Dialyse aktuell 2009; 13(9): 478
DOI: 10.1055/s-0029-1243344
Fachgesellschaften

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

2. Symposium Transplantation

Fortbildung in Berlin am 19.09.2009
Further Information

Publication History

Publication Date:
24 November 2009 (online)

 
Table of Contents

Die Transplantationsmedizin ist heute zu einem wichtigen und etablierten Verfahren für Patienten mit terminalem Nierenversagen geworden. Gerade in den letzten Jahren haben sich erhebliche Fortschritte im Bereich der immunsuppressiven Therapie sowie der allgemeinen Behandlung transplantierter Patienten ergeben. Die Fortbildungsveranstaltung "2. Symposium Transplantation" in Berlin beschäftigte sich umfassend mit diesem Thema. In bewährter Zusammenarbeit mit der Charite Campus Virchow Klinikum fand es am 19.09.2009 statt. Die Vortragsinhalte reichten von der Vorstellung eines erprobten Protokolls zur blutgruppenungleichen Lebendspende über den Organzuteilungsmodus bei einer Transplantation bis hin zu pflegerelevanten Themen.

Das Outcome nach Organtransplantationen wurde in den letzten 2 Jahrzehnten für alle Organbereiche wesentlich gesteigert. Die Erfolge sind auf optimierte immunsuppressive Schemata, chirurgische Techniken sowie verbesserte Aspekte der Patientenführung zurückzuführen und resultieren in steigenden Langzeit-Überlebensraten und einer verbesserten Lebensqualität. Das "Unternehmen Transplantation" kann nur gelingen, wenn man in einem großen therapeutischen Regime zusammenarbeitet. Dazu zählen selbstverständlich auch die niedergelassenen Nephrologen mit ihren Mitarbeitern.

#

AB0-inkompatible Lebendspende

Die AB0-inkompatible (iAB0) Lebendspende war das Vortragsthema von Prof. Petra Reinke, Berlin. Die herkömmliche Lebendspende ist nicht möglich, da unterschiedliche Blutgruppen vorliegen: Wird ein Organ ohne entsprechende Vorbehandlung des Patienten transplantiert, erkennen die Antikörper des Empfängers die fremde Blutgruppeneigenschaft auf den Zelloberflächen des transplantierten Organs. Sie binden an diese Zellen und lösen in den allermeisten Fällen eine heftige Abstoßungsreaktion aus, die unbehandelt zum schnellen Verlust des Organs führt. Das Berliner Protokoll zur Lösung dieser Probleme umfasst 3 Phasen:

  • Blockade der Blutgruppen-Antikörperproduktion

  • Entfernung des AB0-Titers

  • Akkomodation: Toleranzentwicklung der Blutgruppenantikörper des Empfängers gegen das gespendete Organ

Die iAB0 Transplantation erzielt ein exzellentes Transplantat- und Patientenüberleben (kurz- und langfristig) und ist diesbezüglich mit der blutgruppengleichen Lebendspende-Transplantation vergleichbar. Sie hat kein erhöhtes Infektions- und Tumorrisiko und ermöglicht 10-20 % mehr LRTx ("living related kidney transplantation"). Die iAB0 Transplantation schützt die Patienten vor zusätzlichen Erkrankungen und dem Tod auf der Warteliste. Bei anti-AB0 Antikörperspiegeln von unter 1:8 ist das Verfahren sicher und nicht mit einem hohen Risiko für humorale Abstoßungen assoziiert. Das erfolgreiche, in unterschiedlichen Zentren erprobte Protokoll beinhaltet Immunabsorption, intravenöses Immunoglobulin G, Rituximab und FK/Mykophenolat-Mofetil/ST.

Zoom Image

Die bisherigen Erfahrungen zur AB0-inkompatiblen Nierenlebendspende sind sehr gut. Bislang ist mit dem in Berlin praktizierten Protokoll bisher in keinem Fall eine durch Blutgruppenantikörper induzierte Abstoßung aufgetreten. Alle Transplantate funktionierten nach der OP sofort. Da derzeit 20-30 % aller in Frage kommenden Nierenspender eine zum Empfänger inkompatible Blutgruppe haben, könnte diese Methode die Zahl der Nierenlebendspenden in Deutschland deutlich steigern.

