Einleitung
Einleitung
Infektionen des Respirationstrakts sind in industrialisierten Ländern eine der häufigsten
Ursachen von Hausarztkonsultationen [1 ]. Es ist davon auszugehen, dass rund ein Drittel dieser Infektionen den unteren Respirationstrakt
(Lower Respiratory Tract Infection; LRTI) betreffen [2 ]. Hierzu zählen neben der „akuten Bronchitis” auch die akute Exazerbation einer chronisch
obstruktiven Atemwegserkrankung (Chronic Obstructive Pulmonary Disease; COPD; Acute
Exacerbated-COPD; AE-COPD), die ambulant erworbene Pneumonie (Community-acquired Pneumonia;
CAP) sowie die Influenza. In der Literatur finden sich Inzidenzraten von 44 – 50 pro
1000 Einwohner [3 ]
[4 ]. Obwohl der klinische Nutzen einer Antibiotikabehandlung bei bestimmten Formen der
LRTI, besonders der akuten Bronchitis, oder Fällen einer AE-COPD wenig belegt ist
[2 ]
[5 ]
[6 ], werden in Europa in der ambulanten Patientenversorgung die meisten dieser Patienten
antibiotisch behandelt [2 ]. Dieser Tatsache kommt vor dem Hintergrund, dass ein derartig unkritischer Gebrauch
von Antibiotika mit einer Zunahme der Resistenzraten einhergeht [7 ], eine besondere Bedeutung zu.
Über die Ätiologie von LRTI, insbesondere bei leichten und mittelschweren Fällen und
somit in der ambulanten Patientenversorgung, ist bislang wenig bekannt. Aber auch
bei schwereren Fällen, die eine stationäre Behandlung erfordern (z. B. CAP), gelingt
eine Erregerdiagnostik nur bei 30 – 70 % der Patienten [8 ]
[9 ]. Ursächlich hierfür sind Unterschiede in der jeweils untersuchten Patientenpopulation,
der Wahl der verwendeten Untersuchungsmaterialien (Rachenabstrich, Sputum, Nasen-
und/oder Rachenspülung, Trachealaspirat, Bronchialsekret, BAL, Blut etc.) sowie Art
und Umfang der verwendeten Untersuchungsmethoden (Serologie, Allgemeinkultur, Viruskultur,
Polymerase-Kettenreaktion [Polymerase Chain Reaction; PCR] etc.).
Während die ätiologische Bedeutung von Bakterien bei LRTI, insbesondere in der Genese
der CAP, durch zahlreiche Studien gut untersucht ist [8 ]
[9 ] und sich diese Kenntnisse auch in den Leitlinien zur Behandlung dieser Infektionen
widerspiegeln [10 ], ist über die Rolle von viralen Atemwegsinfektionen bislang wenig bekannt. Erst
in den letzten Jahren ist durch den Einsatz von sensitiveren Untersuchungsmethoden
wie der PCR im Rahmen von Studien zur Ätiologie von tiefen Atemwegsinfekten sowie
im klinischen Alltag die Rolle von Viren in der Genese von LRTI vermehrt in den Mittelpunkt
des Interesses gelangt. So finden sich in neueren Studien je nach Krankheitsbild in
bis zu 63 % der Fälle mit Erregernachweis Viren als Ursache [4 ]
[8 ]
[9 ]
[11 ]
[12 ]
[13 ]. Somit wurde die Bedeutung von Viren bei tiefen Infektionen des Respirationstrakts
bei Erwachsenen bislang wahrscheinlich unterschätzt.
Vor diesem Hintergrund hat die Arbeitsgruppe „Pneumologie” der Paul-Ehrlich-Gesellschaft
beschlossen, ein Statuspapier zu erstellen, das zum Ziel hat, die Bedeutung von Virusinfekten
bei tiefen Atemwegsinfektionen des Erwachsenen zu beleuchten. Anhand der aktuellen
Literatur soll neben dem derzeitigen Kenntnisstand zur ätiologischen Bedeutung von
Viren bei tiefen Atemwegsinfektionen auch eine allgemeine Übersicht über virale Atemwegsinfektionen
gegeben werden. Hierdurch könnten sich möglicherweise Konsequenzen für den klinischen
Umgang mit tiefen Atemwegsinfektionen, insbesondere eine Empfehlung zum Einsatz von
Antibiotika und/oder antiviralen Medikamenten, ergeben. Ferner ist beabsichtigt, noch
offene Fragen bezüglich der Rolle von Viren bei Atemwegsinfektionen, die Ansatzpunkte
für künftige Studien geben könnten, zu identifizieren. Diese Übersichtsarbeit stellt
jedoch keine Leitlinie dar.
Im ersten Teil der Serie werden die Pathogenese, häufig gefundene Viren und die Diagnostik
von viralen Atemwegsinfekten dargestellt. Der zweite Teil wird sich mit den vier klinisch
relevanten Formen der viral ausgelösten LRTI (akute Bronchitis, exazerbierte COPD,
Pneumonie und Influenza) beschäftigen, der dritte und letzte Teil gibt eine Übersicht
über Therapie und Prävention.
