Einleitung
Einleitung
In diesem Review wird auf Basis der 1997 bzw. 2002 von Arbeitsgruppen der DGP erstellten
Empfehlungen [1]
[2], neueren Veröffentlichungen und eigener Erfahrungen eine Übersicht über den klinischen
Stellenwert, die Durchführung und die Befundinterpretation von unspezifischen und
spezifischen bronchialen Provokationstesten gegeben.
Bronchiale inhalative Provokationsteste können mit unspezifisch wirkenden Reizstoffen
(bevorzugt Parasympathomimetika oder Histamin) oder mit spezifischen asthmaauslösenden
Noxen (v. a. Allergene) durchgeführt werden. Beide Verfahren, ersteres meist als Screening
oder Voruntersuchung, dienen der Diagnostik des Asthma bronchiale im Rahmen eines
Stufenschemas ([Abb. 1]). Dabei ist zu beachten, dass die unspezifische bronchiale Hyperreaktivität kein
für das Asthma bronchiale spezifischer Befund ist; sie kommt auch gehäuft unter Patienten
mit allergischer Rhinitis, COPD, exogen-allergischer Alveolitis, Lungenfibrosen und
anderen Lungenkrankheiten vor. Andererseits weist sie eine relativ hohe Sensitivität
in Bezug auf das Asthma bronchiale auf [3]. Demgegenüber ist der spezifische bronchiale Provokationstest sowohl durch eine
hohe Sensitivität als auch Spezifität gekennzeichnet, vorausgesetzt, die Exposition
wird mit den im Alltag einwirkenden Substanzen in der üblicherweise vorkommenden Konzentration
und Dosis durchgeführt.
Abb. 1 Diagnostisches Vorgehen bei Verdacht auf Asthma bronchiale. Dunkle Pfeile obligat,
helle gestreifte Pfeile fakultativ.
Allgemeine Aspekte bronchialer Provokationsteste
Allgemeine Aspekte bronchialer Provokationsteste
Zunächst ist im Rahmen des individuellen diagnostischen Prozedere ([Abb. 1]) [4]
[5] zu prüfen, ob eine Indikation für bronchiale Provokationsteste gegeben ist. Dies
ist v. a. bei folgenden Konstellationen der Fall: unsichere Diagnose, Widerspruch
zwischen asthmatischen Beschwerden und normaler Basis-Lungenfunktion, aus dem Ergebnis
des Provokationstestes zu erwartende therapeutische und/oder präventive Konsequenzen.
Kontraindikationen sind auszuschließen. Diese umfassen relevante Einschränkungen der
Lungenfunktion, einen aktuellen Infekt, schwerwiegende Erkrankungen, fehlende Einrichtung
zur Notversorgung, eine Therapie mit Bronchospasmolytika und in Bezug auf die spezifische
bronchiale Provokation auch die Therapie mit Betablockern. Eine relative Kontraindikation
stellt die Schwangerschaft dar. Spezifische Provokationsteste verbieten sich bei in
der Vergangenheit aufgetretenen sehr schweren Allergenreaktionen wie Status asthmaticus,
Larynxödem, Schock, wenn anhand des Krankheitsverlaufs weiterhin eine entsprechende
Reaktionslage anzunehmen ist ([Tab. 1]).
Tab. 1 Kontraindikationen für bronchiale Provokationsteste.
1. Relevante Einschränkungen der Lungenfunktion (Orientierung: FEV1 < 70 %, sRt > 1,2 kPa × s) |
2. Akuter Infekt |
3. Schwerwiegende Krankheiten |
4. Sehr hohes Risiko, z. B. Status asthmaticus, Larynxödem oder Schockreaktion nach
früherer Allergeneinwirkung und anzunehmender persistierender entsprechender Reaktionslage
(gilt für spezifische bronchiale Provokationsteste) |
5. Therapie mit Bronchodilatatoren |
6. Fehlende Einrichtung oder Möglichkeit zur Notfallversorgung |
7. Therapie mit Betablockern (relative Kontraindikation bei unspezifischem bronchialen
Provokationstest) |
8. Schwangerschaft (relative Kontraindikation) |
Wichtig ist die Einhaltung genügend langer Pausen von atemwegswirksamen Medikamenten
([Tab. 2]).
