Aktuelle Dermatologie 2010; 36(1/02): 9-13
DOI: 10.1055/s-0029-1215355
Übersicht

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Nathan Brann und die „Blätter für Beinheilkunde” 1922 – 1934[1]

Nathan Brann and the Journal „Blätter für Beinheilkunde” 1922 – 1934A.  Scholz1
  • 1Ehemaliger Leiter des Instituts für Geschichte der Medizin, Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus, TU Dresden
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Prof. Dr. (em.) Albrecht Scholz

Mendelssohnallee 30
01309 Dresden

Email: albrecht.scholz@yahoo.de

Publication History

Publication Date:
01 December 2009 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Beschreibung des Lebensweges von Nathan Brann als Begründer der Phlebologie. Schilderung der wichtigsten wissenschaftlichen und standespolitischen Aktivitäten der Zeitschrift „Blätter für Beinheilkunde” als Organ des „Vereins der Spezialärzte für Beinleiden”.

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Abstract

Description of biography of Nathan Brann as founder of phlebology. Characterization of scientific activities of the journal „Blätter für Beinheilkunde” („Journal for leg diseases”) as organ for the „Society of specialists for leg diseases”.

Die deutsche Phlebologie entwickelte sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus der Dermatologie heraus mit Anleihen bei Chirurgie, Orthopädie und Innerer Medizin zu einem eigenen Spezialgebiet. Neue Erkenntnisse in Anatomie und Physiologie führten zu Fortschritten in der Diagnostik und Therapie der „Beinleiden”. Dieser zeitgemäße Oberbegriff umfasste arterielle und venöse Durchblutungsstörungen mit ihren Folgeerscheinungen. Die Protagonisten neuer Therapiewege erkannten die hohe sozialmedizinische Bedeutung dieser Erkrankungen und setzen sich mit dem Aufbau spezifischer Behandlungszentren, den „Beinkliniken”, der Herausgabe einer eigenen Zeitschrift, der „Blätter für Beinheilkunde”, und der Gründung einer eigenen Vereinigung, des „Vereins der Spezialärzte für Beinleiden”, für die breite Anwendung der neuen Möglichkeiten ein [1] [2].

Die vielseitigen Aktivitäten deutschsprachiger Phlebologen wurden mit dem Beginn des Nationalsozialismus abgebrochen. Da ein Großteil der Promotoren jüdischen Glaubens war oder aus dem Judentum stammte, wurden sie aufgrund der antisemitischen Politik der Nationalsozialisten entlassen und vertrieben, Kliniken geschlossen, die Zeitschrift stellte ihr Erscheinen ein und die Vereinstätigkeit der „Beinärzte” endete. Es zeigt sich hier wiederum das Phänomen, dass aus dem Judentum stammende Ärzte Desiderate in der medizinischen Forschung aufgriffen, sich in diesen „Nischen” spezialisierten und die Entwicklung vorantrieben. Der Antisemitismus der Nationalsozialisten beendete diese progressiven Tendenzen gewaltsam.

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Nathan Brann (1870 – 1949)