Pathogenese von Virusinfekten
Pathogenese von Virusinfekten
Für das Überleben von Vertebraten ist es essenziell, über eine Strategie für die Erkennung
von „selbst” und „nicht-selbst” zu verfügen. Bislang unterscheiden wir innerhalb dieser
Strategie „angeborene” und „erworbene” Immunität. Der Begriff „erworben” bezeichnet
eine spezielle Form der Immunität, welche wesentlich durch die Umwelt beeinflusst
wird, d. h. dadurch, dass der Organismus einem Erreger ausgesetzt war, kommt es zu
einer „klonalen Expansion” bestimmter Zellen, welche schlussendlich ein spezifisches
Ziel bekämpfen. Der Begriff „angeboren” beschreibt alle anderen Formen.
Infektion der Wirtszelle
Viren können ohne eine Wirtszelle nicht „überleben”. Zur Replikation schleusen sie
ihr Genom, bestehend aus einzel- oder doppelsträngiger RNA oder DNA, in die Wirtszelle
ein. Obgleich es signifikante Unterschiede zwischen den Mechanismen der Infektion
einzelner Zellen gibt, bestehen doch, da alle Viren vor ähnlichen Problemen auf dem
Weg von Wirtszelle zu Wirtszelle stehen (z. B. pH der Umgebung, Temperatur, Proteasen),
Gemeinsamkeiten bei der Vielzahl bisher untersuchter Viren. Für zahlreiche Viren ist
die Lösung dieser Probleme eine Verbindung zwischen den letzten Schritten der Virusvermehrung
und der Infektion ([Abb. 1 ]). Somit ist das Virion eine Zwischenform im Lebenszyklus des Virus. Die letzten
Stadien der Virusvermehrung stellen häufig proteolytische Veränderungen von Strukturproteinen
dar (in der Regel Oberflächenglykoproteine im Falle behüllter Viren oder Kapsidproteine
im Falle unbehüllter Viren). Diese führen zu einem sogenannten metastabilen Zustand,
der es dem Virus aufgrund bestimmter energetischer Barrieren erst dann erlaubt, in
die Zielzelle einzudringen, wenn der metastabile Zustand durch einen passenden Trigger
(Rezeptorbindung oder endosomale pH-Änderung oder beides) aufgehoben wird. Dann können
hydrophobe Molekülreste freigelegt werden und zur Anheftung an die Zellmembran führen.
Bei behüllten Viren führt die Anheftung zu einer Fusion der Hülle mit der Zellmembran,
bei unbekapselten Viren müssen die hydrophoben Reste eine Pore bilden, damit das Virus
eindringen kann. Ferner sind sowohl bei behüllten als auch unbehüllten Viren Endozytosevorgänge
von Bedeutung. Grundsätzlich kann die Infektion der Zelle also auf zwei Wegen stattfinden,
einem pH-getriggerten und einem rezeptorgetriggerten.
Abb. 1 Viren gelangen durch rezeptorvermittelte Phagozytose oder Membranfusion in das Zytoplasma
der Zielzelle. Hier beginnt die Replikation der Erbsubstanz des Virus, entweder mit
Hilfe eigener Enzyme oder im Wesentlichen durch den Wirt. Im Falle z. B. der Retroviren
erfolgt eine Integration in das Wirtsgenom. Im Zytoplasma erfolgt schließlich die
Montage der Viruspartikel und deren Ausschleusung.
Toll-like Rezeptoren
Der Erkennungsprozess der angeborenen Immunität erfolgt über Rezeptoren, die in der
Keimbahn kodiert sind, wodurch ihre Spezifität genetisch starr festgelegt ist. Dies
ist von Vorteil, da diese Rezeptoren, deren Spezifität sich unter dem Selektionsdruck
der Evolution herausgebildet hat, nun von Generation zu Generation weiter gegeben
werden. Sie werden Mustererkennungsrezeptoren (Pattern recognition receptor; PRR)
genannt und erkennen evolutiv hoch-konservierte Strukturen, die vielen Mikroorganismen
einer Art gemeinsam sind. Diese Strukturen zeichnen sich insbesondere dadurch aus,
dass sie vorzugsweise nicht im Wirtsorganismus zu finden sind.
Toll, ein transmembranes Protein hat eine entscheidende Funktion für die angeborene
Immunität als PRR [14 ]. Humane Toll-like Rezeptoren (TLR) sind Schlüsselproteine, welche uns die Erkennung von Infektionen ermöglichen. Innerhalb
der Zelle existieren z. T. ähnliche Strukturen (z. B. mRNA). Um nun „selbst” von „nicht-selbst”
unterscheiden zu können, überwachen TLRs sowohl den extrazellulären Raum wie auch
das Zytosol und endosomale Kompartimente. Während der Replikation der Viren innerhalb
der Wirtszelle entstehen verschiedene Nukleinsäurederivate mit „viraler Signatur”.
Sie aktivieren über TLRs durch konservierte strukturelle Motive („Signatur”) die angeborene
und schließlich auch die adaptive Immunität.
Viren waren die letzten Pathogene, deren Erkennung durch TLRs bestätigt werden konnte
[15 ]
[16 ]
[17 ]
[18 ]
[19 ]
[20 ]. Sie werden im Wesentlichen von den TLRs erkannt, die spezialisiert auf die Erkennung
von unmethylierter DNA (TLR9), dsRNA (TLR3) und ssRNA (TLR7 und 8) sind. Es ist eine
Herausforderung zu entscheiden, ob Nukleinsäuren „selbst” oder „nicht-selbst” sind,
da die Unterschiede sehr subtil sind. So kommt zum Beispiel einzelsträngige RNA (ssRNA)
sehr häufig in eukaryotischen Zellen vor, aber auch doppelsträngige RNA (dsRNA) ist
bisweilen vertreten. Ferner sind auch CpG-Dinukleotide im humanen Genom unmethyliert
und sollten daher von TLR9 erkannt werden können. TLR3, 7, 8 und 9 erkennen strukturelle
Differenzen zwischen viralen und eukaryotischen Nukleinsäuren, aber es ist vermutlich
zwingend erforderlich, dass die Rezeptoren ihre Liganden im endosomalen Kompartiment
registrieren [21 ]
[22 ] Dies ist ein Kompartiment, das unter normalen Umständen frei von Wirts-RNA oder
-DNA ist [23 ].
