Einleitung
Das Lungenkarzinom ist weltweit der häufigste solide Tumor [1], in Deutschland der zweithäufigste beim Mann und der dritthäufigste bei der Frau
– es erkranken jedes Jahr ca. 48 000 Patienten [2]. Dabei ist das Lungenkarzinom die am häufigsten zum Tode führende Tumorerkrankung
[1]
[3]. Die 5-Jahres-Überlebensrate beträgt in Deutschland etwa 15 % für Männer und 18 %
für Frauen [2]. Der Häufigkeitsgipfel liegt zwischen dem 55. und 65. Lebensjahr. Bei 13 – 18 %
liegt ein kleinzelliger Tumorsubtyp (SCLC) vor, bei den übrigen ein nichtkleinzelliger
(NSCLC) [4].
Die wichtigsten Prognosefaktoren für das SCLC sind das Krankheitsstadium, der performance status, das Geschlecht [5]
[6] und die Laktatdehydrogenase (LDH) [7]
[8]. Die Prognose des NSCLC ist hauptsächlich vom Krankheitsstadium abhängig. Weiterhin
ist ebenfalls der performance status ein wichtiger prädiktiver Marker, insbesondere im Hinblick auf eine chirurgische
Tumorresektion [1]. Weitere relevante Prognosefaktoren konnten bisher nicht etabliert werden und somit
nicht in den aktuellen S3-Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und
der Deutschen Krebsgesellschaft kommentiert werden.
Vor allem SCLC-, aber auch NSCLC-Patienten entwickeln häufig eine Hyponatriämie (HN),
verursacht durch eine inadäquate Sekretion des Hormons ADH (SIADH). Generell ist die
HN eine häufige Elektrolytstörung, die bereits am Tag der Hospitalisierung bei 14,5 %
der Patienten diagnostiziert wird [9]. Die HN kann zu lebensbedrohlichen neurologischen Komplikationen führen und ist
mit einer 60-fach erhöhten Morbidität und Mortalität der hospitalisierten Patienten
assoziiert [10]
[11]
[12]. Bei Patienten mit Leberzirrhose, Herzinsuffizienz und neurologischen Störungen
ist die HN ein etablierter prädiktiver Marker für die Mortalität. Bisher zeigten einige
retrospektive Studien, dass die HN auch einen möglichen, signifikanten Prognosefaktor
beim SCLC darstellt, während ein großer Teil der Studien dies nicht bestätigen konnte
[13]. Die aktuelle S3-Leitlinie führt die HN nicht als Prognosefaktor für das Lungenkarzinom
auf.
In der vorliegenden retrospektiven Analyse wurde untersucht, ob sich die HN auf das
Gesamtüberleben des kleinzelligen und nichtkleinzelligen Lungenkarzinoms auswirkt
und einen Prognosefaktor dieser Krankheitsentitäten darstellt.
Material und Methoden
Der Normbereich des Natriumwertes im Serum liegt bei 136 – 145 mmol/l. Eine schwere
Hyponatriämie (HN) ist mit Natriumwerten unter 125 mmol/l definiert.
Es wurden die Überlebensdaten der Lungenkarzinompatienten mit einer dokumentierten
HN, die sich von 2006 – 2009 in der Evangelischen Lungenklinik Berlin in Behandlung
befanden, in Zusammenarbeit mit dem Tumorzentrum Buch ausgewertet und mit den Lungenkarzinomfällen
ohne HN aus diesem Zeitraum verglichen.
Für diese Patienten wurden jeweils der niedrigste und der höchste Natriumwert bestimmt.
Zudem wurden Daten zur Alters- und Geschlechtsverteilung, zur Tumorentität und zum
Tumorstadium (TNM-Klassifikation nach UICC 7/IASLC 2009) erhoben.
Das Gesamtüberleben dieser Patienten wurde in Abhängigkeit des Geschlechts und des
jeweiligen Tumorsubtyps (SCLC oder NSCLC) im Vergleich zur Normgruppe (normonatriäme
Lungenkarzinome) dargestellt.
Zudem wurde der Einfluss der HN-Ausprägung untersucht. Dazu wurden das Gesamtüberleben
der HN-Patienten mit einem niedrigsten Natriumwert unter 125 mmol/l mit dem Gesamtüberleben
der HN-Patienten, deren niedrigster Natriumwert über 125 mmol/l lag, verglichen.
