, Fistel, narbige Analstenose) und dadurch
zur Chronifizierung. Auch sekundäre Fissuren infolge einer Reihe anderer Grunderkrankungen
werden beobachtet. Charakteristisches Symptom ist ein stechender, brennender oder
dumpfer Schmerz während, oft auch nach der Stuhlentleerung, der häufig von einer Blutung
begleitet ist. Im Zuge der Chronifizierung lassen die Symptome nach. Die Diagnostik
erfolgt in der Regel mittels Inspektion, Palpation und Proktoskopie [2]
[6]
[21].
Abb. 12 Analfissur.
Bei der Behandlung muss zwischen akuter und chronischer Form unterschieden werden.
Therapieziel ist es, den Sphinktertonus zu senken, um den Circulus vitiosus zu durchbrechen.
Daneben sind stuhlregulierende Maßnahmen mit ballaststoffreicher Ernährung und ausreichender
Flüssigkeitszufuhr zu empfehlen ([Tab. 6]). Die Behandlung der akuten Form erfolgt konservativ. Eine protrahierte Dehnung
des Sphinkters lässt sich durch Anwendung eines Analdehners erreichen: Dabei wird
der Dehner durch den Patienten selbst zweimal täglich nach Auftragen einer Salbe ohne
Drehbewegungen so weit in den Analkanal eingeführt, wie es die Schmerzen zulassen.
Der Dehner soll dann einige Minuten intraanal verweilen. Diese Behandlung sollte für
mindestens vier Wochen durchgeführt werden. Eine weitere Option ist die topische Applikation
von Nitraten (Glyceroltrinitrat, Isosorbiddinitrat), Kalziumantagonisten (Nifedipin,
Diltiazem) oder Injektion von Botulinumtoxin. Hingegen sind bei chronischen Fissuren
operative Maßnahmen in Form einer Fissurektomie mit oder ohne Sphinkterotomie (unter
Mitnahme von Vorpostenfalte und hypertropher Analpapille) am erfolgversprechendsten
[2]
[6]
[21]. Weitere Details siehe S1-Leitlinien von DGK und DDG [21].
Prolapsformen
Beim Anal- bzw. Rektumprolaps kommt es zum partiellen oder kompletten Vorfall von
Analschleimhaut bzw. Enddarm durch den Schließmuskel hindurch, wobei beim Analprolaps
nur die Schleimhaut ([Abb. 13]) und beim Rektumprolaps alle Darmwandschichten ([Abb. 14]) beteiligt sind. Der Rektumprolaps tritt vor allem bei älteren weiblichen Patientinnen
auf. Der Analprolaps entwickelt sich häufig bei vorbestehenden oder gleichzeitig auftretenden
Hämorrhoiden. Weitere Ursache ist ein verminderter Muskeltonus bei morphologisch intaktem
Schließmuskelapparat und/oder eine Schwäche der Beckenbodenmuskulatur. Die Folge sind
unkontrollierte Abgänge von Stuhl, Blut oder Schleim sowie Schmerzen und Juckreiz.
Die Diagnose lässt sich in der Regel eindeutig mittels Inspektion stellen; ist die
Ausstülpung nicht sichtbar, kann das Prolabieren durch Husten oder Pressen provoziert
werden. Die Behandlung des Analprolapses schließt die Beseitigung des häufig gleichzeitig
vorliegenden Hämorrhoidalprolapses mit ein (siehe oben). Für die operative Versorgung
des Rektumprolapses gibt es verschiedene operative Verfahren [6].
Abb. 13 Analprolaps.
Abb. 14 Rektumprolaps (Pressversuch).
Madenwurm-Befall (Oxyuriasis)
Erreger der Oxyuriasis (Enterobiasis) ist der weltweit verbreitete Fadenwurm Enterobius
vermicularis, der häufigste Parasit des Menschen. Die Übertragung erfolgt fäkal-oral,
durch Schmierinfektion über direkten Kontakt, verunreinigte Gegenstände oder Nahrungsmittel.
Betroffen sind vor allem Kinder. Die bis zu 13 mm langen Würmer leben im Enddarm und
legen nachts ihre Eier auf der Haut in der Perianalregion ab. Diese werden dann durch
Kratzen wieder zum Mund oder über Unterwäsche, Bettzeug und Staub auf andere Menschen
und Gegenstände übertragen. Oft bestehen keine oder nur geringe Beschwerden. Typisch
ist meist nachts bis frühmorgens auftretender Juckreiz im Afterbereich, der zu Schlaflosigkeit
führen kann; bei starkem Wurmbefall kommt es auch zu Durchfall, Übelkeit und Bauchschmerzen.
Gelegentlich sind Würmer im Stuhl makroskopisch erkennbar, die Eier lassen sich mikroskopisch
nachweisen. Hilfreich ist ein Klebestreifen-Abklatschpräparat, das mindestens dreimal
an aufeinander folgenden Tagen angefertigt werden sollte, da die Weibchen nicht jeden
Tag Eier legen. Die Behandlung erfolgt mit Antihelminthika: Mittel der Wahl ist Mebendazol
(Vermox®) oder (bei Kindern) Pyrantelembonat (Helmex®). Wichtig ist, dass Hygieneregeln eingehalten werden und die gesamte Wohngemeinschaft
eines befallenen Patienten mit untersucht und ggf. behandelt wird. Nach zwei Wochen
sollte eine Kontrolle erfolgen [22]
[23].