Aber nicht nur virale Nukleinsäuren, auch virale Proteine können durch TLRs erkannt
werden [17 ]. Haben Viren das Zytosol erreicht, entziehen sie sich zunächst der Erkennung durch
TLRs. Dann können virale Bestandteile intrazellulär durch sog. RNA-Helicasen auch
TLR-unabhängig wahrgenommen werden [24 ]
[25 ]. Wie erst kürzlich gezeigt wurde, erkennen diese Helicasen virale ssRNA mit 3 Phosphatresten
am 5’-Ende [26 ]
[27 ].
Alle Zellen an exponierter Stelle tragen PRR. Entsprechend gilt dies für Pneumozyten
[22 ]. Das bedeutet aber auch, dass das Epithel der Atemwege über Rezeptoren verfügt,
die es prinzipiell anfällig für virale Infektionen macht. Aus dem oben Gesagten geht
auch hervor, dass andere Zellen, z. B. Kardiomyozyten, durch respiratorische Erreger
infizierbar sind [28 ].
Induktion einer antiviralen Antwort
Nach Aktivierung eines PRR wird ein Signal an den Zellkern weitergeleitet und die
Transkription spezifischer Genabschnitte eingeleitet. Nach Ligation von TLR3, 7, 8
und/oder 9 kommt es zu einer Ausschüttung von Typ-I-Interferon (IFN α und β). Typ-I-Interferone
(IFN) spielen eine bedeutende Rolle für den Start eines antiviralen Programms. IFN-induzierbare
Gene beeinflussen u. a. Proteinbiosynthese, Zellzyklus und Apoptose. Darüber hinaus
stimulieren Typ-I-IFN die Reifung von dendritischen Zellen (DCs), verstärken die Zytotoxizität
von natürlichen Killerzellen und induzieren die Differenzierung Virus-spezifischer
zytotoxischer T-Zellen und verbinden so angeborene und adaptive Immunität [29 ]
[30 ].
Antimikrobielle Peptide
Als Effektormechanismen gegen virale Infektionen stehen verschiedene Strategien zur
Verfügung. Eine wichtige Funktion haben Natural-killer(NK)-Zellen [31 ]. Diese Zellen machen ungefähr 5 – 20 % der Lymphozyten vieler Organsysteme aus und
sind auf die Erkennung und Elimination pathogen-infizierter Zellen und Tumorzellen
spezialisiert. Diese Aktivität wird über die Abgabe löslicher Mediatoren und Zytolyse
vermittelt.
Antimikrobielle Peptide sind Effektormoleküle der angeborenen Immunität mit direkter
antimikrobieller Wirkung und einer Reihe von Funktionen als Mediatoren. Defensine
und Cathelizidine sind prototypische Peptidfamilien, die beim Menschen gefunden wurden.
Der Wirkungsmechanismus dieser endogenen Antibiotika beruht in den meisten Fällen
auf Interaktionen mit Biomembranen. Die Expression einiger antimikrobieller Peptide
wird durch Virusinfektion induziert, gleichzeitig haben Peptide auch Wirkung gegenüber
Viren [32 ]. So hemmen neutrophile alpha-Defensine HSV-1, HVS-2 und in geringerem Maß auch CMV.
Diese Peptide besitzen auch eine Aktivität gegen HIV.
Im Folgenden soll am Beispiel der akuten viralen Exazerbation der chronisch obstruktiven
Lungenerkrankung (COPD) exemplarisch die Pathogenese viraler tiefer Atemwegsinfektionen
dargestellt werden.
Respiratorische Viren, z. B. Rhinoviren, die als einer der häufigsten viralen Erreger
einer Exazerbation identifiziert und bislang am besten untersucht sind, binden über
interzelluläre Adhäsionsmoleküle (z. B. ICAM-1) an das Atemwegsepithel und können
es somit direkt durch einen Verlust von Zilien tragenden Zellen schädigen. Ferner
verursachen sie eine erhöhte Plasmaexsudation sowie vermehrte Schleimproduktion [33 ]. Durch Bindung an ICAM-1 wird die Bildung von weiteren ICAM-1-Molekülen induziert
[34 ], was eine chemotaktische Wirkung auf neutrophile Granulozyten hat. Dadurch kommt
es im Rahmen einer Exazerbation zu einer Zunahme der bereits im stabilen Zustand vorhandenen
Entzündungsreaktion. So wurden in einigen Studien erhöhte Werte für TNF-α , IL-8 [35 ]
[36 ], LeukotrienB4 (LTB4) [37 ], epithelial-derived neutrophil attractant (ENA-78) [36 ] und Endothelin-1 [38 ], einem Bronchokonstriktor, beschrieben. Darüber hinaus führen Rhinoviren zur Aktivierung
des Transkriptionsfaktors Nuklearer-Faktor-κB (NF-κB) [34 ], der eine wichtige Rolle in der Regulation verschiedener Zytokine innehat und somit
ebenfalls proinflammatorisch wirkt.
