An der rheumatischen Erkrankung Morbus Adamantiades-Behçet (MAB) erkranken bestimmte
Migranten hierzulande 20-mal häufiger als Deutschstämmige. In der Türkei ist der Anteil
an der Gesamtbevölkerung noch um ein Vielfaches höher. Genaue Ursachen dieser mitunter
tödlich verlaufenden Krankheit sind bislang unklar.
Umwelteinflüsse und Viren als Krankheitsauslöser?
Umwelteinflüsse und Viren als Krankheitsauslöser?
Morbus Behçet gehört zu den entzündlichen rheumatischen Gefäßerkrankungen: Die körpereigene
Abwehr greift die Blutgefäße der Organe an. Sichtbar wird die Krankheit zunächst in
Form schmerzhafter Wunden in der Mundschleimhaut. Ähnliche Geschwüre treten auch im
Genitalbereich auf. Oft bildet die Haut rote Knötchen. In 80 % der Fälle geht die
eitrige Entzündung auf die Augen über. Etwa die Hälfte der Patienten erblindet daran.
Bei der Erstdiagnose hilft der sogenannte "Katzenellenbogen-" oder "Pathergie-Test":
Nach Injektion einer Salzlösung in die Haut bildet sich bei 30 % der Patienten innerhalb
von 2 Tagen ein Knötchen.
In keinem anderen Land der Erde erkranken so viele Menschen an einem MAB wie in der
Türkei: Auf 100 000 Einwohner kommen dort 80 370 Erkrankte. Auch im Orient bis nach
Korea und Japan ist er verbreiteter als in der übrigen Welt, weshalb Ärzte ihn häufig
als "Erkrankung der Seidenstraße" bezeichnen. Wissenschaftler führen diesen räumlich
begrenzten Ursprung auf die Gene der dort lebenden Menschen zurück: Das Gen HLA-B51
scheint bei ihnen die krankhafte rheumatische Immunreaktion zu begünstigen. Türkische
Einwanderer und deren Nachfahren erkranken hierzulande jedoch seltener: Experten schätzen
die Häufigkeit auf 21 pro 100 000. Dies stützt die Annahme der Forscher, dass Umwelteinflüsse
und auch Viren die Krankheit auslösen. Unter Deutschstämmigen sind weniger als einer
von 100 000 betroffen.
Gezielt die körpereigene Abwehr blockieren
Gezielt die körpereigene Abwehr blockieren
Leichter Morbus Behçet lässt sich mit Kortison behandeln. Bei schweren Verläufen und
bei einer Erkrankung der Augen setzten Ärzte - wie in der Therapie entzündlich rheumatischer
Erkrankungen üblich - ergänzend Medikamente ein, die gezielt die körpereigene Abwehr
blockieren. Dies wirkt sich jedoch auf das gesamte Immunsystem des Patienten aus und
macht ihn anfällig für Infekte. Derzeit prüfen Wissenschaftler im Rahmen der INCYTOB-Studie
den Einsatz von Interferon, das auch in der Krebstherapie eingesetzt wird. Unter Leitung
der Universität Tübingen beteiligen sich mehr als 20 deutsche Behandlungszentren an
der Studie.
Seit 1990 registriert in Deutschland ein Patientenregister alle Fälle von Morbus Behçet.
Von etwa 1,7 Millionen Türken in Deutschland leben etwa 65 000 in Köln. Im Rahmen
des 37. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRH), der vom 23.
bis 26. September 2009 in Köln stattfindet, diskutieren Experten u. a. Unterschiede
in der Häufigkeit des Morbus Behçet und vergleichen die Versorgung von Betroffenen
in der Türkei und in Deutschland.