Zusammenfassung
Wenn die Frage gestellt wird, welche Determinanten die Gesundheit am stärksten beeinflussen,
dann ist die Antwort relativ einfach. Es sind die sozialen Determinanten wie Bildung,
Einkommen und Arbeitsplatz. Umstritten ist allerdings, ob soziale Faktoren mit oder
ohne psychosoziale Vermittlung den Gesundheitsstatus beeinflussen. Im Rahmen der Gesundheitspsychologie
werden Modelle diskutiert, die erklären sollen, welche psychologischen Variablen das
Gesundheitsverhalten beeinflussen. Hintergrund dieser Modelle ist das Ideal des bürgerlichen
Subjekts, wie es die Philosophie der Aufklärung konzipiert hat. Gesundheit ist nicht
nur etwas Natürliches, sie wird auch beeinflusst durch den sozialen Status. In den
oberen sozialen Schichten ist Gesundheit ein positiver Wert, in den unteren gilt Gesundheit
als weniger bedeutsam. Die Vertreterinnen und Vertreter der höheren sozialen Schichten
versuchen, ihre Idee von Gesundheit den unteren sozialen Schichten aufzuerlegen. Gesundheit
wird zur Pflicht. Menschen, die sich vermeintlich offenkundig gesundheitsabträglich
verhalten, wie Raucher und Adipöse, werden stigmatisiert, weil sie angeblich gegen
zentrale Werte der abendländischen Kultur verstoßen. Im Rahmen von Gesundheitsförderung
wird mehr oder weniger explizit Gesundheit auch als Pflicht begriffen, ohne zu reflektieren,
dass die Pflicht zur Gesundheit das Gegenteil provozieren kann. Wenn Gesundheit zu
Anteilen als individuelle Wahl begriffen werden kann, dann sollte diese individuelle
Wahl respektiert werden. Sie ist nicht nur ein Teil der individuellen Freiheit, sondern
auch der erste Schritt zur Gesundheitsförderung.
Abstract
The question which determinants have the strongest influence on health, may be answered
easily: social determinants like education, income, workplace. But it is not so clear
whether social factors with or without a psychological mediation influence the health
status. Within the topic of health psychology, models are discussed which should explain
whether psychological variables determine health behaviour. The background for these
models is the ideal of the civil subject who was formulated by the philosophy of enlightenment.
Health is not only a question of nature, it is also influenced by the social status.
The representatives of the higher social classes assess health as a positive value.
In the lower social classes, health is not so important. The representatives of the
higher social classes attempt to impose their ideas of health on the people of the
lower classes. Health becomes a duty. People who seem to damage their health, like
smokers or obese people, are stigmatised because it seems to be as if they injure
important values of the western civilisation. Within health promoÂtion, more or less
explicitly health is perceived as a duty, without reflecting that health as a duty
may provoke the opposite result. If health may in part be recognised as an individual
choice, then this choice should be respected. It is not only an element of individual
freedom but also the first step to health promotion.
Schlüsselwörter
Gesundheit - Determinanten - Wert - Entscheidung - Gesundheitsförderung
Key words
health - determinants - value - decision - health promotion
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