Dialyse aktuell 2009; 13(6): 326-328
DOI: 10.1055/s-0029-1237455
Forum der Industrie

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Renale Anämie - Schlüsselfaktoren für die Therapie

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Publication Date:
03 August 2009 (online)

 
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Die Therapie einer Anämie infolge chronischer Niereninsuffizienz muss effektiv und sicher sein. Vor allem die Schwankungen des Hämoglobinspiegels (Hämoglobin: Hb) und das Ansprechen auf eine Therapie mit Erythropoese stimulierenden Arzneimitteln (ESA) scheinen sicherheitsrelevante Faktoren zu sein. Welche Konsequenzen sich daraus für die Therapie ergeben, diskutierten internationale Experten im Rahmen des Roche-Satellitensymposiums anlässlich des World Congress of Nephrology 2009 in Mailand.

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Früh intervenieren!

Bluthochdruck und Hb-Werte unter 12 g/dl (Anämie) seien die häufigsten Komorbiditäten bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz, sagte Prof. Donal O'Donoghue, Salford (Großbritannien). Mit dem Voranschreiten der chronischen Niereninsuffizienz - gemessen als Abnahme der glomerulären Filtrationsrate - nähmen nicht nur diese Komorbiditäten, sondern auch Todesfälle, kardiovaskuläre Ereignisse und Krankenhausaufenthalte zu. Das zeige, wie wichtig die frühzeitige Diagnose und Behandlung sei, um die Progression der chronischen Niereninsuffizienz und ihrer Begleiterkrankungen einzudämmen, so der Nephrologe.

Viele Patienten entwickeln bereits im vermeintlich beschwerdefreien Stadium der chronischen Niereninsuffizienz eine Anämie. Zu einer frühen Therapie gehört daher auch die Behandlung der Anämie, denn sie kann ein Grund für die Zunahme kardiovaskulärer Ereignisse sein. Vor allem Patienten mit Hb-Konzentrationen unter 11 g/dl haben ein erhöhtes Mortalitätsrisiko. Die amerikanische "Kidney Disease Outcomes Quality Initiative" (KDOQI) empfiehlt als Zielwert einer Anämietherapie mit ESA Konzentrationen von 11-12 g Hb/dl für chronisch Nierenkranke, wobei 13 g/dl aus Sicherheitsgründen nicht überschritten werden sollten. Auch die europäische Richtlinie hat diesen Wertebereich inzwischen übernommen.

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Der erzielte Hämoglobinwert ist nicht das Wichtigste

Entgegen anderslautender Meinungen ist Prof. Gilbert Deray, Paris (Frankreich), nicht der Ansicht, dass Untersuchungen zu Hb-Zielwerten nun nicht mehr nötig seien. Den Grund für seine Haltung liefern die Sekundärauswertungen der CHOIR[1]-Studie. Wie sie zeigten, ist das Ansprechen auf ein ESA wichtiger als der tatsächlich erzielte Hämoglobinwert. Auch Kilpatrick et al. [1] hätten eine geringere Mortalität von chronisch Nierenkranken beobachtet, die gut auf Epoetin alfa ansprechen, fasste Deray zusammen. Über die Sicherheit einer ESA-Therapie entscheidet zudem die Variabilität des Hb-Spiegels. Insgesamt liegen laut Deray nur knapp 10 % der Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz mit ESA dauerhaft innerhalb des Richtlinienwertes. Insgesamt ließen sich 6 Variationstypen unterscheiden:

  • stabil niedrige Hb-Werte (< 11 g/dl)

  • stabile Hb-Werte im Richtlinienbereich (11-12,5 g/dl)

  • stabil hohe Hb-Werte (> 12,5 g/dl)

  • variabel bei eher niedrigen Hb-Werten (< 11-12,5 g/dl)

  • variabel bei eher hohen Hb-Werten (< 12,5 bis >12,5 g/dl)

  • stark variable Hb-Werte (< 11 bis > 12,5 g/dl)

Das höchste Mortalitätsrisiko weisen Patienten auf, die konstante Hb-Werte unter 11 g/dl aufweisen, machte Deray in seinem Vortrag deutlich (Abb. [1]). Gutes Ansprechen und stabile Hb-Werte sind 2 Faktoren, die ein niedriges Mortalitätsrisiko bedingen. Im Gegensatz dazu sind schlechtes Ansprechen und hohe Variabilität Faktoren, die das Mortalitätsrisiko erhöhen.

