Dialyse aktuell 2009; 13(10): 540
DOI: 10.1055/s-0029-1245018
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Apherese-Innovationspreis 2009 - Richtungsweisende Forschungsarbeiten ausgezeichnet

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Publication Date:
05 January 2010 (online)

 
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Der Apherese-Innovationspreis wurde in diesem Jahr auf der Jahrestagung der deutschen Nephrologen in Göttingen zum 4. Mal vergeben. Er wurde bei dieser wie bei der 3. Vergabe 2007 aufgrund der Vielzahl guter, wissenschaftlich fundierter Bewerbungen gleichwertig auf 2 Arbeitsgruppen aufgeteilt.

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Rheopherese bei Hörsturz

Prof. Ralph Mösges, Köln, wurde für die kontrollierte, randomisierte Multicenter-Studie zur Wirksamkeit und Sicherheit der Rheopherese bei Hörsturz ausgezeichnet, bei der bundesweit 240 Patienten eingeschlossen waren. Damit ist die Studie eine der größten, die jemals im Bereich der Apherese durchgeführt wurden. Ein großes Augenmerk wurde bei dieser Studie auf die Untersuchung der Veränderung der Lebensqualität der Patienten gelegt. Diese könnte zukünftig ein zusätzliches Kriterium bei der Auswahl der geeigneten Therapie sein.

Der akute Hörsturz wird auf eine Reihe verschiedener Ursachen zurückgeführt, die gemeinsam eine Störung der Mikrozirkulation im Innenohr zur Folge haben. Die in dieser Studie untersuchte Rheopherese ist ein Verfahren der therapeutischen Apherese, das speziell zur Behandlung solcher Störungen entwickelt wurde. Die Patienten wurden nach einem Zufallsverfahren 2 Gruppen zugeordnet. Sie erhielten entweder 2 Rheopheresebehandlungen innerhalb von 3 Tagen oder in der Kontrollgruppe eine Standardtherapie nach den aktuellen Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für HNO-Heilkunde. Diese Standardtherapie besteht aus Methylprednisolon oder einer Infusionstherapie mit Hydroxyethylstärke (HES) und Pentoxifyllin für jeweils insgesamt 10 Tage.

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Bild: Alexander Fischer, Thieme Verlagsgruppe

Unter anderem wurden die Hörerholung im Reintonaudiogramm und Sprachaudiogramm sowie die Sicherheit der Therapien verglichen. Der Einfluss auf die Lebensqualität der Patienten wurde mithilfe der deutschen Version des international standardisierten SF-36 Fragebogens dokumentiert. Die Rheopherese erwies sich verglichen mit den untersuchten Standardtherapien als gleich wirksam (p < 0,001). Eine einzige Rheopheresebehandlung bewirkte eine stärkere Hörerholung nach 48 Stunden bei Patienten mit erhöhter Plasmaviskosität (> 1,8 mPas s; p < 0,05) oder einem hohen Gesamtprotein (> 74 g/dl; p < 0,05).

Die Lebensqualität - gemessen durch den SF-36 Score - war zu Therapiebeginn in der Rheopherese- und Kontrollgruppe unterhalb des Durchschnitts einer großen repräsentativen Stichprobe der deutschen Bevölkerung (n = 2 914). Die Rheopheresebehandlung verbesserte die Lebensqualität der Patienten signifikant, verglichen sowohl mit der Standardkontrolltherapie als auch mit der repräsentativen Stichprobe. Die Untersuchung steht in Einklang mit weiteren Studien zur Behandlung des Hörsturzes mittels Apherese. Diese konnten auch eine Wirksamkeit der Therapie insbesondere bei Patienten zeigen, die auf andere Behandlungsmethoden nicht ansprachen. Innerhalb der aktuellen HNO-Leitlinien ist die Fibrinogenabsenkung durch Apherese eine etablierte Therapieoption, die insbesondere auch bei rezidivierendem Hörsturz, der sich gegenüber der Standardtherapie als refraktär erweist, erwogen werden sollte.

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Wirksamkeit der Lipidapherese bei erhöhtem Lipoprotein(a)

Die Studiengruppe um Dr. Beate Jäger, Essen, unter aktiver Beteiligung der Berliner Charité um Prof. Elisabeth Steinhagen-Thiessen und vieler weiterer Zentren in Deutschland, untersuchte retrospektiv die Wirksamkeit der Lipidapherese bei Lp(a)-Hyperlipoproteinämie (Lp: Lipoprotein). Der Einsatz der Lipidapherese zur Behandlung von Patienten mit Lp(a)-Erhöhung und therapierefraktär progredienter koronarer Herzerkrankung wurde seit Anfang der 1990er-Jahre in Deutschland als Therapieversuch durchgeführt. Pionierarbeit leisteten die Universitätskliniken in Berlin und München. Die klinischen Erfolge waren beeindruckend, die Patientenzahl blieb sehr klein. Eine prospektive kontrollierte Studie war jedoch praktisch nicht durchführbar und zudem ethisch problematisch. Die nun ausgezeichnete Studie korrigierte diese unbefriedigende Datenlage.

Bei Patienten mit Lp(a)-Spiegeln von mehr als 60 mg/dl und progredienten kardiovaskulären Komplikationen trotz optimaler Therapie aller konventioneller Risikofaktoren war nach Einleitung der chronischen Lipidapherese die kardiovaskuläre Ereignisrate um zirka 80 % reduziert. Die Ergebnisse wurden inzwischen national und international auf Kongressen diskutiert. Die Apheresebehandlung von Patienten mit isolierter Lp(a)-Erhöhung und assoziierter progredienter Gefäßerkrankung als GKV-Leistung (GKV: gesetzliche Krankenversicherung) konnte bisher nur nach Einzelfallentscheidung oder juristischer Klage erfolgen. Nach einem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) vom September 2008, bei der die Ergebnisse dieser Studie maßgeblichen Einfluss hatten, ist diese Therapieform nunmehr eine reguläre Leistung der gesetzlichen Krankenkassen. Bei der Umsetzung einer gleichzeitig durch den G-BA geforderten prospektiven kontrollierten Studie und einer möglichst kompletten Erfassung aller zukünftigen Behandlungsfälle werden die Erfahrungen der Untersuchung von Jäger eine wertvolle Unterstützung sein.

Dr. Andreas Heibges, Köln

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Hintergründe

Der Apherese-Innovationspreis der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Klinische Nephrologie ist mit 8 000 Euro dotiert. Er dient der Förderung und Auszeichnung hervorragender wissenschaftlicher Leistungen auf dem Gebiet der extra korporalen Blutreinigung und Plasmatherapie außerhalb der reinen Nierenersatztherapie (www.nephrologie.de).

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Literatur

  • 01 Mösges R . et al . Eur Arch Otorhinolaryngol. 2009;  266 943-953
  • 02 Mösges R . et al . Otol Neurotol. 2008;  29 769-775
  • 03 Jaeger BR . et al . Nat Clin Pract Cardiovasc Med. 2009;  6 229-239
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Literatur

  • 01 Mösges R . et al . Eur Arch Otorhinolaryngol. 2009;  266 943-953
  • 02 Mösges R . et al . Otol Neurotol. 2008;  29 769-775
  • 03 Jaeger BR . et al . Nat Clin Pract Cardiovasc Med. 2009;  6 229-239
 
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Bild: Alexander Fischer, Thieme Verlagsgruppe