Rofo 2009; 181(7): 712-715
DOI: 10.1055/s-0029-1233268
DRG-Mitteilungen
Radiologie und Recht
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Keine Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen bei einer Gemeinschaftspraxis mit mehreren Fachärzten für Radiologie

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Rechtsanwälte Wigge

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Publication Date:
12 August 2009 (online)

 
Table of Contents

Für einen Radiologen bleibt es nach zwei neuen Entscheidungen des Sozialgerichts Marburg schwer, in den Vorteil einer Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen zu gelangen. Das Sozialgericht hat die Hoffnung auf Sonderregeln von niedergelassenen Radiologen durch seine Urteile erneut gedämpft. Insoweit bleibt abzuwarten, ob diese Rechtsprechung von den höheren Instanzen, insbesondere durch das Bundessozialgericht bestätigt wird.

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Sachverhalt

Das Sozialgericht Marburg entschied am 10.12.2008 in zwei Verfahren über die Frage einer Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen. Geklagt hatte eine Gemeinschaftspraxis, die aus drei Fachärzten für Diagnostische Radiologie besteht (S 12 KA 162/07) und ein Facharzt für Anästhesiologie (S 12 KA 12/08). Mit seiner Klage hatte nur der Facharzt für Anästhesiologie Erfolg.

Das Sozialgericht Marburg kam zu dem Ergebnis, dass allein aus dem Umstand, dass eine Gemeinschaftspraxis mit drei Fachärzten für Diagnostische Radiologie in einem ländlichen Planungsbereich tätig ist, nicht nachvollziehbar wird, weshalb aus diesem Grunde eine Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen erforderlich wäre. Das Sozialgericht stellt daneben in seinem Urteil fest, dass bei Regelleistungsvolumina angesichts der gesetzgeberischen Vorgaben der Gesetzeszweck der Kalkulationssicherheit im Vordergrund steht. Dies gelte insbesondere im Hinblick auf eine begrenzte Gesamtvergütung bei insgesamt steigenden Leistungsanforderungen. Der Anästhesist hingegen war erfolgreich, weil nach Auffassung des Sozialgerichtes Marburg aufgrund der Inhomogenität der Gruppe der Anästhesiologen für einen Anästhesiologen, der im Wesentlichen einem MKG-Chirurgen bei ambulanten Operationen die Anästhesien durchführt, im Rahmen des Regelleistungsvolumens eine Sonderregelung zu treffen ist.

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Regelleistungsvolumina nach dem GKV-WSG

Das Sozialgericht hatte in den Verfahren zunächst Grundsatzfragen zu den Regelleistungsvolumina zu klären. Aus Sicht des einzelnen Arztes bestehe nunmehr eine weitgehende Kalkulationssicherheit. Dies ergibt sich dadurch, dass die Ärzte von den Kassenärztlichen Vereinigungen grundsätzlich nach den Preisen der regionalen Eurogebührenordnung vergütet werden. Von den Krankenkassen sollen aber nur die zusätzlichen Leistungen finanziert werden, die sich aus dem Behandlungsbedarf der Versicherten ergeben, die also medizinisch erforderlich sind. Die Finanzierung von zusätzlichen Leistungen, die medizinisch nicht erforderlich sind, soll vermieden werden. Das sind z. B. Mehrleistungen, die auf Grund einer Zunahme von Arztzahlen entstehen, ohne dass der Behandlungsbedarf der Versicherten angestiegen wäre (angebotsinduzierte Nachfrage). Auch bei Geltung einer Eurogebührenordnung bleibt das arztbezogene Regelleistungsvolumen deshalb als Instrument zur Mengensteuerung im neuen Vergütungssystem erhalten.

Die Abstaffelung soll eine übermäßige Ausdehnung der Tätigkeit des Arztes verhindern und ihn davon abhalten, Leistungen zu erbringen, die medizinisch nicht erforderlich sind. Durch das Instrument des Regelleistungsvolumens wird somit auch sichergestellt, dass die gemäß § 87a SGB V zu vereinbarenden morbiditätsbedingten Gesamtvergütungen die gewünschte steuernde Wirkung entfalten können. Die gesetzlich vorgegebenen Kriterien zur Ausgestaltung des Regelleistungsvolumens in den Absätzen 2 und 3 stellen aber ebenfalls sicher, dass das Regelleistungsvolumen einer Arztpraxis so bemessen ist, dass der einzelne Arzt in der Regel die medizinisch erforderlichen Leistungen im Rahmen seines Regelleistungsvolumens erbringen kann und er sie somit mit den vollen Preisen der Eurogebührenordnung vergütet bekommt.