Der 1870 in Deutsch-Krone/Westpreußen geborene Nathan Brann hat von 1890 bis 1898 in Berlin und Würzburg Medizin studiert, erhielt 1899 hier seine Approbation und promovierte im gleichen Jahr in Würzburg zum Thema „Zur Casuistik der Blutungen bei Bright’scher Nierenkrankheit”. Während seines Studiums hatte er als Famulus im Jüdischen Krankenhaus in Berlin gearbeitet. Nach der Approbation war er kurzfristig in Berlin als praktischer Arzt tätig. Am Ende des Jahres 1899 ging er als Assistent zu Bertold Lasker (1860 – 1928), um dessen Methoden zu erlernen. Lasker hatte nach einer Zeit als praktischer Arzt 1894 das erste Institut für Beinleiden in Berlin gegründet und war gleichzeitig der erste Facharzt für Haut- und Beinleiden in Berlin [3]. Aufgrund seiner Theorie der regionären, konstitutionell bedingten Gewebsatonie hatte er einen plastischen Stützgehverband eingeführt, der eine Kombination aus elastischem und starrem Verband darstellte [4]. Mit dieser Verbandstechnik begründete er die ambulante Phlebitisbehandlung, die Jahrzehnte bis zu ihrer Durchsetzung und Akzeptanz bedurfte. Auf seine Tätigkeit als Schriftleiter der „Blätter für Beinheilkunde” wird später eingegangen. Zur Charakterisierung seiner Persönlichkeit sei angefügt, dass er von 1894 – 1899 der erste Ehemann der expressionistischen Dichterin Else Lasker-Schüler (1869 – 1945) und der Bruder des Mathematikers und Schachweltmeisters Emanuel Lasker (1868 – 1941) gewesen ist. Brann leitete im Auftrag von Lasker dessen Institut, da dieser von 1901 bis 1902 in New York arbeitete und ein Institut für Beinleiden gründen wollte, was jedoch misslang [5]. Während des Ersten Weltkriegs war Brann zuerst Lazarettarzt im Kriegsgefangenenlager Berger-Damm, danach Bataillonsarzt beim Infanterieregiment Nr. 20 in Wittenberg und abschließend ordinierender Arzt im Reserve-Lazarett Frankfurt/O. Da wir bisher das genaue Datum nicht kennen, müssen wir annehmen, dass Brann zwischen 1900 und 1905 sein „Ambulatorium für Beinkranke” gegründet hat. 1909 gründete er in Berlin den „Verein der Spezialärzte für Beinleiden”. Seine Praxis befand sich im Herzen der Stadt Berlin auf der Friedrichstraße 108. Die Praxis von Nathan Brann muss teilweise ungewöhnliche Ausmaße erreicht haben. Da sein „Beininstitut” die einzige von den Krankenkassen zugelassene Einrichtung für dieses Spezialgebiet war, stiegen die Patientenzahlen unaufhörlich. Brann soll am Tage bis zu 600 Patienten in seiner Klinik behandelt haben [6]. Das war nur durch ein System möglich, in dem 5 Assistenzärzte und bis zu 25 Mitarbeiter, die in der Verbandstechnik Branns ausgebildet waren, sein spezifisches Behandlungsprinzip ausgeführt haben. Brann selbst berichtet in einem Rückblick von 8153 Patienten im Jahr 1913. 1912 erwarb er in Wandlitz bei Berlin zusätzlich zu seiner Praxis ein Grundstück [7]. Brann hat immer Assistenten zur Ausbildung in seiner Praxis gehabt. Aus Veröffentlichungen kennen wir die Namen: G. Kohlhagen, R. Krüger, W. Bardeleben, H. K. Grottewitz (alle später in Berlin), Friede (später Magdeburg), Lewin (später Hamburg). Mit dem Entzug der Kassenzulassung verlor Brann 1933 seine Arbeitsmöglichkeit in Berlin, sein Grundstück in Wandlitz wurde „arisiert”. Nach der Beendigung der Kassenpraxis arbeitete er in reduziertem Umfang weiter. Er durfte keine Kollegen mehr ausbilden. Der Schweizer Arzt Dr. Sulger Büel aus Thalwill besuchte in den Jahren 1934 bis 1937 dreimal Branns Praxis in Berlin. Durch eine Information gewarnt, floh Brann am 26. 2. 1939 in die Schweiz nach Thalwill bei Zürich, wo er seit dem 26. 11. 1939 mit seiner Ehefrau auf der Sonnenbergstraße 5 zurückgezogen lebte. Während der Militärdienstzeit des Kollegen und Schülers Sulger Büel vertrat er diesen in den Jahren von 1939 bis 1943. Danach übte er keine ärztliche Praxis aus. Aus den Erfahrungen seines Lebens stellte er das Manuskript eines Lehrbuches der Beinheilkunde zusammen, welches samt einem Bildatlas etwa 1000 Druckseiten umfassen sollte. In Thalwill verstarb er am 18. 3. 1949. E. Sulger Büel widmete ihm einen Nachruf [8], in dem er von diesem Buchprojekt berichtete. Meine Korrespondenz mit Otto Braun-Falco, München, ergab einige Einzelheiten zu dem Schicksal dieses Nachlasses. Der Direktor der Universitäts-Hautklinik Mainz, Egon Keining (1892 – 1971), reiste in den frühen 50er-Jahren nach Basel, um Branns Nachlass dort abzuholen und nach Mainz zu überführen. Der Nachlass bestand aus einer Kiste von Manuskripten, Sonderdrucken u. ä. und aufgeklebten Zeitungsartikeln [9]. Ich zitiere den Brief vom 4. 11. 1993 „Seinerzeit wurde Keining von Dr. Lunkenheimer – Hautarzt in Mainz beauftragt, dieses Material zu sichten. Er hat in mehrjähriger Arbeit daraus ein Manuskript von 50 – 70 Seiten verfasst. Dieses Manuskript wurde von Keining durchgesehen und hat ihm dazu Anlaß gegeben, den ‚Brann’schen Verband’, eine spezielle Kombination aus elastischem Verband und einem darüberbefindlichen Stärkeverband, in der Klinik einzuführen. Die Erfolge mit der Brann’schen Behandlungsmethode waren überwältigend. Schließlich bestand der größte Teil der Poliklinik nur noch aus ‚Beinleiden’ und dies führte dann zu einem bestimmten Zeitpunkt zu einer dramatischen Reaktion von Keining mit der Feststellung; ‚Nun hat die Brann’sche Behandlungsmethode ihr wissenschaftliches Interesse verloren; sie ist Bestandteil unseres therapeutischen Arsenals geworden’. […] Andere Gegenstände wie Holzbeine und anderes Anschauungsmaterial, Verbände zum Üben etc., sind meines Erachtens nicht aufgehoben worden. Dies hatte alleine seinen Grund darin, dass die Klinik so beengt war und die geplante Schaffung eines ‚Brann-Zimmers’ seinerzeit nicht realisiert werden konnte” [9]. Dieses Zeitdokument bestätigt das Buchprojekt von Nathan Brann und beweist die klinische Effektivität seiner Methode.