Erreger
Erreger
Infektionen des unteren Respirationstraktes (LRTI) können durch Viren aus unterschiedlichen
Familien ([Tab. 1 ]) ausgelöst werden. Einige sind seit langer Zeit bekannt, andere sind erst in den
letzten Jahren neu entdeckt und in ihrer Bedeutung für LRTI wahrgenommen worden. Im
Folgenden sollen überwiegend Viren der zweiten Gruppe ausführlicher vorgestellt werden.
Auf nicht saisonale Influenza-Erreger wird nicht explizit eingegangen, da sie entweder
bisher für Deutschland keine klinische Bedeutung haben (Vogelgrippe, Influenza-A-Virus
Subtyp H5N1) oder aufgrund des kurzfristigen Auftretens keine endgültigen Aussagen
getroffen werden können (Schweinegrippe Influenza-A-Virus Subtyp H1N1-swine). Aktuelle
Informationen diesbezüglich können den Veröffentlichungen der WHO (www.who.int) und
des Robert Koch Instituts (www.rki.de) entnommen werden.
Tab. 1 Viren mit Bedeutung bei tiefen Atemwegsinfekten; ds-DNA: Doppelstrang Desoxyribonukleinsäure;
ss-RNA: Einzelstrang Ribonukleinsäure.
Adenoviridae
humanes Adenovirus
ds-DNA
Coronaviridae
humanes Coronavirus – CoV-OC43 – CoV-229E – SARS-CoV – CoV-NL63 – CoV-HKU1
ss-RNA
Humane Herpesviridae
Cytomegalievirus Herpes simplex 1 und 2 Varizella-Zoster-Virus
ds-DNA ds-DNA ds-DNA
Orthomyxoviridae
Influenzavirus A Influenzavirus B
ss-RNA ss-RNA
Parvoviridae
humanes Bocavirus
ss-DNA
Picornaviridae
humanes Rhinovirus Coxsackievirus A und B Echoviren
ss-RNA ss-RNA ss-RNA
Paramyxoviridae
Respiratory Syncytial Virus Parainfluenzavirus humanes Metapneumovirus Masernvirus
ss-RNA ss-RNA ss-RNA ss-RNA
Das humane Bocavirus (hBoV), ein Parvovirus, wurde 2005 in Respirationstraktmaterial von Patienten mit
respiratorischem Infekt entdeckt. Es ist weltweit verbreitet und befällt Menschen
aller Altersgruppen. Hospitalisierungen bei Erwachsenen sind sehr selten. HBoV wurde
bei 1,5 % bis 19 % aller Kinder mit Respirationstraktinfekten nachgewiesen, häufig
als Koinfektion mit etablierten respiratorischen Viren. HBoV-spezifische Krankheitssymptome
konnten bisher nicht identifiziert werden [39 ].
Humanpathogene Coronaviren (hCoV) sind seit Jahrzehnten bekannt. CoV-OC43 und CoV-229E werden für 10 – 25 %
aller Schnupfenfälle verantwortlich gemacht und können auch Bronchitis und Pneumonie
auslösen. In den letzten Jahren wurden weitere Mitglieder dieser Familie entdeckt.
Das SARS-CoV wurde 2003 als Ursache für das severe acute respiratory syndrome (SARS) identifiziert [40 ]. Im Jahr 2004 wurde das weltweit verbreitete CoV-NL63 isoliert [41 ]. Es befällt bevorzugt chronisch kranke Kinder und konnte in 1 % – 7 % der Atemwegsmaterialien
respiratorisch erkrankter Patienten nachgewiesen werden. Eine Assoziation des Virus
mit Pseudo-Krupp wird ebenfalls diskutiert. CoV-HKU1 wurde 2005 in Hongkong entdeckt
und verursacht Erkrankungen der oberen und unteren Atemwege. Das Virus wurde bei 1 %
– 19 % respiratorisch erkrankter Personen nachgewiesen [42 ]. Wie die meisten der in den letzten Jahren neu entdeckten respiratorischen Viren
wird CoV-HKU1 vermehrt bei Kindern mit Grunderkrankungen nachgewiesen.
Das humane Metapneumovirus (hMPV), ein Paramyxovirus, wurde 2001 entdeckt [43 ]. Es ist weltweit verbreitet und verursacht bei einer Inzidenz von 1,5 % bis 25 %
leichte wie auch schwere Infektionen des oberen und unteren Respirationstraktes bei
Säuglingen und Kleinkindern [44 ]. Das hMPV trägt signifikant zur Morbidität und Mortalität von Frühgeborenen sowie
von Kleinkindern mit Grunderkrankungen bei. Es wird auch als Trigger für Asthma diskutiert.
Bei Erwachsenen sind symptomatische Erkrankungen seltener (hMPV-Nachweis bei bis zu
4 % von Erwachsenen mit ambulant erworbener Pneumonie) und betreffen zumeist immunkompromittierte
Patienten oder solche mit chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen [45 ].
Humane Herpesviren spielen als Erreger von Respirationstrakterkrankungen bei immunkompromittierten Menschen
eine Rolle [46 ]
[47 ]
[48 ]. Das humane Cytomegalievirus (CMV) muss bei Organtransplantierten, HIV-Infizierten
und anderen Menschen mit bekannter Immunsuppression im Fall einer respiratorischen
Symptomatik immer als Differenzialdiagnose berücksichtigt und diagnostisch mit erfasst
werden. Auch Herpes-Simplex-Virus (HSV), Varizella-Zoster-Virus (VZV) und Epstein-Barr-Virus
(EBV) sollten aber bei atypischen Krankheitsverläufen mit berücksichtigt werden.