Weiterhin wurde die Auswirkung der HN-Korrektur auf das Gesamtüberleben untersucht.
Dazu wurden Überlebensdaten der HN-Patienten, die im Krankheitsverlauf einen maximalen
Natriumwert von 138 mmol/l und mehr erreichten, denen gegenübergestellt, bei denen
keine Korrektur des Natriumwertes über 138 mmol/l erzielt wurde.
Die statistischen Datenanalysen erfolgten mit dem Programm PASW/SPSS 18.0. Die Berechnung
der Überlebenskurven wurde mittels Kaplan-Meier-Überlebensfunktion und Gruppenvergleiche
mittels Log-Rank-Test durchgeführt.
Ergebnisse
Im Diagnosezeitraum 2006 – 2009 wurden vom Tumorzentrum Buch 2048 Lungenkarzinomfälle
ohne Hyponatriämie (HN) und 97 (4,7 %) Lungenkarzinompatienten mit einer dokumentierten
HN erfasst. Diese unterteilen sich in 296 kleinzellige Lungenkarzinome (SCLC) ohne
HN und 49 SCLC mit HN sowie 1752 nichtkleinzellige Lungenkarzinome (NSCLC) ohne HN
und 48 NSCLC mit HN. Somit sind 14,2 % der SCLC und 2,7 % der NSCLC von der HN betroffen
([Tab. 1]).
Tab. 1
Hyponatriämiehäufigkeiten.
|
keine HN (n)
|
HN (n)
|
SCLC
|
296
|
49 (14,2 %)
|
NSCLC
|
1752
|
48 (2,7 %)
|
Gesamt
|
2048
|
97 (4,7 %)
|
HN: Hyponatriämie; SCLC: kleinzelliges Lungenkarzinom (small cell lung cancer); NSCLC:
nichtkleinzelliges Lungenkarzinom (non small cell lung cancer); n: Anzahl der Patienten.
Die folgende Tabelle zeigt die Verteilung für das SCLC und das NSCLC jeweils mit und
ohne HN auf das Geschlecht, das Alter und das Tumorstadium ([Tab. 2]).
Tab. 2
Patientencharakteristika 2006–2009.
Tumorentität
|
SCLC (n)
|
NSCLC (n)
|
Natriumwert (mmol/l)
|
< 135
|
135+
|
< 135
|
135+
|
männlich weiblich
|
33 (67,3 %) 16 (32,7 %)
|
193 (65,2 %) 103 (34,8 %)
|
30 (62,5 %) 18 (37,5 %)
|
1242 (70,9 %) 510 (29,1 %)
|
< 60 J. 60–70 J. >70 Jahre
|
18 (36,7 %) 13 (26,5 %) 18 (36,7 %)
|
92 (31,1 %) 112 (37,8 %) 92 (31,1 %)
|
13 (27,1 %) 15 (31,3 %) 20 (41,7 %)
|
399 (22,8 %) 636 (36,3 %) 717 (40,9 %)
|
Stadium I Stadium II Stadium III
Stadium IV
|
0 1 (2,0 %) 11 (22,4 %) 37 (75,5 %)
|
13 (4,8 %) 5 (1,8 %) 63 (23,2 %) 190 (69,3 %)
|
1 (2,2 %) 2 (4,4 %) 9 (20,0 %) 33 (73,3 %)
|
362 (22,8 %) 132 (8,3 %) 374 (23,5 %) 721 (45,1 %)
|
SCLC: kleinzelliges Lungenkarzinom (small cell lung cancer); NSCLC: nichtkleinzelliges
Lungenkarzinom (non small cell lung cancer); n: Anzahl der Patienten; Stadium I–IV
nach TNM-Klassifikation UICC 7/IASLC 2009.
Insgesamt wiesen die Lungenkarzinompatienten mit HN gegenüber denen mit normwertigem
Natrium (Normgruppe) ein deutlich reduziertes Überleben auf (medianes Überleben 10,08 ± 1,68
vs. 12,12 ± 0,48 Monate, mit einem Gesamtüberleben (Overall Survival, OS) nach 2 Jahren
von 24,4 % ± 5,8 vs. 30,8 % ± 1,3; p = 0,08) ([Abb. 1]).