Tab. 2 Medikamentenpause vor bronchialen Provokationtesten.
β2-Sympathomimetika inhalativ (lang wirkende) |
8 (24) h |
β2-Sympathomimetika oral ret. (z. B. Bambec)®
|
24 h |
Parasympatholytika inhal. (z. B. Atrovent®) |
12 h |
z. B. Spiriva®
|
48 h |
Theophyllin retardiert |
24 h |
Kortikosteroide oral (> 8 mg Prednisonäquivalent) |
2 Wo. |
Kortikosteroide inhalativ |
12 h |
Antihistaminika |
48 h |
Cromoglicinsäure (z. B. Intal®)
|
48 h |
β-Rezeptorenblocker |
12 (24) h |
Leukotrienantagonisten |
5 Tage |
Zentral wirkende Antihypertensiva und trizyklische Psychopharmaka |
21 Tage |
Der Verlauf der Lungenfunktion wird mittels Ganzkörperplethysmografie oder Spirometrie
nach internationalen Qualitätsstandards durchgeführt [6]
[7]
[8]. Als messtechnische Positivgrenze für einen bronchialen Provokationstest (bronchialobstruktive
Reaktion) wird ein Anstieg der spezifischen Resistance sRaw um 65 % auf mindestens 2 kPa × s (bzw. ein sGaw-Abfall von 40 % auf 0,5/kPa × s)[*] gefordert, alternativ ein Abfall der FEV1 um mindestens 20 % ([Tab. 3]).
Tab. 3 Positiv-Grenzwerte für bronchiale Provokationsteste.
Δ FEV1: – 20 %; (PD20
) |
Δ sRaw: + 65 %, auf ≥ 2,0 kPa*s; (PD65; 2 kPa*s
) |
Δ sGaw: – 40 %, auf ≤ 0,5/kPa*s; (PD40; 0,5/kPa*s
) |
Eine unspezifische bronchiale Hyperreaktivität liegt vor, wenn diese Grenzwerte bei
einer am Mund gemessenen Methacholindosis von max. 0,3 mg erreicht werden (PD65; 2 kPa*s bzw. PD20). Die hier zugrunde gelegte Methacholindosis wurde am Vernebler Provocation Test
II (Pari) ermittelt [9]; gerätebedingt können sich hiervon Abweichungen ergeben [10]
[11]. Die vernebelte Menge ist etwa doppelt so groß wie die am Mund gemessene.
Unspezifische bronchiale Provokationsteste
Unspezifische bronchiale Provokationsteste
Die Hauptindikationen sind asthmatische Beschwerden in Verbindung mit normalen oder
grenzwertigen Lungenfunktionswerten unter Ruhebedingungen. Daneben eignet sich die
Methode für Verlaufsbeobachtungen unter bestimmten Risikokonstellationen sowie zur
Abschätzung eines möglichen Risikos unter gefährdenden inhalativen Belastungen ([Tab. 4]).
Tab. 4 Indikationen für den unspezifischen bronchialen Provokationstest.
– asthmatisches Beschwerdebild ohne Nachweis einer Bronchialobstruktion |
– Überwachung von Risikoprobanden, z. B. bei erheblicher inhalativer Gefährdung am
Arbeitsplatz |
– Verlaufsbeobachtung nach spezifischem bronchialen Provokationstest |
Die [Tab. 5] und[ 6] fassen das diagnostische Vorgehen zusammen.
Tab. 5 Vorgehen beim unspezifischen bronchialen Provokationstest.
– Aufklärung und Einwilligung des Patienten |
– Medikamentenpause und Begleittherapie erfragen |
– mindestens 4 Konzentrationsstufen bis zum Erreichen der Maximaldosis |
– 5 (6) Stufen zur Vermeidung von Zwischenfällen bei anzunehmender starker bronchialer
Hyperreaktivität (überprüfen, ob es diesbezüglich anamnestische Hinweise gibt) |
– Steigerung der Substanzmenge in Verdopplungsschritten |
Tab. 6 Dosierungsschema des unspezifischen Provokationstestes mit nur einer Methacholin (MCH)-Konzentration.
