Senologie - Zeitschrift für Mammadiagnostik und -therapie 2010; 7(3): 218-222
DOI: 10.1055/s-0030-1247429
Wissenschaftliche Arbeit

© Georg Thieme Verlag Stuttgart ˙ New York

Operative axilläre Diagnostik beim DCIS –Sonderauswertung der BQS-Daten 2008

Operative Axillary Diagnosis of DCIS – Special Evaluation of Data Collected by the Federal Quality Assurance Agency in 2008K. J. Winzer1 , W. Schleiz2 , A. Reiter2
  • 1Fachgruppe Mammachirurgie der BQS (Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung gGmbH)[1]
  • 2Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung gGmbH
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Dr. med. K.-J. Winzer

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Publication History

Publication Date:
08 October 2010 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Fragestellung: Wie sieht die Versorgungssituation bei der operativen axillären Diagnostik beim präoperativ histologisch gesicherten DCIS aus? Wie hoch ist die Rate an metastatischem Lymphknotenbefall unter den derzeitigen diagnostischen und operativen Bedingungen beim reinen DCIS nach histologischem Befund. Material und Methodik: Es wird auf die Daten der Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung gGmbH des Jahres 2008 zurückgegriffen. Ergebnisse: Zwischen 20,40 und 25,57 % aller präoperativ stanzbioptisch gesicherten DCIS erwiesen sich bei der Aufarbeitung des definitiven Präparates als invasive Karzinome und benötigten daher eine SLNB. In mindestens 17,51 % dieser Fälle ergab die SLNB (oder ALND) einen positiven Befund. Die Zahl der nicht indizierten ALND beim DCIS liegt zwischen 4,27 und 2,21 %. Nur in 64,40 % der stanzbioptisch gesicherten DCIS, die sich nicht als invasives Karzinom erwiesen, wurde auf eine axilläre Intervention (SLNB oder ALND) verzichtet, was nicht den derzeitigen deutschen Leitlinien entspricht. Dabei zeigt sich, wie erwartet, ein Trend zu Ungunsten der großen DCIS-Fälle bzw. der High-Grade-Fälle. Die Daten der BQS-Erfassung zur Qualitätssicherung des Mammakarzinoms im Jahre 2008 zeigten für diese Auswertung eine bestimmte Zahl an Eingabe- bzw. Software-Fehlern auf, sodass nicht der gesamte Datenpool auswertbar war. Außerdem hatten 33,10 % der Fälle keine präoperative Sicherung, die somit für diese spezielle Fragestellung von vornherein nicht relevant waren. Schlussfolgerungen: Da die durchgeführten axillären Eingriffe zu hoch erscheinen, ist zu diskutieren, ob bei den routinemäßigen Überarbeitungen der deutschen Leitlinien die Indikation zur SLNB beim präoperativ histologisch gesicherten DCIS konkreter zu stellen ist. 

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Abstract

Aim: The study examines the treatment situation associated with operative axillary diagnosis in cases with preoperative histological confirmation of DCIS. It investigates the lymph node metastasis rate in ­cases of histologically confirmed pure DCIS under current diagnostic and operative conditions. Materials and methods: The study uses data col­lected by the Federal Quality Assurance Agency in 2008. Results: DCIS confirmed by preoperative needle biopsy proved to be an invasive carcinoma in 20.40 to 25.57 % of all cases at the definitive histological workup and thus required SLNB. SLNB (or ALND) yielded positive findings in at least 17.51 % of these cases. Non-indicated ALND was performed in 4.27 to 2.21 % of the DCIS cases. An axillary intervention (SLNB or ALND) was dis­pensed with in only 64.40 % of the biopsy-con­firmed DCIS cases that were found to be non­invasive, which does not correspond to the current German guidelines. As ex­pect­ed, a trend ­towards underestimation of large or high-grade DCIS cases was seen here. The 2008 qual­ity assur­ance data for breast cancer are marred by a certain number of input errors and software defects. Thus the data pool was not assessable in its en­tire­ty. Moreover, 33.10 % of the cases were not confirmed preoperatively and thus had to be ex­cluded. Conclusions: Since too many axillary interven­tions are apparently being performed, it is necessary to discuss whether the regularly updated German guide­lines should define the indication for SLNB more precisely in cases with a preoperative histo­log­ical diagnosis of DCIS. 

