Bauprinzipien von elektronischen Nasen
Bauprinzipien von elektronischen Nasen
Klassische EN umfassen ein Array von elektronischen Sensoren. Alternative Verfahren
stellen u. A. Gas-Chromatografie, Massenspektrometrie (MS) und Ionen-Mobilitäts-Spektrometrie
(IMS) dar, die weiter unten beschrieben werden.
Die Aufgabe der Sensoren ist die Wandlung eines chemischen Signals in ein elektrisches
Signal, das der Summe der gasförmigen Moleküle oder Ionen entspricht, gegen die der
Sensor empfindlich ist [1 ]
[2 ]. Die Sensoren der elektronischen Nase sprechen auf unterschiedliche Masse, Ladung
und/oder andere Eigenschaften von Molekülen an, z. B. deren Polarität oder bestimmte
chemische Gruppen. Verschiedene Typen von Sensoren wurden bislang in EN implementiert:
Piezoelektrische Sensoren (gravimetrisch/akustisch).
(Elektro-)chemische Sensoren
Optische Sensoren
Kalorimetrische oder thermale Sensoren
Biopolymere
Die ersten EN bestanden aus einem Array von Sensoren des gleichen Typs. Experimente
zeigten jedoch, dass vor allem in einer komplexen Matrix nicht immer genügend viele
Informationen für Detektion und Unterscheidung generiert werden konnten. Nachfolgend
wurden Kombinationen von Sensoren (exemplarisch Cyranose 320TM , [Abb. 1 ]) verwendet und sogenannte Hybridsysteme entwickelt. Das bedeutete zum einen eine
komplexere Elektronik, zum anderen ergaben sich Probleme mit der Standardisierung
dieser Systeme, die bis heute fortbestehen [3 ]
[4 ].
Abb. 1 Funktionsweise der in der Literatur bislang am häufigsten verwendeten elektronischen
Nase Cyranose 320R .
Datenverarbeitung
Datenverarbeitung
Die Analyse der Daten beruht auf einer statistisch basierten Mustererkennung (häufig
„Pattern Recognition” genannt). Formal erfolgt die Erstellung einer Tabelle (Matrix)
anhand der Signalmuster (z. B. spaltenweise die Sensoren und zeilenweise die Proben).
Ein Vektor, der aus den Daten als gemeinsames Merkmal generiert wird (im einfachsten
Fall der Mittelwert der Zeilen = Proben), wird dann verwandt, um die Ähnlichkeit mit
vorgespeicherten Mustern zu analysieren oder neue Muster hinzuzufügen. Sinnvollerweise
werden die Daten vorverarbeitet im Sinne einer Standardisierung, möglichen Vorauswahl
als relevant bekannter Variablen oder einer statistischen Aufkonzentration der Daten.
Letzteres bedeutet, dass die Information einer Vielzahl von Sensoren anhand ihrer
Korrelation in wenige virtuelle Variablen zusammengefasst wird und damit eine Reduktion
der Dimension der Daten erfolgt ([Abb. 2 ]).
Abb. 2 Reduktion der Daten aus einer Vielzahl von Sensoren anhand ihrer Korrelation in wenige
virtuelle Variablen, z. B. wie in dieser Grafik auf zwei Hauptdimensionen. Die Hauptdimensionen
entsprechen der extrahierten Information.
Die Hauptkomponentenanalyse (PCA) und artifizielle neuronale Netzwerke (ANN) stellen
die bislang am häufigsten verwendeten Methoden der Datenanalyse dar.
Hauptkomponentenanalyse (PCA)
Hierbei handelt es sich um eine Methode, die Dimension eines Datensatzes auf optimale
Weise zu reduzieren ([Abb. 2 ]). Ziel ist es, die Zusammenhänge zwischen den Variablen dazu zu verwenden, neue,
hypothetische, statistisch abgeleitete Variablen zu definieren, welche alle wesentliche
Information der gemessenen Variablen beinhalten. Zu diesem Zweck versucht man, zuerst
diejenige lineare Kombination der Variablen (Komponente) zu finden, welche die Varianz
der Messwerte maximal umfasst, und dann schrittweise diejenigen Komponenten, die den
jeweils verbleibenden größten Anteil der Varianz abbilden. Im Idealfall gelangt man
auf diese Weise zu einer kleinen Zahl abgeleiteter Variablen (aus Darstellungsgründen
2 oder 3), aus denen sich die gemessenen Variablen nahezu ohne allzu großen Informationsverlust
wiedergewinnen lassen. Es ist klar, dass man zu diesem Zweck die Korrelation zwischen
den Variablen verwendet, die bei eNose-Daten im Allgemeinen hoch ist.