Die folgenden Punkte beziehen sich auf den Provocation Test II (Pari), wobei das MCH-Aerosol
aus einem Reservoir (Beutel) geatmet wird und die Messung der verabreichten MCH-Dosis
am Mund erfolgt [12]. (Mit anderen Geräten kann sich vor allem infolge eines anderen Tröpfchenspektrums
und zu berücksichtigender Aerosolniederschläge eine abweichende Berechnungsgrundlage
evtl. auch ein anderes Vorgehen ergeben): |
Die eingesetzte MCH-Konzentration beträgt 3,3 mg/mL (z. B. ProvokitR). |
Vernebler-Laufzeit (s) |
6* |
12 |
24 |
48 |
96 |
MCH-Einzeldosis im Beutel (mg) |
0,015* |
0,030 |
0,061 |
0,122 |
0,243 |
kumulative MCH-Dosis (mg) |
0,015* |
0,046 |
0,106 |
0,228 |
0,471 |
* Kann entfallen, falls eine stärkere bronchiale Hyperreaktivität unwahrscheinlich
ist. |
Nach der Basisuntersuchung der Lungenfunktion wird in ansteigenden Dosen Methacholin
(oder eine entsprechende Testsubstanz) inhalativ appliziert [1], wobei nach jedem Schritt eine Kontrolle der Lungenfunktion erfolgt. Neben der traditionellen
Durchführung mit dem Provocation Test II der Fa. Pari [1]
[12] kommen auch übliche Vernebler zum Einsatz [10]
[11]. Zur Beurteilung wird eine Graduierung des Messergebnisses in Abhängigkeit von der
Dosis, bei der das o. g. Positivkriterium erreicht wurde, empfohlen ([Tab. 7]; [Abb. 2]).
Tab. 7 Graduierung der unspezifischen bronchialen Hyperreaktivität.
1. Ermittlung jener Provokationsdosis [mg MCH], bei der folgende Messwertänderung
auftritt: ΔFEV1 – 20 %, Δ sRaw + 65 % auf ≥ 2 kPa*s bzw. Δ sGaw – 40 % auf ≤ 0,5/kPa*s 2. Befundinterpretation (die folgenden Angaben beziehen sich auf die Verwendung des
Provocation Test II (Pari); s. [Tab. 6]) |
PD-Kriterium erreicht bei [mg MCH] (s. o.) |
Grad der bronchialen Hyperreaktivität |
≤ 0,05 mg MCH |
hochgradige Hyperreaktivität |
0,06 – 0,15 mg MCH |
mittelgradige Hyperreaktivität |
0,16 – 0,30 mg MCH |
geringradige Hyperreaktivität |
> 0,30 mg MCH |
keine Hyperreaktivität |
Abb. 2 Beispiel eines unspezifischen bronchialen Provokationstestes mit Methacholin mit Graduierung
der Hyperreaktivität (s. auch [Tab. 7]).
Spezifische bronchiale Provokationsteste
Spezifische bronchiale Provokationsteste
Indikationen für den spezifischen bronchialen Provokationstest ergeben sich bei Vorliegen
von Diskrepanzen oder unsicheren Aussagen in Anamnese (v. a. hinsichtlich ursächlicher
Allergene), Lungenfunktionsprüfung, Hauttestung und IgE-Antikörperbestimmung. Dies
gilt auch für den Verdacht auf isolierte verzögerte bronchialobstruktive Reaktionen,
die in der Regel anamnestisch nicht sicher zugeordnet werden können, ferner für inhalativ
ausgelöste nicht respiratorische Reaktionen, Sensibilisierungen auf neue oder bisher
unbekannte Allergene sowie für spezielle Fragestellungen im Rahmen gutachterlicher
Zusammenhangsbeurteilungen. Da der spezifische inhalative Provokationstest mit dem
Risiko einer überschießenden allergischen Reaktion einhergeht, ist die Indikation
restriktiv zu stellen, d. h. nur dann, wenn sein Ergebnis wesentlich ist für Therapie-Entscheidungen
(z. B. Hyposensibilisierung), Prävention (Wohnungs-, Arbeitsplatzwechsel, Maßnahmen
nach §3 der Anlage der Berufskrankheitenverordnung) oder Entschädigung (Berufskrankheit).
