Dialyse aktuell 2009; 13(9): 518-519
DOI: 10.1055/s-0029-1243350
Forum der Industrie

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Eisenmangeltherapie - Sind Eisensucrose-Similars und -Original gleich?

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Publication Date:
24 November 2009 (online)

 
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Bei Patienten mit ausgeprägtem Eisenmangel wird eine intravenöse Eisentherapie empfohlen und durchgeführt. Aufgrund des guten Verträglichkeits- und Wirksamkeitsprofils kommt Eisensucrose (Venofer®) häufig zum Einsatz. Eisensucrose hat eine komplexe Kohlenhydrat-Eisen-Struktur. Ein streng standardisierter und GMP-konformer (GMP: "good manufacturing practice") Herstellungsprozess gewährleistet konstante Eigenschaften, insbesondere eine konstante Stabilität, und damit Anwendungssicherheit. Mittlerweile sind in einigen Ländern und bald auch in Deutschland verschiedene Eisensucrose-Nachfolgepräparate erhältlich. Nach derzeit vorliegenden Informationen ist davon auszugehen, dass diese ISS ("iron sucrose similars", ein Begriff, der in der Fachliteratur bereits allgemeine Verwendung findet) in Deutschland als Generika zugelassen werden.

Die Stabilität intravenöser Eisenpräparate hängt vom Herstellungsprozess und der Konfiguration des Eisenkomplexes ab. Sie bestimmt die Freisetzungskinetik und damit die therapeutische Sicherheit des jeweiligen Präparats. Kleine Unterschiede können möglicherweise erhebliche Auswirkungen nach der intravenösen Verabreichung haben. In vitro Daten und tierexperimentelle Studien deuten darauf hin, dass die ISS physikochemisch nicht identisch mit dem Originalpräparat sind [1], [2]. Folglich sollten sie in Analogie zu Biosimilars eher als "Chemosimilars" des Eisensucrose-Original-präparates betrachtet werden. Aus diesem Grund wären weitere Untersuchungen zur Sicherheit und Wirksamkeit für einen bedenkenlosen Einsatz der ISS wünschenswert.

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Intravenöse Eisentherapie - Unterschiede zwischen den Präparaten

Die intravenöse Therapie ermöglicht - im Gegensatz zu einer oralen Substitution - den raschen Ausgleich eines Eisenmangels und die Auffüllung der Eisenspeicher. Die intravenös applizierten Eisenkomplexe werden vom retikuloendothelialen System aufgenommen. In Abhängigkeit von der Komplexstabilität wird bereits in der Blutbahn Eisen(III) freigesetzt, das durch Transferrin abgepuffert wird. Die Kapazität dieses Systems ist jedoch limitiert. Je instabiler der Komplex, desto mehr Eisen wird freigesetzt und desto schneller ist das Transferrin übersättigt. Dies kann zu freiem Eisen in der Blutbahn und somit zu oxidativen Stress und Gewebeschäden führen. Die Komplexstabilität bestimmt damit, in welcher Dosierung und Zeit das Präparat appliziert werden darf.

Bei den verfügbaren Präparaten handelt es sich um oligo- oder polynukleäres Eisen(III)hydroxid mit einem Zuckerliganden. Die Präparate unterscheiden sich sowohl hinsichtlich des Kohlehydratliganden (Dextran, Dextrin bzw. Polymaltose, Glukonat, Sucrose) als auch im Molekulargewicht. Die Herstellung der Komplexe und deren Polymerisation haben einen hohen Einfluss auf die physikochemischen Eigenschaften und die Freisetzungskinetik des Eisens. Diese Faktoren bestimmen die Stabilität des Eisen-Liganden-Komplexes und damit die Bioverfügbarkeit, Wirksamkeit und Sicherheit bei therapeutischer Anwendung. Weiterhin muss gewährleistet sein, dass das applizierte Eisen auch tatsächlich im Knochenmark zur Hämoglobinbildung verwendet wird. Außerdem sollte das Eisen im Gewebe in physiologischer Form im Ferritin gespeichert werden und nicht als Hämosiderin, aus dem der Körper das Eisen kaum mobilisieren kann.