§ 87b Abs. 2 SGB V definiert die arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumina (RLV) wie folgt:

"(2) Zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Arztes und der Arztpraxis sind arzt- und praxisbezogene Regelleistungsvolumina festzulegen. Ein Regelleistungsvolumen nach Satz 1 ist die von einem Arzt oder der Arztpraxis in einem bestimmten Zeitraum abrechenbare Menge der vertragsärztlichen Leistungen, die mit den in der Eurogebührenordnung gemäß § 87a Abs. 2 enthaltenen und für den Arzt oder die Arztpraxis geltenden Preisen zu vergüten ist. Abweichend von Absatz 1 Satz 1 ist die das Regelleistungsvolumen überschreitende Leistungsmenge mit abgestaffelten Preisen zu vergüten; bei einer außergewöhnlich starken Erhöhung der Zahl der behandelten Versicherten kann hiervon abgewichen werden. Bei der Bestimmung des Zeitraums, für den ein Regelleistungsvolumen festgelegt wird, ist insbesondere sicherzustellen, dass eine kontinuierliche Versorgung der Versicherten gewährleistet ist. Für den Fall, dass es im Zeitablauf wegen eines unvorhersehbaren Anstiegs der Morbidität gemäß § 87a Abs. 3 Satz 4 zu Nachzahlungen der Krankenkassen kommt, sind die Regelleistungsvolumina spätestens im folgenden Abrechnungszeitraum entsprechend anzupassen. [...]"

Der einzelne Arzt wird im Rahmen von einer ihm vorab bekanntzumachenden Obergrenze (Regelleistungsvolumen) mit den Preisen der regional jeweils geltenden regionalen Eurogebührenordnung vergütet. Ist er in über- oder unterversorgten Gebieten tätig, erhält er die spezifischen höheren oder niedrigeren Preise, die dafür in der Eurogebührenordnung ausgewiesen sind. Im Vergleich zu den Vorgaben des GKV-Modernisierungsgesetzes erhält der Arzt nach dem vorliegenden Modell für die im Rahmen des arztbezogenen Regelleistungsvolumens erbrachten Leistungen also die Preise der regionalen Eurogebührenordnung und nicht nur die Zusage auf eine Vergütung mit einem festen Punktwert.

Überschreitet der einzelne Arzt sein Regelleistungsvolumen, so wird er in der Regel mit abgestaffelten Preisen vergütet. Im Gegensatz zur Regelung im GKV-Modernisierungsgesetz wird die Höhe dieser Abstaffelung nicht mehr gesetzlich vorgegeben, sondern die Höhe der Abstaffelung ist vom Bewertungsausschuss zu bestimmen. Der Bewertungsausschuss kann dabei z. B. auch eine nach Leistungsmengen differenzierte Abstaffelung festlegen. Der Selbstverwaltung auf Bundesebene wird somit ermöglicht, die Abstaffelungsregelung entsprechend der damit gemachten Erfahrungen im Zeitablauf flexibel anzupassen, wenn dies erforderlich ist. Die vom Bewertungsausschuss festgesetzte Abstaffelungsregelung muss dabei aber insgesamt dazu geeignet sein, eine übermäßige Ausdehnung der Tätigkeit des Arztes zu verhindern. Zudem muss gewährleistet sein, dass ein Großteil der von den Krankenkassen insgesamt bereitgestellten Honorarsumme (morbiditätsbedingte Gesamtvergütungen) für die Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen im Rahmen der Regelleistungsvolumina, d. h. zur Vergütung der Leistungen mit den Europreisen der regionalen Gebührenordnung, verwendet wird.

Die Abstaffelung soll den Arzt davon abhalten, Leistungen zu erbringen, die medizinisch nicht erforderlich sind. Soweit möglich soll dagegen verhindert werden, dass ein Arzt, der medizinisch erforderliche Leistungen erbringt, in die Abstaffelung rutscht. Um dies zu gewährleisten, sieht § 87b Abs. 2 SGB V eine Reihe von Vorgaben vor: Nach Satz 3 zweiter Halbsatz kann zu Gunsten des Arztes von der Abstaffelung abgesehen werden, wenn es zu einer ungewöhnlich starken Zunahme der Zahl der Versicherten einer Arztpraxis kommt. Dies kann z. B. der Fall sein, wenn ein Arzt kurzfristig die Behandlung von Versicherten eines erkrankten Kollegen übernehmen muss. Es ist Aufgabe der Selbstverwaltung der Ärzte und Krankenkassen auf Bundesebene entsprechende Kriterien für solche Ausnahmen festzulegen.