Die [Tab. 8 10] fassen die erforderliche Vordiagnostik, allgemeine Aspekte und spezielle Indikationen
zusammen.
Tab. 8 Vorab-Diagnostik bei bronchialen Provokationstesten (ist auch zur Risikoabschätzung
erforderlich).
– Anamnese (Larynxödem, schwere Asthma- oder systemische Reaktionen im relevanten
Zeitraum?) |
– körperlicher Status |
– Lungenfunktion (Spirometrie, Flussvolumenkurve, Bodyplethysmografie) |
– Methacholintest (Grad der BHR?) |
– Allergie-Hauttest (Pricktest) oder spezifisches IgE (Sensibilisierungsgrad?) |
– Messung oder wenigstens qualitative und quantitative Abschätzung der als krankheitsursächlich
vermuteten inhalativen Belastung zu Hause, in der allgemeinen Umwelt, am Arbeitsplatz
etc. |
Tab. 9 Allgemeine Aspekte der Indikationsstellung für den spezifischen bronchialen Provokationstest
Großzügige Indikationsstellung? Nein! Denn: – großer diagnostischer Aufwand – Risiko überschießender Reaktionen |
Indikation ist nur gegeben, wenn: – Vorab-Diagnostik keine Klärung erbrachte – das Ergebnis für Prävention, Therapie und/oder Entschädigung (z. B. Berufskrankheit)
von wesentlicher Bedeutung ist und – keine Kontraindikationen vorliegen! |
Tab. 10 Indikationen für den spezifischen bronchialen Provokationstest im Einzelnen.
1. Unsichere Diagnose (Diskrepanzen oder unsichere Aussagen in Anamnese, Hauttest,
spezifischer IgE-Bestimmung) vor Einleitung weitreichender Präventions- und Therapiemaßnahmen
wie Wohnungs-, Arbeitsplatzwechsel oder Hyposensibilisierung. Beachte: Das Fehlen
einer unspezifischen bronchialen Hyperreaktivität schließt ein Asthma bronchiale nicht
aus; deshalb sollten bei entsprechend starken Hinweisen die weiteren diagnostischen
Schritte (s. [Abb. 1]) erfolgen |
2. Gutachterliche Stellungnahme (Diagnosesicherung; differenzialdiagnostische Abklärung)
|
3. Verdacht auf bronchiale Sensibilisierung gegen neue oder bisher unbekannte Allergene
|
4. Verdacht auf isolierte verzögerte Bronchialobstruktion |
5. Fragliche asthmatische Reaktion auf p. o. oder i. v. zugeführte Substanzen |
6. Verdacht auf inhalativ ausgelöste nicht-respiratorische Reaktionen |
Durchführung im Einzelnen
Durchführung im Einzelnen
Die Indikation für die Provokationstestung wird zunächst nochmals überprüft und das
Vorliegen von Kontraindikationen ausgeschlossen. Antiallergische, antiinflammatorische
und den Bronchialmuskeltonus beeinflussende Pharmaka müssen entsprechend ihrer Wirkdauer
vor der Untersuchung abgesetzt worden sein. Die technische Ausrüstung (übliche Notfallmedikation,
Sauerstoff, inhalier- und injizierbare Bronchospasmolytika, Antiallergika, Kortikosteroide,
Adrenalin) und geschultes Personal (inklusive eines sachkundigen und in Erste-Hilfe-Maßnahmen
geschulten Arztes) müssen für Notfälle (Status asthmaticus-Therapie, Schockbehandlung,
kardiopulmonale Reanimation) vorhanden sein.
Abb. 3 Bronchialobstruktive Sofortreaktionen und FeNO-Veränderungen in bronchialen Provokationstesten
mit gepuderten Latexhandschuhen. FeNO = exhalierte NO-Fraktion; sRt = spezifischer Atemwegswiderstand. Angegeben sind die Mittelwerte der 13 Asthmatiker
und der 12 Kontrollen.
*p < 0,05; **p < 0,01. Durchgezogene Linien: sRt; gestrichelte Linien: FeNO.
Der Patient ist über die beabsichtigte Untersuchung einschließlich deren Risiken aufzuklären;
seine schriftliche Einwilligung ist einzuholen.