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Einleitung

Ob bei einem DCIS (Carcinoma ductale in situ / intraduktales Karzinom) eine invasive Diagnostik in Form der Entfernung des oder der Sentinel-Lymphknoten erfolgen muss, wird in der Literatur durchaus differenziert betrachtet. Zur Entfernung des Wächter-Lymphknotens (sentinel lymph node biopsy / SLNB) beim DCIS fanden sich zum Zeitpunkt der Planung dieser Auswertung bei der AGO folgende Aussagen: Diese Untersuchung oder therapeutische Intervention ist für die Patientin von begrenztem Vorteil und kann durchgeführt werden (AGO-Empfehlungsgrad „+“). Das Evidenzniveau nach der Oxford-Klassifikation ist „3 b“ (individuelle Fall-Kontroll-Studie) mit einem entsprechenden Empfehlungsgrad „B“. Eine axilläre Lymphonodektomie (ALND), wobei ein metastatischer Befall der Lymphknoten von 2 % angenommen wird, bewertet die AGO mit „Diese Untersuchung oder therapeutische Intervention ist für die Patientin von klarem Nachteil und sollte unbedingt vermieden werden“ (AGO-Empfehlungsgrad „–“). Die Entscheidung gegen die ALND wird nach der Oxford-Klassifikation mit einem Evidenzniveau „2 b“ (individuelle Kohortenstudie einschließlich randomisierter kontrollierter Studien minderer Qualität) und einem Empfehlungsgrad „A“ belegt [1]. Die im Jahr 2008 aktualisierte Auflage der interdisziplinären S3-Leitlinie für die Diagnostik, Therapie und Nach­sorge des Mammakarzinoms befindet, dass in der Regel ein axilläres Staging beim DCIS nicht indiziert ist. Eine Ausnahme ­besteht dann, wenn wegen der großen Ausdehnung des DCIS eine Mastektomie indiziert ist oder der dringende Verdacht auf eine okkulte Invasion besteht [2]. Die letzte Publikation [3] der 2003 konstituierten Konsensus-Gruppe der Deutschen Gesellschaft für Senologie fasste die Indikation zur SLNB beim DCIS sehr streng und beschränkte diese auf das extensive DCIS, welches eine Mastektomie als operative Therapieoption erfordert. Die Konsensus-Gruppe berief sich auf die Ergebnisse der Arbeitsgruppe um Veronesi [4], die eine Infiltration des SLN sehr selten und dann meist nur als Mikrometastasen sahen. Die zitierten, aber erst später entwickelten und publizierten Leitlinien sehen die Indikation nicht so streng. 

Daraus ergibt sich, dass beim reinen DCIS praktisch keine ALND und nur in geringem Maße eine SLNB durchgeführt werden dürfte. Anlass dieser Untersuchungen waren die Ergebnisse beim BQS-Qualitätsindikator mit der Bezeichnung „Primäre Axilla­dissektion bei DCIS“ mit dem Qualitätsziel „Möglichst wenige Patien­tinnen mit primärer Axilladissektion bei DCIS“ und wei­tere Daten der BQS-Bundesauswertung 2008, welche auf eine hohe Rate an SLNB schließen ließen [5]. 

Wir möchten ausdrücklich darauf hinweisen, dass die Auswertung noch nicht die aktuelle Version der AGO von 2010 berücksichtigt, in der die SLNB bei einer Größe ≥ 50 mm oder einer ­geplanten Mastektomie mit den gleichen Empfehlungsgraden, wie oben zitiert, empfohlen wird. Daher wurde die obere Grenze des DCIS-Durchmessers noch bei 40 mm gewählt, weil die Empfehlung zur Mastektomie zum Zeitpunkt der geplanten Auswertung zwischen 40 und 50 mm angegeben wurde. 

Fragestellungen dieser Arbeit sind: 

  • Wie sieht die Versorgungssituation bei der operativen axillären Diagnostik beim präoperativ histologisch gesicherten DCIS aus?