Artifizielle Neuronale Netze (ANN)
ANN sind durch ihre Lernfähigkeit gekennzeichnet. Angelehnt an das menschliche Gehirn,
dessen Neuronen unzählige Verbindungen aufweisen, handelt es sich um Modellsysteme
mit fiktiven, in Lagen angeordneten Neuronen und Verbindungen zwischen ihnen. Die
Verbindungen sind durch mathematische Gewichtsfaktoren charakterisiert und die Neuronen
durch Schwellenwerte, bei deren Überschreitung sie aktiviert werden. Gibt man auf
die Neuronenlage, welche an der Eingangsseite liegt, ein Muster von Signalen, reagieren
die nachgeschalteten Neuronenlagen mit daraus abgeleiteten Aktivierungsmustern. Hierbei
kann ein Neuron der am Ausgang befindlichen Neuronenlage beispielsweise eine klinische
Entität repräsentieren, die es durch seine Aktivierung anzeigt. Die Gewichte der Verbindungen
können mit Trainingssets durch ein kontrolliertes Lernverfahren in Trainingsläufen
modifiziert werden mit dem Ziel, dass sich eine z. B. an dem klinischen Problem orientierte
Ein-Ausgabe-Beziehung ergibt. Die Anwendung besteht darin, ein neues, unbekanntes
Muster einem bestimmten Mustertyp zuzuordnen, der sich zuvor in einer gut definierten
Krankheitsgruppe herausgestellt hat. Zu beachten ist, dass das Lernen immer auf eine
bestimmte, vorher festgelegte Fragestellung orientiert ist und bei Veränderungen und
Erweiterungen ein neuer Lernvorgang stattfinden muss.
Für alle Verfahren ist wichtig, die Relation zwischen der Anzahl der Probanden und
der Anzahl der Messvariablen zu beachten. So kann man bei 600 Metaboliten in der Ausatemluft
und 30 Probanden immer kombinatorisch solche Signale finden, die zwei Gruppen voneinander
unterscheiden. Wird die Gruppe der Probanden größer, ergeben sich neue Signale zur
Unterscheidung, oder aber die Unterschiede verwischen sich. Erst wenn die Zahl der
Probanden, Variablen und Kategorien, in die eingeordnet werden soll, in vernünftiger
Relation stehen, werden statistisch gesicherte und in der Einordnung verlässliche
Aussagen möglich.
Anwendungsgebiete der elektronischen Nase
Anwendungsgebiete der elektronischen Nase
Elektonische Nasen werden vielfach im militärischen Bereich verwendet, um chemische
und biologische Kampfstoffe zu detektieren. In der Lebensmittelchemie dienen sie der
Qualitätskontrolle oder kontinuierlichen Überwachung der Lagerung von Lebensmitteln.
Bislang liegen wenige Studien im medizinischen Bereich vor. So war es möglich, leichtgradig
und schwergradig erkrankte Asthmatiker anhand des Signalmusters der Ausatemluft zu
unterscheiden. Dies galt ebenfalls für den Vergleich gesunder Kontrollpersonen und
Asthmatiker [5 ]. Auch Patienten mit histologisch gesichertem, nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom
und Patienten mit COPD wurden untersucht [6 ]. Interessant ist, dass es z. T. Probleme bereitete, die Signalmuster von Patienten
mit COPD von denen von Rauchern zu unterscheiden [6 ]
[7 ]. Andererseits zeigten Patienten mit Lungenkrebs unterschiedliche Muster im Vergleich
zu Gesunden unabhängig vom Raucherstatus, wobei hier die Diagnose vorher bekannt war
[8 ]. Da man gute Argumente dafür finden kann, die Unterschiede zumindest teilweise auf
systemische Veränderungen zurückzuführen, die sich in der Zusammensetzung der Ausatemluft
widerspiegeln, ergeben sich interessante weitergehende Fragen, so etwa, ob die Analyse
der Ausatemluft auch Hinweise auf Tumoren anderer Organe als der Lunge liefern kann
oder, noch weiter gefasst, die elektronische Nase nicht ein diagnostisches oder Monitoring-Instrument
für Systemerkrankungen sein kann.