Abb. 1 Überlebenskurven der Lungenkarzinompatienten (NSCLC + SCLC) ohne Hyponatriämie (Normgruppe)
vs. Lungenkarzinompatienten mit Hyponatriämie; medianes Überleben 10,08 ± 1,68 vs.
12,12 ± 0,48 Monate; Gesamtüberleben nach 2 Jahren 24,4 % ± 5,8 vs. 30,8 % ± 1,3;
p = 0,08.
Insbesondere Natriumwerte unter 125 mmol/l waren mit einem kürzeren Gesamtüberleben
assoziiert (OS nach 2 Jahren: 11,8 % ± 6,9 vs. 34,3 % ± 8,5; p = 0,12) ([Abb. 2]).
Abb. 2 Überlebenskurven der Lungenkarzinompatienten mit Hyponatriämie mit niedrigstem Na-Wert
</> 125 mmol/L; Gesamtüberleben nach 2 Jahren 11,8 % ± 6,9 vs. 34,3 % ± 8,5; p = 0,12.
Dabei waren die niedrigsten Natriumwerte der HN-Patienten folgendermaßen verteilt:
Bei 3 Patienten lag der niedrigste Natriumwert <110 mmol/l, bei 12 Patienten zwischen
110 – 115 mmol/l, bei 9 Patienten zwischen 115 – 120 mmol/l, bei 21 Patienten zwischen
120 – 125 mmol/l, bei 36 Patienten zwischen 125 – 130 mmol/l und bei 16 Patienten
zwischen 130 – 135 mmol/l.
Unabhängig von der Tumorentität zeigten NSCLC- und SCLC-Patienten mit HN ähnliche
Überlebenskurven (OS nach 2 Jahren: 25.2 % ± 7,6 für NSCLC vs. 23.5 % ± 8,5 für SCLC;
p = 0,82; vs. 30,8 % ± 1,3 für Lungenkarzinome mit normwertigem Natrium; p = 0,08)
([Abb. 3]).
Abb. 3 Überlebenskurven der NSCLC- und SCLC-Patienten mit Hyponatriämie; Gesamtüberleben
nach 2 Jahren 25,2 % ± 7,6 für NSCLC vs. 23,5 % ± 8,5 für SCLC; p = 0,82.
NSCLC mit HN wiesen ein medianes Überleben von 9 ± 1,44 Monaten und damit ein kürzeres
Überleben auf als die Gruppe der NSCLC mit normwertigem Natrium (medianes Überleben:
12,96 ± 0,6 Monate) (OS nach 2 Jahren: 25,2 % ± 7,8 vs. 33,2 % ± 1,5) (p = 0,056).
Eine zwischenzeitliche Normalisierung der Natriumwerte über 138 mmol/l war sowohl
bei SCLC- als auch bei NSCLC-Patienten mit einem verlängerten Überleben assoziiert.
Für beide Entitäten fand sich hier ein medianes Überleben von 13,32 ± 1,44 Monaten
(OS nach 2 Jahren: 29,3 % ± 8,1; p = 0,007), während das mediane Überleben bei fehlender
Korrektur der Natriumwerte über 138mmol/l nur bei 5,16 ± 1,92 Monaten lag (OS nach
2 Jahren: 13,1 % ± 6,9; p = 0,007) (6,6 ± 2,64 Monate, p = 0,017 für das NSCLC und
5,04 ± 1,2 Monate für das SCLC, p = 0,14) ([Abb. 4 – 6]). Aus den Daten ging nicht hervor, ob die Korrektur der HN durch eine konkrete Intervention
zur HN-Korrektur erfolgte oder ob es im Rahmen der antineoplastischen Therapie zur
Normalisierung der Natriumwerte kam.
Abb. 4 Überlebenskurven der Lungenkarzinompatienten mit Hyponatriämie mit maximalem Na-Wert
</> 138 mmol/L; 13,32 ± 1,44 vs. 5,16 ± 1,92 Monate; Gesamtüberleben nach 2 Jahren
29,3 % ± 8,1 vs. 13,1 % ± 6,9 p = 0,007.
Lungenkarzinompatienten mit Hyponatriämie mit Natriumkorrektur über 138 mmol/l (grüne
Kurve); Lungenkarzinompatienten mit Hyponatriämie ohne Natriumkorrektur über 138 mmol/l
(blaue Kurve).
