Zeitschrift für Phytotherapie 2009; 30(5): 250-252
DOI: 10.1055/s-0029-1242928
Praxis
Behandlungsprobleme
© Hippokrates Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Appetitlosigkeit

Karin Kraft
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Publication Date:
09 November 2009 (online)

Vorbemerkungen

Hunger ist eine unangenehme körperliche Empfindung, die die biologische Funktion hat, die ausreichende Versorgung des Organismus mit Nährstoffen und Energie sicherzustellen. Das Hunger- und das Sättigungszentrum im Hypothalamus werden durch Blutzucker- und Insulinspiegel und die zirkulierenden Konzentrationen von Ghrelin und Leptin beeinflusst. Diese Zentren regulieren über das autonome Nervensystem vorwiegend parasympathisch die Magenmotorik und die Ausschüttung von Magen- und Duodenalsekreten.

Vom Hunger zu unterscheiden ist der Appetit, der ein psychisches Phänomen ist. Appetit kann bewirken, dass auch trotz deutlicher Sättigungssignale infolge von geschmacklichen Präferenzen weiter gegessen wird, bzw. dass andererseits wegen eines Ekelgefühls ein bestimmtes Nahrungsmittel trotz Hungers nicht gegessen wird. Die Steuerung des Appetits findet im limbischen System statt, das für Emotionen und damit auch für die emotionale Komponente der Geschmackswahrnehmung zuständig ist.

Der Geschmackssinn kontrolliert die Nahrungsaufnahme über den Appetit und die reflektorischen Vorgänge im oberen Gastrointestinaltrakt (Speichelsekretion, kephalische Phase der Magensaftsekretion, Würgereflex). Für die bittere Geschmacksrichtung liegt die Wahrnehmungsschwelle am niedrigsten. Ein leichter Bittergeschmack wird bei den meisten Menschen mit zunehmendem Lebensalter geschätzt. Ein starker Bittergeschmack löst dagegen Würge- und Brechreflexe aus. Das Gemüse früherer Zeiten war übrigens wesentlich reicher an Bitterstoffen, denn aus den heutigen Gemüsesorten und anderen Nahrungsmitteln ist zugunsten eines »angenehmeren«, süßeren Geschmacks der Großteil der Bitterstoffe herausgezüchtet worden.

Pflanzliche Bitterstoffe können ganz unterschiedliche chemische Strukturen haben. Der Bittergeschmack wird durch Bitterrezeptoren (hTAS2-Rezeptoren) ausgelöst, die vor allem in den Wallpapillen am Zungengrund vorkommen. Bei einem Bitterreiz setzen die Wallpapillen Signale frei, die afferente A- und C-Fasern des N. glossopharyngeus und N. vagus reizen. Eine Schädigung des N. glossopharyngeus nach Operationen (z. B. einer Tonsillektomie) kann zum weitgehenden Verlust des Bittergeschmacks führen.

Phytotherapeutische Maßnahmen

Bitterschmeckende Drogen (Bittermittel), die von einem angenehmen Geschmackserlebnis begleitet werden, können zur Stimulation von Appetit und gastroduodenaler sowie biliärer Sekretion eingesetzt werden. Sie werden deshalb traditionell bei gastrointestinalen Beschwerden angewendet. Außerdem können sie über die Stimulation der Magensaftproduktion die Belastung mit pathologischen Keimen in der Nahrung reduzieren. Sie sollen zudem immunmodulierend und stimmungsaufhellend wirken.

Prof. Dr. med. Karin Kraft

Lehrstuhl für Naturheilkunde der Universität Rostock

Klinik und Poliklinik für Innere Medizin

Ernst-Heydemann-Str. 6

18057 Rostock

Email: karin.kraft@med.uni-rostock.de

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