Humane Rhinoviren (hRV) gehören zur Familie der Picornaviren, sind seit Jahrzehnten bekannt und weltweit
verbreitet. Mehr als 100 Rhinovirustypen können unterschieden werden, die nach Infektion
keine nachhaltige Immunität induzieren. Rhinoviren sind eine wichtige Ursache von
Infektionen der oberen Atemwege und werden meist mit banalen Erkältungen in Zusammenhang
gebracht. Zunehmend zeigt sich, dass sie auch für Infektionen der unteren Atemwege
von Bedeutung sind [49 ]
[50 ]. Ihre Assoziation mit Tracheobronchitis ist seit langer Zeit etabliert. Von acht
Probanden ohne Immunität gegen Rhinoviren, die ein rhinovirushaltiges Aerosol inhalierten,
entwickelten alle Rhinitis, Husten und Allgemeinsymptome, drei davon mit Zeichen einer
schweren akuten Tracheobronchitis, drei mit mäßiger Tracheobronchitis und zwei mit
überwiegend Schnupfen mit nur mäßigem Husten [51 ].
Diagnostik
Diagnostik
Untersuchungsmaterial
Für alle In-vitro -Diagnostikverfahren ist die Präanalytik von groβer Bedeutung. Zu lange oder falsche
Lagerung mindert die Qualität des Patientenmaterials und führt somit zu schlechteren
Testergebnissen. Viren zeigen eine geringe Umweltstabilität (Tenazität) außerhalb
von feuchtem Milieu. So überleben Influenzaviren auf inerten Oberflächen nur wenige
Stunden, können aber bei 4 °C bis zu 38 Tage im Stuhl nachgewiesen werden. Die Tenazität
unbehüllter Viren ist größer als die behüllter Viren.
Für den Direktnachweis respiratorischer Viren geeignete Materialien sind bronchoalveoläre
Lavage (BAL), Rachenspülwasser, Trachealsekret, tiefe Nasen-/Rachenabstriche und Mukusfallen
bei Kindern. Aufgrund der nicht standardisierten Gewinnungsmethoden ist die Eignung
des Materials stark von den Entnahmemodalitäten abhängig. Die Verwendbarkeit von induziertem
Sputum, einem nicht-invasiven Verfahren zur Gewinnung von Atemwegssekreten, ist nicht
systematisch hinsichtlich der Verwendbarkeit für die beschriebenen Methoden evaluiert
worden. Studien, die induziertes Sputum verwenden, weisen jedoch darauf hin, dass
auch hier verschiedene Methoden zur Identifikation von viralen Erregern angewandt
werden können [52 ]
[53 ]
[54 ]
[55 ].
Serum kann zur Bestimmung virusspezifischer Antikörpertiter und verschiedener Akutphaseproteine
(z. B. C-Reaktives Protein, Procalcitonin, Serum Amyloid A), die möglicherweise eine
Differenzierung zwischen bakteriellen und viralen Infekten erlauben, verwendet werden.
Ein noch in der experimentellen Phase befindliches Untersuchungsmaterial ist das Atemwegskondensat.
Virusnachweis
Eine detaillierte Übersicht zum Nachweis von Atemwegsviren wurde im Rahmen der Serie
„Diagnostik pulmonaler Infektionskrankheiten” in der Januar-Ausgabe dieser Zeitschrift
veröffentlicht (Rohde et al., Pneumologie 2009; 63 : 14 – 22) [56 ]. Zur Diagnose viraler LRTI wurden zahlreiche Nachweisverfahren für virusspezifische
Antikörper oder zum Virusdirektnachweis etabliert. Antikörper sind zu Beginn der symptomatischen
Krankheitsphase meist noch nicht nachweisbar. Aus diesem Grund ist der Antikörpernachweis
durch Komplement-Bindungsreaktion (KBR), Enzyme Linked Immunosorbent Assay (ELISA)
oder indirekten Immunfluoreszenztest (IFT) zur Identifizierung des Erregers eines
akuten viralen Respirationstraktinfektes ungeeignet und nur für retrospektive Betrachtungen
und epidemiologische Studien sinnvoll. Viele ältere Studien basieren ausschließlich
auf Antikörperbestimmungen. Das mindert ihre Aussagekraft deutlich.
Virusdirektnachweise sind die Methode der Wahl zum Nachweis respiratorischer Viren.
Das klassische Verfahren der Virusanzucht mit Zellkulturen ist für die meisten respiratorischen
Viren etabliert (siehe [Tab. 2 ]), spielt aber aufgrund des methodischen Aufwandes und der langen Verfahrensdauer
keine Rolle in der Akutdiagnostik.
Tab. 2 Etablierte Nachweisverfahren wichtiger viraler Respirationstraktpathogene (nicht alle
genannten Testverfahren sind in Routinediagnostiklabors verfügbar).