§ 87b Abs. 3 SGB V gibt vor, wie die Festlegung der RLV durch den Bewertungsausschuss zu erfolgen haben:

"(3) Die Werte für die Regelleistungsvolumina nach Absatz 2 sind morbiditätsgewichtet und differenziert nach Arztgruppen und nach Versorgungsgraden sowie unter Berücksichtigung der Besonderheiten kooperativer Versorgungsformen festzulegen; bei der Differenzierung der Arztgruppen ist die nach § 87 Abs. 2a zu Grunde zu legende Definition der Arztgruppen zu berücksichtigen. Bei der Bestimmung des Regelleistungsvolumens nach Absatz 2 sind darüber hinaus insbesondere

  1. die Summe der für einen Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung nach § 87a Abs. 3 insgesamt vereinbarten morbiditätsbedingten Gesamtvergütungen,

  2. zu erwartende Zahlungen im Rahmen der überbezirklichen Durchführung der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 75 Abs. 7 und 7a,

  3. zu erwartende Zahlungen für die nach Absatz 2 Satz 3 abgestaffelt zu vergütenden und für die nach Absatz 2 Satz 6 und 7 außerhalb der Regelleistungsvolumina zu vergütenden Leistungsmengen,

  4. Zahl und Tätigkeitsumfang der der jeweiligen Arztgruppe angehörenden Ärzte zu berücksichtigen. Soweit dazu Veranlassung besteht, sind auch Praxisbesonderheiten zu berücksichtigen. Zudem können auf der Grundlage der Zeitwerte nach § 87 Abs. 2 Satz 1 Kapazitätsgrenzen je Arbeitstag für das bei gesicherter Qualität zu erbringende Leistungsvolumen des Arztes oder der Arztpraxis festgelegt werden.[...]"

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Besonderheiten für Gemeinschaftspraxis und MVZ

Die Regelleistungsvolumina werden arztbezogen zugewiesen. Arbeiten mehrere Ärzte in einer Praxis, addieren sich die RLV. Das heißt für Gemeinschaftspraxen und Medizinische Versorgungszentren (MVZ): Die vorteilhafte Regelung, dass im Rahmen einer fachübergreifenden Behandlung jeder Arzt aus einer der beteiligten Fachgruppen die Versichertengrund- und konsiliarpauschale in voller Höhe abrechnen darf, bleibt im Rahmen der RLV bestehen. Ein weiterer Vorteil für Gemeinschaftspraxen und MVZ besteht darin, dass dort tätige Ärzte gleicher Arztgruppe ihre RLV untereinander verrechnen können. Wenn also ein Arzt weniger Leistungen erbracht hat, als sein RLV gestattet, kann ein anderer Kollege mehr tun, ohne dass das Honorar abgestaffelt wird. Wenn aber die Leistungen der gesamten Praxis die RLV überschreiten, wird das Honorar abgestaffelt.

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Sonderregelung für das Regelleistungsvolumen

Um einer Abstaffelung zumindest für einen Teil der Leistungen zu entgehen, besteht nach den Honorarverteilungsverträgen grundsätzlich die Möglichkeit, dass Sonderreglungen zum Regelleistungsvolumen auf Antrag durch den Vorstand der jeweils zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung erfolgen, wenn Praxisbesonderheiten eine Sonderregelung verlangen.

Hoffnung auf eine solche Sonderreglung zum Regelleistungsvolumen hatte sich die eingangs erwähnte Gemeinschaftspraxis der Fachärzte für Diagnostische Radiologie in Hessen gemacht. Die letztlich vor dem Sozialgericht Marburg scheiterte. Die Gemeinschaftspraxis stellte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen im Jahre 2005 einen Antrag auf Erhöhung des Regelleistungsvolumens im Großgerätebereich (CT und MRT) auf der Grundlage des für sie geltenden Honorarverteilungsvertrages. Sie trug vor, dass seit ihrer Praxisgründung im Jahre 2002 eine kontinuierliche Steigerung der radiologischen Leistungen besteht. Die Gemeinschaftspraxis begründete diese Steigerung damit, dass sie die einzige Praxis im gesamten KV-Gebiet war, die Leistungen im Bereich der Großgeräte und weiten Bereichen spezielle Untersuchungen anbot. Sie führe ca. 98% aller periradikulären Therapien im Zulassungsgebiet durch. Im Bereich der Computertomografie sei sie die einzige Praxis, die spezielle, hoch aufgelöste multiplanare Knochenuntersuchungen und KM-Dynamiken durchführen könne. Daneben sei sie die einzige Kernspintomografiepraxis im Zulassungsgebiet.