Abb. 5 Überlebenskurven SCLC ohne Hyponatriämie vs. SCLC mit Hyponatriämie mit maximalem
Natrium </>138 mmol/L; Gesamtüberleben nach 2 Jahren 16,2 % ± 10,4 vs. 25,7 % ± 12,1
(vs. 17,4 % ± 2,9 für die Normgruppe); p = 0,14.
Normgruppe: SCLC ohne Hyponatriämie (blaue Kurve); SCLC mit Hyponatriämie mit Natriumkorrektur
über 138 mmol/l (orange Kurve); SCLC mit Hyponatriämie ohne Natriumkorrektur über
138 mmol/l (grüne Kurve).
Abb. 6 Überlebenskurven NSCLC ohne Hyponatriämie vs. NSCLC mit Hyponatriämie mit maximalem
Natrium </> 138 mmol/L; Gesamtüberleben nach 2 Jahren 9,2 % ± 8,7 vs. 31,5 % ± 10,3
(vs. 33,2 % ± 1,5 für die Normgruppe); p = 0,017.
Normgruppe: NSCLC ohne Hyponatriämie (blaue Kurve); NSCLC mit Hyponatriämie mit Natriumkorrektur
über 138 mmol/l (orange Kurve); NSCLC mit Hyponatriämie ohne Natriumkorrektur über
138 mmol/l (grüne Kurve).
Die HN trat vor allem in den fortgeschrittenen Tumorstadien auf. 75,5 % der SCLC und
73,3 % der NSCLC mit HN wiesen Fernmetastasen entsprechend dem Tumorstadium IV (nach
UICC Version 7) auf.
Es waren 63 männliche und 34 weibliche Lungenkarzinompatienten von der HN betroffen.
Das Gesamtüberleben nach 2 Jahren betrug für Frauen 9,9 % ± 6,6 und für Männer 35,1 % ± 7,6
(p = 0,08). Somit zeigten Frauen ein deutlich kürzeres Überleben als Männer, sind
aber insgesamt seltener von der HN betroffen (Männer : Frauen 2 : 1) ([Abb. 7]).
Abb. 7 Lungenkarzinompatienten mit HN nach Geschlecht; Gesamtüberleben nach 2 Jahren für
Frauen 9,9 % ± 6,6 vs. 35,1 % ± 7,6 für Männer (p = 0,08).
Von einer schweren HN mit Natriumwerten unter 120 mmol/l waren Männer und Frauen ungefähr
gleich häufig betroffen, während bei HN-Patienten mit Natriumwerten über 120 mmol/l
sowie insgesamt Männer jeweils häufiger als die Frauen vertreten waren.
Das Alter der Lungenkarzinompatienten mit HN betrug bei Diagnosestellung im Mittelwert
64,6 Jahre, der Median lag bei 67,4 Jahren. Bei den Patienten mit einem Diagnosealter
über 70 Jahre glich sich die Geschlechtsverteilung an, darunter waren die Männer häufiger
vertreten ([Abb. 8]).
Abb. 8 Altersverteilung. Alter der Lungenkarzinompatienten mit HN bei Diagnosestellung;
orange: weiblich; blau: männlich.
Diskussion
Die Hyponatriämie (HN) ist ein häufiges Phänomen bei hospitalisierten Patienten und
tritt besonders beim kleinzelligen Lungenkarzinom (SCLC) vermehrt auf. Die vorliegende
monozentrische, retrospektive Analyse umfasste 2048 Lungenkarzinomfälle ohne HN und
97 mit HN. Somit lag der Anteil der HN-Patienten an allen Lungenkarzinomen bei 4,7 %.
14,2% der SCLC und 2,7 % der NSCLC waren von der HN betroffen. Diese Häufigkeiten
sind vergleichbar mit Analysen anderer Arbeitsgruppen. Hier finden sich in der Literatur
Berichte über 453 SCLC-Fälle mit einer HN-Häufigkeit von 44 %, in einer anderen Gruppe
von 350 SCLC wiesen 11 % und von 428 NSCLC wiesen 1,6 % eine HN auf [13]
[14].
