Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2010; 17(3): 113
DOI: 10.1055/s-0030-1255405
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Globale Erwärmung – Wird es zukünftig einfacher, den Mount Everest zu besteigen?

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Publikationsdatum:
15. Juni 2010 (online)

 
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    Moore GW, Semple JL. The impact of global warming on Mount Everest. High Alt Med Biol 2009; 10: 383-385

    Thema: Die globale Erwärmung könnte auch für Bergsteiger ungeahnte Konsequenzen haben. Bisher war in den Veröffentlichungen zur Klimaerwärmung meist nur von schwindenden Gletschern, Veränderungen in der Wasserversorgung und der Vegetation die Rede. Wie viele Bergsteiger wissen, existieren gewisse Eiswände gar nicht mehr, nimmt der Steinschlag aufgrund des schmelzenden Permafrostes zu und ist so manche alpine Unternehmung deshalb nurmehr im Winter oder Frühsommer durchzuführen.

    Projekt: Dass die steigende durchschnittliche Jahrestemperatur auch einen Einfluss auf die Sauerstoffversorgung bei der Besteigung des höchsten Gipfels der Erde, dem Mount Everest, hat, zeigen die neuen Berechnungen von Moore und Semple, die sie in der Zeitung "High Altitude Medicine & Biology" veröffentlicht haben.

    Seit Mitte des 19. Jahrhunderts stiegen die Durchschnittstemperaturen im Himalaya um circa 0,6 °C. In der Mount-Everest-Region stieg deshalb die Dauerfrostgrenze um etwa 100-300 m. Diese Temperaturentwicklung haben Messungen der Klimastationen in der Region bestätigt und es soll voraussichtlich die nächsten 50 Jahre so weitergehen.

    Ergebnisse: Die Gipfelhöhe des Mt. Everest (8848 m) ist für die menschliche Physiologie und für die Sauerstoffversorgung des Organismus eine absolute Obergrenze. Deswegen werden über 95 % aller erfolgreichen Everestbesteigungen mit zusätzlichem Flaschensauerstoff durchgeführt. Der Luftdruck, der maßgeblich auch für die Sauerstoffversorgung verantwortlich ist, ändert sich mit der Temperatur. Jahreszeitliche Erwärmungen führen auch auf den hohen Gipfeln des Himalaya zu einer markanten Änderung des Luftdrucks (Abb. [1]) im Verlauf eines Jahres. Die meisten erfolgreichen Besteigungen der hohen Berge des Himalaya finden im Mai und September/Oktober statt. Höher wäre der Luftdruck zwar im Juli und August, aber das schlechte Wetter im Monsun verhindern zu dieser Jahreszeit erfolgreiche Besteigungen. In Abbildung 2 ist der seit 1948 gemessene und für die Zeit danach berechnete Anstieg des Luftdruck dargestellt.

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    Abb. 1 Saisonaler Verlauf des Luftdrucks auf dem Gipfel des Mount Everest. durchgezogene Linie: 1984, gestrichelte Linie: 2008, gepunktet-gestrichelte Linie: 2048

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    Abb. 2 Entwicklung des durchschnittlichen Luftdrucks auf dem Gipfel des Mount Everest, extrapoliert bis zum Jahr 2048.

    Auch wenn der in der Studie kalkulierte Vohersagewert des Luftdruckanstieges "nur" bei 2-3 mb liegt, so könnte dies zu einer Zunahme der maximalen Sauerstoffaufnahme (VO2max) von bis zu 100 ml/min führen. Die maximale Sauerstoffaufnahmekapazität in Gipfelhöhe des Mt. Everest liegt bei ca. 1070 ml/min. Dieser Anstieg könnte also die VO2max um ca. 10 % erhöhen.

    Fazit: All dies könnte im Lauf der nächsten Jahrzehnte die Besteigung der hohen Berge im Himalaya erleichtern. Vorhergesagt werden aber nicht nur eine Erwärmung mit daraus resultierendem Luftdruckanstieg, sondern auch andere Folgen des Klimawandels. Ob erhöhte Eis- und Steinschlaggefahr durch eine Verschiebung der Permafrostgrenze nicht so manche Besteigung zu gefährlich oder gar unmöglich machen, wird erst die Zukunft zeigen.

    Unter der Vorausetzung, dass diese Erwärmung bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts stattfindet, sind die frühen Besteigungen der hohen 8000er unter anderen klimatischen Begebenheiten erfolgt. Dies lässt zum Beispiel die Leistungen von Mallory und Irvine 1924 am Everest in einem ganz anderen Licht erscheinen und wir müssen diese Leistungen wohl noch viel höher bewerten.

    Dr. Jörg Schneider, München

     
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    Abb. 1 Saisonaler Verlauf des Luftdrucks auf dem Gipfel des Mount Everest. durchgezogene Linie: 1984, gestrichelte Linie: 2008, gepunktet-gestrichelte Linie: 2048

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    Abb. 2 Entwicklung des durchschnittlichen Luftdrucks auf dem Gipfel des Mount Everest, extrapoliert bis zum Jahr 2048.