Puerperium und Begleiterkrankungen
Das Puerperium (Wochenbett) beschreibt die Zeit der Organinvolution nach Schwangerschaft
und Geburt. Die wesentlichen Rückbildungsvorgänge finden in den ersten 6 Wochen nach
der Geburt statt. Am Ende dieser Zeit sollten im Wesentlichen die endokrine Umstellung
und die strukturellen und funktionellen Rückbildungsvorgänge der durch die Schwangerschaft
bedingten genitalen und extragenitalen Veränderungen abgeschlossen sein. Manche kardiovaskulären
Veränderungen, z. B. ein gesteigertes Herzminutenvolumen, halten teilweise über Monate
bzw. Jahre noch an. Endokrinologisch ist die Wochenbettsperiode durch einen relativen
Östrogenmangel bei ruhendem Ovarialzyklus gekennzeichnet. Etwa 30 % der Frauen haben
schon nach 6 Wochen ihr ursprüngliches Körpergewicht wieder erreicht, die Mehrzahl
der Mütter benötigt aber bis zu 6 Monate [10].
Endokrines System
Mit der Ausstoßung der Plazenta fallen die plazentaren Hormone abrupt ab und sind
nach einer Woche weitgehend eliminiert. Es kommt zu folgenden hormonellen Veränderungen:
-
rasche Eliminierung von hCG
-
steiler Abfall des Östrogenspiegels
-
Abnahme des Progesterons, während HPL in geringen Mengen noch auf Zeit nachweisbar
bleibt
Stillt die Frau das Neugeborene, führen erhöhte Prolaktinwerte zur Hemmung der Gonadotropinsekretion
aus der Hypophyse und damit zur Amenorrhö. Dadurch sind die meisten Frauen (95–98 %)
in dieser Zeit unfruchtbar. Dies kann aber nicht als suffizienter Konzeptionsschutz
angesehen werden. Stillt die Frau nicht, tritt die erste Follikelreifung nach 6–8 Wochen
post partum ein. Die erste Menstruationsblutung zeigt sich im Mittel 6–9 Wochen nach
der Geburt. Häufig ist der erste Zyklus noch anovulatorisch.
Die physiologische Döderleinflora in der Vagina findet sich erst wieder bei intakter
Ovarfunktion.
Eine zentral bedingte Ovarialinsuffizienz, verbunden mit einer temporären Amenorrhö,
findet sich bei 10 % der Frauen nach komplikationsloser Entbindung. Davon abzugrenzen
ist der postpartale Hypopituitarismus (Sheehan-Syndrom), der durch ischämische Nekrosen
der Adenohypophyse infolge akuter starker Blutverluste im Zusammenhang mit der Geburt
entsteht. Zusätzlich können andere Partialfunktionen der Hypophyse beeinträchtigt
sein. Die Therapie besteht in der Substitution der ausgefallenen hypophysären und
peripheren Hormone [8].
Gebärmutter
Der Uterus wiegt bei der Geburt im Mittel 1 000 g und erreicht am Ende des Wochenbetts
ein Gewicht von etwa 50 g und damit seine ursprüngliche Größe.
Cave: Bei der Beurteilung des Fundusstandes ist darauf zu achten, dass die Harnblase
entleert ist. Im Zweifelsfall ist eine Restharnkontrolle mittels Ultraschall zu empfehlen.
Der Durchmesser der Plazentahaftstelle reduziert sich unmittelbar nach der Geburt
aufgrund von Dauerkontraktionen von etwa 18 cm auf 9 cm und weist nach der 2. Puerperalwoche
noch etwa 3–4 cm auf. Dabei kommt es zusätzlich zur Konstriktion und Kompression der
eröffneten uterinen Blutgefäße, gefolgt von gefäßassoziierter Thrombosierung und Degeneration.