Die Ergebnisse der Basisuntersuchung (körperlicher Status, allergologische Diagnostik,
Lungenfunktionsprüfung, unspezifischer bronchialer Provokationstest) sind vom Arzt
zu überprüfen und hinsichtlich der festzulegenden Anfangs- und Gesamtdosis sowie der
einzelnen Dosissteigerungsschritte bzgl. der Testsubstanz zu berücksichtigen (s. u.).
Am weitesten verbreitet und in der Anwendung am einfachsten ist die Applikation der
Kontrolle (Placebo) und der Testsubstanz über einen Vernebler. Dies setzt voraus,
dass wässrige Lösungen vorliegen, die standardisiert sein sollen. Eine Alternative
ist die Exposition gegenüber gasförmigen Stoffen, z. B. Isocyanaten, in einer Expositionskammer.
Dabei sollte die Luftkonzentration fortlaufend überprüft werden. Dies kann auch mit
dem sog. Closed circuit-System, in dem der Patient definierte Konzentrationen der
Testsubstanz aus einem Vorratsgefäß atmet, erfolgen. Hiervon zu unterscheiden sind
Expositionsteste (AIT) mit staubförmigen Aerosolen, z. B. Mehlstaub, die häufig auch
im Rahmen eines arbeitsplatzbezogenen inhalativen Expositionstestes (AIT) angewandt
werden.
Initial erfolgt eine Placebotestung mit einer geeigneten Kontrollsubstanz (Allergen-Lösungsmittel).
Diese Placebotestung wird in der Regel als Kurzzeittest durchgeführt, es sei denn,
dass von einer erheblich variierenden Bronchialobstruktion auszugehen ist; in einem
solchen Fall sollte vorab zusätzlich ein Tagesprofil der Lungenfunktion dokumentiert
werden.
Die inhalative Applikation der Testsubstanz soll in einer geschlossenen, zwangsentlüfteten
Kabine mit Ausatemfilter stattfinden. Die Anfangsdosis muss unter Berücksichtigung
der üblichen, Beschwerden auslösenden Belastungen in der Umgebung, der bronchialen
Reaktivität und des Sensibilisierungsgrades (s. Hauttest- und spezifischen IgE-Befund)
so niedrig gewählt werden, dass noch keine Reaktion zu erwarten ist (Orientierung:
Pricktest-Schwellenkonzentration).
Die Dosis wird bei Ausbleiben einer Reaktion nach 10 bis 15 min um einen Faktor von
etwa 3 (2 – 4) gesteigert. Wenn eine Lungenfunktionsänderung bereits nahe am Positivkriterium
festzustellen ist, wird die zuletzt applizierte Dosis nochmals verabreicht. Die Lungenfunktionsprüfung
(Spirometrie oder Bodyplethysmografie) erfolgt zu Untersuchungsbeginn, nach Placeboapplikation
und nach jeder Dosis der Testsubstanz; empfohlen werden darüber hinaus im Anschluss
daran Messungen nach 15 min, 30 min, 45 min, 1 Std., 2 Std., 4 Std., 6 Std., zusätzlich,
wenn Atemnot auftritt und wenn Hinweise auf eine verzögerte Reaktion bestehen. Der
Patient muss bis zur 6. Stunde, ggf. länger, bis zur Normalisierung der Werte und
Beschwerdefreiheit unter Beobachtung bleiben. Ergänzend zu den vorgenannten Messungen
nach der Provokation sollte stündlich bis zur 5. Stunde eine Eigenmessung des Patienten
mittels eines portablen Spirometers erfolgen, in komplizierten Fällen länger. Besteht
der Verdacht auf eine exogen-allergische Alveolitis, sind initial und mindestens 4
und 6 Std. nach Provokation DL,CO, Blutgase, Körpertemperatur und Leukozyten im peripheren Blut zu bestimmen.
Der Patient muss nach der Applikation der Testsubstanz ein inhalierbares Beta-2-Sympathomimetikum
bei sich haben und instruiert sein, wie er sich bei Auftreten von Atembeschwerden
zu verhalten hat und den Arzt erreicht.
An einem Untersuchungstag soll wegen der Möglichkeit einer verzögerten Reaktion nur
eine Substanz getestet werden.
