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DOI: 10.1055/s-0030-1253290
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York
Therapie von chronisch Nierenkranken ‐ Welche Rolle spielt die selektive VDR-Aktivierung?
Publication History
Publication Date:
06 April 2010 (online)
- Hyperparathyreoidismus und Überleben
- PTH-Erniedrigung heißt nicht immer Knochenadynamie
- Überlebensvorteile durch VDR-Aktivierung
- Warum ist die selektive VDR-Aktivierung hinsichtlich der Mortalität überlegen?
- Rückgang der Proteinurie bei selektiver VDR-Aktivierung
- Literatur
Ende November hielt Prof. Kamyar Kalantar-Zadeh, Los Angeles (USA), bei der Herbsttagung des Colloquiums nephrologicum Thüringen einen Vortrag über selektive VDR-Aktivierung (sVDRA), der auf viel Interesse stieß und lebhaft diskutiert wurde. Denn mit fortschreitender chronischer Nierenerkrankung (CKD) sind Hyperphosphatämie, Hypokalzämie und Mangel an 1,25-Vitamin-D3 die Hauptfaktoren für die Entwicklung des sekundären Hyperparathyreoidismus (sHPT). Kalantar-Zadeh gab einen ganz aktuellen Überblick über den Wissensstand zum Thema sHPT und zur Bedeutung der selektiven VDR-Aktivierung in der Therapie von CKD-Patienten.
#Hyperparathyreoidismus und Überleben
Der sHPT beeinträchtigt das Überleben: Wie Kovesdy 2008 zeigte [1], korreliert der PTH-Spiegel bei Prädialysepatienten sowohl mit der Mortalität - das gilt für zu hohe wie auch für zu niedrige PTH-Spiegel - als auch mit dem Erreichen der Dialysepflicht. Eine Auswertung von 34 000 Hämodialysepatienten des DaVita-Registers [2] zeigte diesen Zusammenhang auch bei Dialysepatienten. Patienten mit PTH-Werten zwischen 100 bis knapp über 200 pg/ml hatten dieser Auswertung zufolge das beste Überleben.
Ein Problem der Praxis ist jedoch, dass die PTH-Werte je nach verwendetem Assay deutlich schwanken können. Ein sehr sensibler, jedoch oft vernachlässigter Parameter bezüglich der ossären Situation ist hingegen die knochenspezifische alkalische Phosphatase (AP). Sie kann die Aussagekraft der PTH-Werte hinsichtlich des Knochenstatus unterstützen und darüber hinaus - eindeutiger als das PTH - das Mortalitätsrisiko bestimmen. Die AP korreliert, auch nach umfassender Adjustierung, hochsignifikant mit der 3-Jahres-Mortalität [3]. Während für das PTH die Mortalitätskurve einen J-förmigen Verlauf zeige, wie Kalantar-Zadeh ausführte, und damit im Einzelfall die Bewertung schwierig sein könne, bestehe zwischen der AP und dem Mortalitätsrisiko eine beinahe lineare Beziehung (Abb. [1]) [3]. Zudem gehe eine AP über 120 IU/l mit signifikant steigender Koronarverkalkung einher [4].


Abb. 1 Gesamtmortalitätsrisiko für Änderungen der alkalischen Phosphatase vom Ausgangswert zum folgendem Quartal. Case-mix und Case-mix & MICS = adjustiert bezüglich Serumkalzium, Serumphosphat, PTH und anderen Parametern
Die AP ist also nicht nur ein Parameter des Knochenumsatzes, sondern auch der Mortalität. Mithilfe der alkalischen Phosphatase kann der Schweregrad des sHPT unabhängig vom tatsächlichen PTH-Wert bestimmt werden. Die AP zeigt somit, wenn trotz einem normalen oder gar niedrigen PTH-Spiegel eine "high-turnover"-Knochenerkrankung besteht oder ein "low-turnover" trotz hohem PTH-Spiegel, sie sei also der validere Parameter. Kalantar-Zadeh diskutierte die interessante Frage, ob daher eine zielführende sHPT-Therapie nicht auch immer die AP therapeutisch beeinflussen müsse. Er wies darauf hin, dass die VDR-Aktivierung beide Parameter - PTH und AP - senke. Unter Calcitriol kam es häufig, unter dem selektiven VDR-Aktivator Paricalcitol sogar immer auch zur AP-Senkung [5].
#PTH-Erniedrigung heißt nicht immer Knochenadynamie
Die adyname Knochenerkrankung ist zu Recht gefürchtet, da sie die Gefäßverkalkung massiv vorantreibt. Die Leitlinien empfehlen bei einem erniedrigten PTH-Spiegel daher die sofortige Unterbrechung aller PTH-senkenden Therapien, um einen adynamen Knochenstoffwechsel nicht noch weiter zu supprimieren.
