DO - Deutsche Zeitschrift für Osteopathie 2009; 7(04): 1
DOI: 10.1055/s-0029-1242517
Editorial
Hippokrates Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG Stuttgart

Legitimitätskrise osteopathischer Institutionen?

Rainer Breul
,
Marina Fuhrmann
,
Karl-Ludwig Resch
,
Roger Seider
,
Peter Wührl
Weitere Informationen

Prof. Dr. rer. nat. med. habil. Rainer Breul
D.O. M.R.O., Doctor of Osteopathic Education (h.c.), A.?T. Still University of Health Science, USA

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
22. Oktober 2009 (online)

 

    Es ist einiges in Bewegung geraten im Gewebe osteopathischer Institutionen. Offenbar braucht Osteopathie Bewegung, um sich selbst gewahr zu werden. Ausgefuchste Kliniker könnten die Verdachtsdiagnose Hyperaktivität stellen und fragen: Welche Form der Bewegung braucht sie, um den inneren Fluss der Säfte aufrecht zu erhalten? Sind es tektonische Plattenverschiebungen, die dem Patienten Osteopathie guttun? Braucht er selbstgefährdendes, kranialrhythmisches Head Banging? Tritt ersehnte Ruhe nach eigenkonvulsivischen Erschütterungen ein? Den Kliniker würde noch interessieren: Wie steht es mit der Bewegung der Gedanken, dem denkenden Mitteilen und zuhörenden Mitbewegen bei der Denk– und Formulierarbeit der anderen? Dem osteopathischen Blick auf die Gesundheit wird auffallen, wie schnell die Selbstheilungskräfte des Patienten die Erschütterungen der letzten Monate aufgefangen haben: Dem hektischen Hin und Her folgten Positionsbildung und erneute Grenzziehung. Schnell ging es, elegant war es nicht. Die kontroverse Diskussion war ein guter Anfang, aber auch holprig und für Außenstehende nicht immer einsichtig, um welche Sache gestritten wurde. Gehen wir vom symptomatischen Ausdruck des Krankheits– und Konfliktverlaufs aus, ist anzunehmen, dass der Umgang der osteopathischen Institutionen untereinander dem entspricht, was innerhalb der Institutionen praktiziert wird. Stimmt diese Vermutung, ist es zumindest fraglich, ob der offiziellen Position eine interne, offene und informierte Diskussion vorausging. Wer im eigenen Haus breit und offen über unterschiedliche Interessen und Sichtweisen diskutiert, trägt zu einem vielgestaltigen, diskursiven und repräsentativen Gesamtbild Osteopathie bei.

    Die Diskussion um die WPO hat gezeigt, wie viele verschiedene Sichtweisen, Interessen und Persönlichkeiten das osteopathische Feld bestimmen. Aus dieser Vielfalt sollten wir das Beste machen. Problematisch ist allerdings im Namen der Osteopathie zu sprechen, wenn es um eigene berufs– oder marktpolitische Interessen geht. Hier würde mehr Transparenz dazu beitragen, die gemeinsame Sache Osteopathie zu kultivieren.

    Die in den Bruchlinien der letzten Monate entstandene Unsicherheit ist greifbar: Wer spricht eigentlich in wessem Interesse und Auftrag? Wo ist die Stimme der Basis: Hat sich die beitragszahlende Mitgliedschaft verabschiedet oder fühlt sie ihre Interessen entsprechend vertreten? Die Krise der Legitimation osteopathischer Institutionen zwingt uns die Fragen grundsätzlich zu stellen: Gibt es legitime Formen der Repräsentation in der osteopathischen Landschaft? Gibt es legitimierte osteopathische Institutionen? Ein spontanes und uneingeschränktes „Ja” auf diese Fragen fällt im Moment einigen schwer.

    Von außen betrachtet gleicht die osteopathische Welt einem undurchdringlichen Dschungel. Verwirrend wird es, wenn die Akteure nicht für sich und miteinander, sondern füreinander sprechen. Für andere zu sprechen ohne legitimierenden, demokratischen Prozess ist eine Untugend.

    Was müsste geschehen, um die Krise kreativ zu wenden? Wir könnten uns wieder auf das Verbindende besinnen; ab sofort zum kritischen Dialog und konstruktiven Handeln im demokratischen Meinungsbildungsprozess einladen. So könnte das (halbleere) Glas schnell überlaufen und sprudelnde Wellen die müden Knochen der osteopathischen Berufspolitik bewegen.


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    Prof. Dr. rer. nat. med. habil. Rainer Breul
    D.O. M.R.O., Doctor of Osteopathic Education (h.c.), A.?T. Still University of Health Science, USA