Die Analyse der SCLC- und NSCLC-Patienten mit HN zeigte ähnliche Überlebenskurven
für beide Patientengruppen, nach 2 Jahren lebten noch 23,5 % bzw. 25,2 % der Patienten,
das mediane Überleben betrug für SCLC und NSCLC zusammen 10,08 Monate. Diese Ergebnisse
entsprechen den Überlebensdaten der metastasierten Tumorstadien (Stadium IV bzw. extensive
disease) des Staging Projekts der International Association for the Study of Lung
Cancer, welche die Daten von mehr als 5000 Lungenkarzinompatienten enthält [15]
[16].
Die HN trat vor allem in den fortgeschrittenen Stadien auf. 75,5 % der SCLC und 73,3 %
der NSCLC mit HN befanden sich im Tumorstadium IV. Daher stellt die HN vor allem für
fortgeschrittene Tumorstadien einen möglichen Prognosefaktor dar. Weiterhin deutet
dies auf einen Zusammenhang der HN mit einem metastasierten Stadium hin und lässt
annehmen, dass die HN möglicherweise ein Maß für die Tumorlast darstellt. Eine Assoziation
von niedrigen Natriumwerten mit der Tumorlast fand sich ebenfalls in der aktuellen
Untersuchung von 453 Patienten mit SCLC der oben genannten Arbeitsgruppe [13].
Das mediane Überleben der Lungenkarzinompatienten mit normwertigem Natrium betrug
12,12 Monate gegenüber 10,08 Monaten bei hyponatriämen Patienten. Nach 2 Jahren lebten
noch 30,8 % aller Lungenkarzinomfälle gegenüber 24,4 % der HN-Gruppe. Damit weisen
Lungenkarzinome mit HN ein deutlich kürzeres Überleben auf als Lungenkarzinome mit
normalen Natriumwerten. Insbesondere Natriumwerte unter 125 mmol/l, wie sie bei 46 %
der HN-Patienten vorlagen, waren mit einem kürzeren Gesamtüberleben assoziiert, nach
2 Jahren lebten hier nur noch 11,8 % der Patienten. SCLC-Patienten mit HN zeigten
ein ähnliches Überleben wie NSCLC-Patienten mit HN. In der Literatur finden sich einige
große retrospektive Studien, die die HN bei SCLC als statistisch signifikanten negativen
Prognosefaktor zeigen [17]
[18], während andere Analysen dies nicht bestätigen konnten [19]
[20].
Längere Überlebenszeiten fanden sich bei Lungenkarzinompatienten mit HN, die im Krankheitsverlauf
eine Normalisierung der Natriumwerte über 138 mmol/l erreichen. Vor allem bei SCLC-Patienten
mit HN führte eine zwischenzeitliche Korrektur der Natriumwerte über 138 mmol/l zu
einem deutlich verlängerten Gesamtüberleben. Die aktuelle Studie zur HN bei SCLC bestätigt,
dass die Patienten, bei denen sich die Natriumwerte zwischenzeitlich normalisierten,
eine bessere Prognose aufwiesen als die mit dauerhafter HN [13]. Es ist jedoch nicht geklärt, ob die Korrektur der HN durch Flüssigkeitsrestriktion
und NaCl-Gabe oder durch die antineoplastische Therapie einen positiven Einfluss auf
das Gesamtüberleben der Lungenkarzinompatienten mit SIADH nimmt. Da die Ergebnisse
dieser und anderer Studien [13] darauf hinweisen, dass sich die HN-Korrektur positiv auf die Prognose der Lungenkarzinome
auswirkt und eine antineoplastische Therapie nicht bei allen Lungenkarzinompatienten
mit SIADH zu einem Ansteigen der Natriumwerte im Serum führt, ist eine gezielte Maßnahme
zur HN-Korrektur zu empfehlen.
Insgesamt zeigten die Daten, dass die HN, und im Speziellen der jeweils niedrigste
und der jeweils höchste Natriumwert, einen Einfluss auf das Gesamtüberleben hat. Es
besteht ein Zusammenhang des Gesamtüberlebens mit der Höhe des Natriumwertes, das
Überleben ist umso länger, je höher jeder Natriumwert ist.