Spezielle Formen elektronischer Nasen
Spezielle Formen elektronischer Nasen
Ionenmobilitätsspektrometrie (IMS)
Prinzip der Ionenmobilitätsspektrometrie
Unter Umgebungsdruck werden Ionen erzeugt, die sich in einem elektrischen Feld gegen
die Strömungsrichtung eines Gases auf einer definierten Wegstrecke bewegen. Als Ergebnis
des Feldes und der Zusammenstöße mit den Gasmolekülen erreichen die Ionen eine bestimmte
mittlere Geschwindigkeit, die von der Masse und/oder chemischen Struktur abhängt.
Der Quotient aus Ionengeschwindigkeit und elektrischer Feldstärke ist die Ionenmobilität;
diese ist charakteristisch für die zu untersuchenden Analyte, sodass eine Identifikation
des/der Analyte erfolgen kann. Meist wird zusätzlich eine gaschromatografische (GC)
Vortrennung eingesetzt, sodass ein Analyt durch die Kombination von Driftzeit im IMS
und Retentionszeit im GC identifiziert und quantifiziert werden kann (
[Abb. 3 ]) [9 ].
Teilweise stehen bereits datenbankgestützte Verfahren zur Identifikation von Analyten
bereit, die es erlauben, sowohl Zeitprofile zu ermitteln als auch größere Analytmengen
systematisch zu untersuchen. Die Probenahme ist durch Kopplung mit einem Spirometer
direkt mit einer Lungenfunktionsprüfung verknüpfbar, und die Probenahme kann entsprechend
volumenkontrolliert erfolgen.
Aufbau des Ionenmobilitätsspektrometers ([Abb. 3 ]).
Abb. 3 In dieser Grafik wird das Grundprinzip der Ionenmobilitätsspektroskopie verdeutlicht.
Im Reaktionsraum wird das Probengas eingeleitet. Es erfolgt die Ionisierung. Der Weg
und die Geschwindigkeit der Ionen wird im Driftraum gemessen.
Anwendung der Ionenmobilitätsspektrometrie
Neben der Anwendung zum Sprengstoffscreening an Flughäfen oder Aufgaben bei der Feuerwehr
wird die IMS auch für wissenschaftliche Fragen in der Medizin eingesetzt. So konnte
gezeigt werden, dass die Narkose mit Propofol über die Bestimmung von Metaboliten
im Exhalat verfolgt werden kann und dass Patienten mit Sarkoidose oder mit Bronchialkarzinom
typische Exhalatmuster aufweisen [8 ]
[10 ].
Massenspektrometrie
Massenspektrometrie
Prinzip der Massenspektrometrie
Die Massenspektrometrie ist ein Verfahren zum Messen geladener Ionen im Vakuum. Dazu
wird die zu untersuchende Substanz in Gasform überführt und nachfolgend z. B. durch
geringgradige radioaktive Strahlung ionisiert. Die ionisierten Teilchen werden durch
ein elektrisches Feld beschleunigt und nach dem Verhältnis von Masse zu Ladung (negativer
und positiver) aufgetrennt.
Das Massenspektrometer ist durch die beiden Parameter Massenauflösung und die Massengenauigkeit charakterisiert. Die Massenauflösung beschreibt den Massenunterschied, den zwei Ionen haben müssen, damit sie noch differenziert werden können. Die Massengenauigkeit
beschreibt, wie genau die Masse des Ions bestimmt werden kann.
Anwendung der Massenspektrometrie
Es gibt unzählige Anwendungen in der analytischen Chemie (beispielsweise Bestimmung,
wie häufig geladene Moleküle und deren Massenfragmente auftreten), Archäologie (Isotopenverhältnisse
bei Knochenuntersuchungen), Biologie (Proteomik und Metabolomik), Klimatologie (Sedimente
und Eisbohrkerne) oder Industrie (beispielsweise bei der Optimierung der Gaszufuhr
bei Beschichtungen). Daneben findet die Massenspektrometrie Anwendung in der Urin-
und Atemdiagnostik. In der Atemdiagnostik werden Atemwegskondensat, Sputum oder Lavageflüssigkeiten
untersucht [11 ]. Zur Erhöhung der Empfindlichkeit wurden Anreicherungstechniken (SPME, solid phase
micro extraction) entwickelt, wobei zuerst eine Sammlung durch Adsorption und danach
eine thermische Desorption erfolgt [12 ]
[13 ].