Doch hinter einer PTH-Absenkung unter Normalwerte müsse nicht immer eine adyname Knochenerkrankung stehen, wie Kalantar-Zadeh erläuterte. So gebe es eine ganze Reihe anderer Ursachen, wie beispielsweise Malnutrition und Inflammation (MIA-Syndrom: Malnutrition-Inflammation-Arteriosklerose-Syndrom/MICS: "malnutrition inflammation complex syndrome") [6], eine kalziumreiche Ernährung, ein hohes Dialysatkalzium, kalziumhaltige Phosphatbinder, Diabetes mellitus und metabolisches Syndrom oder oxidativer Stress.
Bevor man die AP nicht bestimmt habe, seien Zusammenhänge zwischen einem niedrigen PTH und einer adynamen Knochenerkrankung rein spekulativ. Fällt die AP normal (oder erhöht) aus, liegt wahrscheinlich trotz niedrigen PTH-Werten keine Adynamie vor. Eine einfache und effektive Maßnahme sei dann, lediglich das Dialysatkalzium auf 1,0 mmol/l abzusenken, da mit verminderter Kalziumload auch das PTH wieder ansteigt.
Bei PTH-Abfall unter laufender Kombinationstherapie von VDRA und Kalzimimetika müsse laut Kalantar-Zadeh zuerst das Kalzimimetikum abgesetzt werden. Ein Verzicht auf die VDR-Aktivierung sei weniger sinnvoll, da sie positive Effekte auf das Überleben der Patienten habe und zudem, wie jüngst gezeigt wurde, auch nephroprotektiv wirke.
#Überlebensvorteile durch VDR-Aktivierung
Patienten, die eine VDR-aktivierende Therapie erhalten, überleben länger. Die möglichen Ursachen für dieses bessere Überleben sind die PTH-Senkung, die AP-Senkung, aber auch antiinflammatorische Mechanismen und etliche andere VDR-vermittelte Effekte.
Kalantar-Zadeh erinnerte daran, dass in epidemiologischen Studien jegliche VDRA-Therapie bei Dialyse- wie auch Prädialysepatienten [1] lebensverlängernd wirkte. Die selektive VDRA-Therapie mit Paricalcitol bringe aber noch zusätzliche Vorteile: Teng et al. [7] zeigten an über 67 000 Patienten einen um 16 % größeren Rückgang der Mortalität als unter Calcitriol. Der Unterschied war statistisch signifikant und bestätigte sich, wenn die Patienten von Calcitriol auf Paricalcitol wechselten und umgekehrt. In Subgruppenanalysen wurde deutlich, dass selbst Patienten mit erhöhten Kalzium-, Phosphat- oder PTH-Werten von einer selektiven VDR-Aktivierung hinsichtlich des Überlebens profitieren [8].
#Warum ist die selektive VDR-Aktivierung hinsichtlich der Mortalität überlegen?
Die mögliche Ursache der beobachteten Überlegenheit von Paricalcitol hinsichtlich des Überlebens dürfte in seiner geringen kalzämischen Aktivität liegen: Die intestinale Kalziumresorption unter Paricalcitol ist signifikant geringer als unter Calcitriol [9].
Bisher wurde, wie Kalantar-Zadeh erklärte, der Einsatz von Calcitriol trotz Hyperkalzämiegefahr in Ermangelung einer Alternative in Kauf genommen. Mit Paricalcitol stehe aber nun eine Alternative zur Verfügung. In den USA wird daher jetzt hauptsächlich Paricalcitol verabreicht, das ein wesentlich geringeres Hyperkalzämierisiko aufweist.
Bei dieser Therapie bleiben die Kalzium- und Phosphatspiegel ohne nennenswerte Schwankungen konstant, was sich in tierexperimentellen Untersuchungen auch konkret an der Gefäßgesundheit abzeichnet: Unter Paricalcitol blieben die Gefäßwände unverkalkt [10], [11], dagegen kam es unter Calcitriol und Doxercalciferol zu Kalzifikationen - die Media zeichnete sich schwarz in der von-Kossa-Färbung ab. Selbst der Versuch, die calcitriolbedingten Kalzifizierungen mittels Kalzium- und PTH-Senkung durch Kalzimimetika aufzuhalten, gelang nicht [12].
Doch nicht nur hinsichtlich der Gefäßverkalkung könnten Patienten von der selektiven VDR-Aktivierung profitieren. Die Therapie weist auch einen nephroprotektiven Effekt auf, der besonders für Prädialysepatienten interessant sein könnte.
#Rückgang der Proteinurie bei selektiver VDR-Aktivierung
Als Zufalls- bzw. Nebenbefund berichtete Agarwal erstmals von einer signifikanten Abnahme der Proteinurie bei mit Paricalcitol behandelten Patienten [13]. Paricalcitol reduzierte die Proteinurie unabhängig von der Einnahme von ACE-Inhibitoren (ACE: "angiotensin converting enzyme") und Angiotensin-Rezeptor-Blockern in den CKD-Stadien 3 und 4. Zwei weitere randomisierte Studien [14], [15] bestätigten diese Ergebnisse.
