Z Orthop Unfall 2010; 148(3): 257-259
DOI: 10.1055/s-0030-1255494
Orthopädie und Unfallchirurgie aktuell

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

Karriereplanung - Erfolgreich im Beruf

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Publication Date:
21 June 2010 (online)

 
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Fachkompetenz und operatives Know-how reichen für die Weiterbildungsermächtigung in operativen Fächern nicht mehr aus.

Fachwissen und operatives Know-how sind die Kernkompetenzen der chirurgischen Tätigkeit. Daran gibt es keine Zweifel. In der gemeinsamen Arbeit wird im klinischen Alltag, in Konferenzen und in Fortbildungen das nötige Fachwissen an die jungen Assistenzärzte weitergegeben. Dieses tägliche Lernen bringt sie in ihrer Facharztausbildung voran.

Von künftigen Chef- und Oberärzten in Kliniken werden heute aber auch Fähigkeiten gefordert, die über die fachlichen Fähigkeiten hinausgehen und immer noch viel zu wenig Gegenstand der beruflichen Ausbildung sind. Gemeint sind Kompetenzen, die die Leitungskräfte eines Krankenhauses brauchen, um in ihrer Führungsrolle professionell handeln zu können. Es reicht in der Chefrolle nicht mehr aus, der beste Fachmann seines Gebiets zu sein. Nicht weniger wichtig ist sein Vermögen, beispielsweise Kritik- oder Entwicklungsgespräche mit seinen ärztlichen Mitarbeitern zu führen oder in teamförmigen Arbeitsformationen die notwendigen Steuerungsfunktionen zu übernehmen. "Arbeiten im Team – das sind wir in der Chirurgie gewohnt!" Was im OP vertraut ist, bleibt im Leitungsalltag zwischen allen Hierarchieebenen und im Kontakt zu anderen Berufsgruppen nach den Kriterien, die heute "teamförmige Zusammenarbeit" definieren, oft hinter den Anforderungen zurück.

Wem als Chefarzt an einer qualifizierten Weiterbildung seiner ärztlichen Mitarbeiter gelegen ist, dem wird eine doppelte Aufmerksamkeit abverlangt. Auf der einen Seite ist er gehalten, eine akzeptable Balance herzustellen zwischen der fachlichen Förderung seiner Mitarbeiter und der Förderung ihrer Fähigkeit, im Feld des Zwischenmenschlichen, d.h. in der Kommunikation mit unterstellten Kollegen und mit Patienten, kompetent zu handeln. Andererseits wird von ihm verlangt, für das, was er sich als Entwicklungsziel für seine Mitarbeiter vorstellt, selbst ein geeignetes Modell abzugeben. Das ist nicht leicht. Mancher resigniert da auf die Dauer und konzentriert sich deshalb auf das fachliche Geschehen. In Bezug auf seine Mitarbeiter geht es ihm v. a. um administrative Aspekte wie Urlaubs- und Diensteinteilung oder Rotationen.

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Was kann der Chefarzt tun, um seinen Mitarbeitern in seiner Führungsrolle gerecht zu werden?

In unseren Seminaren für Führungskräfte behandeln wir 4 Dimensionen, die beeinflussen, ob in einem Unternehmen oder von einzelnen Führungskräften in diesem Unternehmen eine Führung praktiziert wird, die einem Mitarbeiter von heute gerecht wird. Mit dem "Mitarbeiter von heute" meinen wir einen Menschen, der mit dem nötigen Respekt und auf gleicher Augenhöhe angesprochen werden möchte, der fachlich gut ausgebildet und der leistungsbereit ist, wenn er auf eine entsprechende Arbeitsumgebung trifft und auf einen Vorgesetzten, der das zeitgemäße Führungshandwerk versteht. Die 4 Dimensionen (Abb. [1]) sind

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Abb. 1 Dimensionen, die Einfluss auf Motivation und Zusammenarbeit haben

  • Werte und Haltungen

  • Geklärte Rollenbeziehungen

  • Wertschätzende Kommunikation

  • Normen und Regeln

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Werte und Haltungen

In diesem Themenbereich geht es v. a. darum, welcher "Geist des Hauses" in einem Unternehmen herrscht. Mitarbeiter einer Klinik wollen eine möglichst große Übereinstimmung zwischen ihren eigenen Handlungsmaximen und den gelebten Werten in ihrer Klinik spüren. Werden die Abweichungen zwischen dem Unternehmensleitbild auf Transparenten in der Eingangshalle oder in Hochglanzbroschüren und den eigenen Erfahrungen im Alltag zu groß, reagieren die Mitarbeiter mit ironischen Untertönen und Sarkasmus. "Keine Sorge, wir arbeiten hier nach der Philosophie – Der Mensch steht im Mittelpunkt – aber Mitarbeiter sind eben keine Menschen!"