Ein Leukozytenwall bildet eine enzymatisch aktive Demarkationszone zum Schutz gegen
eine myometrane Infektion. Die Regeneration mit Ausnahme der plazentaren Seite der
Gebärmutter erfolgt schnell, und das Endometrium ist 2 Wochen nach Entbindung schon
fast völlig wieder hergestellt. Am 3. Tag post partum sind die Portio schon wieder
weitgehend formiert und der Zervikalkanal verengt.
Fundusstand postpartal
1. Wochenbettstag: |
1 Querfinger unterhalb des Nabels |
2. Wochenbettstag: |
2 Querfinger unterhalb des Nabels |
3. Wochenbettstag: |
3 Querfinger unterhalb des Nabels |
7. Wochenbettstag: |
2 Querfinger über der Symphyse |
10. Wochenbettstag: |
Höhe der Symphyse |
Diese Rückbildungsvorgänge werden vom Abgang von Wochenfluss (Lochien) aus dem Uterus
bzw. Vagina begleitet, welcher sich in Farbe, Menge und Konsistenz verändert: Lochia
rubra (rötlich / dunkelrot) findet sich in den ersten 3–4 Tagen post partum, gefolgt
von Lochia serosa (gelblich / bräunlich), welche im Mittel 3 Wochen anhalten und mit
Lochia alba (weißlich / farblos) ausklingen.
Das Lochialsekret ist immer keimbesiedelt. Dabei überwiegen anaerobe Staphylokokken
und Streptokokken.
Während die Lochien im Abstand von der Geburt abnehmen, können sie im Einzelfall deutlich
variieren, und gelegentlich treten noch Blutungen insbesondere 7–14 Tage post partum
auf. Die durchschnittliche Menge des Lochialsekrets liegt zwischen 200–500 g.
Lochialsekret postpartal
1. Woche: |
blutige Lochien (Lochia rubra) |
2. Woche: |
braunrote Lochien (Lochia fusca) |
3. Woche: |
gelbliche Lochien (Lochia flava) |
4. Woche: |
entfärbte Lochien (Lochia alba) |
Der abrupte Abfall von Östrogenen und Gestagenen nach der Geburt führt zu einer Verminderung
der Organdurchblutung und des Zellstoffwechsels. Gleichzeitig setzen Nachwehen ein.
Beide Mechanismen sind für die postpartale Rückbildung des Uterus verantwortlich.
Die Intensität der Nachwehen wird während des Stillvorgangs durch eine reflektorische
Freisetzung von Oxytocin begünstigt. Der Stillprozess fördert auf diese Weise die
Uterusinvolution. Die vollständige Rückbildung der Gebärmutter ist nach 5–6 Wochen
erreicht. Nachwehen können im Einzelfall sehr schmerzhaft sein und nehmen an Stärke
mit jeder Entbindung zu[1]
[2].
Nur schmerzhafte thrombosierte Hämorrhoidalknoten sollten inzidiert und exprimiert
werden. Ansonsten genügt eine Behandlung mit Scheriproct-Salbe oder Suppositorien
[6].
Lochialverhalt
Die Ursache des Lochialverhalts liegt meist in der unzureichenden Rückbildung der
Gebärmutter als Folge einer mechanischen Behinderung des Lochialflusses. Diese nicht
seltene Störung findet sich in folgenden Fällen:
-
Verlegung des inneren Muttermundes durch Blutkoagel oder Eihautreste
-
verschlossener Zervix
-
Status nach primärer Sectio caesarea
-
Zervixspasmus
-
mangelnde postpartaler Bewegung
Die besondere Gefahr bei anhaltendem Lochialverhalt liegt in der Entwicklung einer
Endometritis puerperalis. Um eine solche, teilweise folgenreiche Komplikation zu vermeiden,
sind frühe Mobilisation und Wehenmittel hilfreich. Nur in seltenen Fällen wird eine
Dehnung der Zervix mit Hegarstiften notwendig.