Bewertung der neuen Technik vor dem Hintergrund schon verwendeter nicht-invasiver
Techniken
Bewertung der neuen Technik vor dem Hintergrund schon verwendeter nicht-invasiver
Techniken
Die elektronischen Nasen verfügen über eine hohe Nachweisgenauigkeit. Dies führt allerdings
zu einer Zunahme von Stör- und Hintergrundsignalen und macht damit auch die Zuordnung
der relevanten Signale schwieriger. Erste Erfolge bei der Differenzierung von Erkrankungsgruppen
weckten die Hoffnung, dass derartige Verfahren die Phänotypisierung von Erkrankungen
erleichtern könnten. Auch wenn hierbei noch viel grundlegende Arbeit notwendig ist,
könnte dies gelingen, sofern präzise beschriebene Gruppen von Patienten zum Trainieren
der Geräte herangezogen werden. In bisherigen Untersuchungen waren relativ kleine
Fallzahlen, unterschiedliche Messtechniken mit dadurch bedingt nicht vergleichbaren
Signalen sowie die komplexe Auswertung Hindernisse für eine breitere Akzeptanz und
Anwendung.
Vergleicht man das Verfahren der elektronischen Nase z. B. mit der NO-Messung, die
für die Diagnose und das Monitoring vor allem eines Asthma allgemein als hilfreich
gilt, so finden sich einige Parallelen. Hat man erhöhte NO-Werte gemessen, entsteht
die Frage nach der diagnostischen bzw. therapeutischen Konsequenz; für das exhalierte
NO liegen hierzu schon viele Daten vor. In ähnlicher Weise stellt sich die Frage nach
der Bedeutung des durch die elektronische Nase zusätzlich erhobenen Befundes. Daher
wird es bei der Auswertung darauf ankommen, klare Zuordnungen zu leisten. Um über
die bereits etablierten Zuordnungen hinauszukommen, können dann bei entsprechend großen
Datensätzen auch Verfahren der Clusteranalyse Verwendung finden, um vermeintlich klinisch
vergleichbare Patienten anhand unterschiedlicher Muster zu separieren und sodann klinische
Unterschiede dieser verschiedenen „Klassen” zu eruieren.
Neben der Phänotypisierung von pulmonalen Erkrankungen können auch Aussagen zu systemischen
Erkrankungen erfolgen. So wurde beispielsweise in einem Abstract gezeigt, dass Patienten
mit Diabetes mellitus eine Korrelation des HbA1c und der EN-Signale zeigen [14 ]. Dies unterstreicht noch einmal die Einsatzmöglichkeit für systemische, nicht primär
respiratorische Erkrankungen. Dies gilt ebenso für die Diagnostik des Lungenkarzinoms
[6 ] oder anderer Karzinome.
Ausblick
Ausblick
Bislang haben die EN noch keinen Eingang in die klinische Routine gefunden, und ihre
Anwendung ist auf wissenschaftliche Fragestellungen beschränkt. Die unterschiedlichen
Verfahren haben jeweils Vor- und Nachteile, die zum Teil im Aufbau begründet sind.
Es bleibt abzuwarten, welche Systeme sich für welche Fragestellungen als geeignet,
d. h. sowohl praktikabel als auch hinreichend aussagekräftig, erweisen werden. Die
Situation ist vielleicht analog zum alternativen Antrieb von Fahrzeugen, bei dem unterschiedliche
Konzepte parallel entwickelt werden, eines Tages sich aber vermutlich ein Antriebskonzept
durchsetzen wird. Aus diesem Grund müssen auch neutrale und wissenschaftlich fundierte
Vergleichsmessungen und -bewertungen existieren, die möglicherweise für verschiedene
Anwendungen zu unterschiedlichen Folgerungen kommen. Ungeachtet dessen bedarf es keiner
visionären Vorstellungskraft, um diesen kommenden Techniken eine Zukunft vorherzusagen:
Sie sind nicht-invasiv, bieten überschaubare Untersuchungskosten, schnelle Aussagen
und eine potenziell weite Verbreitung bei vergleichsweise niedrigen Anschaffungskosten.
Da bislang die Auswertung vor allem durch die unterschiedlichen Techniken, fehlende
Standardisierungen sowie das Fehlen von optimierten Auswerte- und Lernalgorithmen
erschwert ist, muss hier die Hauptarbeit geleistet werden.
Interessenskonflikt
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.