  • Wie hoch ist die Rate an metastatischem Lymphknotenbefall unter den derzeitigen diagnostischen und operativen Bedingungen beim reinen DCIS nach histologischem Befund?

  • Als Nebeneffekt wird die Datenqualität diskutiert.

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Methodik

Es wird auf die Daten der BQS (Bundesgeschäftsstelle Qualitäts­sicherung gGmbH) des Jahres 2008 zurückgegriffen. Die BQS ­koordinierte durch eine Pflichterfassung die externe vergleichende Qualitätssicherung in allen deutschen Krankenhäusern. Die Krankenhäuser dokumentierten qualitätsrelevante Daten für bestimmte Leistungsbereiche – wie in diesem speziellen Fall alle Mammaoperationen, die dann bei der BQS zentral ausgewertet wurden. Da die Datenerhebung nicht für die genannten Fragestellungen konzipiert wurde, musste zunächst ein Auswertungskonzept erstellt werden. Dieses für einen nicht mit dieser Materie Vertrauten komplizierte Vorgehen wird im Ergebnisteil schrittweise dargestellt und dient somit zugleich der geforderten exakten Datencharakteristik. 

Seit 2007 wurde der Aufbau des Datensatzes verändert, auch mit dem Ziel, redundante Eingaben bei mehrzeitigem Operieren zu vermeiden. Da bei den seltenen simultanen bilateralen Operationen eine Dokumentation für jede Brust angelegt wird, bezieht sich die Auswertung im Weiteren auf Brustbögen. 

Bei der Erfassung unter DCIS wurden folgende Typing-Kodie­rungen entsprechend ICD-O-3 (WHO 2000) summiert: 8500 / 2 = nicht infiltrierendes intraduktales Karzinom, 8503 / 2 =  nicht inva­sives intraduktales papilläres Karzinom, 8504 / 2 = nicht invasives intrazystisches Karzinom, 8507 / 2 = intraduktales mikro­papilläres Karzinom, 8540 / 3 = M. Paget der Brustwarzenhaut und 8543 / 3 = M. Paget mit nicht invasivem intraduktalen Karzinom. 

Um eine Aussage treffen zu können, bei welchem Prozentsatz von histologisch gesicherten DCIS eine SLNB oder gar eine ALND durchgeführt wurde, können nur die Fälle in die Analyse ein­gehen, bei denen präoperativ eine Histologie durch eine Stanzbiopsie gewonnen wurde. Die Datenerfassung war jedoch unabhängig von der hier durchzuführenden Analyse so konzipiert, dass bei der Endhistologie DCIS ein DCIS-Grading und die Größe angegeben wurden, nicht aber bei der Endhistologie invasives Karzinom, wo dann das dort zutreffende Grading und die in­vasive Tumorgröße kodiert wurden. In ihren Daten auffällige ­Kliniken (Abweichung zur Grundgesamtheit oder von den vorgegebenen Richtlinien) wurden zur Stellungnahme oder zu strukturierten Gesprächen eingeladen. Sich dabei ergebende offensichtliche Fehleingaben von Daten- oder Softwarefehlern wurden nachträglich nicht verändert und verbleiben so in der hier zugrunde liegenden Grundgesamtheit. 

Bei der Auswertung wurde eine Gruppierung hinsichtlich des Gradings und der Größe des DCIS vorgenommen, da diese wich­tige Prädiktoren für eine mögliche Invasivität darstellen und ­somit die Indikation zur SLNB beeinflussen. Eine weitere Stratifizierung berücksichtigte das operative Vorgehen (ALND, SLNB oder keine operative axilläre Diagnostik). 

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Ergebnisse

In die Auswertung eingegangen sind nur Fälle mit Primärerkrankungen und abgeschlossener primär operativer Therapie, da nur dann alle notwendigen Informationen zu Histologie und Staging vorliegen. 

Bei der BQS wurden im Jahr 2008 insgesamt 7253 Fälle mit der abschließenden Histologie DCIS ausgewertet. Von diesen zunächst 7253 Patientinnen wurden 125 mit einer vorausgegangenen neoadjuvanten Therapie ausgeschlossen, sodass schließlich 7128 Pa­tientinnen verblieben. 