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Abb. 1 Variabilität des Hämoglobinwerts erhöht die Mortalität.

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Bedarf an einfacherer Therapieform

Komorbiditäten und Hb-Variabilität erschweren die Therapie. "41 % der Nephrologen halten die Behandlung der Anämie für kompliziert", fasst Donal O'Donoghue das Ergebnis einer Umfrage unter 369 europäischen Kollegen zusammen. Auch die Grenzwerte der Richtlinie würden nur in 50 % der Fälle eingehalten und deckten häufig einen breiteren Konzentrationsbereich ab als empfohlen. "Hier hat das Antianämikum Mircera® das Potenzial, die Therapie der Anämie zu vereinfachen".

Bei dem Präparat handelt es sich um einen chemisch synthetisierten "Continuous Erythropoetin Receptor Activator" (C.E.R.A.). Er bindet, wie alle rekombinanten ESA auch, an den Erythropoetinrezeptor und stimuliert so die Bildung roter Blutkörperchen. Aufgrund der deutlich höheren Halbwertszeit von C.E.R.A. - 133 Stunden (i.v.-Gabe) gegenüber zum Beispiel 25 Stunden (i.v.-Gabe) bei Darbepoetin - kann das Molekül über längere Zeit kontinuierlich an den Rezeptoren wirken.

Wie aktuelle Studien mit chronisch nierenkranken Patienten ohne vorherige ESA-Therapie zeigen, führt C.E.R.A. zu einem sanften Anstieg des Hb-Spiegels, der sich im Richtlinienbereich zwischen 11 und 13 g/dl stabilisiert [3]. Damit ist C.E.R.A. bei 1-mal monatlicher Applikation im Vergleich zu 1-mal wöchentlich verabreichtem Darbepoetin genauso wirksam.

Positiv hob O'Donoghue hervor, dass bei lediglich einer Verabreichung/Monat die Anzahl der Injektionen - subkutan oder intravenös - auf 12 pro Jahr gesenkt werden könne. Mit Epoetin seien hier bis zu 156 Injektionen nötig. Wie ein Test mit gesunden Probanden zudem ergeben habe, sei die C.E.R.A.-Injektion schmerzarmer als die von Darbepoetin [4]. Das steigere die Compliance, erwartete der Experte.

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Auch Dialysepatienten profitieren

Nur 6,5% der Dialysepatienten mit chronischer Niereninsuffizienz erreichen einen stabilen Hb-Wert innerhalb des Zielbereichs [5]. Je ein Drittel der Dialysepatienten lag 11, 8 bzw. 3 Monate in diesem Bereich, berichtete Prof. Adrian Covic, Iasi (Rumänien). Dabei scheint das renale Überleben von dieser Dauer abzuhängen: Es war bei Patienten, deren Hb-Wert 11 Monate im Zielbereich lag, größer als bei den anderen Patienten. Der tatsächlich erreichte Hb-Wert zeigte dagegen keinen Zusammenhang mit dem Überleben.

