Radiologie up2date 2011; 11(1): 5-6
DOI: 10.1055/s-0030-1256263
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Mehr Tesla … im Kopf!

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Publication Date:
17 March 2011 (online)

Neue und modernste Geräte, mehr Tesla, mehr Zeilen, höhere Auflösung, weniger Strahlen, kürzere Untersuchungszeiten – diese Schlagwörter fallen sehr häufig, wenn wichtige Errungenschaften und Zukunftsperspektiven der Radiologie aufgezeigt werden sollen. Hervorragende Technik ist das zentrale Qualitätsmerkmal, über welches sich die deutsche Radiologie lange definiert hat. Die technische Weiterentwicklung ist sicher wichtig und wünschenswert, macht uns aber nicht automatisch zu besseren bzw. besser ausgebildeten Ärzten, die von Kollegen anderer Fachdisziplinen und Patienten auch als solche und nicht als High-Tech-Fotografen mit medizinischer Anbindung wahrgenommen werden.

Von ihren Zuweisern werden Radiologen eher selten wegen einer vermeintlich suboptimalen Geräteausstattung kritisiert, wohl aber wegen defizitärer Kenntnisse in radiologischen Teilbereichen. Pauschalurteile wie „Mit diesen Befunden kann ich nichts anfangen.” sind zwar unsachlich, jedoch nur selten gänzlich aus der Luft gegriffen und daher ernst zu nehmen. Bei unseren Patienten rangiert die fachliche Kompetenz des Radiologen laut einer aktuellen Umfrage des infas (Institut für angewandte Sozialforschung) in der Wichtigkeit übrigens deutlich vor der Geräteausstattung auf neuestem Stand der Technik.

Fakt ist, dass die Radiologie sich überragende fachliche Kompetenz und umfassendes, wissenschaftlich fundiertes Wissen trotz aller Bemühungen in Fort- und Weiterbildung bisher nicht als höchstes Ziel auf ihre Fahnen geschrieben hat. Kann man als Generalist aber eine derartige Kompetenz in allen Teilgebieten der Radiologie heute überhaupt noch vorhalten? Das Spezialwissen hat sich in praktisch allen medizinischen Fächern in den letzten Dekaden vervielfacht, und es sind Subdisziplinen entstanden, die sich ausschließlich mit einzelnen Organen bzw. Organbereichen beschäftigen. Da gleichzeitig der Stellenwert der bildgebenden und interventionellen Verfahren in Klinik und Forschung enorm gestiegen ist, kann und darf diese Entwicklung nicht ohne Auswirkung auf die Radiologie bleiben.

Die Lösung kann wohl nur in einer organbezogenen Subspezialisierung liegen, wie sie sich in den USA, Großbritannien und einigen anderen europäischen Ländern schon lange etabliert hat. Der spezialisierte Radiologe kann auf seinem Gebiet (Abdominelle Bildgebung, Thoraxradiologie, Muskuloskelettale Radiologie etc.) Klinik, Literatur und aktuelle Trends überblicken und sein Handwerkszeug so überragend beherrschen, dass er für seine klinischen Kollegen einen hoch geachteten Partner und nicht, wie leider oft zu beobachten, lediglich einen Verwalter von Geräten und Bildmaterial darstellt.

Natürlich macht es nur Sinn, ein in der Radiologie verankertes Department-System mit Organspezialisten an größeren Institutionen mit entsprechendem Anforderungsprofil einzuführen. Andernorts wird der Allgemeinradiologe sicher seinen Stellenwert behalten. Neben Vorteilen für die Diagnostik wird die Umstrukturierung auch eine Verbesserung der Ausbildung des radiologischen Nachwuchses bedeuten, und zwar sowohl für die künftigen Organspezialisten als auch für die künftigen Allgemeinradiologen. Für den angehenden Mediziner und den beruflich noch unentschlossenen jungen Arzt wird eine derartige Entwicklung das Fach Radiologie attraktiver machen. Positive Effekte der Subspezialisierung auf die wissenschaftliche Leistung liegen auf der Hand.

Kritiker der Subspezialisierung beschwören häufig die Gefahr einer Zergliederung oder sogar Auflösung des Fachs herauf. Wie das Beispiel anderer Länder zeigt, führt ein organbezogenes System mit Teilbereichen aber eher zu einer Stärkung der Radiologie als Ganzes und garantiert ihr Fortbestehen auf der Basis unanfechtbarer Fachkompetenz. Wir sollten diese Entwicklung jetzt vorantreiben und die Entscheidung zur Strukturänderung bewusst aus unserem Fach heraus treffen, anstatt abzuwarten, bis die Entscheidung von anderen für uns gefällt wird und uns die Entwicklung überholt.

Um die Zukunft der Radiologie in unserem Land zu sichern, brauchen wir besser ausgebildete Ärzte und mehr Spezialisten. Wir brauchen mehr Tesla und mehr Zeilen, aber nicht nur in unseren Geräten, sondern vor allem in den Köpfen der Radiologen. Die Subspezialisierung wird der entscheidende Schritt in diese Richtung sein.

Klaus Wörtler, München

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