Die Kassenärztliche Vereinigung wies den Antrag auf Sonderregelung des Regelleistungsvolumens für CT und MRT-Leistungen ab. Sie teilte der Gemeinschaftspraxis mit, dass in dem Honorarverteilungsvertrag für ihre Fachgruppe eine Unterscheidung im Hinblick auf die Vorhaltung von CT und bzw. oder MRT stattfindet, wobei der Honorarverteilungsvertrag unterschiedliche Fallpunktzahlen vorsieht. Die Besonderheiten der Vorhaltung von CT und MRT sowie die besonderen Leistungsanforderungen für die Fachgruppe seien damit ausreichend berücksichtigt worden.

Eine Ausnahmeregelung könne nach der KV Hessen nur bei Vorliegen einer absoluten Sicherstellungsproblematik erfolgen, so dass Sozialgericht Marburg. Die Überprüfung der Versorgungs- und Bedarfssituation im betroffenen Landkreis habe ergeben, dass die Gemeinschaftspraxis für die MRT-Leistungen Alleinversorger war. Daher habe es bereits in der Vergangenheit Sonderregelungen im Bereich der MRT-Leistungen gegeben. Die CT-Leistungen würden jedoch in dem Landkreis auch von einem anderen niedergelassenen Arzt erbracht. Daneben würden in einem nahegelegenen Planungsbereich mehrere niedergelassene Ärzte die gleichen CT-Leistungen erbringen.

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Gestaltungsspielraum bei der Honorarverteilung

Bei der Ausgestaltung der Honorarverteilungsregelungen und damit auch der Regelleistungsvolumina wird den Kassenärztlichen Vereinbarungen ein Gestaltungsspielraum zugestanden. Die Gestaltungsfreiheit ist eine Ausprägung des mit Rechtssetzungsakten der Verwaltung typischerweise verbundenen normativen Interesses. Dieses wird erst dann rechtswidrig ausgeübt, wenn die getroffene Regelung in Anbetracht des Zwecks der Ermächtigung schlechterdings unvertretbar oder unverhältnismäßig ist. Allerdings sind bei der Wahrnehmung des Gestaltungsspielraums die gesetzlichen Vorgaben sowie die Anforderungen des Verfassungsrechts zu beachten, die vor allem in dem aus Art. 12 Abs. 1 (Berufsfreiheit, resp. Berufsausübungsfreiheit) i.V.m. Art. 3 Abs. 1 (allgemeiner Gleichheitssatz) GG abzuleitenden Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit konkretisiert worden sind (vgl. BSG, Urt. v. 29.08.2007 – B 6 KA 2/07 R). Dies bedeutet zwar nicht, dass gleiche Leistungen stets gleich vergütet werden müssten. Das Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit stellt nur einen Grundsatz dar, von dem aus sachlichem Grund abgewichen werden darf (vgl. BSG, Urt. v. 22.06.2005 – B 6 KA 5/04 R).

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Lokale Feststellung der Sicherstellungsgründe

Entgegen der Auffassung der KV Hessen kam es bei der Feststellung der Sicherstellungsgründe nicht allein auf die Versorgung im Umkreis einer Praxis an. Dabei konnte nach dem Sozialgericht Marburg dahinstehen, ob solche Versorgungsgesichtspunkte generell anhand eines Umkreises von 50 km zu prüfen sind, wie es der Verwaltungspraxis der KV Hessen entspricht und was jedenfalls im Rahmen bedarfsplanerischer Überlegungen in Zulassungssachen in dieser Allgemeinheit unzulässig ist (vgl. BSG, Urt. v. 19.07.2006 – B 6 KA 14/05 R; SG Frankfurt a. M., Urt. v. 27.04.2005 – S 5/29 KA 966/04). Maßgebend für die strittige Ausnahmeregelung ist hingegen der Versorgungsschwerpunkt der Praxis. Mit der Erbringung der Leistungen wird zunächst der Bedarf dokumentiert, soweit eine Fehlabrechnung oder Unwirtschaftlichkeit ausgeschlossen werden kann. Der mit einer Spezialisierung einhergehende vermehrte Zulauf von Patienten mit bestimmten Krankheitsbildern kann gerade Ausdruck der Qualität und des guten Rufs der Praxis sein.

