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DOI: 10.1055/s-0029-1240843
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Rechtliche Aspekte in der Notfallmedizin – Teil 2
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
10. März 2010 (online)

Kernaussagen
Ärzte, die in den Notarztdienst eingebunden sind, haben gegenüber den (Notfall-)Patienten eine sog. Garantenstellung, d. h. die Pflicht zur Übernahme der ärztlichen Versorgung unter Inkaufnahme gewisser mit der ärztlichen Aufgabe verbundenen Gefahren, verlangt wird aber nicht, dass die Ärzte sich in konkrete (Lebens-)Gefahr begeben.
Kommt ein Patient durch ein pflichtwidriges Untätigbleiben zu Schaden und wäre dieser Schaden durch pflichtgemäßes Handeln vermieden worden, dann droht dem (Not-)Arzt ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Körperverletzung bzw. Tötung durch Unterlassen. Das bloße Untätigbleiben bei einem Unglücksfall kann auch dann, insbesondere wenn keine Garantenstellung vorliegt, für jeden, u. U. also auch für den Arzt, zur Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung nach § 323 c StGB führen. Diese Hilfeleistungspflicht entfällt nur, wenn sichere Gewähr für andere, ausreichende Hilfe besteht oder die Hilfe von vornherein aussichtslos ist. Die Weigerung des einsichtsfähigen, um die Bedeutung seiner Entscheidung für sich wissenden Patienten, der eine Behandlung insgesamt oder einzelne Bestandteile ablehnt, setzt der ärztlichen Hilfspflicht Grenzen.
Ist der Patient nicht einwilligungsfähig und sind die Maßnahmen zeitlich dringlich, so ist nach dem mutmaßlichen Willen des Patienten zu entscheiden – wobei im Zweifel „in dubio pro vita“ gelten dürfte – soweit ein vom Patienten bevollmächtigter Vertreter (Vorsorge-/Gesundheitsvollmacht) oder ein vom Betreuungsgericht bestellter Betreuer nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung steht.
Eine Ausnahme macht die Rechtsprechung bei Suizidpatienten: Ihre Entscheidung erkennt die Rechtsprechung nicht an; sie geht davon aus, dass der Arzt zur Rettung und Behandlung eines Suizidanten verpflichtet ist.
Bei nicht einsichtsfähigen, unkooperativen Patienten findet die Hilfeleistungspflicht ihre Grenze in der Zumutbarkeit weiterer Maßnahmen für Arzt und Rettungsdienstpersonal. Wo die Grenze der Zumutbarkeit zu ziehen ist, lässt sich nicht generell, sondern nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und vor dem Hintergrund beurteilen, dass z. B. die Hilfskräfte der Polizei ihrerseits hilfspflichtig sind und den Arzt bei seinen Maßnahmen zu unterstützen haben, damit die Untersuchung und Behandlung ohne Gefahr für den Arzt wie für den Patienten durchgeführt werden können.
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