Virus/Testverfahren
Schnelltest
PCR
Antigen-Immunfluoreszenztest
Antigen-ELISA
Zellkultur
Adenoviren
–
+
+
–
+
Bocavirus
–
+
–
–
+
Coronaviren
– CoV-229E
–
+
+
–
+
– CoV-HKU1
–
+
–
–
–
– CoV-NL63
–
+
–
–
+
– CoV-OC43
–
+
+
–
+
– SARS-CoV
–
+
+
+
+
Enteroviren (Coxsackie- und Echoviren)
–
+
–
–
+
Herpesviren
– CMV
–
+
+
–
+
– EBV
+
+
–
+
– HSV
–
+
+
–
+
– VZV
–
+
+
–
+
Influenzavirus A/B
+
+
+
+
+
Paramyxoviren
– Metapneumovirus
–
+
+
+
+
– Parainfluenzaviren
–
+
+
–
+
– RSV
+
+
+
–
+
– Rhinoviren
–
+
+
+
+
Die Anforderungen an methodischen Aufwand und Zeitnähe des Testergebnisses werden
von Schnelltesten (z. B. Immunchromatografie), Polymerasekettenreaktion (PCR), Antigen-IFT
und Antigen-ELISA erfüllt ([Tab. 3 ]). Der zeitliche Vorteil bei der Anwendung der Schnellteste (weniger als 30 Minuten)
gegenüber den anderen Verfahren (IFT: 90 Minuten, real time PCR: 120 Minuten, ELISA:
240 Minuten) fällt im Routinelabor aufgrund der Zeiten für Materialtransport und Befundübermittlung
nicht ins Gewicht. Mit allen Verfahren ist eine Befundung am Tag der Einsendung möglich.
Entscheidend für die Beurteilung der Testverfahren ist somit die Sensitivität. Hier
kann der IFT der PCR gleichwertig sein; Schnellteste und Antigen-ELISAs fallen deutlich
dahinter zurück ([Tab. 3 ]) [57 ]
[58 ]. Der IFT ist schlechter automatisierbar als die PCR und stellt höhere Anforderungen
an die Materialqualität. Etwa 5 % der eingesendeten Materialien sind nicht für den
IFT geeignet, wohl aber für die PCR [59 ]. Demgegenüber stehen die höheren Kosten der PCR. In [Tab. 2 ] ist die Verfügbarkeit der genannten Verfahren zum Nachweis wichtiger viraler Respirationstrakterreger
zusammengefasst.
Tab. 3 Sensitivität unterschiedlicher Direktnachweisverfahren für Influenzaviren.
Testverfahren
Sensitivität
Quelle
Schnellteste
63 % – 85 %
Agoritsas et al, 2006 [79 ]
Grijalva et al., 2007 [80 ]
PCR
92,3 %
Carraro et al., 2007 [81 ]
Steininger et al. 2002 [57 ]
Antigen-Immunfluoreszenztest
84 % – 93,6 %
Carraro et al., 2007 [81 ]
Shetty et al., 2003 [82 ]
Antigen-ELISA
62 % – 74 %
Vareckova et al., 2006 [83 ]
Steininger et al., 2002 [57 ]
Akut-Phase-Proteine
Akut-Phase-Proteine (C-reaktives Protein [CRP], Procalcitonin [PCT], Haptoglobin,
etc.) werden im klinischen Alltag als Indikatoren für akute entzündliche Prozesse
verwendet. Diese Proteine sind endogene Entzündungsmediatoren, die meist von Hepatozyten
als Antwort auf akute und chronische Entzündungen, einschließlich Infektionen, Traumata
und unterschiedlicher Neoplasien produziert werden [60 ]. Obwohl der Nachweis dieser Parameter sehr unspezifisch ist, sind gemessene Serumspiegel
von großem Nutzen, da sie Vorhandensein und Intensität entzündlicher Prozesse anzeigen
können. Plasmaspiegel von CRP werden sehr häufig für klinische Entscheidungen herangezogen,
sind jedoch von begrenztem Nutzen bei Patienten mit akuten viralen Infektionen, da
CRP-Werte bei diesen Patienten meistens normwertig oder nur gering erhöht sind [61 ].
Procalcitonin und Serum Amyloid A
Procalcitonin (PCT) ist ein Propeptid des Calcitonins, das unter physiologischen Bedingungen
in den C-Zellen der Schilddrüse gebildet wird. Obwohl für PCT bislang keine eigene
hormonale Aktivität bekannt ist, gilt es als ein Marker zur Diagnostik von schweren
bakteriellen Infektionen. Im Serum besitzt es eine Halbwertzeit von ca. 25 – 30 Stunden
und der Nachweis erfolgt in der Regel aus dem Serum mit Hilfe eines immunoluminometrischen
Assays. Es steht auch ein Schnelltest (Bedside-Test, z. B. PCT-Q® der Fa. B.R.A.H.M.S., Berlin) zur Verfügung, der nach ca. 30 Minuten ein semiquantitatives
Ergebnis liefert [62 ].
Normalerweise ist PCT beim Gesunden mit den Standardmessmethoden nicht nachweisbar
(< 0,1 ng/ml). Es konnte jedoch gezeigt werden, dass die PCT-Konzentratrion im Serum
im Rahmen von schweren bakteriellen, parasitären oder fungalen Infekten mit systemischer
Manifestation regelhaft deutlich ansteigt (bis > 100 ng/ml). Neben den C-Zellen der
Schilddrüse als physiologischen Syntheseort konnte im Rahmen von schweren Infekten
sowohl in Leukozyten als auch in neuroendokrinen Zellen und dem Lungengewebe eine
procalcitoninähnliche Aktivität nachgewiesen werden.
