Dialyse aktuell 2009; 13(4): 180-181
DOI: 10.1055/s-0029-1224877
Fachgesellschaften

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

1. Seminar "Compliance in der Transplantationsmedizin"

Veranstaltet von der Akademie für Transplantationsimmunologie
Further Information

Publication History

Publication Date:
19 May 2009 (online)

 
Table of Contents
Zoom Image

Die Seminarreihe "Compliance" wurde entwickelt, um diesem wichtigen Aspekt in der Nachsorge transplantierter Patienten mehr Bedeutung zuzuordnen. Themen des 2-tägigen Seminars sind die Ursachen und Auswirkungen der Non-Compliance, die mögliche Einflussnahme auf den Patienten, die Patientenführung und der Stellenwert des Pflegepersonals. Beim anschließenden Gesprächstraining können die Teilnehmer das erworbene Wissen aktiv einsetzen.

In der Transplantationsmedizin hat sich in den letzten 2 Jahrzehnten sehr viel getan, das Langzeitüberleben ist in allen Organbereichen deutlich angestiegen. Dies ist zum einen auf die verbesserten chirurgischen Möglichkeiten zurückzuführen, aber auch die neuen immunsuppressiven Medikamente und das Wissen über die immunologischen Abläufe, die eine akute und chronische Schädigung des Transplantats auslösen und unterhalten. Andererseits spielt hier aber auch die bessere Schulung und Aufklärung der betroffenen Patienten eine zunehmende Rolle.

#

Beratung und Gesprächsführung kommen in der Ausbildung zu kurz

Organmangel, lange Wartezeiten und eine völlig unklare Zeiterwartung prägen die Zeit der Patienten vor der Transplantation, komplexe Therapieschemata, Komplikationen, medikamentöse Folgeschäden und lange Überlebenszeiten die Phase nach der Transplantation. Wir haben es heute nicht mehr mit Jahren, sondern mit Jahrzehnten zu tun, in denen wir unseren Patienten so professionell wie möglich eine bestmögliche Behandlung und Betreuung bieten wollen. Gleichzeitig müssen wir von unseren Patienten verlangen, ihrerseits das Bestmögliche dazu beizutragen, die Transplantation im Langzeitverlauf erfolgreich zu machen.

Wir alle können hierbei an unsere Grenzen stoßen. Schließlich ist die Transplantation ein tiefer Einschnitt in das ganze Leben einer Person, der es dauerhaft neu prägt. Die Mitarbeit des Patienten ist der Schlüssel zum Langzeitverlauf, diese Mitarbeit gut zu gestalten, bedarf unserer professionellen Unterstützung. In diesem Kontext spielt das Pflegepersonal eine große Rolle. Sind wir doch oft die 1. Ansprechpartner für unsere Patienten.

In unserer Ausbildung kommen Beratung, Anleitung und Gesprächsführung sehr kurz. Wir sind daher Frau Dr. Gertrud Greif-Higer, Mainz, und der Firma Astellas sehr dankbar, dass sie diese Themen aufgegriffen haben und dieses Seminar anbieten. Während des Seminars wurden uns die verschiedenen Facetten einer Transplantationslangzeitbehandlung aufgezeigt und wie sehr sich verschiedene Elemente positiv und auch negativ auf die Mitarbeit des Patienten auswirken. Am 1. Tag bekamen wir theoretische Grundlagen vermittelt, am 2. Tag ging es in die Praxis.

#

Was bedingt fehlende Mitarbeit des Patienten?

Greif-Higer ging in Ihrem Vortrag auf Häufigkeit, Einflussfaktoren und Auswirkungen der Non-Compliance ein. Was bedingt fehlende Mitarbeit des Patienten? Hier können viele Punkte eine Rolle spielen: Häufig nehmen Patienten die Symptome kaum wahr, sie leiden unter Nebenwirkungen, sind über die Betreuung enttäuscht, haben eine niedrige Merkfähigkeit, finden die Art der Behandler zu autoritär, haben Angst vor Zurechtweisung usw. Welchen Anteil haben wir Pflegekräfte an der schlechten Mitarbeit der Patienten? Fehlende Zeit, Routine, fehlendes Mitempfinden mit dem Patienten, hoher Anspruch an die Patienten oder keine Distanz zur eigenen Tätigkeit - all dies kann vonseiten der Pflegekräfte zu einer Non-Compliance der Patienten beitragen. Gerade hier hat sich im praktischen Teil gezeigt wie wir mit wenig Zeitaufwand besser auf den Patienten eingehen können.

Die Compliance aus Sicht des Nephrologen beleuchtete Dr. Thomas Rath, Kaiserslautern. Das Auslassen oder verspätete Einnehmen von Immunsuppressiva (harmlose Ungenauigkeiten) kann schwerwiegende Folgen haben, anders als bei anderen Medikamenten. Wie eine Untersuchung gezeigt hat, ist bei einer Non-Compliance das Risiko für eine späte akute Abstoßung 3-mal so hoch, wie bei Patienten die ihre Medikamente korrekt einnehmen. Trotzdem ist Non-Compliance im Langzeitverlauf nach einer Transplantation sehr häufig.

