Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 2011; 6(3): 219-235
DOI: 10.1055/s-0030-1256532
Grundlagen

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Akutschmerztherapie in der Orthopädie und Unfallchirurgie

Teil 2R.  Teßmann1 , A.  Marx1 , M.  Papenhoff2 , T.  Wilhelm3 , C.  Maier2 , 4 , R.  Hoffmann5
  • 1Abteilung für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Frankfurt/M.
  • 2Klinik für Schmerztherapie, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Duisburg GmbH
  • 3Abteilung für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau
  • 4Abteilung Schmerztherapie, Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum Bergmannsheil GmbH Bochum, Ruhr Universität Bochum
  • 5Abteilung für Unfallchirurgie und orthopädische Chirurgie, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Frankfurt/M.
  • 6 1 – 5 für die Arbeitsgemeinschaft der schmerztherapeutischen Einrichtungen berufsgenossenschaftlicher Kliniken (ASBK)
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Publication Date:
21 June 2011 (online)

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Im ersten Teil unseres Artikels beschäftigten wir uns im Wesentlichen mit der Pathophysiologie und den organisatorischen Voraussetzungen der Akutschmerztherapie in der Orthopädie und Unfallchirurgie; bei der Betrachtung der therapeutischen Optionen standen die medikamentösen Verfahren im Vordergrund. Eine erfolgreiche Akutschmerztherapie wird allerdings nicht alleine auf der systemischen Applikation von Medikamenten beruhen können.

Gerade in der Orthopädie und Unfallchirurgie ist die erfolgreiche Mobilisierung des Patienten, das (Wieder-)Gewinnen von Bewegungsfähigkeit und damit auch der langfristige Erfolg der operativen Therapie nur in einem sinnvollen Zusammenspiel verschiedener analgetisch wirkungsvoller Verfahren zu erreichen und auch zu sichern. So spielen neben der bedarfsgerechten Therapie mit systemisch wirksamen Analgetika und Co-Analgetika zweifellos die verschiedenen Verfahren der Physiotherapie eine herausgehobene Rolle. Diese führen neben einem besseren posttraumatischen und/oder postoperativen Ergebnis auch zu einer Reduktion postoperativer Komplikationen und zu einer Verkürzung der Rehabilitationszeit.

Zudem haben physikalische Maßnahmen wie Kälte- oder Wärmeapplikation, in ausgewählten Fällen auch die Anwendung der „Transkutanen Elektrischen NervenStimulation” (TENS) einen nachweislich positiven Effekt auf die postoperative/posttraumatische Schmerzsituation.

Eine herausragende Rolle in der Akutschmerztherapie nehmen mit Sicherheit psychologische Maßnahmen ein und sollten auch in das perioperative Schmerzmanagement einbezogen werden. Insbesondere bei geplanten operativen Eingriffen an der Wirbelsäule sollte eine psychologisch-schmerztherapeutische Untersuchung vorgeschaltet werden, gilt es hier doch das Risiko der Entwicklung von chronisch postoperativen Schmerzen zu reduzieren.

Eine überragende Bedeutung für die Akutschmerztherapie in der Orthopädie und Unfallchirurgie haben regionale (Katheter-) Analgesieverfahren. Durch die Auswahl geeigneter Blockadetechniken lässt sich in der gewählten Region eine exzellente Analgesie mit weitgehend erhaltener Bewegungsfähigkeit erreichen.

In diesem Sinne gilt für die Akutschmerztherapie in der Orthopädie und Unfallchirurgie, was bei der Behandlung chronischer Schmerzen bereits gut etabliert ist: nur ein aufeinander abgestimmtes „multimodales Konzept”, welches alle perioperativ/posttraumatisch möglichen Analgesieverfahren integriert, wird erfolgreich sein können!

Kernaussagen

  • Operationen im muskuloskelettalen Bereich zählen zu den schmerzhaftesten Eingriffen des gesamten chirurgischen Spektrums.

  • Traumatische und chirurgische Gewebeverletzungen bedingen nozizeptive Schmerzen; auf die Ausbildung von neuropathischen Schmerzen ist ein besonderes Augenmerk zu richten.

  • Für die posttraumatische/postoperative Akutschmerztherapie stehen in der Orthopädie und Unfallchirurgie reichhaltige Therapieverfahren zur Verfügung, die nach Wirksamkeit und Praktikabilität ausgewählt patientenindividuell eingesetzt werden müssen.

  • Werden akute Schmerzen nicht rechtzeitig therapiert, kann es zur Ausbildung chronischer Schmerzsyndrome kommen.

  • Nur eine gute Schmerztherapie beschleunigt die Rekonvaleszenz, sichert nach einer Operation deren Erfolg und führt zu einer komplikationsarmen Genesung des Patienten.

  • Der erste Schritt einer guten Schmerztherapie ist die Akzeptanz des Therapeuten, dass der Patient Schmerzen haben kann.

  • Die Selbsterfassung der Schmerzen durch den Patienten mittels eingesetzter Skalen steht immer vor der Fremderfassung und ist unverzichtbarer Teil einer guten Schmerztherapie.

  • Die Dokumentation der Schmerzintensität soll in Ruhe und Belastung stattfinden, zunehmende Schmerzen trotz Schmerztherapie gelten als Warnsyndrom für mögliche Komplikationen.

  • Eine systemische Schmerztherapie wird mit verschiedenen Medikamenten, in der Regel NSAR, Opioiden oder einer Kombination dieser Substanzen zufriedenstellend durchgeführt. Auf Kontraindikationen ist hier zu achten.

  • Frühzeitig auftretende spezielle Schmerzen (z. B. neuropathische Schmerzen) können durch spezifische Substanzen angegangen werden.

  • Die intravenöse Schmerzmittelapplikation wird in der Regel ausschließlich posttraumatisch/postoperativ eingesetzt, eine intramuskuläre Applikation ist nicht angezeigt. So früh wie möglich soll auf die perorale Applikation von ggf. retardierten Schmerzmedikamenten übergegangen werden.

  • Regionale periphere und/oder neuraxiale Anästhesieverfahren senken den Schmerzmittelbedarf und können durch kontinuierliche Applikation von Lokalanästhetika deutliche Einsparungen der systemisch zugeführten Schmerzmittel bewirken.

  • Wann immer möglich, sollten regionalanästhesiologische Verfahren zur Basisanalgesie eingesetzt werden, auf verfahrensspezifische Komplikationen und Kontraindikationen ist zu achten.

  • Therapiebegleitend sollen immer physiotherapeutische und – wenn möglich – allgemeine physikalische Maßnahmen angewendet werden (z. B. Mobilisation, Lagerung, Kühlung, TENS).

  • Ein standardisiertes Stufenkonzept zur Behandlung akuter posttraumatischer/postoperativer Schmerzen sollte vor Ort erstellt werden, regelmäßig geschult und auf seine Qualität hin überprüft werden.

  • Die 2007 publizierte S3-Leitlinie „Behandlung akuter postoperativer und posttraumatischer Schmerzen” zeigt die wesentlichen Aspekte einer suffizienten Akutschmerztherapie auf.

Literatur

Dr. med. Rolf Teßmann

Abteilung für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie
Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Frankfurt/M.

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60389 Frankfurt am Main

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