Blasenentleerungsstörungen
Im Wochenbett kommt es einerseits zu einer erhöhten Urinausscheidung. Reichlich Flüssigkeit
kehrt aus dem peripheren Gewebe in den Intravasalraum zurück und wird über die Niere
ausgeschieden. Gleichzeitig können geburtsbedingte Verletzungen – insbesondere Traumatisierungen
mit Ödembildung im Bereich der Urethra – die Diurese postpartal empfindlich stören.
Ein Harnstau führt nicht selten zu Infektionen der aufsteigenden Harnwege. Folgende
medikamentöse Maßnahmen können häufig Abhilfe schaffen:
-
Antiphlogistika (z. B. Diclofenac)
-
Spasmolytika (z. B. Buscopan)
-
Parasympathomimetika zur Blasentonisierung (z. B. Doryl)
In manchen Fällen kann ein totaler Harnverhalt nur durch Einmalkatheterismus behoben
werden. Ein weiterer Aspekt ist zu beachten: In bis zu 15 % der Fälle kommt es postpartal
zu einer meist vorübergehenden Harninkontinenz. Falls keine traumatischen Geburtsverletzungen
vorliegen, ist mit Abschluss des Wochenbetts die Harnblase wieder in orthotoper Lage
und meist voll funktionstüchtig.
Endometritis
Gehäufte Uterusinfektionen
-
protrahierter Geburtsverlauf
-
vorzeitiger Blasensprung
-
häufige vaginale Untersuchungen
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geburtsbedingte Verletzungen
-
geburtshilflich operative Eingriffe
-
Subinvolutio uteri bei Lochialstau bzw. Plazentaresten
Inzidenz. Die Häufigkeit einer Endometritis im Wochenbett liegt nach einer vaginalen Entbindung
zwischen 1–3 %, nach einem primären Kaiserschnitt erhöht sich die Rate sogar auf 5–15 %.
Liegt zusätzlich ein vorzeitiger Blasensprung vor und sind zusätzlich Zeichen der
Infektion unter der Geburt vorhanden, steigt die Frequenz auf 30–35 %. Eine peripartale
Antibiotikagabe halbiert in einem solchen Fall die Inzidenz einer Endometritis. Eine
Reihe von Bakterien, die Teil der normalen Scheidenflora sind, aszendieren in den
oberen Genitaltrakt und teilweise darüber hinaus. Besonders gefährdet sind äußerst
junge Schwangere mit niedrigem sozioökonomischen Status, Patientinnen mit Status nach
Sectio caesarea, nach protrahiertem Partus und vorzeitigem Blasensprung verbunden
mit häufigen vaginalen Untersuchungen unter der Geburt [3].
Erreger der Endometritis
-
Streptokokken
-
Staphylokokken
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Escherichia coli
-
Klebsiella pneumoniae
-
Proteus
Diagnostik und Therapie. Beeinträchtigte Patientinnen zeigen häufig innerhalb von 36 Stunden nach der Geburt
einen Fieberanstieg von über 38 Grad Celsius. Es finden sich in der Regel Schwächegefühl,
Tachykardie, Unterleibsschmerzen, insbesondere eine druckschmerzhafte Gebärmutter,
sowie verfärbter, übelriechender Ausfluss. Differenzialdiagnostisch sollte neben der
Endometritis an Atelektasen der Lunge bzw. an eine Pneumonie, eine Appendizitis, einen
Harnwegsinfekt und an eine Phlebitis der unteren Extremitäten bzw. des Beckenraumes
gedacht werden. Eine sorgfältige körperliche Untersuchung und spezifische Blut- und
Urinanalysen (Infektionslabor) führen meist zur gesuchten Diagnose. Zielführend kann
zusätzlich ein Röntgenbild der Lunge sein und ein bakterielles Abstrichergebnis von
der Zervix bzw. eine Blutkultur – insbesondere dann, wenn die initiale Antibiotikatherapie
therapeutisch keine ausreichende Wirkung zeigt. Additiv sind Kontraktionsmittel hilfreich,
falls der entzündliche Fokus im Bereich der Gebärmutter liegt.