"Der wichtigste Risikofaktor hinsichtlich Hb-Schwankungen ist der Arzt", so Covic. Denn 84 % der Hb-Anstiege und 62 % der Abfälle korrelierten mit Dosiserhöhungen bzw. -absenkungen. Auch hier bietet C.E.R.A. einen Vorteil: Wie die gepoolte Auswertung mehrerer Studien ergab, waren signifikant weniger Dosisanpassungen bei dieser Therapie gegenüber herkömmlichen ESA nötig [6]. Denn C.E.R.A. führt auch bei Dialysepatienten zu stabilen Hb-Werten im Zielbereich [7]. Die Anzahl der sogenannten "Overshooter" mit Hb-Werten über 13 g/dl lag mit C.E.R.A. in dieser Patientenpopulation ebenfalls niedriger als mit Epoetin (8,2 versus 17,4 %), wenn auch nur tendenziell (p = 0,095).

Diese Ergebnisse lassen sich gut auf Patienten aus der täglichen Praxis übertragen, die niemals die Einschlusskriterien für eine solche Studie erfüllt hätten. Wie die MIRACEL[2]-Studie belegt [8], kann man Dialysepatienten mit chronischer Niereninsuffizienz sicher und problemlos von einem ESA mit kurzer Halbwertszeit auf das lang wirksame C.E.R.A. umstellen. 84,3 % von ihnen erreichten Hb-Konzentrationen, die um höchstens 1 g/dl schwankten. Eine solche Umstellung habe nicht nur für den Patienten Vorteile, sondern auch für das medizinische Personal, ergänzte Covic. Berechnungen für Deutschland hätten durch die verringerte Anzahl von Injektionen Einsparpotenziale von jährlich fast 2 Stunden pro Patient ergeben [9].

Dr. Daniela Erhard, Stuttgart

Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Roche Pharma AG, Grenzach-Wyhlen.

Die Beitragsinhalte stammen vom Satellitensymposium "Advancing anaemia management: targeting stability, simplifying care" im Rahmen des "World Congress of Nephrology" in Mailand, veranstaltet von der F. Hoffmann-La Roche AG, Basel, Switzerland.

Die Autorin ist Mitarbeiterin des Georg Thieme Verlags, Stuttgart.

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Die MIRACEL-Studie

Die prospektive MIRACEL-Studie wurde in Deutschland durchgeführt und untersuchte unter Praxisbedingungen, wie sich die Umstellung von einem kurz auf das lang wirksame ESA ("erythropoietin stimulating agents") C.E.R.A. auf die Stabilität der Hämoglobinspiegel von chronisch Nierenkranken auswirkt.

Alle 424 umgestellten Patienten hatten vor Studienbeginn zunächst bis zu 1-mal alle 14 Tage Epo etin (72 %) oder Darbepoetin (28 %) erhalten. Nach einer Screeningphase wurden diese Patienten auf die 1-mal monatliche Gabe von C.E.R.A. umgestellt. Im Anschluss an eine 5monatige Titrationsphase wurden über einen 2-monatigen Zeitraum (3 Messpunkte) die Hämoglobinspiegel bestimmt.

Bei 31 % der Patienten lagen die Hb-Werte während der gesamten Evaluationsphase zwischen 11 und 12, 5 g/dl, bei 76 % lagen diese zwischen 10 und 13 g/dl. Der mittlere Hämoglobinspiegel blieb während der gesamten Studiendauer stabil, die durchschnittlichen Hämoglobinwerte lagen in den 3 Phasen bei 11,7, 11,6 bzw. 11,4 g/dl. Die Schwankungen der Hämoglobinspiegel blieben nach der Umstellung auf die 1-mal monatliche Applikation von C.E.R.A. gering: Bei mehr als 4 Fünftel der Patienten (83 %) variierten die Hämoglobinspiegel in der Evaluationsphase um höchstens 1 g/dl.

