Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2010; 17(1): 8
DOI: 10.1055/s-0030-1248760
Journal-Club

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

Chikungunya und Dengue – Hochkompetenter Überträger auf Korsika

Further Information

Publication History

Publication Date:
19 February 2010 (online)

 
Table of Contents

Moutailler S, Barré H, Vazeille M, Failloux AB. Recently introduced Aedes albopictus in Corsica is competent to Chikungunya virus and in a lesser extent to dengue virus. Trop Med Int Health 2009; 14: 1105-1109

Thema: Aedes albopictus ist seit einigen Jahrzehnten in europäischen Ländern mit gemäßigtem Klima heimisch geworden und hat diese so empfänglich für tropische Viren gemacht. Wie der Chikungunya-Ausbruch im Sommer des Jahres 2007 gezeigt hat, ist eine innereuropäische Übertragung von Chikungunya möglich.

Projekt: Um das Risiko eines Chikungunya-Ausbruches auf Korsika abzuschätzen, untersuchten Moutailler et al. die Vektorkompetenz von Mücken der Art Aedes albopictus, die seit 2006 auf der Insel heimisch sind, auf eine Chikungunya-Virus-Variante (E1-A226V). Die Autoren testeten auch auf eine Dengue-Variante vom Subtyp 2.

Ergebnisse: Wie die experimentelle Infektion zeigte, war A. albopictus hochkompetent für das Chikungunya-Virus (die Raten disseminierter Infektionen reichten von 75-100 %) und in geringerem Maße auch für das Dengue-Virus (Raten von 12,5-68,8 %). Darüber hinaus bereitete A. albopictus den Boden für eine hohe Replikationsrate des Virus. Es war mit etwa 1000 viralen RNS-Kopien in den Speicheldrüsen der Moskitos enthalten. A. albopictus war in der Lage, bereits 2 Tage nach der Aufnahme von infiziertem Blut das Virus zu übertragen.

Zoom Image

Bild: PhotoDisc

Fazit: Das Risiko einer autochthonen Übertragung des Chikungunya-Virus in Korsika ist also wahrscheinlich, wenn andere, die Vektorkompetenz bestimmende Parameter hinzukommen.

Dr. Hinrich Sudeck, Hamburg

#

Kommentar

Diese Arbeit ist eine epidemiologische Ergänzung zu den Publikationen der gleichen Arbeitsgruppe aus Frankreich. Sie gibt einen interessanten Aspekt in der Ausbreitung von Viruserkrankungen wieder. 2007 dokumentierte man das Vordringen von Chikungunya nach Italien. Bereits 2005 hat Aedes albopictus Frankreich erreicht, 2006 Korsika "where it became a considerable nuisance" und wo man Konsequenzen für den Tourismus befürchtet. In der Folge gelang der Fang an 6 verschiedenen Lokalisationen an der Ostküste der Insel.

Neben der doppelten Kompetenz von A. albopictus für die Verbreitung von Chikungunya und Dengue ist bemerkenswert, dass die Zeit von der Aufnahme des Virus durch die Mücke bis zur Infektionsfähigkeit nur 2 Tage beträgt. Dieser Zeitraum wird als EIP ("extrinsic incubation period") bezeichnet und ist wichtig für die Epidemiologie von Viruskrankheiten und ihr explosionsartiges Auftreten in der Welt: Auch für das Rift-Valley-Fieber in Culex pipiens und für den VEE-Virus (VEE: "Venezuelan equine encephalitis") in A. aegypti ist sie nur 2 Tage.

Wie die Arbeitsgruppe durch eine Reihe experimenteller Arbeiten (u. a. [1]) gezeigt hat, sind viele verschiedene Faktoren für die Qualität und Kompetenz eines Vektors verantwortlich: Das Chikungunya-Virus ist 2-3 Tage nach einer Blutmahlzeit über die Hämolymphe bis in die Flügel der Mücken gelangt und bleibt dort bis zu 2 Wochen lang stabil und infektiös. Auch die aufgenommene Menge an Chikungunya-Viren beeinflusste diesen Vorgang, nicht aber die Größe der Moskitos. A. albopictus war bei in vitro Versuchen in der Lage, mehr Viren bis zum Tag 6 zu übertragen als A. aegypti. Beide aber sind mit ihrer Fähigkeit, 2,7 nl infektiösen Speichel pro Stechakt abzugeben und mit einer in vivo übertragenen Virusmenge vom bis zu 600-Fachen der in vitro gemessenen ausgesprochen kompetente Vektoren für die getesteten Chikungunya- und Dengue-Viren.

Virusvarianten, die durch Punktmutationen entstehen, sind in unterschiedlichem Maße in der Mücke vermehrungsfähig. Dies liegt an differierenden individuellen Fähigkeiten, durch die Darmwand und dann in die Speicheldrüsen zu wandern. Die Drüsen bleiben lebenslang infiziert. Dieser Prozess läuft auch je nach Mückenspezies unterschiedlich effizient ab. So ist also die Ausbreitung der ehemals tropischen Viren nicht nur eine Frage des Vorkommens von Vektor und Virus, sondern auch des "sich Findens" von Mückenspezies, Virusvarianten und geografischen sowie klimatischen Bedingungen.

Ein weiblicher Moskito durchläuft etwa 5-12 gonotrophe Zyklen (das ist die Zeit von der Eiproduktion bis zur Eiablage). Er nimmt innerhalb eines Zyklus etwa 1-2 Blutmahlzeiten zu sich und ist schon 2 Tage nach der Aufnahme eines Virus selbst infektiös. So wird klar, wie es innerhalb kürzester Zeit in Italien oder auf La Reunion zu den hohen Erkrankungszahlen kommen konnte: Auf La Reunion erkrankten innerhalb von 4 Wochen 266 000 Menschen und es kam zu 255 Todesfällen. Wie Moutailler et al. schlussfolgern, müssen schnellstens effiziente Kontrollmechanismen für diese potenten Überträger gefunden werden - eine kontroverse, aber interessante Diskussion über die Verwendung von DDT (Dichloridphenyltrichlorethan) könnte sich hier anschließen.

Dr. Hinrich Sudeck, Hamburg

#

Literatur

  • 01 Dubrulle M , Mousson L , Moutailler S , et al . Chikungunya virus and Aedes mosquitoes: Saliva is infectious as soon as two days after oral infection.  PLoS One. 2009;  4 e5895
#

Literatur

  • 01 Dubrulle M , Mousson L , Moutailler S , et al . Chikungunya virus and Aedes mosquitoes: Saliva is infectious as soon as two days after oral infection.  PLoS One. 2009;  4 e5895
 
Zoom Image

Bild: PhotoDisc