Kleinen Einnahmefehlern messen die Patienten keine Bedeutung bei, weil diese keine spürbaren Konsequenzen haben - anders als zum Beispiel bei Schmerzmitteln. Die Verbesserung der Compliance ist daher eine multidisziplinäre Aufgabe: Ärzte, medizinisches Personal, Psychologen, Patienten und deren Angehörige und schließlich auch die Arzneimittelhersteller sind hier gefordert. Grundlage ist immer die Aufklärung des Patienten über die Krankheit und Medikation im Transplantationszentrum.

#

Rolle der Pflegenden

Petra Hecker, Berlin, ging in ihrem Vortrag auf den Stellenwert des Pflegepersonals im Kontext von Schulungen ein. Pflegende können aufgrund ihrer traditionellen Nähe zum Patienten die "gesundheitliche Handlungskompetenz" beim Patienten am besten fördern, weil sie mehr Zeit mit dem Patienten verbringen. Der Patient kann dem Pflegenden eher seine Unsicherheit anvertrauen, der Arzt wirkt auf Patienten oft autoritär.

Pflegepersonal ist der ideale Vermittler zwischen Arzt und Patient. Zum Beispiel kann der Patient nach der Visite der Pflegekraft Verständnisfragen stellen, die der Arzt dann individueller beantworten kann. Beratung kann auch zu mehr Berufszufriedenheit unter den professionell Pflegenden führen: Gemäß der Einsicht, dass Menschen mit ihren Aufgaben wachsen, steigt die Selbstwirksamkeit (Überzeugung, dass man in einer bestimmten Situation die angemessene Leistung erbringen kann). Durch die aktive Teilhabe am Therapieerfolg findet ein ständiger Lernprozess statt.

Die Pflegeberatung kann dazu beitragen, Geld im Gesundheitswesen einzusparen:

  • frühzeitiges Erkennen von Problemen (Abstoßungen, Infektionen): Therapie kann früh erfolgen

  • Folgeprobleme einer Krankheit und kostenträchtige Nachbehandlungen lassen sich vermeiden

#

Studie zur Betreuung lebertransplantierter Patienten

Frau I. Beimgraben, Mainz, gab einen Einblick, wie die Patienten in der Ambulanz betreut und geführt werden. Wie sie anhand von Beispielen aufzeigte, ist es nicht immer leicht auf alle Patienten individuell einzugehen. Sehr informativ war auch der Vortrag der Apothekerin Vanessa Kaiser, Mainz. Sie stellte eine Studie zur pharmazeutischen Betreuung lebertransplantierter Patienten vor. Fragestellung: Profitieren lebertransplantierte Patienten von einer Betreuung/Schulung? Wie hoch ist die Compliance lebertransplantierter Patienten im 1. Jahr und mehrere Jahre nach einer Transplantation? Profitieren lebertransplantierte Patienten von einer ambulanten Weiterbetreuung durch eine ambulante Apotheke? Ergebnisse:

  • Patienten profitieren: Compliance↑, Wissen↑, Zufriedenheit↑

  • es besteht ein sehr hoher Beratungsbedarf der Patienten

  • 20-30 % der Patienten nach Organtransplantation sind non-compliant

Sowohl die Umfrage als auch die Beratung führten Pharmazeuten durch. Diese konnten somit auf Fragen zu Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, Nebenwirkungen usw. intensiv eingehen. An diesem Beispiel wird noch einmal sehr deutlich: Compliance ist ein multidisziplinäres Problem.

Die Psychologin Dr. Yesim Erim, Essen, komplettierte den theoretischen Teil des Seminars. Sie stellte Faktoren vor, welche die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Non-Compliance deutlich erhöhen:

  • vermehrte Angst

  • vermehrter Ärger/Feindseligkeit

  • mangelnde Unterstützung durch Hauptbezugspersonen

  • mangelnde Unterstützung durch Freunde

Am 2. Tag stand das Gesprächstraining im Vordergrund. Hier hatten die Teilnehmer doch einige "Aha-Erlebnisse". Das einhellige Resümee der Veranstaltung von allen Teilnehmern war, "macht so eine Veranstaltung wieder, macht Wissensvermittlung erlebbar, anhand von Patientenbeispielen".

Auf diesem Wege möchten wir Frau Dr. Greif-Higer, Eva Löhle und Gabriele Roder (Firma Astellas) sehr herzlich danken, denn sie haben durch sehr hohes persönliches Engagement diese Veranstaltung erst möglich gemacht.

Petra Hecker

1. Vorsitzende AKTX-Pflege e. V.

 
Zoom Image