Wesentlich ist bei Endometritis eine schnelle Diagnose und eine zügige, suffiziente
Behandlung.
Symptome der Endometritis
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subfebrile Temperaturen
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übelriechende Lochien
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Subinvolutio uteri
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Uteruskantenschmerz
-
Schmierblutung
Wundinfektion
Eine Wundinfektion nach Kaiserschnitt ist in 3–5 % der Fälle auch mit einer Endometritis
verknüpft. Die Hauptrisiken einer Wundinfektion sind mangelnde operative Sorgfalt,
niedriger sozioökonomischer Status, vorzeitiger Blasensprung, protrahierter Geburtsverlauf,
vorbestehende Infektionen wie Chorionamnionitis oder Erkrankungen wie metabolisches
Syndrom, insulinpflichtiger Diabetes mellitus sowie eine Kortikosteroid- und/oder
immunsuppresive Therapie. Hauptsächlich finden sich im Wundsekret Staphylococcus aureus,
aber auch Streptokokken, E. coli, Klebsiellen und Proteus.
Die Diagnose wird meist klinisch gestellt, wobei der Wundbereich angeschwollen, gerötet,
überwärmt und druckschmerzhaft ist. Entleert sich bei Eröffnung Pus, wird eine offene
Wundbehandlung notwendig, verbunden mit einer suffizienten Antibiotikatherapie.
Initiale Antibiotikatherapie
-
Amoxicillin / Clavulansäure 3-mal 2,2 g / Tag i. v. oder
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Ceftriaxon 1 g / Tag i. v. plus Clindamycin 4-mal 300–600 mg / Tag i. v.
-
evtl. zusätzlich: Gentamicin 7 mg / kg KG / Tag i. v.
Generalisierte Infektionen
Falls eine Endometritis zu spät diagnostiziert wird bzw. fulminant verläuft, kann
es über die Adnexe zu einer kontinuierlichen Ausbreitung in den Bauchraum kommen (Durchwanderungsperitonitis).
Hierbei können alle intraperitonealen Organe betroffen sein (Pelveoperitonitis / diffuse
Peritonitis). Kennzeichnend sind bei der klinischen Untersuchung hohes Fieber, ausgeprägte
Unterbauchschmerzen, Abwehrspannung und ein Subileus. Therapie der ersten Wahl ist
eine hochdosierte Antibiotikatherapie, Antiphlogistika, Substitution des Flüssigkeits-
und Elektrolythaushalts sowie abführende Maßnahmen.
Nur bei therapierefraktären Abszessen ist eine chirurgische Intervention erforderlich.
Von der beschriebenen abdominal sich ausbreitenden Infektion im Wochenbett ist die
Puerperalsepsis abzugrenzen. Sie kommt zustande, indem der primäre Sepsisherd Anschluss
an die Blutbahn bekommt. Meist sind es mit Streptokokken A infizierte Mikrothromben,
die jedes durchblutete Organ des Körpers erreichen und dort entsprechend streuen können
(z. B. Herz, Lunge etc.). Ein solches auf alle wesentlichen Körperregionen ausgebreitetes
Krankheitsbild bedarf der intensivmedizinischen Überwachung und Therapie. Schlimmstenfalls
kann sich ein septisches Schockgeschehen mit Organversagen ausbilden. Bei vitaler
Gefährdung ist auch an eine Hysterektomie zu denken (Entfernung des primären Entzündungsherdes).