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Standardisierter Herstellungsprozess von großer Bedeutung

Von den verfügbaren Eisenkomplexen zur intravenösen Applikation wird das Originalpräparat der Eisensucrose derzeit weltweit am häufigsten eingesetzt, sodass eine valide Datenbasis zur Sicherheit zur Verfügung steht. Unter der Therapie wird der Hämoglobinwert gesteigert und der physiologische Eisenspeicher in Form von Ferritin rasch aufgefüllt. Da die Wirksamkeit und Sicherheit von Eisenkomplexen von zahlreichen Faktoren abhängig sind, ist ein standardisierter Herstellungsprozess von entscheidender Bedeutung: Kleine Varianzen können unter Umständen große Auswirkungen haben, auch im Hinblick auf die Nebenwirkungen.

Bei dem Originalpräparat ist die Standardisierung und damit ein zuverlässiges Verträglichkeitsprofil gewährleistet. Wie Bioverfügbarkeitsstudien mit radioaktiv markierter Eisensucrose gezeigt haben, wird das aus dem Originalpräparat freigesetzte Eisen in Hämoglobin eingebaut, ohne dass das Transferrinsystem übersättigt wird.

Präklinische Untersuchungen von in Spanien und Kolumbien zugelassenen ISS zeigen in einigen physikochemischen Parametern Abweichungen zum Originalpräparat, was sich auf die Wirksamkeit und Sicherheit auswirken könnte [1], [2]. Dies betrifft unter anderem das Molekulargewicht, die Osmolarität oder auch die titrierbare Alkalinität. Besonders problematisch kann sich die Abweichung der Eisen(III)/Eisen(II)-Redoxpotenziale der ISS vom Original auswirken. Je positiver der Wert, desto schneller wird unter physiologischen Bedingungen Eisen(III) zu Eisen(II) reduziert und desto höher ist das Risiko für oxidativen Stress.

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Eisensucrose-Similars - präklinische Daten

In tierexperimentellen Untersuchungen injizierten Toblli et al. gesunden, nicht anämischen Ratten das Eisensucrose-Originalpräparat sowie 2 verschiedene ISS oder Kochsalzlösung (Kontrolle) in die Schwanzvene [1]. Die Tiere in Gruppe 1 und Gruppe 2 erhielten eine Dosis von 40 mg Eisen/kg Körpergewicht (KG), die Tiere in Gruppe 3 insgesamt 5 Dosen im Abstand von 7 Tagen. Untersuchungen erfolgten nach 24 Stunden (Gruppe 1), 7 Tagen (Gruppe 2) oder 4 Wochen (Gruppe 3). Zielkriterien waren systolischer Blutdruck, Hämoglobinwert, Serumeisenspiegel, Transferrinsättigung, Kreatininclearance, Proteinurie, Veränderung der Leberenzyme, Eisenspeicherung im Gewebe sowie Marker des oxidativen Stresses und der Inflammation. Die Resultate weisen auf ein günstigeres Profil des Originalpräparats hin. Bei Anwendung der ISS zeigte sich insbesondere:

  • ein deutlich stärkerer Abfall des systolischen Blutdrucks,

  • eine höhere Transferrinsättigung,

  • eine stärkere Reduktion der Kreatininclearance,

  • eine ausgeprägte Proteinurie (Abb. [1]),

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    Abb. 1 Proteinurie nach intravenöser Applikation von ISS im Vergleich zum Eisensucrose-Originalpräparat. ISS: "iron sucrose similar" nach [1]

  • eine Veränderung der Leberenzymwerte (Abb. [2]) und

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    Abb. 2 Leberenzymwerte bei Anwendung von ISS im Vergleich zum Eisensucrose-Originalpräparat (Studiendesign siehe Abb. 1). ISS: "iron sucrose similar" nach [1]

  • ein stärkerer Anstieg inflammatorischer Marker.