Als Publikationsorgan des erwähnten „Vereins der Spezialärzte für Beinleiden” gab Brann ab 1922 die „Blätter für Beinheilkunde” heraus, die 1934 ihr Erscheinen einstellten. In dieser Zeitschrift führte er einen ständigen Kampf für die Anerkennung eines Spezialarztes für Beinleiden. Er selbst führte ab 1913 selbstbewusst den Titel „Spezialarzt für Beinleiden”, weshalb es ständige Auseinandersetzungen mit den ärztlichen Standesvertretern gab [10] [11].

Zur Demonstration seiner vielseitigen, eben auch wissenschaftlichen Aktivitäten seien eine Reihe seiner wichtigsten Buchveröffentlichungen angeführt:

1910: Die chronischen Beinleiden und ihre soziale Bedeutung. Berlin.

1913: Die chronischen Beinleiden als ärztliche Spezialität. Berlin.

1931: Die chronischen Beinleiden und ihre ambulante Behandlung. Krampfaderleiden, Beingeschwüre, dicke Beine, nässende Flechten, Schmerzen und chronische Entzündungen der Fuß- und Kniegelenke. Leipzig.

1933: Zur Pathogenese, Differenzialdiagnose und ambulanten Therapie der akuten suprafaszialen Phlebitiden. Berlin.

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Verein der Spezialärzte für Beinleiden (VSB)

Der VSB wurde am 31. Mai 1909 in Berlin gegründet. Die 1. ordentliche Mitgliederversammlung fand am 5. Dezember 1909 in Berlin statt. Der erste Vorstand bestand aus den Herren:

1. Vorsitzender: Dr. Nathan Brann, Berlin, Friedrichstraße 108

2. Vorsitzender: Dr. Bertold Lasker, Berlin, Alexanderplatz 2

1. Schriftführer: Dr. Edgar Brann, Berlin-Steglitz, Grunewaldstraße 8

2. Schriftführer: Dr. Walter Bardeleben, Berlin, Alexanderstraße 33

Die Geschäftsstelle befand sich in Berlin auf der Friedrichstraße 108. Neben vielen anderen Aspekten zeigt sich auch hier, dass Nathan Brann der zentrale Motor des gesamten Themas des VSB war, da eben auch die Geschäftsstelle des Vereins im Haus des Instituts für Beinleiden von Brann war. Bei der Gründungsversammlung waren von den 19 Mitgliedern folgende Kollegen anwesend: Dr. Cohn, Charlottenburg; Dr. Sievert, Magdeburg; Dr. Brann, Berlin; Dr. Lischke, Dresden; Dr. Korte, Frankfurt; Dr. Boesenberg, Berlin; Dr. Engler, Stettin; Dr. Weiß, Breslau. Daraus ist schon in der Gründungsphase eine Verbreitung des Vereins über ganz Deutschland ablesbar. Wenn auch das Zentrum des Vereins in Berlin lag, lesen wir, dass es neben den Praxen in Berlin in Deutschland verschiedene, größere Einrichtungen gab:

Institut für Beinleiden: Dr. Nathan Brann, Berlin

Institut für Beinleiden: Dr. Bertold Lasker, Berlin

Institut für Beinleiden: Dr. Alfred Salinger, Berlin-Neukölln

Heilanstalt für Beinleiden: Dr. F. Schlunk, Bremen

Beinklinik der AOK: Dr. Düfeld, Dresden, ab 1931 Dr. Korn

Heilanstalt für Beinleiden der LVA: Dr. Lauerbach, Hamburg

Die Zahl der Mitglieder des Vereins stieg kontinuierlich an. 1932 hatte der Verein 87 Mitglieder. In Heft 28 der „Blätter für Beinheilkunde” aus dem Jahr 1932 ist auf den Seiten 29 – 30 ein namentliches Mitgliederverzeichnis abgedruckt.

Von 1909 bis 1931 sind 15 ordentliche Mitgliederversammlungen in der Zeitschrift „Blätter für Beinheilkunde” dokumentiert. Hier ist ebenfalls die Dominanz von Berlin vorherrschend. Als Tagungsorte wurden jedoch auch Frankfurt/Main (1926), Eisenach (1927), Nürnberg (1928) und Jena (1930) gewählt. Aus diesen Berichten sind die Veränderungen im Vorstand nachzuvollziehen. Auf der 11. Mitgliederversammlung 1927 in Eisenach bat Nathan Brann nach 18 Jahren Verantwortung als 1. Vorsitzender aus gesundheitlichen Gründen um Entlastung. Es folgte ihm in der Funktion der Berliner Vertreter Dr. Alfred Salinger, unterstützt von E. Brann, Berlin; F. Quasig, Hamburg; Schmidt, Karlsruhe; O. Rumpff, Dortmund. Das Ende des VSB war eine direkte Folge der Politik der Gleich- und Ausschaltung der Nationalsozialisten. Wenige Wochen nach der Machtergreifung wurde am 26. März 1933 eine außerordentliche Mitgliederversammlung in Berlin einberufen, auf der der gesamte Vorstand seine Ämter niederlegte. Die Vereinsleitung übernahmen kommissarisch: Dr. Günter Boeck, Berlin, als Vorsitzender, Dr. C. Boeck, Berlin, als Kassenverwalter und Dr. Reinhard Krüger, Berlin, als Schriftführer. Auf einer am 8. Oktober 1933 in Berlin abgehaltenen Mitgliederversammlung wurde die „Umstellung des Vereins auf das Führerprinzip beschlossen”. Wegen formaler Probleme wurde für den 18. März 1934 eine außerordentliche Mitgliederversammlung einberufen, auf der die neu formulierte Satzung und der neue Vorstand beschlossen wurden. In der Satzung hieß es nunmehr unmissverständlich unter § 9: „Der Vorstand und von ihm mit der Wahrnehmung von Vereinsgeschäften betraute Vereinsmitglieder müssen arischer Abstammung sein.” Die in Nr. 33 aus dem Jahr 1934 abgedruckte Mitgliederliste enthält 68 Namen, zu denen zu diesem Zeitpunkt noch eine Reihe von „nichtarischen” Kollegen gehören.

Die inhaltliche Arbeit des VSB betraf neben vielen Einzelheiten zwei Hauptgebiete: Im Mittelpunkt stand immer wieder die fachliche Aufklärung und Orientierung der praktizierenden Kollegen zur Lokaltherapie, zur Kompressionsbehandlung und zur Sklerosierung von Varizen. Hierfür wurden verbindliche Richtlinien über die Behandlung der Beinleiden einschließlich der Verbandstechniken im Rahmen des heute üblichen Begriffes der Qualitätssicherung veröffentlicht. Das zweite Hauptthema war der Kampf für eine Anerkennung eines „Facharztes für Beinleiden”. Seit der Gründung des VSB kämpften die Protagonisten, in Sonderheit Nathan Brann, mit allem Nachdruck für eine Facharztanerkennung. Der Vorstand musste jedoch sowohl vom Ärztetag 1924 in Bremen als auch vom Würzburger Ärztetag 1927 die Beschlüsse zur Kenntnis nehmen, dass ein Facharzttitel von der Vertretung der deutschen Ärzteschaft nicht anerkannt wurde. Die auf diesem Gebiet hoch engagierten Kollegen führten mehrfach als Gegenargument an, dass verschiedene Zulassungsausschüsse der Versicherungsträger, speziell in Berlin, eine Reihe von Fachärzten für Beinleiden als solche anerkannt hätten. 1928 noch einmal aufgenommene Verhandlungen mit dem Reichsausschuss zur Anerkennung des Spezialfaches scheiterten ebenfalls.

