Peter Müller: Zeitzeuge der Medizin - Im Gespräch mit dem Internisten Walter Siegenthaler.
Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2009. 172 Seiten, 95 Abbildungen, gebunden. 39,95 Euro
(D)/41,10 Euro (A)/67,90 CHF. ISBN 978-3-13-146861-1
Ein wissenschaftliches Werk zu rezensieren gehorcht immer einer gewissen Systematik.
Zunächst wird der Aufbau des Buches geprüft, dann die Übersichtlichkeit der Gliederung.
Ist bei "Vielmänner(Frauen)büchern" der einheitliche Duktus gewahrt oder folgt dieser
in den einzelnen Kapiteln unterschiedlichen Regeln. Wie steht es um die Aktualität
der wissenschaftlichen Aussagen. Ist das Buch schon beim Erscheinen veraltert. Sodann
muss man sich mit der didaktischen Qualität des Buches auseinandersetzten, kommt das,
was ausgesagt werden soll, sowohl sprachlich als auch in der Bebilderung und dem optischen
Leitsystem durch das Buch herüber. Und letztlich auch, sind die Ausstattung des Buches,
wie Papier- und Druckqualität im Verhältnis zum Preis angemessen. Am Ende dieser Prüfsequenz
steht ein Urteil.
Alles dies ist auf die Besprechung des Buches von Peter Müller über Prof. Dr. Walter
Siegenthaler nicht anwendbar, da es auf Gesprächen von Peter Müller mit Siegenthaler,
den Schilderungen von Zeitzeugen und Weggefährten beruht. Für mich als Rezensenten
dieses Buches kommt hinzu, dass ich Walter Siegenthaler seit Mitte der 70er Jahre
von den damaligen Kongressen der Bundesärztekammer in Davos kenne, ihn einmal im Jahr
in der Regel anlässlich des Internistenkongresses in Wiesbaden treffe und daher eine
persönliche Beziehung zur Person Siegenthaler habe. Daher kann ich die sehr feinfühlige
Auswahl der Zeitzeugen und Weggefährten durch Peter Müller, die das Schaffen von Walter
Siegenthaler begleitet haben und über ihn berichten, nur als ausgesprochen gelungen
bezeichnen.
Die Berichte über das Leben und die Person von Walter Siegenthaler charakterisieren
den Menschen, den ich kennen lernen durfte und der mich nicht nur über seine unverzichtbaren
Bücher als Student und später die Medizin ausübender Arzt beeinflusste. Immer noch
denke ich daran, wie mir Walter Siegenthaler bei meinen ersten Gehversuchen in Davos
- damals noch stud. med. - und als Hilfsreferent meines notfallmedizinischen Lehrers
Christoph Biesing in ersten eigenen Vorlesungs- und Übungsteilen in der Notfallmedizin
tätig, in seiner nie wieder anderswo erlebten Art Hinweise gab, wie ich Präzision
der Aussage und Didaktik verbessern könne.
Siegenthaler war immer präsent, streifte durch alle Vorlesungen und Seminare und hatte
keinerlei Scheu in seiner klaren und präzisen Sprache im Schweizer Dialekt, höflich
aber bestimmt, auch Ordinarien die Schweißperlen auf die Stirn zu treiben, wenn Aussage,
Wissenschaftlichkeit und Didaktik seinen Anforderungen nicht genügten.
Im ersten Teil des Buches wird die Karriere von Siegenthaler nach dem Medizinstudium
in Zürich in der Schweizer Armee beschrieben. Ich glaube, dass planerische Disziplin,
Klarheit der Gedanken, Beharrlichkeit und Erfolg bei der Umsetzung gesteckter Ziele
in der akademischen Laufbahn von Walter Siegenthaler auch einen Schlüssel in der militärischen
Ausbildung haben. Und so entwickelte sich eine stetig nach oben weisende akademische
Laufbahn von Zürich über St. Gallen in die USA und wieder zurück nach Zürich, dann
nach Bonn, wo er an der Medizinischen Klinik und Poliklinik der Universität Bonn das
erste Ordinariat erhielt. 1971 wechselte er vom Rhein wieder an den Zürichsee, um
dort den Lehrstuhl für Innere Medizin und das Direktorat des Departements für Innere
Medizin der Universität Zürich zu übernehmen, von wo er 1991 emeritiert wurde. Die
medizinischen Schwerpunkte Siegenthalers galten dem Elektrolythaushalt und dem Aldosteron,
den Infektionskrankheiten und der Chemotherapie von Tumoren. Auch die beiden Bücher,
die Walter Siegenthaler berühmt gemacht haben, erschienen in der Bonner und der Züricher
Zeit: Die klinische Pathophysiologie und die Differenzialdiagnose Innerer Krankheiten.
Diese Züricher Jahre waren besonders geprägt durch das Arbeitsteam Walter Siegenthaler
mit seiner Frau Gertrud Zuber-Siegenthaler, die bis in die Feinheiten der Berufsausübung
spürbar waren.
Auch in der Außenvertretung der Inneren Medizin engagierte sich Siegenthaler. So war
er 1983/1984 Präsident der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin und über 14 Jahre
Präsident der Ludwig-Heilmeyer-Gesellschaft. 1981 wurde er auch in die Deutsche Akademie
der Naturforscher Leopoldina gewählt. Geradezu prophetisch warb Walter Siegenthaler
für die Einheit der Inneren Medizin und dies zu Recht, wie die Ereignisse seit dem
Deutschen Ärztetag in Rostock gezeigt haben.
In der Fortbildung wurde er aktiv bei den Seminarkongressen der deutschen Bundesärztekammer
in Davos. Nachdem diese besondere Idee der Fortbildung mit der anwesenden Familie
wegen mangelhafter Weitsichtigkeit der Verantwortlichen eingestellt werden musste,
hob Siegenthaler 1987 den Nachfolgekongress aus der Taufe.
Die Emeritierung war für Walter Siegenthaler nicht etwa der Anlass sich zurückzuziehen.
Im Gegenteil reist er noch viel und hat erkennbare Freude daran, sein Wissen und seine
Erfahrung weiterzugeben.
Die Biografie über Professor Dr. Walter Siegenthaler ist überaus lesenswert. Sie drückt
vor allem Eines aus, den Unterschied zwischen Mediziner und Arzt. Für den Arzt stellt
die Medizin das notwendige Wissen bereit, um dem Patienten ärztliche Kunst gepaart
mit Zuneigung, zuteil werden zu lassen.
Prof. Dr. med. Peter Knuth, Flörsheim