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Literatur

  • 01 Kilpatrick RD . Critchlow CW . Fishbane S . et al . Greater epoetin alfa responsiveness is associated with improved survival in hemodialysis patients.  Clin J Am Soc Nephrol. 2008;  3 1077-1083
  • 02 Gilbertson DT . Ebben JP . Bradbury B . et al . The effect of hemoglobin (Hb) variability and trends on mortality.  J Am Soc Nephrol. 2006;  17 582A (abstract SA-PO032)
  • 03 Macdougall IC . Walker R . Provenzano R . et al . C.E.R.A. corrects anemia in patients with chronic kidney disease not on dialysis: results of a randomized clinical trial.  Clin J Am Soc Nephrol. 2008;  3 337-347
  • 04 Pannier A . Jourdan P . Dougherty FC . et al . Subcutaneous injection pain with C.E.R.A., a continuous erythropoietin receptor activator, compared with darbepoetin alfa.  Curr Med Res Opin. 2007;  23 3025-3032
  • 05 Ebben JP . Gilbertson DT . Foley RN . Collins AJ . Hemoglobin level variability: associations with comorbidity, intercurrent events, and hospitalizations.  Clin J Am Soc Nephrol. 2006;  1 1205-1210
  • 06 Mann et al . EDTA 2006 (Abstract SP369). 
  • 07 Klinger M . Arias M . Vargemezis V . et al . Efficacy of intravenous methoxy polyethylene glycol-epoetin beta administered every 2 weeks compared with epoetin administered 3 times weekly in patients treated by hemodialysis or peritoneal dialysis: a randomized trial.  Am J Kidney Dis. 2007;  50 989-1000
  • 08 Fliser D . WCN 2009; Poster M559. 
  • 09 Saueressig U . Sapède C . De Cock E . Staff time and costs for anaemia management with erythropoietic stimulation agents in patients on haemodialysis. ERA-EDTA 2007. 

01 Correction of Hemoglobin and Outcomes in Renal Insufficiency

02 Once-Monthly Intravenous Mircera in Hemodialysis Patients With Chronic Renal Anemia

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Literatur

  • 01 Kilpatrick RD . Critchlow CW . Fishbane S . et al . Greater epoetin alfa responsiveness is associated with improved survival in hemodialysis patients.  Clin J Am Soc Nephrol. 2008;  3 1077-1083
  • 02 Gilbertson DT . Ebben JP . Bradbury B . et al . The effect of hemoglobin (Hb) variability and trends on mortality.  J Am Soc Nephrol. 2006;  17 582A (abstract SA-PO032)
  • 03 Macdougall IC . Walker R . Provenzano R . et al . C.E.R.A. corrects anemia in patients with chronic kidney disease not on dialysis: results of a randomized clinical trial.  Clin J Am Soc Nephrol. 2008;  3 337-347
  • 04 Pannier A . Jourdan P . Dougherty FC . et al . Subcutaneous injection pain with C.E.R.A., a continuous erythropoietin receptor activator, compared with darbepoetin alfa.  Curr Med Res Opin. 2007;  23 3025-3032
  • 05 Ebben JP . Gilbertson DT . Foley RN . Collins AJ . Hemoglobin level variability: associations with comorbidity, intercurrent events, and hospitalizations.  Clin J Am Soc Nephrol. 2006;  1 1205-1210
  • 06 Mann et al . EDTA 2006 (Abstract SP369). 
  • 07 Klinger M . Arias M . Vargemezis V . et al . Efficacy of intravenous methoxy polyethylene glycol-epoetin beta administered every 2 weeks compared with epoetin administered 3 times weekly in patients treated by hemodialysis or peritoneal dialysis: a randomized trial.  Am J Kidney Dis. 2007;  50 989-1000
  • 08 Fliser D . WCN 2009; Poster M559. 
  • 09 Saueressig U . Sapède C . De Cock E . Staff time and costs for anaemia management with erythropoietic stimulation agents in patients on haemodialysis. ERA-EDTA 2007. 

01 Correction of Hemoglobin and Outcomes in Renal Insufficiency

02 Once-Monthly Intravenous Mircera in Hemodialysis Patients With Chronic Renal Anemia

 
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Abb. 1 Variabilität des Hämoglobinwerts erhöht die Mortalität.

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