Dialyse aktuell 2009; 13(7): 354
DOI: 10.1055/s-0029-1239639
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Die elektronische Gesundheitskarte

Der Deal mit den Daten
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Publication Date:
10 September 2009 (online)

 
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Die Gesundheitsministerin Ulla Schmidt und die Kanzlerin Angela Merkel wollen die elektronische Gesundheitskarte, die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Krankenkassen auch, der Deutsche Pflegerat verspricht sich ebenfalls positive Signale. Nur die Ärzte wollen sie nicht. Und die meisten Patienten wissen gar nicht, was auf sie zukommt. Auf der Karte werden sensible Daten gespeichert, wobei die Datensicherheit nicht gewährleistet ist und daraus Benachteiligungen der Patienten möglich sind. Der fnb ist daher gegen die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte.

Die Karte wird den Steuerzahler laut Bundesrechnungshof 19 Milliarden Euro kosten. Bereits in der Erprobungsphase im Jahr 2008 wurden viele Millionen Euro ausgegeben. Bei 80 Millionen Bürgern in Deutschland wird dieses Stückchen Plastik jeden Bürger 237 Euro und 50 Cent kosten. Wir haben anscheinend zu viel Geld, oder? Ulla Schmidt betont immer den Nutzen: "Ein wichtiges Instrument zur Verbesserung der Lebensqualität der Patienten". Auf Nachfragen kritischer Journalisten wird immer die Vermeidung von Doppeluntersuchungen oder die Arzneimittelsicherheit angegeben. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

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Was und wo wird gespeichert?

Es werden Art und Anzahl der Erkrankungen, Anamnesen, Diagnosen, Röntgenaufnahmen, Prognosen und Einschätzungen dokumentiert. Gespeichert werden sollen ebenfalls persönliche Daten wie familiäre, berufliche und finanzielle Umstände - Daten, die Sie Ihrem Arzt "vertraulich" mitgeteilt haben. Jetzt haben Krankenhäuser, Arztpraxen, Zahnärzte, Apotheker, Krankengymnasten und eben auch Krankenschwestern Zugriff auf diese Daten.

Aber damit nicht genug: Alle Daten werden in einer zentralen Datenbank gespeichert unter einer Nummer, die dem Menschen zugeordnet werden kann. So sollen in irgendeiner Praxis oder Klinik über die Onlineanbindung alle Daten des Patienten erscheinen, so denn das System stabil ist. Die Ablehnung der Ärzteschaft ist begründet: Wird ein solcher Server geknackt, wäre der Schaden für die Betroffenen groß.

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Benachteiligungen und Datenklau?

Ein Szenario: Sie hatten aufgrund einer privaten Krise ein Alkoholproblem, haben einen Entzug gemacht, sind wieder trocken und bewerben sich für einen neuen Job. Ihr neuer Arbeitgeber recherchiert in der Datenbank und findet sicher ein gutes Argument, Ihnen den Job nicht zu geben. Oder: Ein nierenkranker Patient mit Diabetes mellitus möchte einen Bankkredit für den Bau seines Hauses. Die Bank wirft einen Blick in die Akte und unser Patient bekommt bestimmt ganz besonders gute Konditionen aufgrund seiner gesundheitlichen Risiken. Klingt das unrealistisch? Der IT-Sicherheitsexperte für Wirtschaft, Thomas Maus, sieht Sicherheitspannen ohne Ende, unbefugte Eingriffe und Datenraub in bisher nicht bekanntem Ausmaß und verweist auf aktuelle Datenräubereien.

Auf dem Ärztekongress 2007 haben die Ärzte ihre Ablehnung begründet: Sie sehen das Arzt-Patienten-Verhältnis durch die Speicherung sensibler Daten in zentralen Rechnern schwer beschädigt oder zerstört. Außerdem sei die Klassifizierung der Patienten in Risikogruppen, die sie ihr ganzes Leben lang begleiten, eine Benachteiligung, wenn sie Versicherungsverhältnisse erlangen wollen. Außerdem gebe es die Gefahr des Zugriffs Dritter auf diese Daten und deren Missbrauch. Und die Ärzte sehen keinerlei belegbaren medizinischen Nutzen, jedoch eine Behinderung der Praxisabläufe. Schließlich müssen die Geräte für das Einlesen von den Ärzten finanziert werden - pro Praxis belaufen sich die Kosten auf bis zu 10 000 Euro.

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Registrierung ja - aber nicht um jeden Preis

Und welche Vorteile sieht der Deutsche Pflegerat (DPR)? Falls Pflegekräfte Zugriffsrechte auf die Karte bekommen, müssen sie registriert sein. Die Forderung nach einer Registrierungspflicht erhebt der DPR seit langer Zeit, zu Recht. Die Gesundheitskarte wäre für dieses Ziel Erfüllungsgehilfe. Der fnb unterstützt die Forderung nach einer Registrierung der Pflegekräfte: Wir sehen dies im Rahmen der beruflichen Professionalisierung als notwendig an. Aber nicht um jeden Preis. Wir lehnen die Gesundheitskarte ab. Sie ist ein Eingriff in die Grundrechte jedes Bürgers und muss verhindert werden. Profiteure der Karte sind wohl Unternehmen der IT-Branche. Mit der Karte erfolgt Wirtschaftsförderung im großen Stil.

Der aktuelle Stand ist folgender: In Nordrhein Westfalen erhalten die Versicherten noch in diesem Jahr die elektronische Gesundheitskarte - oder das, was von dieser übrig geblieben ist. Denn das Prestigeobjekt der Bundesregierung musste wegen vieler ungelöster Probleme ganz schön Federn lassen: Übriggeblieben ist für den Start eine Plastikkarte mit Foto und Mikrochip, der die Stammdaten der Versicherten speichern kann. Allerdings ist keine Onlineanbindung vorgesehen. Und ob die Versicherten bereit sind, ihr Foto den Krankenkassen zu schicken, bzw. ob sie dazu verpflichtet werden sollen, ist ebenfalls noch nicht sicher.

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Ablehnung der Gesundheitskarte

Was können wir tun? Wir werden dem DPR die Gründe für unsere Ablehnung mitteilen und stellen uns auf die Seite der Ärzte und der Patienten. Dieses Projekt wurde noch nicht zu den Akten gelegt, weil die Bundesregierung unbeirrt daran festhält. Aber die nächsten Wahlen kommen bestimmt. Fragen Sie die Abgeordneten nach deren Meinung und Abstimmungsverhalten. An der Wahlurne sind Sie der entscheidende Faktor.

Christa Tast, Stuttgart

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