Im Gegensatz zu Zytokinen (z. B. Tumornekrosefaktor-α oder Interleukin-6) oder dem
C-reaktiven Protein (CRP), die auch häufig im Zusammenhang mit chronisch-inflammatorischen
Erkrankungen wie Lupus erythematodes oder Antikörper-assoziierten Vasculitiden erhöht
sind, finden sich PCT-Erhöhungen bei diesen Erkrankungen lediglich, wenn zusätzlich
eine infektiöse Komplikation hinzukommt.
Ein Nutzen der PCT-Bestimmung liegt möglicherweise in der Differenzierung zwischen
viralen und bakteriellen Infektionen. Bei systemischen Inflammationen durch Viren
finden sich keine oder nur moderate PCT-Serumspiegelerhöhungen, und es konnte eine
höhere Sensitivität für PCT bei der Unterscheidung von bakteriellen und viralen Infekten
im Vergleich zum CRP (92 % vs. 86 %) nachgewiesen werden [61 ]
[63 ]. Darüber hinaus konnte in mehreren prospektiven Studien gezeigt werden, dass es
ohne negativen Einfluss auf die Ausheilung zu einer Einsparung von Antibiotika bei
LRTI kam, wenn die Indikation zur Verordnung von Antibiotika am PCT-Serumspiegel orientiert
wurde [64 ]
[65 ].
Ein Schwachpunkt ist, dass sich deutlich erhöhte PCT-Spiegel lediglich im Rahmen von
schweren Infektionen mit systemischer Mitbeteiligung finden. So sinkt die Spezifität
für den Nachweis einer schweren Infektion von 72 % bei Patienten mit einer PCT-Konzentration
> 1,5 ng/ml auf 35 % bei Patienten mit einem Spiegel < 0,1 ng/ml. Damit liegt die
Stärke der PCT-Bestimmung in der Erkennung von Patienten mit septischen Komplikationen
im Rahmen von bakteriellen Infekten.
Serum Amyloid A (SAA) gehört zu einer Familie von Apolipoproteinen, die von Hepatozyten
als Antwort auf durch Monozyten sezernierte Zytokine produziert werden. Serumspiegel
von SAA korrelieren gut mit jenen von CRP, sind jedoch 5- bis 11-fach höher als CRP-Werte
bei akuten Virusinfektionen [66 ]
[67 ]. Insbesondere bei akuten respiratorischen Virusinfektionen könnte SAA in Zukunft
ein wertvoller Parameter für die Unterscheidung zwischen viraler und bakterieller
Genese werden.
Atemkondensat (Exhaled Breath Condensate; EBC)
Die Gewinnung von EBC erfolgt nicht-invasiv mit sogenannten Kondensatoren. Die Sammlung
erfolgt sitzend, dabei atmet der Patient ruhig über ein Mundstück und ein daran angeschlossenes
Ein- und Ausatemventil in den Kondensator hinein. Nach etwa 10 min lassen sich ca.
1 – 3 ml Kondensat gewinnen, das zu > 99 % aus Wasserdampf besteht und dessen Ursprung
aus allen Teilen des Atmungsapparates stammt [68 ].
Biomarker im Atemkondensat
Eine Vielzahl von Biomarkern (> 100) u. a. Zytokine (TNF-α, IL-1β, IL-2, 4, 6, 8 und
10, IFN-γ), Prostanoide und Leukotriene (z. B. PGE2 , LTB4 ), 8-Isoprostan, NO und abgeleitete Verbindungen (NO2
– , NO3
– ), H2 O2 , Ammoniak (NH3 , NH4
+ ), aber auch verschiedene Tumormarker, Wachstumsfaktoren wie Erythropoetin und VEGF
sowie Endothelin-1 und Adenosin konnten bislang nachgewiesen werden [69 ].
Atemkondensat als diagnostisches Werkzeug bei Atemwegsinfektionen
Bei der CAP konnten bislang NO3
– , H2 O2 und Thiobarbituratsäure (TBARs) in erhöhter Konzentration nachgewiesen werden [69 ]
[70 ]. Möglicherweise ist der pH des EBC ein brauchbarer Marker für entzündliche Lungenerkrankungen
[71 ]
[72 ]. Der pH im Atemkondensat ist normalerweise leicht alkalisch (pH 7 – 8), bei entzündlichen
Lungenerkrankungen, insbesondere deren Exazerbationen (Asthma, COPD, CF, ARDS), nimmt
die Azidität zu [72 ]
[73 ]
[74 ]
[75 ]. Hinweise aus Tierexperimenten, dass auch bei viralen Atemwegsinfektionen Marker
des oxidativen Stress eine Rolle spielen, finden sich in einer erhöhten Aktivität
der Superoxid-Dismutase in der bronchoalveolären Lavage bei der Influenza-Infektion
der Maus [76 ]. Für die Diagnostik der viralen Pneumonie könnte der Nachweis von Virus-RNA bzw.
-DNA Eingang finden. Systematische Daten dazu fehlen bislang. Der Nachweis humaner
DNA im EBC gelang bei Patienten mit Bronchialkarzinom. Mittels PCR konnten Mutationen
im p53 Gen identifiziert werden [77 ]
[78 ].
Nutzen der Atemkondensatmethode in der Diagnostik der LRTI
Die Atemkondensatmethode hat sich in der Diagnostik und im Monitoring entzündlicher
Atemwegsinfektionen als gut reproduzierbare und einfach durchzuführende Methode etabliert.
