PiD - Psychotherapie im Dialog 2010; 11(2): 155-158
DOI: 10.1055/s-0030-1248466
Aus der Praxis

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Was denken Krebspatienten über ihre Erkrankung?

Subjektive Krankheitstheorien und ihre Bedeutung für die KrankheitsverarbeitungHermann  Faller, Matthias  Jelitte
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Publication Date:
31 May 2010 (online)

Zusammenfassung

Die Diagnose einer Krebserkrankung stellt das Gefühl einer sinnvollen, verstehbaren und gerechten Welt infrage. Um diese Situation zu bewältigen, entwickeln die Betroffenen subjektive Krankheitstheorien. Psychosomatische Krankheitsvorstellungen können mit Selbstbeschuldigungen und Depressivität einhergehen, Sinnfindungsprozesse andererseits zu einer Neuorientierung der Lebensziele führen (benefit finding). Krebskranke ändern die Maßstäbe, mit welchen sie ihre Lebensqualität bewerten (response shift). Eine wichtige Rolle bei der Krankheitsbewältigung spielt auch das Erleben, selbst etwas tun zu können, um das eigene Wohlbefinden günstig zu beeinflussen. Psychoedukative Interventionen fördern dieses Selbstwirksamkeitserleben und sind deshalb besonders effektiv, die Lebensqualität von Krebskranken zu verbessern. Psychosomatische subjektive Krankheitstheorien sollten, auch wenn sie wissenschaftlich nicht haltbar sind, als Ausdruck von Prozessen der Sinnfindung und emotionalen Stabilisierung zunächst akzeptiert und erst auf dem Boden einer tragfähigen therapeutischen Beziehung vorsichtig infrage gestellt werden. Zugleich sollten die Patienten ermutigt werden, eigene Ressourcen zu entdecken, die ihnen helfen, aus dem Zustand des Ausgeliefertseins wieder herauszufinden.

Literatur

Prof. Dr. Dr. Hermann Faller

Universität Würzburg
Institut für Psychotherapie und Med. Psychologie
AB Rehabilitationswissenschaften

Marcusstraße 9–11

97070 Würzburg

Email: h.faller@mail.uni-wuerzburg.de