Im November 2009 wurden unter anderem auf dem Kongress der "American Society of Nephrology" (ASN) die Ergebnisse der prospektiven, doppelblind randomisierten, placebokontrollierten VITAL[1]- Studie präsentiert. Es wurden 281 Typ-2-Diabetiker mit einer glomerulären Filtrationsrate von 15-90 ml/min/1,732 m2, PTH-Werten von 35-500 pg/ml, einer Blutdruckeinstellung unter 160/100 mmHg, einer Blockade des Renin-Angiotensin-Systems und einer morgendlichen Albuminausscheidung von 100-3000 mg/g (= UACR: "urine albumin/creatinine ratio") untersucht. Es zeigte sich eine Reduktion der 24-Stunden-Albuminausscheidung und der UACR, was einen nephroprotektiven Effekt von Paricalcitol belegt.
Kalantar-Zadeh zog daher das Fazit, dass die Patienten in mehrfacher Hinsicht von der selektiven VDR-Aktivierung mit Paricalcitol profitieren und sie aus der modernen CKD-Therapie nicht mehr wegzudenken sei.
Dr. Bettina Albers, Weimar
Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Abbott GmbH, Ludwigshafen. Die Beitragsinhalte stammen von der Herbsttagung des Colloquiums nephrologicum Thüringen und wurden von Frau Dr. Albers (Medizinjournalistin) zusammengestellt. |
Literatur
- 01 Kovesdy C P, Ahmadzadeh S , Anderson J E, Kalantar-Zadeh K . Association of activated vitamin D treatment and mortality in chronic kidney disease. Arch Intern Med. 2008; 168 397-403
- 02 Shinaberger C S, Kopple J D, Kovesdy C P, et al . Ratio of paricalcitol dosage to serum parathyroid hormone level and survival in maintenance hemodialysis patients. Clin J Am Soc Nephrol. 2008; 3 1769-1776
- 03 Regidor D L, Kovesdy C P, Mehrotra R , et al . Serum alkaline phosphatase predicts mortality among maintenance hemodialysis patients. J Am Soc Nephrol. 2008; 19 2193-2203
- 04 Shantouf F , Kovesdy C P, Kim Y , et al . Association of serum alkaline phosphatase with coronary artery calcification in maintenance hemodialysis patients. Clin J Am Soc Nephrol. 2009; 4 1106-1114
- 05 Kalantar-Zadeh K , Kovesdy C P. Clinical outcomes with active versus nutritional vitamin D compounds in chronic kidney disease. Clin J Am Soc Nephrol. 2009; 4 1529-1539
- 06 Dukkipati R , Kalantar-Zadeh K , Kopple J D. Is there a role for intradialytic parenteral nutrition? A review of the evidence. Am J Kidney Dis. 2010; 55 352-364
- 07 Teng M , Wolf M , Lowrie E , et al . Survival of patients undergoing hemodialysis with paricalcitol or calcitriol therapy. N Eng J Med. 2003; 349 446-456
- 08 Teng M , Wolf M , Ofshun M N, et al . Activated injectable vitamin D and hemodialysis survival: a historical cohort study. J Am Soc Nephrol. 2005; 16 1115-1125
- 09 Lund R J, Andress D L, Amdahl M , et al . Absorption in Hemodialysis Patients. Am J Nephrol. 2010; 31 165-170
- 10 Mizobuchi M , Finch J L, Martin D R, et al . Differential effects of vitamin D receptor activators on vascular calcification in uremic rats. Kidney Int. 2007; 72 709-715
- 11 Wu-Wong J R, Noonan W , Ma J , et al . Role of phosphorus and vitamin D analogs in the pathogenesis of vascular calcification. J Pharmacol Exp Ther. 2006; 318 90-98
- 12 Henley C , Colloton M , Cattley R C, et al . 1,25-Dihydroxyvitamin D3 but not cinacalcet HCl treatment mediates aortic calcification in a rat model of secondary hyperparathyroidism. Nephrol Dial Transplant. 2005; 20 1370-1377
- 13 Agarwal R , Acharya M , Tian J , et al . Antiproteinuric effect of oral paricalcitol in chronic kidney disease. Kidney Int. 2005; 68 2823-2828
- 14 Alborzi P , Patel N A, Peterson C , et al . Paricalcitol reduces albuminuria and inflammation in chronic kidney disease. A randomized double-blind pilot trial. Hypertension. 2008; 52 249-255
- 15 de Zeeuw D , Agarwal R , Parving H , et al . A study of paricalcitol capsules on reducing albuminuria in type 2 diabetic nephropathy being treated with renin-angiotensin system inhibitors (NCT00421733). Im Internet:. http://www.clinicaltrials.gov 08.03.2010
01 Selective Vitamin D Receptor (VDR) Activator for Albuminuria Lowering (VITAL) Study in Type 2 Diabetic Nephropathy
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Abb. 1 Gesamtmortalitätsrisiko für Änderungen der alkalischen Phosphatase vom Ausgangswert zum folgendem Quartal. Case-mix und Case-mix & MICS = adjustiert bezüglich Serumkalzium, Serumphosphat, PTH und anderen Parametern