Für die hier anstehende Analyse muss man jedoch von den bei den Stanzbiopsien diagnostizierten DCIS-Fällen ausgehen. Damit kann nur ein Teil der in Deutschland berichteten DCIS-Fälle in die Auswertung aufgenommen werden. Für die exakte Nachvollziehbarkeit der Datenanalyse und der Abschätzung des eingegangenen Anteils an DCIS-Fällen wird zunächst die in die Analyse eingegangene Grundgesamtheit definiert. Dann sind die einzelnen Schritte der Schichtung aufgezeigt, wodurch sich eigentlich sogar „Von–Bis-Werte“ ergeben würden. Dies erscheint uns unabdingbar, obwohl es die Lesbarkeit für den nicht mit der Problematik vertrauten Leser erschwert. 

Von insgesamt 99 359 Brustbögen mit Primärerkrankungen und abgeschlossener primär operativer Therapie hatten 33,10 % keine prätherapeutische Sicherung. 58 042 (58,42 %) hatten die Diag­nose Mammakarzinom oder In-situ-Karzinom bei der Stanz­biopsie ([Tab. 1]) und von denen wiederum hatten 4481 die Diag­nose DCIS. Nach der abgeschlossenen primären operativen Therapie ergibt sich folgendes Bild ([Tab. 2]): von den ursprünglich 4481 DCIS-Fällen waren nun nur noch 4383 als DCIS oder Karzinom kodiert worden. Bei den übrigen 98 Fällen oder 2,19 % erschien kein DCIS oder Karzinom in der Enddiagnose, was medizinisch nicht plausibel ist. Von den verbliebenen 4383 Fällen (korrekt eigentlich Brustbögen) wurde schließlich bei 3469 Fällen (= 79,15 %) in der postoperativen Histologie ein DCIS kodiert. 

Tab. 1 Präoperative Histologie.
Häufigkeit Prozent
maligne Neoplasie einschließlich In-situ-Karzinom 58 042  58,4
Risikoläsion: atypische duktale Hyperplasie (DIN 1 b)    737   0,7
Risikoläsion: Zylindermetaplasie mit Atypie (DIN 1 a)*     80   0,1
Risikoläsion: flache epitheliale Atypie (DIN 1 a)*    578   0,6
benigne / entzündliche Veränderung  6 745   6,8
regelhaftes Drüsengewebe    286   0,3
keine Histologie angegeben 32 891  33,1
gesamt 99 359 100,0
* eigentlich identisch, aber in der Software so enthalten
Tab. 2 Histologie unter Berücksichtigung der Vorbefunde**.
Häufigkeit Prozent
maligne Neoplasie einschließlich In-situ-Karzinom 4 383  97,8
Risikoläsion: atypische duktale Hyperplasie (DIN 1 b)    15   0,3
Risikoläsion: Zylindermetaplasie mit Atypie (DIN 1 a)*     0   0,0
Risikoläsion: flache epitheliale Atypie (DIN 1 a)*     9   0,2
benigne / entzündliche Veränderung    60   0,3
regelhaftes Drüsengewebe    14   0,3
keine Histologie angegeben     0   0,0
gesamt 4 481 100,0
 * eigentlich identisch, aber in der Software so enthalten
** nachträglich gefundene Eingabe- oder Softwarefehler wurden nicht korrigiert

Es ergab sich in 20,40 % der durch Stanzbiopsie als DCIS gesicherten 4481 Fälle postoperativ ein invasives Karzinom, wodurch in der Regel eine SLNB indiziert ist. Bei 160 entsprechend 17,51 % dieser invasiven Karzinome fanden sich metastatisch befallene Lymphknoten. Da an anderer Stelle im Datensatz eine Abfrage nach „pT“ erfolgte, haben wir als Plausibilitätstest alle 3469 DCIS-Fälle nach ihrer „pT“-Kodierung aufgelistet ([Tab. 3]). 