Eine Besonderheit stellt der arbeitsplatzbezogene inhalative Expositionstest dar,
z. B. mit gepuderten Latexhandschuhen (s. Beispiele in [Abb. 3]), Mehl- oder Getreidestaub oder gasförmigen Isocyanaten [16]
[17]
http://www.dgaum.de/index.php/publikationen/leitlinien/leitlinienarbeitsmedizin/268-llait?format=pdf. Bzgl. Besonderheiten im Rahmen der Testung von speziellen Arbeitsstoffen wird auf
die weiterführende Literatur verwiesen [8]
[18]
[19]
[20]
[21].
Abbruchkriterien und Beurteilung spezifischer bronchialer Provokationsteste
Abbruchkriterien und Beurteilung spezifischer bronchialer Provokationsteste
Der Provokationstest wird abgebrochen bei Auftreten von erheblicher Atemnot in Verbindung
mit einem pathologischen Auskultationsbefund, anderen wesentlichen Beschwerden oder
Erreichen eines Positivkriteriums (Anstieg des spezifischen Atemwegswiderstands, sRaw, um mindestens 65 % auf ≥ 2 kPa*s oder Abfall der FEV1 um ≥ 20 %) ([Tab. 3]).
Symptome wie Husten, Atemnot, Giemen und Brummen, Fließschnupfen, Niesattacken u.
dgl. m. sind zu dokumentieren.
Der Anstieg von Stickstoffmonoxid in der exhalierten Luft (FeNO) etwa einen Tag nach
Allergenbelastung spricht für eine Typ I-Allergie.
Abb. 4 Arbeitsplatzbezogener inhalativer Expositionstest mit dem Isocyanat Diphenylmethan-4,4’-Diisocyanat
(MDI). Der Isocyanatarbeiter entwickelt eine duale asthmatische Reaktion. Am Kontrolltag
ist die Lungenfunktion durchweg normal (ppb = parts per billion [Milliarde]; sRaw = spezifischer Atemwegswiderstand [in kPa × s], ganzkörperplethysmografisch bestimmt).
In der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle werden bronchialobstruktive Sofortreaktionen
beobachtet ([Abb. 3]). In etwa 20 % treten duale ([Abb. 4]), vereinzelt (vorwiegend durch chemische Noxen) isolierte, verzögerte, rekurrierende
oder prolongierte bronchialobstruktive Reaktionen auf. Hiervon zu unterscheiden ist
eine nach mehreren Stunden sich entwickelnde restriktive Ventilationsstörung mit systemischen
Krankheitszeichen, die eine exogen-allergische Alveolitis anzeigt ([Abb. 5]). Neben vorherrschenden linearen werden auch nicht-lineare Dosis-Wirkungs-Beziehungen
beobachtet. Vandenplas und Malo [19] sowie Vandenplas et al. [22] wiesen darauf hin, dass in einigen Fällen erst die wiederholte Exposition zu einer
signifikanten bronchialobstruktiven Reaktion führt. Hinzuweisen ist zudem auf subklinische
Reaktionen, die sich durch eine Steigerung der unspezifischen bronchialen Hyperreaktivität
auszeichnen und durch eine Wiederholung des unspezifischen bronchialen Provokationstestes
nach 6 bis 24 Stunden erfasst werden können [22]. Dabei sind typischerweise auch Anstiege der inflammatorischen Marker festzustellen.
Abb. 5 Akute exogen-allergische Alveolitis (Beleuchterlunge) mit restriktiver Ventilationsstörung,
Gasaustauschstörung und systemischer Reaktion nach 30-minütiger Exposition gegenüber
Luftbefeuchteraerosolen.
Pa,O2 = Sauerstoffpartialdruck
DL,CO = CO-Diffusionskapazität (% Soll)
VC = Vitalkapazität (% Soll)
Leuk = Leukozyten im peripheren Blut
Temp = Körpertemperatur (° C)
Besonderheiten sowie diagnostische und technische Grenzen des spezifischen bronchialen
Provokationstestes und des arbeitsplatzbezogenen inhalativen Expositionstestes (AIT)
Besonderheiten sowie diagnostische und technische Grenzen des spezifischen bronchialen
Provokationstestes und des arbeitsplatzbezogenen inhalativen Expositionstestes (AIT)
Die [Tab. 11] und [12] weisen auf Besonderheiten und Möglichkeiten falsch positiver und falsch negativer
Ergebnisse spezifischer bronchialer Provokationsteste hin.
