Pädiatrie up2date 2010; 5(3): 299-319
DOI: 10.1055/s-0030-1255665
Kinderchirurgie

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Achs- und Rotationsdeformitäten

Peter  Schmid
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Publication Date:
27 September 2010 (online)

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Einleitung

Die ungestörte körperliche und geistige Entwicklung ist Voraussetzung für das normale Wachstum des kindlichen Skeletts. Obgleich man bereits viele „Störfaktoren” kennt, gibt es doch noch eine beträchtliche Anzahl „idiopathischer” Krankheitsbilder.

Merke: Zur Abgrenzung pathologischer und ggf. auch therapiebedürftiger Deformitäten von harmlosen, akzidentellen Abweichungen der Normwerte ist es neben der Kenntnis der altersspezifischen Entwicklung der Extremitäten ebenso wichtig, das Beschwerdebild des Kindes den messbaren Werten gegenüberzustellen.

Extremitätendeformitäten werden gerne auf Erkrankungen der knöchernen Strukturen reduziert, da man davon ausgeht, dass das körperliche Wachstum hauptsächlich durch das epi- und apophysäre Wachstum in den gut untersuchten Wachstumszonen gesteuert wird. Ein weiterer Grund hierfür ist die gute und reproduzierbare Bildgebung des knöchernen Skelettes durch Röntgenaufnahmen und MRT. Noch zu wenig bekannt und erforscht sind die Einflüsse der Muskeln und des Bindegewebes auf Achsveränderungen des Bewegungsapparates. Achsdeformitäten, z. B. bei Kindern mit Infantiler Zerebralparese lassen den Rückschluss zu, dass auch neuromuskuläre Ursachen sekundär zu Skelettdeformitäten führen können.

In der kinderorthopädischen Sprechstunde sind Adoleszente der größte Anteil der Patienten. Dies steht in deutlichem Gegensatz zu den in pädiatrischen Praxen überwiegend jüngeren Patienten. Ein sehr großer Teil dieser Patienten ist nach eingehender Anamnese und Untersuchung nicht unbedingt therapiebedürftig, der Rest teilweise konservativ und nur etwa 10 % operativ zu behandeln. Die Kunst des Kinderorthopäden (ähnlich wie des Pädiaters) ist es, diejenigen „herauszufischen”, die tatsächlich einer Therapie bedürfen, denn eine falsch indizierte operative Maßnahme ist im Kindesalter weitaus verheerender als im Erwachsenenalter.

Ziel dieses Artikels ist es, anhand der allgemeinen Begrifflichkeiten (Tab. [1]) die Entwicklung des kindlichen Achsenskeletts zu skizzieren, um dann anhand häufiger Beispiele aus der kinderorthopädischen Praxis konservative wie operative Behandlungsmöglichkeiten zu beschreiben.

Tabelle 1 Begrifflichkeiten. Begriff Abkürzung Erklärung Varus Abweichung weg von der Mittelachse des frontal betrachteten Körpers (O-Bein) Valgus Abweichung hin zur Mittelachse Torsion Verdrehung der beiden Enden eines Röhrenknochens zueinander Rotation Bewegung eines Gelenks anatomische Femurachse Linie mittig durch den Femurschaft verlaufend mechanische Femurachse Strecke vom Femurkopfzentrum zum Kniegelenkszentrum anatomische (= mechanische) Tibiaachse Linie mittig durch den Tibiaschaft verlaufend Mikulicz-Linie ML Strecke vom Femurkopfzentrum zum oberen Sprunggelenkszentrum anatomischer femorotibialer Winkel aFTW Winkel zwischen anatomischer Femurachse und Tibiaachse mechanischer femorotibialer Winkel mFTW Winkel zwischen mechanischer Femurachse und Tibiaachse Femurkondylentangente   Linie zwischen distalstem Punkt beider Femurkondylen Tibiakopftangente Linie durch beide Tibiakopfkondylen mechanischer lateraler distaler Femurwinkel mLDFW außenseitiger Winkel zwischen mechanischer Femurachse und Femurkondylentangente (mechanisch) medialer proximaler Tibiawinkel (m)MPTW innenseitiger Winkel zwischen Tibiaachse und Tibiakondylentangente Centrum-Collum-Diaphysenwinkel CCD Winkel zwischen Schenkelhals- und Femurschaftachse Antetorsionswinkel des Schenkelhalses ATW Relation zwischen Schenkelhals und Femurkondylenebene

Eselsbrücke – Varus

Hier eignet sich das Zitat von Augustus (9 n. Chr.), nachdem er drei Legionen unter der Führung von Varus in der Schlacht im Teutoburger Wald gegen die Cherusker unter Führung von Arminius verloren hat: „Oh, Varus, Varus, gib mir meine Legionen wieder!” → Varus = O-Bein

Literatur

Dr. med. Peter Schmid

Klinik für Kinderorthopädie
Helios Klinikum Emil von Behring

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