Das Sozialgericht Marburg sieht bei jedem niedergelassenen Arzt das Problem der Sicherstellung, wenn der Arzt Leistungen über das Regelleistungsvolumen hinaus erbringt. Soweit aber gewährleistet ist, dass teilgruppenspezifische Fallpunktzahlen gebildet werden, kann eine weitere Ausnahmegenehmigung nur bei einer auf sachlichen Gründen beruhenden atypischen Situation zur Vergleichsgruppe bestehen. Aus der ländlichen Lage der Praxis werden solche Gründe nicht ersichtlich. Hinsichtlich eines Augenarztes hatte die gleiche Kammer des Sozialgerichtes bereits früher entschieden (Urt. v. 08.10.2008 – Az. 12 S KA 84/08), dass der Vortrag, die Versorgung der Patienten in ländlichen, strukturschwachen Regionen müsse sichergestellt werden, nicht begründen kann, dass vermehrte Leistungen anfallen.

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Unterteilung nach Praxen mit CT und bzw. oder MRT

Die Unterteilung nach Praxen mit CT und bzw. oder MRT und entsprechend unterschiedlichen Fallpunktzahlen gewährleistet nach der Auffassung des Sozialgerichtes Marburg, dass das unterschiedliche Leistungsgeschehen der Praxen berücksichtigt wird. Das Sozialgericht sah für eine weitergehende Differenzierung keine Veranlassung, weil in dem Honorarverteilungsvertrag zu Pauschalierungen und Differenzierungen gegriffen werden darf. Im Vergleich zu der Arztgruppe fiel bei der klagenden Gemeinschaftspraxis nur bei den Ziff. 34411 (MRT-Untersuchung von Teilen der Wirbelsäule), Ziff. 34450 (MRT-Untersuchung der Extremitäten oder deren Teilen, mit Ausnahme der nach der Nr. 34451 abzurechnenden Extremitätenanteile) eine wesentlich häufigere Abrechnung zwischen 80 und 109% auf. Die Leistungen im Bereich der Ultraschalldiagnostik, der Diagnostischen Radiologie und der Computertomografie rechnete die Gemeinschaftspraxis nicht wesentlich häufiger ab als die Vergleichsgruppe. Im Ergebnis hat das Sozialgericht Marburg eine gleichheitswidrige Benachteiligung der Gemeinschaftspraxis der Fachärzte für Diagnostische Radiologie nicht angenommen.

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Inhomogene Arztgruppe der Fachärzte für Anästhesie

Der erfolgreiche Anästhesist hingegen konnte nachweisen, dass die Gruppe der Fachärzte für Anästhesiologie inhomogen ist. Die entscheidende Besonderheit des klagenden Anästhesisten war, dass dieser sich auf bestimmte Operationen und einen damit einhergehenden besonderen Bedarf an Anästhesieleistungen spezialisiert hatte, wie die nebenstehende Übersicht (Tab. [1]) zeigt.

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Tab. 1

Das Sozialgericht hat die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (vgl. zuletzt BSG, Urt. v. 22.03.2006 – B 6 KA 80/04 R) zu den Praxis- und Zusatzbudgets nach dem EBM 1996 angewandt und gefordert, dass bei dem Arzt das durchschnittliche Punktzahlvolumen je Patient in dem vom Budget erfassten Bereich die Budgetgrenze übersteigt und zudem, dass bei dem Arzt im Verhältnis zum Fachgruppendurchschnitt eine signifikante überdurchschnittliche Leistungshäufigkeit vorliegt. Einschränkend stellt das Bundessozialgericht klar, dass dies nur ein Indiz für eine entsprechende Spezialisierung darstellt.

Allen Klägern kam zu Gute, dass die Beurteilung, ob ein Ausnahmefall vorliegt und es von daher einer Sonderregelung bedarf, der uneingeschränkten gerichtlichen Nachprüfung unterliegt. Einer Kassenärztlichen Vereinigung steht insoweit kein und der gerichtlichen Nachprüfung nur eingeschränkt zugänglicher Beurteilungsspielraum zu.

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Fazit

Die Annahme einer atypischen Praxis bleibt nach den Urteilen des Sozialgerichtes Marburg weiterhin schwer nachzuweisen. Der Wunsch nach einer Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen der niedergelassenen Radiologen ist vor dem Hintergrund der sinkenden Einnahme verständlich und mitunter wirtschaftlich zwingend erforderlich. Dennoch wird nur in sehr seltenen Fällen aus Sicherstellungsgründen eine Sonderregelung erforderlich sein. Ein Beispiel aus jüngster Zeit, dass eine Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen möglich ist und diese durch ein Sozialgericht bestätigt wird, war der beschriebene Anästhesist. Die Abweichungen des Leistungsumfangs des Anästhesisten von der Vergleichsgruppe waren so signifikant, dass sich das Sozialgericht anders als die zuständige Kassenärztliche Vereinigung diesen nicht verschließen konnte und eine Sonderregelung für geboten hielt.

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