Weiterhin zeigten unsere Untersuchungen, dass die männlichen Lungenkarzinompatienten
fast doppelt so häufig von der HN betroffen waren wie die weiblichen, aber ungefähr
dreifach längere Überlebenszeiten aufwiesen. Dagegen beschrieben weitere groß angelegte
HN-Studien an hospitalisierten Patienten mit verschiedenen malignen und benignen Grunderkrankungen
eine Gleichverteilung der HN zwischen beiden Geschlechtern [9] ohne Assoziation des Geschlechts mit Störungen der Natriumkonzentration im Serum
[21]. Es ist nicht klar, ob die HN bei Frauen zu einer schlechteren Prognose führt oder
andere Faktoren zur erhöhten Mortalität beitragen. Für Lungenkarzinome allgemein erweist
sich das männliche Geschlecht als nachteilig [22] und Frauen weisen in allen Untergruppen, aber besonders beim SCLC, eine bessere
Prognose auf [5]
[6]. Weitere Untersuchungen sind hier nötig.
Tab. 3
Häufigkeit und Gesamtüberleben nach 2 Jahren (OS: 2 J.) für verschiedene Lungenkarzinompatientengruppen
mit und ohne HN.
|
Patientenzahl (n)
|
OS: 2 J. [%]
|
p-Wert
|
Männer
|
63
|
35,1 ± 7,6
|
p = 0,08
|
Frauen
|
34
|
9,9 ± 6,6
|
NSCLC+SCLC ohne HN
|
2048
|
30,8
|
p = 0,08
|
NSCLC+SCLC mit HN
|
97
|
24,4
|
NSCLC ohne HN
|
1752
|
33,2 ± 1,5
|
p = 0,056
|
NSCLC mit HN
|
48
|
25,2 ± 7,8
|
SCLC mit HN
|
49
|
23,5 ± 8,5
|
p = 0,45
|
HN-Patienten mit niedrigstem Natrium < 125 mmol/l
|
45
|
11,8 ± 6,9
|
p = 0,12
|
HN-Patienten mit niedrigstem Natrium > 125 mmol/l
|
52
|
34,3 ± 8,5
|
HN-Patienten mit maximalem Natrium < 138 mmol/l
|
34
|
13,1 ± 6,9
|
p = 0,007
|
HN-Patienten mit maximalem Natrium > 138 mmol/l
|
63
|
29,3 ± 8,1
|
SCLC mit HN mit maximalem Natrium < 138 mmol/l
|
20
|
16,2 ± 10,4
|
p = 0,14
|
SCLC mit HN mit maximalem Natrium > 138 mmol/l
|
29
|
25,7 ± 12,1
|
NSCLC mit HN mit maximalem Natrium < 138 mmol/l
|
14
|
9,2 ± 8,7
|
p = 0,017
|
NSCLC mit HN mit maximalem Natrium > 138 mmol/l
|
34
|
31,5 ± 10,3
|
Schlussfolgerung
Unsere Daten konnten zeigen, dass die Hyponatriämie (HN) nicht nur für Herzinsuffizienz
und Leberzirrhose, sondern ebenfalls sowohl für das kleinzellige als auch für das
nichtkleinzellige Lungenkarzinom einen Prognosefaktor darstellen kann und deutlich
mit einem kürzeren Gesamtüberleben assoziiert ist. Der Natriumwert sollte immer bestimmt
und als Prognoseparameter im Zusammenhang mit dem klinischen Verlauf genutzt werden.
Ein entscheidendes Kriterium für eine bessere Prognose insbesondere beim SCLC stellt
die Normalisierung der Natriumwerte im Verlauf dar. Da sich die Korrektur der HN möglicherweise
entscheidend auf den Krankheitsverlauf auswirkt, ist eine Hyponatriämietherapie zu
empfehlen.
Es bleibt zu evaluieren, ob sich dabei vor allem verschiedene Therapieregime zur HN-Korrektur
(Wasserrestriktion, NaCl-Substitution, Vasopressin-Antagonisten) positiv auf den Krankheitsverlauf
und das Gesamtüberleben auswirken oder ob letztendlich die antineoplastische Therapie
den entscheidenden Beitrag zur HN-Korrektur liefert.
Da eine Assoziation der HN mit der Tumorlast anzunehmen ist, stellt sich die Frage,
ob alle HN-Patienten gleichermaßen zu behandeln sind oder Patienten mit fortgeschrittenem
Tumorstadium einer aggressiveren HN-Therapie bedürfen. Nähere Untersuchungen zum Risikoprofil
sind diesbezüglich notwendig.