Mitarbeiter aller Berufsgruppen nehmen sensibel wahr, welcher Führungsstil aus der Leitungsebene gewünscht und welcher von den Repräsentanten selbst praktiziert wird. Eben weil Menschen am Modell lernen. Der Umgang mit Patienten und deren Angehörigen, mit Studenten oder verschiedenen Berufsgruppen innerhalb des Systems wird davon geprägt, wie die Leitungskräfte im Alltag selbst an ihren Erwartungen gemessen werden können.

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Geklärte Rollenbeziehungen

Die größten Schwierigkeiten erleben wir als externe Berater in Team- und Organisationsstrukturen im Kontext von Rollenbeziehungen. Oft sind die Rollen nicht geklärt und daraus resultieren Konflikte, die meist als individuelle Beziehungsstörungen personalisiert werden.

Bezeichnend an dem soziologischen Begriff "Rolle" ist, dass damit nicht das tatsächliche Verhalten bzw. Handeln beschrieben wird. Vielmehr wird die "Rolle" bestimmt von den Erwartungen, die die übrigen Angehörigen eines Sozialgefüges an den Inhaber einer Position herantragen. Diese Erwartungen der Rollenpartner können sich auf die Aufgabe, d.h. die Funktion beziehen, die ein Positionsinhaber zu erfüllen hat, ebenso wie auf die Art und Weise seines Handelns in der Rolle. Es geht also um das "Was" und das "Wie".

Besonders problematisch wird es, wenn unterschiedliche Rollenpartner jeweils Erwartungen haben, die einander widersprechen. Rotationen von Assistenzärzten und verschiedene Förderungsmöglichkeiten widersprechen beispielsweise aus Sicht der Führungskraft oft den möglichst reibungslosen Abläufen in der Abteilung.

Aus der veränderten Situation und dem Bewerbermangel in der Aus- und Weiterbildung ergibt sich eine wichtige Konsequenz: Die Rollen müssen sich der veränderten Situation anpassen.

Wenn sich Leitende Ärzte und Oberärzte heute in ihren Erwartungen und in ihrem Handeln gegenüber den Assistenzärzten an den klassischen Rollenmustern orientieren, sind Konflikte im Feld der Einstellungen und Werte nahezu vorprogrammiert. Man wird sich nicht verstehen. Kürzlich berichtete ein Chefarzt einer Klinik für Orthopädie, dass er einen Assistenzarzt in den OP gerufen habe, um ihm die Möglichkeit zu geben, ein seltenes Krankheitsbild und die operative Vorgehensweise kennenzulernen. Die Antwort des jungen Kollegen lautete: "Tut mir leid, ich habe noch andere Sachen zu tun und dann Feierabend." Am nächsten Tag erfolgte kein Gespräch mehr über diese Situation, sondern der Chef beschloss, keine weiteren Angebote mehr zu machen.

In der Organisationsstruktur nicht nur einer chirurgischen Abteilung hat es sich bewährt, wenn entweder der Chef persönlich oder einer der Oberärzte sich für die Facharztausbildung im wirklichen Sinn "ver-Antwort-lich" fühlt. Führung im Bereich Ausbildung bedeutet, dass ein regelmäßiger Kontakt zwischen Mentor und Mentée stattfindet. Der junge Kollege braucht einen Ansprechpartner, der ihn fordert und fördert.