Uterusatonie
Schon unmittelbar im Kreißsaal nach der Geburt kann es zu heftigen Blutungen ex utero
kommen. Differenzialdiagnostisch müssen Blutungen aus Geburtsverletzungen (Scheiden-
bzw. Zervixrisse) ausgeschlossen werden, die immer einer suffizienten chirurgischen
Versorgung bedürfen. Ebenso muss die Plazenta immer auf Vollständigkeit überprüft
werden. Halten die Blutungen an, ist der Uterus hochstehend und weich, sind Kontraktionsmittel
wie Oxytocin, Methergin oder Prostaglandine Mittel der Wahl. Gleichzeitig sollte der
Uterus exprimiert und vorübergehend manuell gehalten werden. Ein Blutverlust von über
500 ml ist bedenklich, Blutungen über 2 000 ml lebensbedrohlich. Auch nach einer Reihe
von Tagen können noch atonische Nachblutungen auftreten, dementsprechend sind sorgfältige
Fundus- und Vorlagenkontrollen im Wochenbett notwendig.
Plazentaretention
Falls eine vaginale Blutung anhält oder sich verstärkt, sollte an verbliebene Plazentareste
gedacht werden. Eine Ultraschalluntersuchung gibt in vielen Fällen Hinweise auf zurückgebliebene
Plazenta- und / oder Eihautreste bzw. Anteile von Dezidua und / oder Blutkoagel. Zeigen
sich sonografisch noch fragliche Gewebereste in utero, ist eine Kürettage sinnvoll
und notwendig. Auch wenn nur in etwa 40 % der Fälle Gewebereste histologisch nachzuweisen
sind, führt die Kürettage und der Einsatz von kontraktionsfördernden Substanzen in
der Regel zum Sistieren der Blutung.
Um postoperative Synechien zu vermeiden, sollte präoperativ ein Antibiotikum verabreicht
werden.
Erscheint das Uteruscavum leer, sind Kontraktionsmittel wie Oxytocin bzw. Methergin
häufig ausreichend.
Thrombose / Thrombembolie
Thrombembolische Erkrankungen gehören zu den häufigsten Ursachen mütterlicher Mortalität.
Sie können sich manifestieren als
Tiefe Venenthrombosen (Beine / Becken) treten im Wochenbett 20- bis 30-mal häufiger
auf als bei nicht schwangeren Frauen. Auslösende Faktoren sind Varizen in graviditate,
Venenklappeninsuffizienz, Stase mit Begleitthrombophlebitis, wie auch Immobilisation,
geburtsbedingtes oder operatives Trauma, Dehydratation, generalisierte Infektionen
sowie angeborene oder auch erworbene Thrombophilierisiken.
Von der oberflächlichen Thrombophlebitis selbst geht kein Embolierisiko aus.
Die Therapie der Wahl beinhaltet das Tragen von Kompressionsstrümpfen, Mobilisation,
heparinhaltige und / oder antiphlogistische Salben.
Im Einzelfall wird eine Antibiotikatherapie notwendig.
Von der oberflächlichen Thrombophlebitis sind die tiefen Venenthrombosen abzugrenzen.
Die proximale Form (Oberschenkel- / Beckenvenenthrombose) ist mit einem hohen, die
distale Form (Unterschenkelvenenthrombose) mit einem geringeren Embolierisiko verbunden.
Bei Beckenvenenthrombose wird eine einseitige Druckschmerzhaftigkeit der Parametrien
und der Leiste angegeben. Das betroffene Bein kann ödematös angeschwollen und livide
verfärbt sein. Ähnliche Zeichen finden sich im Bereich der Beine am jeweiligen Thromboseort.
Eine sichere Diagnose kann heute durch eine Farbdopplersonografie gestellt werden.
Bei einer Ausbreitung im venösen Beckenbereich ist manchmal zusätzlich eine Magnetresonanztomografie
erforderlich. Die Therapie der Wahl beinhaltet das Tragen von Kompressionsstrümpfen,
gewichtsadaptierte Hochdosistherapie mit niedermolekularem Heparin und in den meisten
Fällen die Möglichkeit der Mobilisation. Bei verspäteter oder versäumter Diagnosestellung
kann die Venenthrombose zu einer lebensbedrohlichen Lungenembolie führen. Eine sichere
Diagnose liefert ein Spiral-CT neben EKG und Blutgasanalyse.