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Blätter für Beinheilkunde (BfB)

Die „Blätter für Beinheilkunde” erschienen mit ihrem ersten Heft am 30. August 1922 als Organ des 1909 gegründeten „Vereins der Spezialärzte für Beinleiden”. Die Schriftleitung lag bei den Berliner Kollegen: Dr. Bertold Lasker, Dr. Walter Bardeleben, Dr. Edgar Brann ([Abb. 1]). Brann wurde 1926 von Dr. Franz Schlunk, Bremen, abgelöst. Ehrmann, Mainz, erweiterte 1928 die Schriftleitung. Nach dem Tod von B. Lasker am 19. Oktober 1928 übernahm der Berliner W. Bardeleben die 1. Position der Schriftleitung, ergänzt um Dr. Hurwitz aus Berlin. In der Startphase stellten sich die Herausgeber das Ziel, 6 Hefte im Jahr erscheinen zu lassen. Der Beginn war jedoch mühsam. Von August 1922 bis August 1926 wurden 4 Hefte herausgegeben, zumal die Inflation eine längere Pause erzwang. Seit 1928 konnte der Rhythmus von 4 Heften pro Jahr bis zum Ende im Jahr 1934 regelmäßig eingehalten werden. Die nationalsozialistische Politik der Aus- und Gleichschaltung verlief parallel zu den Veränderungen beim VSB. Am 10. April 1933 trat die Redaktionskommission der Blätter für Beinheilkunde zurück. Die Schriftleitung übernahm ein Dr. R. Krüger, Berlin-Pankow. In dem Heft Nr. 33 vom 15. Mai 1934 teilte der Schriftleiter mit, „dass das Erscheinen der Blätter infrage gestellt ist, da die Mitglieder es an schriftstellerischer Mitarbeit fehlen lassen” ([Abb. 2]). Anschließend ist die Zeitschrift nicht mehr nachweisbar.

Die Zeitschrift hatte von Anbeginn an bis zu ihrem Abschluss eine durchgehende Gliederung:

Originalien: Die wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu Diagnostik und Therapie der Beinleiden nahmen den größten Raum in der Zeitschrift ein. Im Vordergrund standen die Ausführungen zu den verschiedenen Verbandstechniken. Brann hatte von Lasker die Theorie der regionären Gewebsatonie übernommen, die durch eine konstitutionell bedingte Gewebsschwäche bedingt sei. Deshalb bildete die Basis aller therapeutischen Bemühungen der von Lasker entwickelte plastische Stützgehverband, den Brann durch Zusatzapplikation von Heftpflasterstreifen und später durch Applikation einer beidseitig klebenden Novoplastbinde der Firma Beiersdorf, Hamburg, verbesserte. Außerdem wurden folgende Verbände vorgestellt: Pedizinkverband, Plastagamasche, Gummistrumpf und gummilose Krampfaderstrümpfe ([Abb. 3], [4], [5]) [3] [4] [5]. Lasker und Brann vertraten eine ambulante Therapie der akuten suprafaszialen Phlebitis. Da der in Wiesbaden tätige Heinrich Fischer (1857 – 1928) die gleichen Empfehlungen gegeben hatte, entbrannte ein Prioritätsstreit zwischen Fischer und Lasker. Der zweite große Komplex der wissenschaftlichen Auseinandersetzung betraf die Sklerosierungsbehandlung. 1926 und 1927 begegnen uns Aufsätze unter dem logischen, wenn auch zeitabhängigen Titel „Artefizielle Venenthrombose”. Es handelt sich immer wieder um zustimmende Beiträge aufgrund positiver Erfahrungen, auch wenn verschiedene Substanzen zur Sklerosierung verwendet wurden ([Abb. 6]). Die externe Therapie wird von Nathan Brann in lehrbuchartiger Ausführlichkeit dargestellt. Das Grundprinzip der feuchten Kammer wird hervorgehoben. Wismut, Jod, Polypeptide werden jeweils in speziellen Referaten behandelt ([Abb. 7]). Der epidemiologischen Häufigkeit der Zeit entsprechend, gilt ulzerösen Erscheinungen durch Syphilis und Tuberkulose spezielle Aufmerksamkeit.