Zudem beobachteten die Forscher in immunhistochemischen Untersuchungen an Gewebeschnitten der Tiere in Gruppe 3 bei Anfärbung mit Preußischblau bei Anwendung der ISS nach 4 Wochen eine verstärkte Eisenspeicherung in Hämosiderin, dagegen eine gegenüber dem Originalpräparat geringere Anfärbung für Ferritin. Das unphysiologisch in Hämosiderin gespeicherte Eisen kann - im Gegensatz zum Ferritin - kaum vom Körper verwertet werden. Bei ISS-Applikation war außerdem die Anfärbung für die inflammatorischen Marker IL-6 (IL: Interleukin) und TNF-α (TNF: Tumornekrosefaktor) im Herzmuskel sowie in der Leber und den Nieren nach 4 Wochen signifikant stärker (p < 0,01), was auf ausgeprägtere Entzündungsprozesse als Antwort auf oxidativen Stress hinweisen könnte (Abb. [3]). Ähnliche Ergebnisse zeigte eine andere präklinische Studie mit dem gleichen Setting zum Vergleich des Eisensucrose-Originalpräparats mit einem weiteren Eisensucrose-Similar (Generis®, Portugal) [2].

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Abb. 3 Immunhistochemischer Nachweis von Tumornekrosefaktor alpha (TNF-α) in verschiedenen Organen (Studiendesign siehe Abb. 1). ISS: "iron sucrose similar" nach [1]

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Diskussion: Sind Originalpräparat und ISS gleich?

Die in den oben genannten Studien betrachteten ISS unterscheiden sich in einigen physikochemischen Parametern vom Originalpräparat. Dies wirft Fragen hinsichtlich der grundsätzlichen Vergleichbarkeit und der Berechtigung der Anwendbarkeit des Generischen Paradigmas für die ISS auf - zumal es sich um komplexe Moleküle handelt. Die bereits vorliegenden präklinischen Daten unterstützen die Zweifel an der Gleichwertigkeit und der Übertragbarkeit der Anwendungsbestimmungen für das Eisensucrose-Originalpräparat auf ISS. Relevante klinische Daten zum Nebenwirkungsprofil und zur Langzeitverträglichkeit der ISS sind bis dato nicht publiziert.

Die Frage ist, inwieweit die im Tiermodell an gesunden Ratten erhobenen präklinischen Daten auf den Menschen übertragbar sind. Auch wenn der Metabolismus vergleichbar ist, waren die applizierten Dosen wesentlich höher als die klinisch eingesetzten, die auf 7 mg/kg KG (maximal 500 mg Einzeldosis) begrenzt sind. Es wäre daher wünschenswert, klinische Untersuchungen zum Vergleich des Nebenwirkungs- und Wirksamkeitsprofils von Originalpräparat und ISS durchzuführen. Falls die klinischen Resultate mit den präklinischen übereinstimmen, sollte eine Neubewertung des Status der ISS in Betracht gezogen werden. Deren Anwendung kann sicher nicht grundsätzlich infrage gestellt werden. Aber Behörden und Anwender sollten auf die derzeit vorliegenden präklinischen Daten und auf entsprechende Bedenken aufmerksam gemacht werden.

Avan Sidiq, München

Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Vifor Pharma Deutschland GmbH, München.

Die Beitragsinhalte wurden nach Informationen der Vifor Pharma Deutschland GmbH, München, zusammengestellt.

Die Autorin ist Mitarbeiterin der MW Office GmbH, Ismaning.

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Literatur

  • 01 Toblli J . et al . Arzneimittelforschung. 2009;  59 176-190
  • 02 Toblli J . et al . Port J Nephrol Hypert. 2009;  23 53-63
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Literatur

  • 01 Toblli J . et al . Arzneimittelforschung. 2009;  59 176-190
  • 02 Toblli J . et al . Port J Nephrol Hypert. 2009;  23 53-63
 
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Abb. 1 Proteinurie nach intravenöser Applikation von ISS im Vergleich zum Eisensucrose-Originalpräparat. ISS: "iron sucrose similar" nach [1]

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Abb. 2 Leberenzymwerte bei Anwendung von ISS im Vergleich zum Eisensucrose-Originalpräparat (Studiendesign siehe Abb. 1). ISS: "iron sucrose similar" nach [1]

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Abb. 3 Immunhistochemischer Nachweis von Tumornekrosefaktor alpha (TNF-α) in verschiedenen Organen (Studiendesign siehe Abb. 1). ISS: "iron sucrose similar" nach [1]