Diabetes aktuell 2009; 7(7): 334
DOI: 10.1055/s-0029-1243361
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Individualisierte Therapie neuropathischer Schmerzen - Medikamentöse Behandlung am Schmerzmuster ausrichten - geht das?

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Publication Date:
27 November 2009 (online)

 
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In der Therapie von Diabetes-Patienten steht vor allem die Blutzuckereinstellung im Vordergrund der Behandlung. Doch auch häufig anzutreffende Folgeerkrankungen wie die diabetische Polyneuropathie (DPN) dürfen nicht vernachlässigt werden. So liegt die Prävalenz der DPN bei Diabetes-Betroffenen bei bis zu 28 %. Diabetologen und Schmerztherapeuten sehen sich im Praxisalltag jedoch oft vor der gleichen Herausforderung bei der Behandlung der DPN-Patienten: "Einige Patienten wollen einfach nicht auf die Schmerztherapie ansprechen", sagte Prof. Ralf Baron, Kiel.

"Mechanismenorientierte" individuelle Schmerztherapie

Den Grund dafür vermutet nicht nur Baron in den unterschiedlichen individuellen Schmerzprofilen der Betroffenen. Leidet ein Patient vor allem an einer Hyperalgesie und einer Allodynie, ist die Innervation intakt, die zentralen und peripheren Fasern zeigen jedoch Zeichen einer Sensibilisierung, erklärte Baron. Therapeutisch sei deswegen in diesem Fall ein Analgetikum vorzuziehen, das die Erregung der Nervenbahnen mindert, was beispielsweise mit dem Kalziumkanalmodulator Pregabalin (Lyrica®) möglich ist (Abb. [1]).

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Abb. 1 Pregabalin bindet an die spannungsabhängigen Kalziumkanäle und inhibiert so die Ausschüttung von Neurotransmittern in den synaptischen Spalt.

Anders ist die Situation, wenn ein Patient vor allem von einschießenden Schmerzen und einem Taubheitsgefühl, aber nicht von Hypersensibilisierungen oder evozierten Schmerzen berichtet. In diesem Fall seien die C- und A-Nervenfasern degeneriert und eine Therapie mit Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmern (SNRIs) stehe im Vordergrund, so Baron.

Sieben Fragen - 4 typische Schmerzmuster

"Insgesamt müssen Sie 4 relevante sensorische Schmerzmuster im Kopf haben", meinte Baron:

  • Patienten, die vor allem an Schmerzattacken leiden,

  • Patienten, die vor allem von Allodynie und Hyperalgesie berichten, bei denen Taubheitsgefühle jedoch nur eine untergeordnete Rolle spielen,

  • Patienten, bei denen Taubheitsgefühle, brennende Schmerzen und eine mechanische Hyperalgesie im Vordergrund stehen, und

  • Patienten, die vor allem an brennenden Schmerzen und einer mechanischen Hyperalgesie, nur selten jedoch an Taubheitsgefühlen leiden.

Identifiziert wurden diese 4 "Schmerzcluster" in einer Kohortenstudie mit 2100 Patienten mit neuropathischen Schmerzen [1]. Über eine standardisierte quantitative sensorische Testung mit 13 verschiedenen mechanischen und therapeutischen Teststimuli wurden hier zunächst 11 Cluster mit unterschiedlichen Schmerzsymptomen und -qualitäten definiert. Diese wiederum wurden auf 4 relevante Subgruppen "verdichtet".

Für die tägliche Praxis sei die standardisierte sensorische Testung aufgrund des notwendigen hohen Zeitaufwands allerdings wenig geeignet, meinte Baron. Viel einfacher sei es, die im painDETECT®-Fragebogen definierten Merkmale zu Rate zu ziehen. Der Fragebogen kann dabei innerhalb von 10 Minuten selbstständig vom Patienten im Wartezimmer ausgefüllt werden und so die Anamnese vorbereiten. "Beides korreliert hervorragend", konstatierte er. Sieben einfache Fragen (s. Kasten) reichen demnach aus, um einen wegweisenden Hinweis auf die bestmögliche Schmerztherapie zu erhalten.

painDETECT® - 7 Fragen zum Erfolg

  • Leiden Sie in den eingezeichneten Bereichen unter einem Brenngefühl (z. B. Brennnesseln)?

  • Haben Sie im Bereich Ihrer Schmerzen ein Kribbel- oder Prickelgefühl (wie Ameisenlaufen, Stromkribbeln)?

  • Ist eine leichte Berührung (Kleidung, Bettdecke) in diesem Bereich schmerzhaft?

  • Haben sie im Bereich Ihrer Schmerzen blitzartige, elektrisierende Schmerzattacken?

  • Ist Kälte oder Wärme (Badewannenwasser) in diesem Bereich gelegentlich schmerzhaft?

  • Leiden Sie in den von Ihnen eingezeichneten Bereichen unter Taubheitsgefühlen?

  • Löst ein leichter Druck, z. B. mit dem Finger, in diesem Bereich Schmerzen aus?

Vor dem Start der Therapie mögliche Arzneimittelinteraktionen prüfen

Bevor man sich jedoch endgültig für ein bestimmtes Medikament entscheidet, ist ein Blick auf potenzielle Arzneimittelinteraktionen ratsam, empfahl Dr. Gabriel Eckermann, Kaufbeuren - gerade weil es sich bei Patienten mit diabetischer Polyneuropathie oft um ältere, multimorbide Patienten handelt. Eckermann empfahl, bevorzugt Arzneimittel zu verwenden, die primär renal eliminiert werden, kein komplexes Metabolisierungsgeschehen durchlaufen und weder inhibierende noch induzierende Eigenschaften (z. B. über das Cytochrom-P450-System) aufweisen. "Solch ein Medikament ist zum Beispiel Pregabalin, das daher auch bei komplexer Multimedikation unter den Aspekten der Arzneimittelsicherheit gut eingesetzt werden kann."

Eckermann verwies in diesem Zusammenhang auf die deutschsprachige psychopharmakologische Interaktions-Datenbank www.psiac.de., in der derzeit etwa 7000 Paarungen von ZNS-Substanzen mit Psychopharmaka bezüglich ihres Wechselwirkungspotenzials überprüft werden.

sts

Quelle: Symposium "Ein Schmerz mit vielen Gesichtern - Therapie am Puls der Zeit" im Rahmen des 82. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, veranstaltet von der Pfizer GmbH, Berlin.

Dieser Text entstand mit freundlicher Unterstützung der Pfizer GmbH, Berlin.

Die Autorin, Stephanie Schikora (sts), ist Redakteurin im Karl Demeter Verlag im Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart.

Literatur

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Abb. 1 Pregabalin bindet an die spannungsabhängigen Kalziumkanäle und inhibiert so die Ausschüttung von Neurotransmittern in den synaptischen Spalt.