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Abb. 1 Titelausschnitt „Blätter für Beinheilkunde”, Nr. 2, 1922 (Archiv A. Scholz, Dresden).

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Abb. 2 Titelausschnitt „Blätter für Beinheilkunde”, Nr. 33, 1934: Letzte Ausgabe der Zeitschrift (Archiv A. Scholz, Dresden).

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Abb. 3 Anzeige u. a. für die Beinstütze und die Wickelmaschine nach Dr. Brann, 1929 (Archiv A. Scholz; Dresden).

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Abb. 4 Anzeige für Varicosan-Binden und Varicosan-Salbe, 1928 (Archiv A. Scholz; Dresden).

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Abb. 5 Anzeige für Herstellung von Gummistrümpfen (Archiv A. Scholz; Dresden).

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Abb. 6 Anzeige für das Sklerosierungspräparat Calorose, 1928 (Archiv A. Scholz; Dresden).

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Abb. 7 Anzeige für Lokaltherapie mit „Lyssia-Salbe”, 1927 (Archiv A. Scholz; Dresden).

Aus Theorie und Praxis: Dieser Komplex benötigte längere Zeit, um genutzt zu werden, war dann jedoch sehr erfolgreich. Kollegen richteten aus ihrer praktischen Arbeit heraus Fragen an die Zeitschrift, die im Folgeheft von den jeweiligen Spezialisten beantwortet wurden. Die Durchsicht ergab bei den Antworten eine Kombination von hoher Praxisnähe, breiter eigener Erfahrung und Kenntnis der deutschen und internationalen Literatur.

Referate: Ab Nr. 5, 1926 begannen die Referate zu fachspezifischen Aufsätzen in deutschen und internationalen Zeitschriften und Büchern. Im Laufe des Bestehens der Zeitschrift wurden die Besprechungen immer vielseitiger, inhaltsreicher und umfangreicher.

Sozialhygiene: In dieser Rubrik betonten verschiedene Autoren die sozialen Folgen chronischer Beinleiden, beschrieben ausführliche Berufsanalysen mit dem Zusammenhang stehender Arbeiten zur Häufigkeit der Folgen von Beinleiden.

Berufs-, Standes- und wirtschaftliche Fragen

Vereinsnachrichten: In den beiden letzten Abschnitten wurden die Berichte der ordentlichen Mitgliederversammlungen des VSB zusammengefasst. Die Inhalte, speziell zum Komplex der Facharztanerkennung, wurden in dem Abschnitt zum VSB zusammengefasst. Verschiedentlich wurden Abrechnungsfragen zu Diagnostik und Therapie der Beinleiden abgehandelt.

Nachrichten der Sektion Berlin: Die Sektion Berlin des VSB war am 7. Februar 1921 gegründet worden. Als Erster Vorsitzender fungierte B. Lasker von 1921 bis zu seinem Tod 1928. Danach übernahm A. Salinger die Leitung der Sektion. Die Berichte über die Aktivitäten der Berliner Sektion erfolgten nur sporadisch. Die Zahl von 34 Mitgliedern im Jahr 1930 bestätigt auch hier die Dominanz der Berliner Kollegen, die sich speziell mit Beinleiden beschäftigten.

Personalien und Vakanzen: Hierzu erfolgten nur vereinzelte Mitteilungen.

Das Ende des Vereins und der Zeitschrift belegt einmal mehr, wie politisch gesteuerte Wissenschafts- und Personalpolitik der Nationalsozialisten progressive Tendenzen zum Schweigen gebracht hat. Zwei bis drei Jahrzehnte waren notwendig, um auf dem gelegten Fundament weiterzubauen.

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Danksagung

Mein Dank gilt Dr. Oswalt Petter, Torgau, für die Vermittlung aller Ausgaben der Zeitschrift „Blätter für Beinheilkunde”.