Laktationsphase und Stillprobleme
Der wesentliche Triggermechanismus für die Milchsekretion (Galaktogenese) wird durch
den Abfall der plazentaren Steroidhormone ausgelöst. Die Milchsekretion setzt 3–4 Tage
nach der Geburt ein. Die Milch ersetzt das Kolostrum, was schon gegen Ende der Schwangerschaft
gebildet wird und dem Neugeborenen in den ersten Tagen zur Verfügung steht. Für die
Milchsekretion ist das Prolaktin verantwortlich, welches in der Hypophyse gebildet
wird. Die Freisetzung von Prolaktin erfolgt auf neuralem Wege. Die Aufrechterhaltung
der Milchproduktion (Galaktopoese) ist ein prolaktinabhängiger Prozess. Über einen
neuroendokrinen Reflexbogen bewirkt der Saugreiz an der Brust die Oxytocin- und Prolaktinfreisetzung
und damit die prolaktininduzierte Neubildung von Milch. Gleichzeitig bewirkt die Oxytocinfreisetzung
aus dem Hypophysenhinterlappen die Kontraktion der myoepithelialen kontraktilen Elemente
der Alveoli und der Milchgänge. Die Höhe der Prolaktinspiegel im Blut und das Ausmaß
der Milchproduktion hängen von der Häufigkeit des Stillvorgangs und dem Entleeren
der Brust ab. Bei Frauen, die nicht stillen, fällt der Prolaktinspiegel innerhalb
von 1–2 Wochen auf Normalwerte ab [9].
Die stillende Wöchnerin sollte immer für ausreichende Trinkmengen sorgen.
Der Milcheinschuss selbst geht oft mit einem schmerzhaften Spannungsgefühl in der
Brust und einer transienten Temperaturerhöhung einher. Während den ersten beiden Wochen
nimmt die Milchproduktion kontinuierlich zu, bis sich ein Gleichgewicht zwischen kindlichem
Bedarf und mütterlichem Angebot einstellt.
Der maximale Tagesbedarf eines reifen Säuglings an Muttermilch beträgt ca. 500 ml.
Die Stilldauer je Brust sollte etwa 10–15 min betragen. Die Muttermilch kann auch
relativ einfach mit speziellen elektrischen Milchpumpen gewonnen und dem Kind später
in kleinen Portionen verfüttert werden [7].
Tipp für die Praxis
Im Vergleich zur Kuhmilch ist Muttermilch ärmer an Proteinen und Mineralien, aber
reicher an Kohlenhydraten und enthält insbesondere artspezifische Immunstoffe wie
IgA-Antikörper. Die industriell hergestellte Fertignahrung ist der Muttermilch angeglichen,
es fehlen aber weitgehend die das Kind schützenden Immunglobuline. Aus diesem Grunde
sollte auch bei Früh- und Mangelgeburten Muttermilch gegeben werden.
Cave: Schädliche Substanzen können in die Muttermilch übergehen und dem Neugeborenen
Schaden zufügen. Hierzu gehören kontraindizierte Medikamente, Drogen, Genussmittel
wie Alkohol und Nikotin, aber auch schädliche Umweltstoffe.
Vorteile frühen Stillens
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Förderung der Mutter-Kind-Beziehung
-
große Saugbereitschaft nach Geburt
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bessere Ausbildung der Milchsekretion
-
Kolostrum fördert Immun- und Infektionsschutz
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Kolostrum fördert kindliche Verdauung
-
Oxytocin fördert die Plazentalösung
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Oxytocin minimiert Nachblutungen
Abstillen
Primäres Abstillen. Das primäre Abstillen erfolgt durch hormonale und physikalische Maßnahmen postpartal,
um das Einsetzen der Laktation zu verhindern [5]. Obwohl durch fachgerechte Information durch Arzt und Hebamme die Bereitschaft zum
Stillen bei der Mutter intensiv gefördert werden sollte, ist es ratsam, dem Wunsch
der Mutter hinsichtlich Stillbereitschaft bzw. Abstillen ausreichend Beachtung zu
schenken.