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Nah- und Fernziele feststecken

In einem Mitarbeitergespräch sollten zu Beginn Nah- und Fernziele für und mit dem Assistenzarzt besprochen werden: Welche Vorkenntnisse bringt er mit? Wie kann er eingesetzt werden? Was wird von ihm erwartet? Wann soll er sich bei einem erfahrenen Kollegen Unterstützung holen und was darf er allein entscheiden? Was kann er in welchem Ausbildungsabschnitt an fachlicher Weiterentwicklung erreichen? Aber auch: Welche Erwartungen hat der Chef an den Mitarbeiter in Bezug auf die Qualität und Art der Patientenversorgung, auf die interdisziplinäre Zusammenarbeit oder auf das Engagement für die Abteilung oder auch für die Forschung. In vereinbarten Zeitabschnitten wird diese Form des Mitarbeitergesprächs fortgesetzt, Zwischenziele überprüft und der wechselseitige Austausch genutzt. Die Gespräche, die wir damit skizzieren, gehen über die Anforderungen im Logbuch hinaus, weil sie auch die Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter beleuchten.

Die meisten Kollegen zeigen dann Engagement, wenn sie den Eindruck haben, dass die Gesamtabteilung und v. a. der Ausbildungsverantwortliche grundsätzlich bemüht sind, sie bei ihrer Weiterentwicklung zu unterstützen. Wenn es eine Balance zwischen Geben und Nehmen gibt, dann ist die Bereitschaft größer, auch bei Engpässen einzuspringen.

Auf kurze Sicht hat der Vorgesetzte aufgrund seiner Position einen gewissen Machtvorteil. Langfristig lässt sich die Loyalität der Mitarbeiter, auf die er angewiesen ist, aber nicht erzwingen. Eine solide Basis für Einfluss und letztlich auch Macht hat ein Vorgesetzter, wenn seine Mitarbeiter sich mit seinen Handlungen und Entscheidungen identifizieren können. Das aber hängt ab von der Art und Weise, wie er die Vorstellungen und Interessen seiner Mitarbeiter in sein Führungshandeln einbezieht. Und deshalb kommen wir nun zur 3 Dimension:

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Wertschätzende Kommunikation

Dazu gehören Grundlagen der zwischenmenschlichen Kommunikation und eine Haltung, den Menschen gegenüber als gleichwertigen Partner im Gespräch anzuerkennen. Ein Indikator dafür, dass diese Haltung praktiziert wird, ist die "Umkehrbarkeit im Sprachverhalten": Kann der Assistenzarzt mit dem Chefarzt genau so reden wie dieser mit ihm?

Der Grad der Kommunikationskultur in einem Unternehmen lässt sich daran messen, in welchem Ausmaß die Kunst der Metakommunikation praktiziert wird. Anzeichen dafür ist die verbreitete Fähigkeit, sich ohne große Umstände wechselseitig über fachliche und nicht fachliche Themen ein Feedback zu geben, also eine Rückmeldung, die nicht bewertet, sondern sagt, welche Wirkungen ein bestimmtes Handeln/Verhalten hatte und fragt, ob das so gewollt war. Wenn sich ein Ausbildungsassistent beispielsweise gegenüber niedergelassenen Ärzten unangemessen verhält, löst er damit vielleicht Beschwerdetelefonate oder sogar einen Rückgang der Zuweisungen aus. Das muss er erfahren. Und er hat dann Gelegenheit, sein Verhalten in Zukunft zu ändern. Viele verwenden den Begriff "Feedback geben‘ synonym mit "beurteilen’ und d. h. in der Regel: "Dem anderen mal ordentlich sagen, was man von ihm hält!" Das führt meist zu Verletzungen des Selbstwertgefühls bei den Betroffenen, die die Kommunikation langfristig belasten.

Eine praktizierte Feedbackkultur ist Voraussetzung für die gemeinsame Weiterentwicklung. Medizinische oder organisatorische Fehler oder Beinahe-Fehler dürfen während Abteilungsbesprechungen thematisiert werden ohne dass ein "diensthabender Schuldiger" gesucht wird. Wichtig ist v. a. die Einstellung der Leitungskräfte: Fehler werden gemacht. Wir sind alle nur Menschen. Aber wir dürfen sie nur einmal machen, indem wir aus jedem Fehler lernen.

In einem solchen nicht wertenden Umgang können sich die jungen Kollegen in ihrem beruflichen Werdegang orientieren und entwickeln. Meist bekommt dann auch die Führungskraft von couragierten Mitarbeitern ein Wirkungsfeedback zum eigenen Leitungsstil. Wer als Führungskraft über die nötige Souveränität verfügt, kann davon nur profitieren.