Tab. 3 pT-Verteilung für 469 DCIS-Brustbögen.
n %
pT0   29   0,8
pTis 3222  92,9
pT1mic   43   1,2
pT1a   38   1,1
pT1b   22   0,6
pT1c   35   1,0
pT2   31   0,9
pT3    4   0,1
pT4b    2   0,1
pT4d    1   0,0
pTX   23   0,7
ypTis   12   0,3
ypT1c    2   0,1
ypT2    5   0,1
gesamt 3 469 100,0

Wenn man alle Fälle eliminiert, die nicht als pTis kodiert wurden, verbleiben 3222 Fälle (= Brustbögen). Von diesen Bögen erfolgte jetzt eine Stratifizierung zunächst nach dem maximalen Durchmesser des DCIS und innerhalb der so gebildeten 3 Gruppen entsprechend dem Grading ([Tab. 4]). Da teilweise Softwarefehler bekannt waren, wurden zunächst unabhängig von der axillären Intervention folgende Gruppen zusammengefasst pN0, pN0(sn), pNX und pNX(sn). Dies erschien notwendig, da es in allen 4 Gruppen Fälle ohne und mit axillärer Intervention gab, obwohl es teilweise unlogisch ist. Diese Untergruppen sind somit in der Tabelle nicht mehr sichtbar. Zur besseren Übersicht innerhalb der Tabelle wurden in der Gruppe der lymphknotennegativen Patientinnen alle Gruppen zusammengefasst, bei denen nicht pN1–3 dokumentiert wurde. 

Tab. 4 Art der axillären c Abhängigkeit vom Grading bei DCIS und Durchmesser (∅).
pN axillärer Eingriff Grading des intraduktalen Karzinoms
G1 G2 G3 GX gesamt
≤ 20 mm nein 323  624 366 225 1538
SLNB  68  165 148  55  436
SLNB + ALND   5   16   6   3   30
ALND   9   14  13   0   36
+ nein   0    1   1   0    2
SLNB + ALND   0    1   0   0    1
Summe 405  821 534 283 2043
21–39 mm nein  50  130 115  39  334
SLNB  25   62  78  21  186
SLNB + ALND   3    8   4   2   17
ALND   2    1   4   1    8
+ nein   1    0   0   0    1
SLNB   0    2   0   0    2
SLNB + ALND   0    0   0   1    1
ALND   0    1   0   0    1
Summe  81  204 201  64  550
≥ 40 mm nein  24   80  65  31  200
SLNB  29  143 167  38  377
SLNB + ALND   0    7   7   5   19
ALND   5   10   9   3   27
+ SLNB   0    1   1   0    2
SLNB + ALND   0    1   2   0    3
ALND   0    0   1   0    1
Summe  58  242 252  77  629
Gesamtsumme 544 1267 987 424 3222

Insgesamt wurde bei allen 3222 DCIS-Fällen in 35,57 % ein ope­ratives axilläres Staging (ALND, SLNB oder beides) vorgenommen. In 14 Fällen (0,43 %) wurde ein vom Pathologen bestätigter Lymphknotenbefall dokumentiert. Von den übrigen 3208 nodalnegativen Fälle (pN0 oder pNX) erhielten 137 (4,27 %) eine ALND, in 66 Fällen mit vorangegangener SLNB. 

Zur differenzierten Analyse in Bezug auf das Metastasierungs­risiko wurden die Fälle nach maximalem Durchmesser des DCIS in 3 Gruppen aufgeteilt (stratifiziert): ≤ 20 mm, 21 bis 39 mm und ≥ 40 mm. Innerhalb der so gebildeten 3 Gruppen wurde zusätzlich nach Grading und Nodalstatus stratifiziert ([Tab. 1]). 

Von allen DCIS-Fällen wurde beim G1 in 73,16 %, beim G2 in 65,90 % und beim G3 in 55,42 % keine axilläre Intervention aus­geführt. Entsprechend liegen die Werte in Abhängigkeit von der Größe in der Gruppe 1 (≤ 20 mm) bei 75,38 %, in der Gruppe 2 (21–39 mm) bei 60,91 % und in der Gruppe 3 (≥ 40 mm) bei nur 31,80 %. Kombinieren wir die Prädiktivfaktoren, so wird in der Gruppe mit geringstem Metastasierungsrisiko (G1, Größe ≤ 20 mm) in 79,75 % und in der Gruppe mit dem höchsten Risiko (G3, Größe ≥ 40 mm) in 25,79 % auf die operative axilläre Diagnostik verzichtet. 