#

Zuteilung von Spendernieren

Warum ist die Wartezeit für eine Nierentransplantation so lang? Petra Hecker, Berlin, ging in ihrem Vortrag auf diese Frage ein. Die Wartezeit ist möglicherweise für die Patienten einer der schwierigsten Teile am Gesamtgeschehen der Transplantation, weil ihre Länge schwer einzuschätzen ist. Die durchschnittliche Wartezeit beträgt zurzeit 6-10 Jahre. Für chronisch erkrankte Patienten gibt es 2 mögliche Meldestufen auf der Warteliste. Sind sie aktiv gemeldet und es steht einer Transplantation nichts im Weg, erhalten sie den Status T (transplantabel).

Sollte es einen Anlass geben, der eine aktuelle Transplantation unmöglich macht, besteht die Möglichkeit, den Status für eine gewisse Zeit auf NT zu setzen (nicht transplantabel). Bevor dies geschieht, müssen die Gründe dafür geklärt werden. Somit können Organempfänger nicht aktuell an einer Auswahl teilnehmen und kein Angebot bekommen. Gründe für den Status NT sind akute Infektionen oder andere gesundheitliche Einschränkungen.

Die Zuteilung einer Niere erfolgt ausschließlich über Eurotransplant. Mithilfe einer komplizierten Formel wird für jeden Patienten auf der Warteliste eine Punktzahl berechnet. Die Formel ist für jeden Patienten pro Spender einzigartig. Für die beiden zur Verfügung stehenden Nieren eines Organspenders wird eine Rangliste erstellt, wobei der Empfänger mit der höchsten Punktzahl an der 1. Stelle steht. Dabei werden den an Stelle 1 und 2 stehenden Patienten die beiden Nieren angeboten. Bei der Ablehnung des Angebotes durch das Transplantationszentrum wird die Niere dann dem Patienten auf Platz 3 angeboten usw. Die Hauptfaktoren, die bei der Zuteilung eine Rolle spielen, sind:

  • Blutgruppenkompatibilität

  • Grad der Gewebemerkmal-Übereinstimmung (40 % Gewichtung)

  • Missmatch-Wahrscheinlichkeit (10 % Gewichtung)

  • Wartezeit (30 % Gewichtung) x Punkte pro Tag ab Beginn der 1. Dialyse (inkl. 30 Tage NT)

  • Konservierungszeit = Ischämiezeit (20 % Gewichtung)

Spezialgruppen sind:

  • hoch immunisierte Patienten (HIT-, AM-Programm)

  • HU-Patienten (HU: "high urgency")

  • Kinder (Verdopplung der HLA-Punkte; HLA: "human leukocyte antigen")

  • kombinierte Organtransplantationen (z. B. Niere-Pankreas)

  • Allokation (Zuteilung) über ESP (Eurotransplant Senior Programm)

Das ESP ist ein Zusatzangebot von Eurotransplant für ältere Patienten (> 65 Jahre) auf der Nierenwarteliste. Hierbei werden die Nieren älterer Spender (> 65 Jahre) ausschließlich älteren Empfängern für eine Erst- oder Zweittransplantation angeboten. Die Nieren der älteren Organspender werden zunächst in der Organspenderegion angeboten, aus der der Spender gemeldet wurde. Erst wenn dort keine Vermittlung des Organs zustande kommt, werden die Organe dann national und, falls erforderlich, im Eurotransplantbereich vermittelt. Die Möglichkeit der Organzuteilung über die normale Allokation bleibt für den älteren Empfänger auf der Warteliste erhalten.

Zoom Image
#

Weitere Vorträge rundeten das Spektrum ab

#

HLA-Diagnostik

In ihrer Präsentation ging Dr. Silke Monien, Berlin, auf die aktuellen Methoden der HLA-Diagnostik ein: die HLA-Typisierung, die HLA-Antikörperdiagnostik und Kreuztests. Ziel der HLA-Diagnostik ist es, das Risiko einer Transplantatabstoßung zu minimieren.