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Normen und Regeln

In dieser Dimension hat sich in den letzten Jahren sehr viel entwickelt. Logbücher des Berufsverbands unterstützen die strukturierte Weiterbildung. Rotationsmöglichkeiten werden geplant und mit den Assistenzärzten besprochen. Durch die Qualitätssicherungsmaßnahmen gibt es Konzepte zur Einarbeitung neuer Mitarbeiter und Absprachen über Zuständigkeiten und Verfahrensweisen. Für viele Krankheitsbilder und Abläufe existieren sog. SOPs (Standard Operating Procedures) als Leitlinien und Arbeitsanweisungen. Diese Erkenntnisse der modernen Luftfahrt wurden in der Medizin zur Beschreibung von Abläufen in Diagnostik und Therapie genutzt.

In diese Regelwerke sind sehr viele Energien und Überlegungen eingeflossen. Viel schwieriger ist jedoch die Umsetzung im Alltag. Das LOG-Buch vom Berufsverband kann eine strukturelle Grundlage für Gespräche zwischen Weiterbilder und Weiterbildungsassistenten darstellen. Vorrangig ist jedoch der Austausch zwischen der Führungskraft und dem Mitarbeiter. Jegliche Art von Ankreuz-Listen beinhaltet die Gefahr der Verbürokratisierung. Oft wird der Dialog dadurch eher verhindert. Es kommt daher sehr darauf an, wie dieses Instrument eingesetzt wird. Viele junge Absolventen und Assistenzärzte berichten immer wieder, dass diese hilfreichen Instrumente nur "Makulatur" sind und der Gewissensberuhigung des Chefs und der Institution dienen.

Normen und Regeln erleichtern vieles. Aber der kritische Erfolgsfaktor in Krankenhäusern und insbesondere in der Weiterbildung ist die funktionierende Kommunikation zwischen allen Beteiligten im Gespräch.

Erfolgreich im Beruf – Karriereplanung konkret

Zu diesem Thema findet im Rahmen des Deutschen Kongresses für Orthopädie und Unfallchirurgie am 27. Oktober 2010 von 14:30 bis 16:00 Uhr im Saal 10 im ICC in Berlin eine Veranstaltung statt, bei der folgende Referenten auftreten:

  1. Dr. Wolfgang Martin, mainmedico: Klinischer Arbeitsmarkt in Bewegung, Anforderung an Assistenzärzte

  2. Dr. Ulrike Schlein: Teamfähigkeit und Kommunikationskompetenz in der Facharztausbildung

  3. Dr. Wolfgang Martin: Anforderungen an Chef- und Oberärzte

  4. Jens Hager-van der Laan: Souveräne ärztliche Führung

  5. Dr. Wolfgang Martin: Ausblick und Weitblick

Beratungsbörse beim DKOU

Wie im vergangenen Jahr findet beim Deutschen Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie eine Beratungsbörse statt: am 27. und 28. Oktober 2010 in den Räumen 28 + 29. Sie können sich dort kostenlos zu unten stehenden Themen beraten lassen. Bitte melden Sie sich dafür an unter: Email: info@dr-schlein.de

  1. Möglichkeiten, Chancen und Risiken auf dem Arbeitsmarkt für Assistenz-, Fach-, Ober- und Chefärzte (Dr. Wolfgang Martin, Ingrid Rebmann, mainmedico).

  2. Organisations- und Personalentwicklung, Führungskompetenz und Führungspersönlichkeit, Konflikte im Arbeitsbereich, Kommunikation mit internen und externen Kooperationspartnern (Dr. Ulrike Schlein, Jens Hager-van der Laan).

  3. Persönliche und Berufliche Entscheidungssituationen, Burn-out-Prophylaxe, weibliche Karrierewege (Dr. Astrid Bühren).

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Dr. Ulrike Schlein

Dr. Ulrike Schlein
Organisations- und Teamentwicklung
FÄ f. Chirurgie
Am Bahnhof 1, 34537 Bad Wildungen

Email: info@dr-schlein.de

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Jens Hager-van der Laan

Jens Hager-van der Laan
Unternehmensberatung, Dipl.-Soziologe
Schillerstraße 15, 10625 Berlin

Email: van-der-laan@t-online.de

 
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Abb. 1 Dimensionen, die Einfluss auf Motivation und Zusammenarbeit haben

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Dr. Ulrike Schlein

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Jens Hager-van der Laan