Medizinische Gründe für das primäre Abstillen finden sich bei der Mutter bei Anlage-
und Entwicklungsstörungen der Mammae bzw. Mamillen, bei ausgeprägten Entzündungen
und Rhagaden im Mamillenbereich, bei vorausgegangenen Mamma-Abszessen oder Brustoperationen,
bei schwersten Allgemeinerkrankungen sowie bei Einnahme für das Stillen kontraindizierter
Medikamente.
Gründe von kindlicher Seite finden sich v. a. bei ausgeprägter Trinkschwäche oder
-unvermögen insbesondere bei ausgeprägten Fehlbildungen und schwersten angeborenen
bzw. erworbenen Erkrankungen.
Sekundäres Abstillen. Beim sekundären Abstillen wird die im Gang befindliche Laktation unterdrückt. Hierfür
stehen mütterliche Gründe im Vordergrund: z. B. bei Mastitis puerperalis, Hypogalaktie,
schwersten Allgemeinerkrankungen sowie sozioökonomischen Gründen v. a. bei früher
Wiederaufnahme der beruflichen Tätigkeit. Neben der medikamentösen Therapie sind begleitende
physikalische Maßnahmen wie Hochbinden der Mammae und kühlende Umschläge sinnvoll.
Medikamentöses Abstillen
primär: 1-mal 1 mg Cabergolin (< 24 Std. postpartal)
sekundär: 1-mal 1 mg Cabergolin (am 1. und am 2. Tag)
alternativ: 2-mal 2,5 mg Bromocriptin / Tag (über 14 Tage)
Mastitis puerperalis
Die Mastitis puerperalis ist eine der häufigsten Komplikationen des Wochenbetts. Sie
ist meist einseitig und kann lokal begrenzt sein. Als häufigsten Erreger findet man
Staphylococcus aureus, in seltenen Fällen aber auch Pyocyaneus, Proteus und Kolibakterien.
Quelle der Infektion sind die Nasen-Rachenräume von Mutter, Besuchern und Pflegepersonal,
die durch engen Kontakt mit dem Neugeborenen die kindliche Mundhöhle erreichen. Die
pathogenen Keime gelangen beim Saugakt an der Mamille über Fissuren oder Rhagaden
in das Drüsengewebe und breiten sich auf dem Lymphweg (interstitiell) aus. Schmierinfektionen
durch Lochien haben eine geringere Bedeutung. Ein Milchstau fördert die Ausbreitung
der Infektion, die teilweise mit hohem Fieber und Schüttelfrost einhergeht [4].
Die Diagnose Mastitis puerperalis wird klinisch gestellt.
Lokal zeigt sich meist ein umschriebener Bereich mit Rötung, Schwellung, Erwärmung
und Druckschmerzhaftigkeit. Von außen ist ein derbes, druckdolentes Infiltrat zu palpieren
([Abb. 1]). Auf der ipsilateralen Seite sind häufig vergrößerte axilläre Lymphknoten nachzuweisen.
Bei Fortschreiten der Erkrankung, v. a. bei zu spätem Beginn der Therapie, kommt es
zur Einschmelzung (Abszedierung) der betroffenen Areale und zur Ausbildung von Abszessen
([Abb. 2]).
Abb. 1 Mastitis der stillenden Wöchnerin: akute Mastitis puerperalis bei 21-jähriger Patientin
3 Wochen nach der Entbindung (aus [11]).
Abb. 2 Mastitis puerperalis: Abszesslokalisationen (aus [12]).
