Dialyse aktuell 2010; 14(2): 70
DOI: 10.1055/s-0030-1249739
Magazin

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

Qualifizierung nichtärztlicher Berufsgruppen – Einführung des Studiengangs "Physician Assistant"

Further Information

Publication History

Publication Date:
01 March 2010 (online)

 
Table of Contents
Zoom Image

Bild: Thieme Verlagsgruppe, Christoph von Haussen

Vor dem Hintergrund der Herausforderungen an das deutsche Gesundheitswesen (demografischer Wandel, Zunahme der Multimorbidität, rasante Entwicklung der Medizintechnik etc.) muss man mit einem erheblich gesteigerten Bedarf an Leistungen in der Patientenversorgung rechnen. Die Einführung des Bachelor-Studiengangs "Physician Assistant," könnte dabei helfen, den gesundheitspolitischen Herausforderungen zu begegnen.

#

Notwendigkeit des Studiengangs

Mit einer neuen, flexibleren Aufgabenverteilung zwischen Ärzten und Pflegenden ließen sich Versorgungsdefizite verringern sowie die Qualität und Wirtschaftlichkeit der Patientenversorgung verbessern. Der Sachverständigenrat sprach 2007 von einer anzustrebenden größeren Eigenständigkeit der nichtärztlichen Gesundheitsberufe: "Bei der Übertragung ärztlicher Tätigkeiten auf andere Berufsgruppen wird neben der gängigen Form der Delegation (unter ärztlicher Anordnung und Aufsicht) auch eine völlig eigenständige Ausführung bestimmter Tätigkeiten diskutiert. Eine Tätigkeitsübertragung von Aufgaben insbesondere auf die Pflege und eine größere Handlungsautonomie derselben ist nicht zu umgehen, wenn die Versorgung aufrechterhalten und verbessert werden soll. Als Voraussetzung für eine Übertragung werden entsprechende Kompetenzen beim Delegationsempfänger angesehen."

#

Das Studiengangkonzept

Die hochschulische Ausbildung im Studiengang "Physician Assistant" hat einen deutlichen Qualifizierungsschub für die nichtärztlichen Gesundheitsberufe zur Folge. Der Studiengang ist ein Vollzeitstudium und die Regelstudienzeit beträgt 6 Semester. Sie ist unterteilt in Präsenz- und Praxiszeiten sowie Selbstlernphasen.

Schwerpunkte des Bachelor-Studiengangs sind unter anderem medizinisch-naturwissenschaftliche Grundlagen, Informationsmanagement im Gesundheitswesen, Anamnese und Untersuchungsverfahren, allgemeine invasive Maßnahmen, individuelles Notfallmanagement sowie Kodierung. Im 3. Semester beginnt eine "Modulkette", die sich dem fach- und fallspezifischen Handeln in den einzelnen klinischen Bereichen widmet. Weitere Studieninhalte sind Atemwegsmanagement, Schmerzmanagement, Wundmanagement und bildgebende Verfahren (u. a. Sonografiekurs). Die Studierenden lernen Inhalte des Qualitätsmanagements und der Bewertung von wissenschaftlichen Studien. Außerdem setzen sie sich mit der Patientenverfügung, der Agenda Patientensicherheit, Bioethik, ethischen Kodizes etc. auseinander.

Mentoren, die aus dem ärztlichen Berufsfeld kommen, sichern den praktischen Kompetenzerwerb im klinischen Bereich. Innerhalb des Theorie-Praxis-Transfers müssen die Studierenden praktische Studienleistungen erbringen. Der Studiengang ermöglicht den Absolventen als 1. berufsqualifizierender akademischer Abschluss den Zugang zu internationalen Masterprogrammen, etwa in Großbritannien oder den USA.

#

Juristische Rahmenbedingungen

Von den Gegnern des Studiengangs werden in der Diskussion zur Neuverteilung der Aufgaben im Gesundheitswesen immer wieder rechtliche Fragen aufgeworfen. Die folgende Stellungnahme gibt eine entsprechende Klärung: Im Rahmen des gesamten Behandlungsprozesses dürfen, nach einheitlicher juristischer Meinung, nichtärztliche Assistenten die ärztliche Tätigkeit unterstützen. Diese Meinung stützt sich auf verschiedene Rechtsquellen. Zu nennen sind hier das Dienstvertragsrecht (§ 613 S. 1 BGB), das Berufsrecht (§ 19 Abs. 1 S. 1 Musterberufsordnung (MBO-Ä)), das Vertragsarztrecht (§ 32 Abs. 1), die Zulassungsverordnung für Ärzte (§ 15 Abs. 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä)), das Krankenhausentgeltgesetz (§17 Abs. 1) und untergesetzlich die Stellungnahmen der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung.

Der "Physician Assistant" agiert im Rahmen der delegierbaren Tätigkeiten, das heißt der Übertragung bestimmter Tätigkeitsbereiche oder Einzelaufgaben an nichtärztliche Mitarbeiter, entsprechend dem beruflichen Bildungsstand sowie der Fähigkeit und Erfahrung zur selbstständigen Erledigung. Entscheidend für die Delegierbarkeit bleibt die Sicherung von Leben und Gesundheit. Der Bachelor-Studiengang "Physician Assistant" qualifiziert die Studierenden zur ärztlichen Assistenz im juristisch zulässigen Rahmen. Gleichzeitig lernen die Studierenden, die Grenzen ihres Handelns zu erkennen und verfügen nach Abschluss des Studiums über die entsprechende Kompetenz, diese Grenzen auch einzuhalten.

#

Berufschancen und Arbeitsmarktsituation

Mit dem "Physician Assistant, BSc" könnte in Deutschland eine neue Berufsgruppe innerhalb der nichtärztlichen Heilberufe etabliert werden. Die personelle Ressourcenallokation bei der Einhaltung der Qualitätsstandards und Entlastungen für den ärztlichen Sektor eröffnen für den "Physician Assistant" gute Berufschancen. Vorhandene Stellenausschreibungen für den "Physician Assistant" weisen bereits jetzt darauf hin. Die zukünftig zu erwartende Arbeitsmarktsituation wird wesentlich von den gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen in Deutschland bestimmt sein. Aufgrund der ökonomischen und demografischen Entwicklung scheinen reelle Chancen auf dem Arbeitsmarkt für die Absolventen zu bestehen.

Alfons Osterbrink, Mathias Hochschule Rheine

#

Information und Bewerbung

Alfons Osterbrink

Mathias Hochschule Rheine

Tel.: 05971/421173

Email: a.osterbrink@mathias-spital.de

http://www.mhrheine.de

 
Zoom Image

Bild: Thieme Verlagsgruppe, Christoph von Haussen