#

Hyperparathyreoidismus

PD Nada Rayes, Berlin, erläuterte in ihrem Vortrag den Hyperparathyreoidismus (HPT) und stellte die chirurgischen Möglichkeiten vor (Abwägung zwischen subtotaler und totaler Parathyreoidektomie). Mit eindrucksvollen Bildern präsentierte sie beide Operationsmethoden und zeigte auf, wann man sich für welche OP entscheidet.

#

Patientenschulung

Esther Ziemann, Berlin, hielt einen Vortrag zur stationären Pflege nach einer Nierentransplantation. Sie erläuterte kurz die stationäre Vorbereitung und die postoperative Pflege. Ein wichtiger Bestandteil der Arbeit auf der Station ist die Schulung der Patienten. Nach der Transplantation steht der Patient vor neuen Anforderungen:

  • Verstehen der Behandlungsabläufe

  • exaktes Einhalten der Therapie

  • Überwachung der Abstoßungs- und Infektionszeichen

  • Einhalten der diätetischen Richtlinien

  • regelmäßige Nachkontrolle

Ziemann zeigte anschaulich auf, wie man auf der Station schon früh die Schulung der Patienten durchführt. Ziel ist es, den Patienten sehr gut auf seine neue Lebenssituation vorzubereiten, ihm Ängste zu nehmen und ihn dafür zu sensibilisieren, sich bei Komplikationen frühzeitig zu melden.

#

Langzeitbetreuung in der Ambulanz

Über die Langzeitbetreuung in der Ambulanz berichtete Hanna Zobel, Berlin. Bei jedem transplantierten Patienten wird ein individuelles Abschlussgespräch geführt. Wichtige Themen des Entlassungsgespräches sind vor allem die regelmäßige Medikamenteneinnahme, das Erkennen von Körpersignalen, regelmäßige Dokumentation der wichtigsten Parameter (Blutdruck nach Riva-Rocci, Puls, Temperatur, Gewicht, Urinausscheidung), Verhalten im häuslichen Umfeld, ausreichende Trinkmenge, Nahrungsempfehlungen, Umgang mit Haustieren, Vermeidung von zusätzlichen Noxen (Alkohol, Rauchen etc.), Aufklärung über allgemeine Verhaltensmaßregeln und natürlich wird der Ablauf bei der 1. ambulanten Vorstellung besprochen. Am wichtigsten ist jedoch, die Ängste vor dieser neuen Situation zu nehmen.

#

Sport erhöht die Lebensqualität

Sebastian Roskos, Berlin, zeigt uns in seinem Vortrag, wie wichtig Sport für ein gutes Lebensgefühl ist. Geeignete Sportarten nach einer Transplantation sind zum Beispiel Gehen (Walken), Joggen, Fahrradfahren, Schwimmen, Tanzen, Entspannungsübungen, Gymnastik und Bewegungsspiele. Er gab Einsteigertipps für sportliche Aktivitäten: Dies waren Rücksprache mit dem Arzt, sich bewusst Zeit nehmen (kein Einkauf), langsam anfangen (man kann sich dabei unterhalten), Häufigkeit erhöhen (3-4-mal pro Woche), Dauer erhöhen, Intensität erhöhen, Regeneration nicht vergessen und auf den Körper hören.

Schließlich schilderte ein Ehepaar, bei dem die Frau eine Niere für ihren Mann gespendet hatte, ihre Eindrücke und das Erleben der Transplantation. Das einhellige Resümee der Teilnehmer war: "Macht so eine Veranstaltung wieder".

Petra Hecker, Berlin

Zoom Image

Geschäftsstelle

Arbeitskreis Transplantationspflege e. V.

Petra Hecker

Gregoroviusweg 12

10318 Berlin

Tel.: 030/5030814

Fax.: 030/50176800

Email: info@aktxpflege.de

Internet: www.aktxpflege.de

 
Zoom Image
Zoom Image
Zoom Image