Prophylaxe der Mastitis
-
Händedesinfektion vor dem Stillen
-
Milchstau vermeiden
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Mamillen an der Luft trocknen lassen
-
bei Rhagaden z. B. Dexpanthenolsalbe auftragen
-
im Ausnahmefall Stillhütchen verwenden
-
am Anfang nur 5 min an jeder Brust anlegen
Therapie. Im Frühstadium der Mastitis stehen als Therapie kühlende Maßnahmen, Antiphlogistika
und Antibiotika (z. B. Flucloxacillin-Natrium) zur Verfügung. Bei Anfangsbefunden
kann das Kind noch gestillt werden bzw. die Milch abgepumpt und kurzzeitig verworfen
werden. Bei manifesten Infektionen wird zusätzlich ein sekundäres medikamentöses Abstillen
notwendig. Haben sich im Spätstadium ein oder mehrere Abszesse gebildet, kann chirurgisch
nur durch Inzision (Spaltung) und ggf. durch Gegeninzision Abhilfe geschaffen werden.
Formen postpartaler Depression
Post-partum-Verstimmung. Aufgrund des raschen Abbaus von Progesteron postpartal kommt es häufig am 3. oder
4. Tag nach der Geburt zu milder depressiver Verstimmung bei 50–70 % der Wöchnerinnen.
Bei den Frauen besteht eine Überforderungsproblematik, verbunden mit Antriebslosigkeit.
Weder die Patientin noch Therapeuten haben wesentlichen Einfluss auf das Geschehen.
Auf Wochenstationen ist ein solcher Zustand als klassischer Wein- oder Heultag bzw.
Maternity oder Baby Blues bekannt. Die Verstimmung verschwindet in der Regel ohne
therapeutische Maßnahmen nach 24–48 Stunden.
Post-partum-Depression. Im Gegensatz zum klassischen „Heultag” ist die Post-partum-Depression ein ernstzunehmendes
Krankheitsbild. Sie beginnt meist in den ersten 4 Wochen nach der Geburt und ist von
unbestimmter Dauer. Klinische Zeichen sind Interesselosigkeit, Gewichtsverlust oder
auch Gewichtszunahme, Schlafstörungen, Energielosigkeit, Schuldgefühle, Gefühl der
Nutzlosigkeit sowie Denk- und Konzentrationsschwäche. Diese Symptome sind nicht zu
verharmlosen und treten bei 8–20 % der entbundenen Frauen auf. Auch eine Unterversorgung
des Neugeborenen kann mit der Erkrankung einhergehen. Der alleinige Hinweis auf eine
schwierige häusliche Situation oder Partnerprobleme ist sicher unzureichend. Eine
Mitbetreuung durch den Psychiater ist empfehlenswert. Neben einer Gesprächstherapie
wird vielfach auch eine gezielte medikamentöse Behandlung (z. B. Fluoxetin) notwendig.
Die Wiederholungsgefahr einer Post-partum-Depression ist hoch und liegt bei weiteren
Schwangerschaften zwischen 50–100 %.
Hatten die Patientinnen schon außerhalb der Schwangerschaft im normalen Leben eine
depressive Störung, findet sich eine Post-partum-Depression mit einer Häufigkeit von
20–30 %. Diese Zahlen sprechen für eine sorgfältige psychosoziale Anamnese und die
frühzeitige Hinzuziehung eines Psychiaters.
Post-partum-Psychose. Bei der eher selten auftretenden Post-partum-Psychose (Schizophrenie) handelt es
sich um eine absolut ernstzunehmende psychiatrische Erkrankung (Inzidenz: 1 : 1 000 Geburten).
Mutter und Kind befinden sich häufig in ernsthafter Gefahr (Suizid / Kindstötung jeweils
in 5 % der Fälle) und bedürfen in den meisten Fällen der stationären psychiatrischen
Therapie. Ob die in der Ausprägung sehr unterschiedliche Post-partum-Psychose ein
eigenes Krankheitsbild darstellt, ist bis heute nicht abschließend geklärt.
Psychische Störungen postpartal