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Literatur

  • 1 Bischof J, Großmann K, Scholz A. Phlebologie. Von der Empirie zur Wissenschaft. Jena; Fischer 1988
  • 2 Petter O, Holzegel K. Zur Geschichte der deutschen Phlebologie. Torgau; Druckerei Kopielski 2005
  • 3 Bardeleben W. Dr. Bertold Lasker.  Bl f Beinheilkunde. 1928;  4, 12 4-5
  • 4 Hohlbaum G. Dr. Bertold Lasker. Der plastische Stützgehverband und die ambulante Behandlung der Venenentzündung.  Phlebol u Proktol. 1984;  13 49-52
  • 5 Brann N. Dr. Bertold Lasker zum Gedächtnis.  Bl f Beinheilkunde. 1929;  5 4-9
  • 6 Kohlhagen G. Nathan Brann zum 60. Geburtstag.  Bl f Beinheilkunde. 1930;  6, 19 6
  • 7 Schmid-Rathjen C. Brief an A Scholz vom 27. 10. 2005. 
  • 8 Sulger Büel E. Nathan Brann.  Schweiz med Wochenschr. 1949;  79 482
  • 9 Braun-Falco O. Brief an A. Scholz vom 4. 11. 1993. 
  • 10 Hohlbaum G. Nathan Brann. Ein Vorkämpfer für die phlebologische Zusatzbezeichnung.  Phlebol u Prktol. 1982;  11 72-80
  • 11 Schwoch R. Jüdische Kassenärzte rund um die Neue Synagoge. Berlin; Hentrich & Hentrich 2006: 41

1 Herrn Dr. Klaus Holzegel in freundschaftlicher Verbundenheit gewidmet.

Prof. Dr. (em.) Albrecht Scholz

Mendelssohnallee 30
01309 Dresden

Email: albrecht.scholz@yahoo.de

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Literatur

  • 1 Bischof J, Großmann K, Scholz A. Phlebologie. Von der Empirie zur Wissenschaft. Jena; Fischer 1988
  • 2 Petter O, Holzegel K. Zur Geschichte der deutschen Phlebologie. Torgau; Druckerei Kopielski 2005
  • 3 Bardeleben W. Dr. Bertold Lasker.  Bl f Beinheilkunde. 1928;  4, 12 4-5
  • 4 Hohlbaum G. Dr. Bertold Lasker. Der plastische Stützgehverband und die ambulante Behandlung der Venenentzündung.  Phlebol u Proktol. 1984;  13 49-52
  • 5 Brann N. Dr. Bertold Lasker zum Gedächtnis.  Bl f Beinheilkunde. 1929;  5 4-9
  • 6 Kohlhagen G. Nathan Brann zum 60. Geburtstag.  Bl f Beinheilkunde. 1930;  6, 19 6
  • 7 Schmid-Rathjen C. Brief an A Scholz vom 27. 10. 2005. 
  • 8 Sulger Büel E. Nathan Brann.  Schweiz med Wochenschr. 1949;  79 482
  • 9 Braun-Falco O. Brief an A. Scholz vom 4. 11. 1993. 
  • 10 Hohlbaum G. Nathan Brann. Ein Vorkämpfer für die phlebologische Zusatzbezeichnung.  Phlebol u Prktol. 1982;  11 72-80
  • 11 Schwoch R. Jüdische Kassenärzte rund um die Neue Synagoge. Berlin; Hentrich & Hentrich 2006: 41

1 Herrn Dr. Klaus Holzegel in freundschaftlicher Verbundenheit gewidmet.

Prof. Dr. (em.) Albrecht Scholz

Mendelssohnallee 30
01309 Dresden

Email: albrecht.scholz@yahoo.de

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Abb. 1 Titelausschnitt „Blätter für Beinheilkunde”, Nr. 2, 1922 (Archiv A. Scholz, Dresden).

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Abb. 2 Titelausschnitt „Blätter für Beinheilkunde”, Nr. 33, 1934: Letzte Ausgabe der Zeitschrift (Archiv A. Scholz, Dresden).

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Abb. 3 Anzeige u. a. für die Beinstütze und die Wickelmaschine nach Dr. Brann, 1929 (Archiv A. Scholz; Dresden).

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Abb. 4 Anzeige für Varicosan-Binden und Varicosan-Salbe, 1928 (Archiv A. Scholz; Dresden).

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Abb. 5 Anzeige für Herstellung von Gummistrümpfen (Archiv A. Scholz; Dresden).

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Abb. 6 Anzeige für das Sklerosierungspräparat Calorose, 1928 (Archiv A. Scholz; Dresden).

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Abb. 7 Anzeige für Lokaltherapie mit „Lyssia-Salbe”, 1927 (Archiv A. Scholz; Dresden).