Tab. 11 Besonderheiten und diagnostische Limitierungen des spezifischen bronchialen Provokationstestes
und AIT.
– In einem Teil der Fälle treten erst nach wiederholten spezifischen Provokationen
Steigerungen von BHR und/oder bronchialobstruktive Reaktionen auf. |
– Das Spirometrie-(PEF)-Monitoring während der üblichen Exposition (z. B. Arbeitsschichten)
und ohne dieselbe ist wegen der dabei reellen Bedingungen dem spezifischen Provokationstest
vorzuziehen. Ansonsten sollte bei gegebener Indikation die spezifische Provokationstestung
(bzw. AIT) erfolgen, falls die entsprechende Fachkompetenz vor Ort vorhanden ist.
|
– Bei Fortbestehen von Asthmasymptomen sind bei negativen Testergebnissen die Untersuchungen
nach mehreren Monaten zu wiederholen, da die Möglichkeit des noch nicht fassbaren
Vorstadiums eines Asthmas besteht. |
Tab. 12 Technisch bedingte Grenzen des spezifischen bronchialen Provokationstestes und des
AIT.
– Die vermutlich krankheitsauslösende Substanz (z. B. Arbeitsstoff) steht nicht zur
Verfügung, kann im Labor nicht appliziert (vernebelt) werden oder es handelt sich
um eine stark irritative oder toxisch wirkende Substanz mit erheblichem unspezifischem
Reizpotenzial (Test meist ethisch nicht vertretbar und nicht aussagefähig). |
– Für die Krankheitsauslösung sind offensichtlich hohe Expositionen (erhebliche Grenzwertüberschreitungen)
verantwortlich; aus ethischen Gründen verbietet sich in der Regel eine derartige Provokationstestung.
|
– Die Wirkung einer lang anhaltenden Exposition lässt sich im spezifischen bronchialen
Provokationstest nicht erfassen. |
Beachte Sondersituationen am Arbeitsplatz! Nicht selten erfolgen am Arbeitsplatz Überschreitungen der Arbeitsplatzgrenzwerte,
die für die Induktion des vorliegenden Krankheitsbildes verantwortlich gemacht werden
können. Unter solchen Bedingungen schließt das negative Ergebnis eines arbeitsplatzbezogenen
inhalativen Expositionstests bis zum Arbeitsplatzgrenzwert eine Berufskrankheit nicht
aus. |
Diese sind durch sorgfältige Planung weitestgehend vermeidbar. In jedem Fall sind
sie bei der diagnostischen Beurteilung des Einzelfalles zu berücksichtigen.
Die Testung mit Irritanzien bedarf besonderer Erfahrung. Hier sind unspezifische Effekte
(Symptome und Bronchokonstriktion bei unspezifischer Hyperreaktivität) von pathogenetisch
kausalen Einwirkungen abzutrennen und nicht selten „falsch-negative” Testergebnisse
unter Berücksichtigung der reellen Expositionsbedingungen auszuschließen.
Detaillierte repetitive Provokationstestungen mit Arbeits- und Umweltstoffen zeigen,
dass in einigen Fällen erst die wiederholte inhalative Exposition eine unspezifische
bronchiale Hyperreaktivität und/oder eine bronchialobstruktive Reaktion auszulösen
vermag. Solche kumulativen Effekte sollten vom Arzt durch engmaschige Verlaufsbeobachtungen
verfolgt werden; sie sind entsprechend der reellen Situation (Dauer und Höhe der Exposition)
in der Beurteilung des Provokationstestes zu berücksichtigen.
Meist wird der spezifische bronchiale Provokationstest unter Ruhebedingungen durchgeführt,
während üblicherweise, z. B. am Arbeitsplatz, mehr oder weniger körperliche Belastungen
stattfinden, die mit einer Erhöhung des Atemminutenvolumens und damit der inhalativen
Schadstoffaufnahme einhergehen. Um dies zu berücksichtigen, können während der Exposition
körperliche Belastungen, z. B. mit 25 Watt auf dem Fahrradergometer, vorgenommen werden.