Eine Diskriminierung zwischen bakteriellen und viralen Infektionen ist jedoch noch
nicht möglich. Der Nachweis von Virus-RNA oder -DNA im Atemkondensat ist bislang nicht
geführt worden, könnte sich jedoch zu einem nützlichen diagnostischen Hilfsmittel
entwickeln.
Zusammenfassung
Zusammenfassung
Eine Vielzahl von verschiedenen Viren kann Infektionen des Respirationstrakts auslösen.
Meist gelangen die Viren durch rezeptorvermittelte Phagozytose oder Membranfusion
in das Zytoplasma der Wirtszellen. Anschließend findet in ihr die Replikation des
viralen Erbguts entweder mit Hilfe eigener Enzyme oder Nutzung der Wirtzelle statt.
Abschließend erfolgt die „Montage” der neuen Viruspartikel und deren Ausschleusung,
was häufig zum direkten Untergang der Wirtszelle führt. Ferner werden durch immunkompetente
Zellen auch Inflammationsmediatoren freigesetzt, die zur entsprechenden Klinik beitragen
können.
Bis vor einigen Jahren erfolgte der Virusnachweis meist indirekt durch serologische
Untersuchungen oder durch eine zeitaufwendige Anzucht. Deshalb erfolgte in vielen
früheren Studien oftmals keine virologische Diagnostik und, falls sie erfolgte, waren
die Ergebnisse aufgrund methodischer Schwächen (z. B. Serologie) nicht sicher aussagekräftig.
Dies führte zu einer Vernachlässigung der Rolle von Viren bei der Genese von tiefen
Atemwegsinfekten. Erst mit der Entwicklung von sensitiveren Nachweismethoden wie der
PCR rückt die wahre Bedeutung von Viren immer mehr in den Fokus des Interesses. So
konnten neuere Studien eindrücklich zeigen, dass je nach Krankheitsbild Viren bei
mehr als 60 % der Patienten mit Erregernachweis nachgewiesen werden konnten. Interessanterweise
wurden nicht nur die bislang schon bekannten Viren wie z. B. Influenzaviren, Parainfluenzaviren,
Rhinoviren oder RSV detektiert, sondern es wurden auch neue, bislang unbekannte Viren
entdeckt oder Viren gefunden, die nicht typischerweise mit Atemwegsinfekten in Verbindung
gebracht wurden, wie z. B. Herpesviren.
Für den direkten Virusnachweis sind zahlreiche Atemwegsmaterialien geeignet. Hierzu
zählen neben Rachenspülwasser auch Trachealsekret, tiefe Rachenabstriche und die broncho-alveoläre
Lavage (BAL). Wichtig ist, dass zellreiche Proben besser geeignet sind und dass aufgrund
der geringen Tenazität der meisten Viren eine zu lange oder falsche Lagerung die Qualität
des Patientenmaterials deutlich vermindert. In der Routinediagnostik werden heutzutage
meist PCR und IFT verwendet. Für die „Notfalldiagnostik” gerade während Epidemien
stehen zum Teil auch Schnellteste zur Verfügung, die jedoch eine deutlich geringere
Sensitivität aufweisen. Ein weiteres Patientenmaterial, das eventuell zur Diagnostik
bei tiefen Atemwegsinfekten beitragen kann, ist das Atemkondensat (EBC). Ein groβer
Vorteil ist, dass es im Gegensatz z. B. zur BAL nicht invasiv gewonnen werden muss.
Erste Studien zeigen, dass hierdurch auch Aussagen zur Inflammation in den tiefen
Atemwegen möglich sind. Leider gibt es bislang noch keine Untersuchungen bezüglich
der Einsatzmöglichkeiten von EBC zur Virusdiagnostik, z. B. mittels PCR.
Im klinischen Alltag stehen wir oft vor der Frage, ob bei tiefen Atemwegsinfekten
eine antibiotische Behandlung erforderlich ist oder nicht. Hilfreich können hier Biomarker
sein, die zwischen bakteriellem und viralem Infekt differenzieren können. Am besten
untersucht sind CRP und Procalcitonin (PCT). Während das CRP nur wenig zur Differenzierung
zwischen viral und bakteriell beiträgt, scheint das PCT besser geeignet zu sein. Die
Stärke des PCT liegt aber eher darin, schwere bakterielle Infekte zu detektieren,
als sicher virale Infekte zu erkennen. Ein neuer Marker, der in akuten Infekten möglicherweise
hilft, gut zwischen bakteriellen und viralen Infekten zu unterscheiden, ist das Serum
Amyloid A. Seine Serumspiegel korrelieren gut mit denen des CRP, weisen aber bei viralen
Infektionen bis zu zehnmal höhere Werte auf.
Die Fortschritte in der Virusdiagnostik der letzten Jahre haben sehr viel zu unserem
Verständnis der Genese der tiefen Atemwegsinfekte beigetragen. Insbesondere gelingt
wesentlich häufiger der Nachweis von Viren bei diesen Erkrankungen und es werden neue
Viren entdeckt, die eine ätiologische Rolle zu spielen scheinen. Es bleibt jedoch
offen zu klären, ob wirklich jeder Virusnachweis auch Krankheitswert hat. Deshalb
werden im zweiten Teil dieser Serie die vier häufigsten Formen der tiefen Atemwegsinfekte
(akute Bronchitis, akut exazerbierte COPD, Pneumonie und Influenza) vorgestellt und
die Bedeutung von Viren bei ihrer Entstehung beleuchtet.
Interessenkonflikte
Interessenkonflikte
Keine