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Diskussion

Die Perspektive dieser Untersuchung ist das operative Vorgehen an der Axilla bei histologisch gesichertem DCIS durch minimal­invasive Diagnostik. Unter diesem Blickwinkel sind die Ergeb­nisse also auch zu interpretieren. Da es sich bei der vorliegenden Auswertung um eine sekundäre Nutzung von Daten handelt, die für diese Fragestellung nicht primär erhoben wurden, sollte die dargestellte Datenbereinigung statthaft und somit die Daten diskussionswürdig sein. 

Rund ein Drittel aller operierten Fälle hatte keine präoperative histologische Sicherung, wobei durch die Art der Erfassung nicht gesagt werden kann, wie der Prozentsatz beim DCIS wirklich ist. 

Von allen präoperativ diagnostizierten DCIS-Fällen fanden sich in der Aufarbeitung der Operationspräparate in 20,40 % invasive Karzinome. 

Berücksichtigen wir die nodalpositiven DCIS-Fälle und die nicht plausiblen Datensätze mit Angabe einer Tumorklassifikation entsprechend invasiven Karzinomen, dann liegt der Anteil an invasiven Karzinomen noch höher. Korrekt hinzuzurechnen sind also die 0,43 % pN- positiven DCIS ohne Nachweis einer Invasion aus [Tab. 4] (bzw. nur 0,34 %, wenn man die Fälle ohne axilläre Intervention nicht mit einbezieht) und vielleicht ein Teil der 247 Fälle, die von den DCIS Fällen abgezogen wurden, weil diese nicht als pTis kodiert wurden. Man könnte daher auch alle DCIS in der Stanze (4481) minus der in der Endhistologie invasiven Karzi­nome (914) und der Nicht-pTis-Fälle exclusive der pT0-Fälle aus der [Tab. 3] (218) sowie der pN+-Fälle aus [Tab. 4] auflisten und käme so auf maximal 25,57 %. 

Diese Fälle waren nicht im Fokus der Untersuchung, sind aber ­sicher erklärungsbedürftig. Leider lässt die Datenerfassung bei diesen Fällen keine weiteren Rückschlüsse z. B. auf das DCIS-Grading aus dem Stanzbiopsat zu. Im BQS-Datensatz wird aus dem Stanzbiopsat nur die Histologie erfasst. 

Von allen 3208 DCIS mit nicht nachgewiesener Lymphknoten-Positivität erhielten 4,27 % unnötigerweise eine ALND teils bei ­vorangegangener SLNB. Eine ALND ist beim DCIS nicht indiziert, es sei denn, die eigentlich geplante SLNB war aus verschiedens­ten Gründen nicht durchführbar, sodass aus diesen Gründen maxi­mal 2,06 % abziehbar sind und man auf minimal 2,21 % ALND kommt. 

Insgesamt wurden bei den ausgewerteten DCIS-Fällen nur in 64,40 % auf jegliche axilläre Eingriffe verzichtet. Ob sich der großzügige Einsatz insbesondere der SLNB durch die Erfahrung häufiger invasiver Karzinome in der abschließenden Histologie erklären lässt, bleibt offen. Auch die Rate von 4,27 % an ALND, teils bei vorangegangener SLNB, bei Patientinnen ohne Nachweis eines Lymphknotenbefalls entspricht nach Einschätzung der Autoren eher nicht den Leitlinien. In der Bundesauswertung [5] ist eine SLNB-Rate von 33,7 % beim DCIS ausgewiesen. Allerdings bezieht sich diese Rate auf alle im Jahr 2008 erfassten 7253 DCIS-Fälle, also auch jene ohne präoperative histologische Diagnostik. Eine ALND ist beim DCIS nicht indiziert, es sei denn, die eigentlich ­geplante SLNB war aus verschiedensten Gründen nicht durchführbar. Besonders auffällig ist die axilläre Eingriffsrate von 20,25 % in der niedrig-Risiko-Gruppe der kleinsten G1-Tumoren (n = 405). Hier steht der Nutzen für die Patientin sicher in keinem Verhältnis zum Risiko der häufig gravierenden Folgen, und dies nicht nur bei der ALND. 