Wesentliche, meist technisch bedingte Limitationen bronchialer Provokationsteste sind
in [Tab. 12] dargestellt.
Schlussfolgerungen
Schlussfolgerungen
Wie [Tab. 13] zusammenfassend auflistet, erlaubt der spezifische bronchiale Provokationstest wichtige,
mit keinem anderen diagnostischen Verfahren erzielbare Aussagen [19]
[20]
[23].
Tab. 13 Schlussfolgerungen und wesentliche Aspekte des spezifischen bronchialen Provokationstestes.
– Der spezifische bronchiale Provokationstest ist bei korrekter Durchführung in der
Diagnostik des exogenen Asthma bronchiale der „Goldstandard”. |
– Es lassen sich verschiedene Reaktionstypen und Diagnosen erfassen: bronchialobstruktive
Reaktionen (sofort auftretende, verzögerte, duale, rekurrierende, prolongierte Reaktion);
exogen-allergische Alveolitis (verzögerte restriktive Veränderung mit Gasaustauschstörung
und systemischen Entzündungszeichen); subklinische Reaktionen mit Induzierung/Steigerung
einer BHR; keine obstruktive und keine restriktive Lungenfunktionsänderung, keine
Änderung der bronchialen Reaktivität, keine sonstige Organreaktion und keine systemischen
Veränderungen. |
– Irritanzien können einen Anstieg der BHR auslösen, dies ist unabhängig vom Reaktionstyp;
hinsichtlich der Interpretation ist dabei die reelle Expositionshöhe zu berücksichtigen.
|
– Erst nach repetetiver spezifischer bronchialer Provokation kommt es gelegentlich
zu einer Asthmareaktion (ist v. a. nach längerer Karenz zu beobachten). |
– Eine sorgfältige Durchführung des spezifischen bronchialen Provokationstestes vermeidet
falsch negative Resultate (z. B. durch ein nicht relevantes Testagens oder eine zu
niedrige Dosis). |
– Bei Fortbestehen von Asthma-Symptomen sind bei negativen Provokationstestergebnissen
die Untersuchungen nach 1 – 6 Monaten zu wiederholen, da die Möglichkeit des Vorstadiums
eines Asthmas besteht. |
– Das Ergebnis erlaubt oft die Beantwortung der Fragen: Liegt eine Berufskrankheit
vor? Sind Präventionsmaßnahmen (entsprechend §3 Abs.1 der Berufskrankheitenverordnung)
erforderlich? |
Indikationen ergeben sich insbesondere, wenn die erörterten einfacheren Untersuchungen
nicht durchführbar sind oder nicht aussagefähige oder widersprüchliche Ergebnisse
liefern. Der Provokationstestbefund ist nicht selten für gezielte Präventionsmaßnahmen
(z. B. Wohnungssanierung, Arbeitsplatzwechsel) und die Behandlung (Hyposensibilisierung)
essenziell. Die sach- und fachgerechte Durchführung lässt das Risiko auf ein Minimum
reduzieren. Falsch positiv und falsch negative Testergebnisse sind in der Hand des
Erfahrenen weitgehend auszuschließen.
Die Indikation für die unspezifische bronchiale Provokationstestung ist großzügig
zu stellen, da es sich um ein relativ einfaches, gut standardisiertes Verfahren handelt,
das keine besonderen technischen Anforderungen stellt und einen hohen prädiktiven
Wert aufweist. Dagegen sind spezifische bronchiale Provokationsteste aufwendig, sie
werden auch nicht entsprechend des Aufwands von den Sozialversicherungen honoriert.
Ein gewisses Problem stellt ihre sowohl national als auch international fehlende Standardisierung
dar. Eine Arbeitsgruppe der ERS will sich nun dieser Aufgabe annehmen. Es bleibt zu
hoffen, dass dieses Review hierzu ebenfalls beiträgt.
Abkürzungen
Abkürzungen
AIT Arbeitsplatzbezogener inhalativer Expositionstest
BHR Unspezifische bronchiale Hyperreaktivität
MCH Methacholin
PEF Peak expiratory flow
Interessenkonflikt
Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.