B&G Bewegungstherapie und Gesundheitssport 2010; 26(2): 43
DOI: 10.1055/s-0030-1247307
EDITORIAL

© Hippokrates Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

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G. Huber
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Publication Date:
23 April 2010 (online)

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    Das Frühjahr ist da. Und so sicher, wie die Bäume jedes Jahr aufs Neue ausschlagen, so sicher finden sich in Zeitschriften und Büchern die unterschiedlichsten Diätvorschläge. Dabei wird – wie üblich – mit Versprechungen geworben, die zwar vollmundig, aber nichts wert sind. Um das zu erkennen, bedarf es keines Medizinstudiums. Der Psychologe Fairburn aus Oxford bringt es auf den Punkt: „Es gibt nichts Sinnloseres als Diäten.“ Warum sind Diäten so wirkungslos? Ein wesentlicher Grund liegt ganz einfach darin, dass eine zeitlich begrenzte ­Intervention dauerhaft kein Problem löst.

    Eigentlich wissen wir das schon seit den 1990er-Jahren. Damals haben Heini und Weinsier (1997) zum ersten Mal auf das sog. American Paradox aufmerksam gemacht: Während die Zahl der übergewichtigen und adipösen US-Bürger beständig steigt, hat sich deren durchschnittlich aufgenommene Nahrungsmenge reduziert, der prozentuale Anteil an Fett in der Nahrung ging deutlich zurück.

    Die Schlüsse daraus sind offensichtlich. Dicke Hinterteile und Bäuche entstehen v. a. dadurch, dass sie zu wenig, und wenn, dann nicht intensiv genug bewegt werden:

    „Reduced fat and calorie intake and frequent use of low-calorie food products have been associated with a paradoxical increase in the prevalence of obesity. These diverging trends suggest that there has been a dramatic decrease in total physical activity related energy expenditure.“

    Dass dies kein spezifisches US-amerikanisches Phänomen ist, zeigt die 2008 durchgeführte Deutsche Verzehrsstudie. Auch in Deutschland wird weniger gegessen, doch immer mehr Hosen spannen. Wir gelten inzwischen als das „dickste“ Volk Europas.

    Übergewicht und Adipositas sind keineswegs nur ein ästhetisches Problem. Für die europäischen Gesundheitsbehörden ist dies das zentrale Gesundheitsproblem der Zukunft.

    Es wird deshalb Zeit, dass die Bewegungstherapie dieses Thema viel energischer aufgreift und das groteske Missverhältnis zwischen Ernährungsansätzen und Bewegungsinterventionen ver­ändert. Bewegung darf aber nicht als zeitlich begrenzte Intervention verstanden werden. Die Aufgabe besteht vielmehr darin, regelmäßig körperliche Aktivität zu einem dauerhaften ­Bestandteil unseres Lebensstils zu machen. Sport ist sicher die schönste Form der Bewegung, aber es wird nicht gelingen, den Anteil der sportlich aktiven Menschen signifikant nach oben zu schieben. Bewegung muss deshalb verstärkt in die täglichen Routinen integriert werden. Diese Aufgabe ist alles andere als einfach, und es gibt sicher kein allgemein gültiges Patentrezept. Nahezu alle Sport- und Bewegungstherapeuten sind mit diesem Problem konfrontiert, und die Beiträge in diesem Heft sollen dabei helfen, sinnvolle und wirksame Lösungen zu finden.

    Ihr
    Gerhard Huber