Metastatisch befallene Lymphknoten beim DCIS fand Broekhuizen et al. [6] in 1,4 % bei der konventionellen und in 11 % bei der Ergänzung durch eine Immunhistologie. Auch die Gruppe um Vero­nesi [7] findet in 1,4 % Lymphknotenmetastasen und lehnt daher die SLNB beim DCIS ab. Zur gleichen Schlussfolgerung kommt Kelly [8], der 2 % Lymphknotenmetastasen beschreibt. Da die Aufarbeitung der DCIS-Fälle hinsichtlich des Ausschlusses ­einer Mikroinvasion ständig optimiert wird, entspricht der in den BQS-Daten gefundene Prozentsatz der pN+ von 0,34 bis 0,43 % in etwa den Erwartungen. 

Die Analyse der Daten hat gezeigt, dass nicht alle Fälle korrekt ­dokumentiert sind. Dies ist einerseits auf die Komplexität des Daten­satzes zurückzuführen, der der komplexen Behandlungs­situation bei Brustkrebs gerecht werden muss, aber damit auch spezielle fachspezifische Kenntnisse der Dokumentare voraussetzt. Aus der praktischen Anwendung sind aber auch vereinzelt Softwarefehler bekannt, die ihrerseits korrekte Dokumentationen verhindern. Beispielsweise wurde teilweise in der internen Plausibilitätsprüfung eines Software-Programms statt pNX nur pNX(sn) als richtig gewertet wurde. So wurde statt keiner axil­lärer Intervention eine Sentinel Lymph Node Biopsy ohne histologischen Nachweis eines Lymphknotens dokumentiert. In den Fachgruppensitzungen hatte der Erstautor mehrfach darauf hingewiesen, dass die zugelassene Software der einzelnen Anbieter bezüglich der Plausibilität geprüft werden müsste. Die angebo­tene Zertifizierung durch den TÜV hatte lediglich, wie üblich, die formale Entwicklung des Produkts zertifiziert. Die offene Ausschreibung und die Zulassung jedes Bewerbers verhindert eine allgemein gültige Software, die schon aus Kostengründen bei der überschaubaren Zahl der Anwender sinnvoll wäre. 

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Schlussfolgerungen

Da einerseits die durchgeführten axillären Eingriffe entsprechend der in Deutschland üblicherweise beachteten Leitlinien prozen­tual zu hoch erscheinen und andererseits die SLNB nicht nur bei einer in gleicher Sitzung geplanten Mastektomie indiziert ist, ist zu diskutieren, ob bei den routinemäßigen Überarbeitungen der zitierten deutschen Leitlinien die Indikation zur SLNB beim prä­operativ histologisch gesicherten DCIS konkreter zu stellen ist. 

Als Nebeneffekt ergibt sich, dass die Datenerfassung innerhalb des benutzten Softwareprogramms zumindest auf Plausibilität geprüft werden muss. Die Programme zur Erfassung spezieller komplexer Patientendaten sollten wegen des hohen Zeitaufwandes und der kaum möglichen nachträglichen Korrektur bei später entdeckten Softwareproblemen zertifiziert werden. 

