Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2010; 45(3): 152-158
DOI: 10.1055/s-0030-1249395
Fachwissen
Intensivmedizin
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Scedosporiosen nach Beinahe-Ertrinkungsunfällen – Gehirninfektionen durch Pilze des Pseudallescheria / Scedosporium-Komplexes

Near-drowning and cerebral infections caused by fungi belonging to the Pseudallescheria / Scedosporium-complexRegine Horré, Michaela Lackner, Walter Buzina, Kathrin Tintelnot
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Publication Date:
15 March 2010 (online)

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Zusammenfassung

Infektionen des Gehirns durch Pilze des Pseudallescheria / Scedosporium-Komplexes (Scedosporiosen) nach Beinahe-Ertrinkungsunfällen in Dunggruben, Gartenteichen, Seen, Flüssen, Regentonnen oder dem Meer wurden bisher zwar nur vereinzelt, aber nahezu weltweit beschrieben. Sie sind mit einer hohen Letalitätsrate verbunden.

Auch ist mit einer relativ hohen Dunkelziffer ist zu rechnen, da diese Infektionen unter Umständen erst Wochen bis Monate nach dem Unfall klinisch manifest werden können, und die Erreger bei ZNS-Manifestation schwer identifizierbar sind. Die Daten zeigen, dass besondere diagnostische Maßnahmen erforderlich sind, um die Infektionserreger frühzeitig zu spezifizieren. Die Einbeziehung eines Referenz-/Konsiliarlabors ist hierbei empfehlenswert.

Obwohl Voriconazol derzeit als einziges zugelassenes Antimykotikum zur Behandlung von Scedosporiosen in Deutschland erhältlich ist, kann auch der Einsatz anderer Antimykotika indiziert sein – als Alternativtherapie, insbesondere aber auch für eine Kombinationsbehandlung.

Summary

Brain infections caused by fungi of the Pseudallescheria / Scedosporium-complex weeks or months after a near drowning event should be considered, since mortality rate is high and specific diagnostic methods are necessary for fungal detection. Voriconazole is the only authorised antimycotic drug available for the treatment of these infections in Germany, but other antimycotics may also be indicated for alternate or combined treatment strategies. Consultation of a specific reference laboratory is recommended in comparable relevant cases.

Kernaussagen

  • Bei Beinahe-Ertrinkungsunfällen besteht für die Patienten ein bisher nicht quantifizierbares Risiko, mit Pilzen des Pseudallescheria / Scedosporium- Komplexes kolonisiert und infiziert zu werden.

  • Die mikrobiologische Routinediagnostik ist unter Umständen nicht ausreichend, um die erforderliche frühzeitige Erfassung einer entsprechenden Besiedlung / Infektion des Respirationstrakts oder von Wunden bei diesen Patienten zu gewährleisten.

  • Wochen bis Monate nach dem Unfall können diese Pilze singuläre oder multiple Gehirnabszesse verursachen, die mit einem hohen Letalitätsrisiko verbunden sind.

  • Zur optimalen Überwachung und frühzeitigen Detektion der Pilze sollten respiratorische Proben sowie Wundabstriche beinahe ertrunkener Patienten auch auf einem speziellen Selektivmedium mit verlängerter Inkubationszeit mikrobiologisch untersucht werden – ggf. unter Einbeziehung eines Referenz-/ Konsiliarlabors.

  • Bei Nachweis der Pilze aus den tiefen Atemwegen sollte frühzeitig eine geeignete antimykotische Therapie initiiert werden. Hierfür stehen vorwiegend Voriconazol und Caspofungin (Off-Label-Use) zur Verfügung, die ggf. auch kombiniert verabreicht werden sollten. Verlaufsuntersuchungen sind ebenso zu empfehlen wie In-vitro-Resistenztestungen der klinischen Isolate.

Weiteres Material zum Artikel

Literaturverzeichnis

Dr. med. Regine Horré
Mag. rer. nat. Michaela Lackner
PD Mag. Dr. rer. nat. Walter Buzina
Dr. med. Kathrin Tintelnot

Email: regine.horre@gmx.d

Email: michaela.lackner@student.uibk.ac.at

Email: walter.buzina@medunigraz.at

Email: TintelnotK@rki.de