Das Prüfungsinstrument Objective Structured Clinical Examination (OSCE), das in Kanada
und in den USA in der Medizinerausbildung eingesetzt wird, ist auch dazu geeignet,
Ergotherapieschüler zu prüfen. Dieses Ergebnis erzielten die Ergotherapeutin Esther
Goltz und ihre Kollegen von der Berliner Charité.
Vier Ergotherapieschüler unterzogen sich einer Testprüfung mit dem OSCE, drei weitere
beteiligten sich als Simulationspatienten. Zwei Fachdozenten der neurophysio- und
neuropsychologischen Behandlungsverfahren sowie eine externe OSCE-erfahrene Person
bewerteten am Ende die Ergebnisse. Die „Prüflinge” durchliefen drei Fragestationen
und zwei Prozedurstationen, bei denen sie ihre praktischen Fertigkeiten im Umgang
mit den Simulationspatienten demonstrierten. Ein Item lautete beispielsweise „Bitte
mobilisieren Sie das Schulterblatt”. Anschließend erhielten die beteiligten Gruppen
unterschiedliche Fragebögen, anhand derer sie das OSCE in Schulnoten einschätzen konnten.
Die Ergebnisse reichten von eins bis vier, überwiegend bewerteten die Teilnehmer die
Items aber mit gut bis sehr gut. Die Prüflinge empfanden das Instrument als besonders
praxisrelevant, sahen aber einen geringen Bezug zu ihren Erfahrungen aus dem Unterricht.
Die Simulationspatienten fühlten sich gut auf ihre Rolle vorbereitet, wobei einer
dennoch fürchtete, sich nicht situationsgerecht in die Patientenrolle hineinfinden
zu können. Die zwei Fachdozenten empfanden die Auswahl der Prüfungsschwerpunkte des
OSCE als sehr gut. Lediglich den logistischen Aufwand schätzte ein Lehrer als problematisch
ein.
Die Forscher nutzten diese Ergebnisse, um das OSCE erneut zu überarbeiten. In adaptierter
Form eignet sich das Instrument dazu, auch in der Ergotherapie verschiedene Kompetenzbereiche
abzuprüfen. Auf verschiedene Behandlungsverfahren muss es jedoch noch abgestimmt werden.
dawo
Kommentar
Bravo! Endlich denken Forscher über eine innovative und wirklich tiefgreifende Veränderung
der Prüfung von Ergotherapieschülern nach. Das OSCE führt weg vom sturen Auswendiglernen
theoretischer Zusammenhänge, die Schüler dann für eine Klausur abrufen und meistens
zu geschätzten 90 Prozent wieder vergessen. Das Prüfungsinstrument fragt ganzheitliches
Wissen und Erfahrungen der Schüler mit Inhalten, die helfen sollen, den Menschen ganzheitlich
zu betrachten, auch auf ganzheitliche Weise ab. Bleibt zu hoffen, dass das Weiterentwickeln
des Instruments derzeitige Schwierigkeiten beheben kann und sich in realen Prüfungssituationen
bewährt. Dann müssen weitere Studien nur noch das Ergebnis liefern, wie sich ein derartig
von den Traditionen unseres Bildungssystems abweichendes Prüfungskonzept mit der Bologna-Deklaration
und dem Akademisierungsprozess vereinbaren lässt.
Daniela Wolter, Ergotherapeutin BSc.
ergoscience 2010; 5: 25–30