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Literatur

  • 1 AGO (Arbeitsgemeinschaft gynokologische Onkologie e. V. in der DGGG e. V. sowie in der DKG e. V.) .Kommission Mamma Version 2009.1.0. (http://www.ago-online.de/_download/protected/g_mamma_09_1_0_mem_08_ductal_carcinoma_in_situ.pdf – recherchiert am 16.11.2009)
  • 2 Kreienberg R, Kopp I, Albert U et al. Interdisziplinäre S3-Leitlinie für die Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms. In: Deutsche Krebsgesellschaft e. V., Informationszentrum für Standards in der Onkologie (ISTO), Hrsg. Berlin: W. Zuckschwerdt Verlag; 2008: 32–33
  • 3 Kühn T, Bembenek A, Decker T et al. A concept for the clinical implementation of sentinel lymph node biopsy in patients with breast carcinoma with special regard to quality assurance.  Cancer. 2004;  103 451-461
  • 4 Pendas S, Jakub J, Giuliano R et al. The role of sentinel lymph node bi­opsy in patients with ductal carcinoma in situ or with locally advanced breast cancer receiving neoadjuvant chemotherapy.  Cancer Control.. 2004;  11 231-235
  • 5 Veit C, Bauer J, Döbler K et al. Qualität sichtbar machen. BQS-Qualitätsreport 2008. Düsseldorf, 2009
  • 6 Broekhuizen L N, Wijsman J H, Peterse J L et al. The incidence and significance of micrometastases in lymph nodes of patients with ductal carcinoma in situ and T1a carcinoma of the breast.  Eur J Surg Oncol. 2006;  32 502-506
  • 7 Intra M, Rotmensz N, Veronesi P et al. Sentinel node biopsy is not a standard procedure in ductal carcinoma in situ of the breast: the ­experience of the European institute of oncology on 854 patients in 10 years.  Ann Surg. 2008;  247 315-319
  • 8 Kelly T A, Kim J A, Patrick R et al. Axillary lymph node metastases in ­patients with a final diagnosis of ductal carcinoma in situ.  Am J Surg. 2003;  186 368-370

1 Zu den Mitgliedern der Fachgruppe Mammachirurgie gehörten zuletzt: für die Bundesärztekammer Dr. med. Martina Dombrowski und Dr. med. Steffen Handstein, für die Deutsche Krankenhausgesellschaft Prof. Dr. med. Detlev Hebebrand und Prof. Dr. med. Rolf Kreienberg, für den Deutschen Pflegerat Marion Maasch und Tanja Warda, für die GKV / PKV Adolf Lorenz-Wangard und Dr. med. habil. Wolfram Lauckner, als Patientenvertreterinnen Cordula Mühr und Hilde Schulte sowie für die verschiedenen Fachgesellschaften Prof. Dr. med. Matthias Beckmann, Prof. Dr. med. Diethelm Wallwiener, Prof. Dr. med. Thomas Schwenzer, Dr. med. Klaus-Jürgen Winzer und Prof. Dr. med. Hans-Heinrich Kreipe.

Dr. med. K.-J. Winzer

Brustzentrum · Charité – Universitätsmedizin Berlin

Charité-Platz 1

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Fax: 0 30 / 4 50 56 49 22

Email: klaus-juergen.winzer@charite.de

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Literatur

  • 1 AGO (Arbeitsgemeinschaft gynokologische Onkologie e. V. in der DGGG e. V. sowie in der DKG e. V.) .Kommission Mamma Version 2009.1.0. (http://www.ago-online.de/_download/protected/g_mamma_09_1_0_mem_08_ductal_carcinoma_in_situ.pdf – recherchiert am 16.11.2009)
  • 2 Kreienberg R, Kopp I, Albert U et al. Interdisziplinäre S3-Leitlinie für die Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms. In: Deutsche Krebsgesellschaft e. V., Informationszentrum für Standards in der Onkologie (ISTO), Hrsg. Berlin: W. Zuckschwerdt Verlag; 2008: 32–33
  • 3 Kühn T, Bembenek A, Decker T et al. A concept for the clinical implementation of sentinel lymph node biopsy in patients with breast carcinoma with special regard to quality assurance.  Cancer. 2004;  103 451-461
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1 Zu den Mitgliedern der Fachgruppe Mammachirurgie gehörten zuletzt: für die Bundesärztekammer Dr. med. Martina Dombrowski und Dr. med. Steffen Handstein, für die Deutsche Krankenhausgesellschaft Prof. Dr. med. Detlev Hebebrand und Prof. Dr. med. Rolf Kreienberg, für den Deutschen Pflegerat Marion Maasch und Tanja Warda, für die GKV / PKV Adolf Lorenz-Wangard und Dr. med. habil. Wolfram Lauckner, als Patientenvertreterinnen Cordula Mühr und Hilde Schulte sowie für die verschiedenen Fachgesellschaften Prof. Dr. med. Matthias Beckmann, Prof. Dr. med. Diethelm Wallwiener, Prof. Dr. med. Thomas Schwenzer, Dr. med. Klaus-Jürgen Winzer und Prof. Dr. med. Hans-Heinrich Kreipe.

Dr. med. K.-J. Winzer

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