Aktuelle Dermatologie 2009; 35(6): 225-230
DOI: 10.1055/s-0029-1214653
Übersicht

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Das Ulcus cruris mixtum aus gefäßchirurgischer Sicht

Therapy of Crural Ulcer from the Vascular Surgical Point of ViewA.  Schneider1 , P.-K.  Modic2 , M.  Storck2
  • 1Klinik für Allgemein-, Visceral- u. Gefäßchirurgie, Kreiskrankenhaus des Vogelsberges Alsfeld
  • 2Klinik für Gefäß- und Thoraxchirurgie, Städtisches Klinikum Karlsruhe
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Dr. André Schneider

Klinik für Allgemein-, Visceral- und Gefäßchirurgie
Kreiskrankenhaus des Vogelsberges

Schwabenröder Straße 81
36304 Alsfeld

Email: andre@doc-schneider.de

Publication History

Publication Date:
02 June 2009 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Bei der Therapie des in seiner Genese komplexen Ulcus cruris mixtum steht die Behandlung der arteriellen Durchblutungsstörung an erster Stelle. Sie schafft die Voraussetzung für die anschließende Sanierung des venösen Leidens. Hierfür ist die Kompressionstherapie von entscheidender Bedeutung. Chirurgische und konservative Maßnahmen zur Wundtherapie beeinflussen den Therapieverlauf in entscheidender Weise und helfen die Behandlungszeit zu verkürzen.

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Abstract

In chronic leg ulcers in which the venous genesis is complicated by arterial disorders therapy is very complicated. First step should be the therapy of arterial occlusive disease. It is followed by therapy of the venous disease. Most important for that is compression therapy of the leg. Further the wound therapy is influenced and accelerated by surgical and conservative methods.

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Einleitung

Mit dem Begriff „Ulkus” bezeichnet man einen Gewebsdefekt, der über die Basalmembran der Epidermis hinaus reicht. Durch die irreversible Zerstörung des Gewebes heilen Ulzera immer mit einer Narbe aus. Nicht selten vergehen Monate, bis die therapeutischen Maßnahmen zum Ziel führen. Die Patienten sind in dieser Zeit erheblich in ihrer Lebensqualität eingeschränkt. Durch die ständige Konfrontation mit der Krankheit ist auch das Umfeld der Patienten deutlichen Belastungen ausgesetzt.

Ausgelöst in der Regel nur durch ein Bagatelltrauma sind Ulzera nur Symptome einer Grunderkrankung. Hier spielen immer Perfusionsstörungen im Gewebe eine entscheidende Rolle.

Bei ca. 70 % der Patienten sind dies venöse Abflussstörungen im Rahmen einer chronisch venösen Insuffizienz ([Tab. 1]).

Tab. 1 Äthiologie des Ulcus cruris.
venöse Abflussstörungen
arterielle Durchblutungsstörungen
Lymphabflussstörungen
Vaskulitiden
Neuropathien
Infektionen
Stoffwechselerkrankungen
Neoplasien
Dermatosen
Medikamente
exogene Noxen
genetische Defekte

Ein Viertel der Ulzera entstehen auf dem Boden arterieller Durchblutungsstörungen. In nur etwa 10 – 20 % liegt eine Mischform, das Ulcus cruris mixtum, vor. Durch diese Kombination liegt ein komplexes Krankheitsbild vor, das hohe Anforderungen an den Therapeuten stellt. Da ein Ulkus prinzipiell eine offene Wunde ist, liegt in der Regel mindestens eine Keimbesiedelung, wenn nicht sogar eine Infektion begleitend vor.

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Das Ulkus als chronische Wundheilungsstörung

Jede Wunde heilt nach einem vergleichbaren Schema ab, man nennt dies die physiologische Wundheilung. Nach einer traumatischen Gewebsverletzung geht die Wunde zunächst in eine Entzündungsphase über, in der Detritus abgebaut wird. Nach dieser Wundreinigung folgt die Exsudationsphase und anschließend die Granulationsphase, die von einer Gewebsneubildung gekennzeichnet ist. Den Abschluss bildet die Epithelialisierungsphase, in der es zum schlussendlichen Wundverschluss kommt.

In jeder Wundheilungsphase kann es durch unterschiedliche interne oder externe Faktoren zu einer Verzögerung bis hin zum Stillstand der Wundheilung kommen, es entsteht eine chronische Wunde.

Ein Ulcus cruris ([Abb. 1]), welches in der Regel länger besteht, erfüllt meist die Definition einer chronischen Wunde.

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Abb. 1 Ulcus cruris.

Ohne differenzierte Kenntnisse der Physiologie der Wundheilung sowie einer akuraten Analyse der Wundsituation bleibt die Therapie des Ulcus cruris insuffizient. Der Schlüssel zu einer erfolgreichen Therapie, also der Abheilung des Ulkus, liegt in der Optimierung des Wundmilieus und einem Neustart der physiologischen Wundheilung.

Eine Schlüsselfunktion für das Verständnis und auch die Therapie des Ulcus cruris mixtum liegt in der Mikrozirkulation des Gewebes. In dieser wichtigen Austauschzone, in der das Blut mit einer Geschwindigkeit von weniger als 2 cm/s fließt, können sowohl Störungen des arteriellen Zustroms als auch des venösen Abstroms zu schwerwiegenden Störungen führen ([Abb. 2]).

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Abb. 2 Circulus vitiosus der Durchblutungsstörung im Gewebe im Bereich eines Ulkus.

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Einzelaspekte der Therapie des Ulcus cruris mixtum

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1. Therapie der peripheren arteriellen Verschlusssymptomatik

Die suffiziente arterielle Perfusion des Gewebes ist eine conditio sine qua non für die Wundheilung. Soweit zumindest eine arterielle Komponente an der Entstehung eines Ulcus cruris beteiligt ist, sollte diese primär angegangen werden.

Hinweise für das Vorliegen einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit ergeben sich oftmals bereits aus der Anamnese: Einschränkungen der Gehstrecke, Kältegefühle im betroffenen Bein, Hautblässe, um nur einige Punkte zu nennen. Diabetiker, die neben einer Makroangiopathie häufig auch eine Mikroangiopathie aufweisen, sind Risikopatienten. Aber auch die Lokalisation des Ulkus kann Hinweise auf eine arterielle Genese geben: Arterielle Ulzera finden sich bevorzugt an der Außenseite des Unterschenkels, wohingegen venöse Ulzera meist medialseitig lokalisiert sind. Atypisch gelegene Ulzera sind eher verdächtig eine arterielle Ursache zu haben.

Zur Basisdiagnostik der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit gehören neben Anamnese und körperlicher Untersuchung die Bestimmung der Gehstrecke sowie des Knöchel-Arm-Index. An bildgebender Diagnostik steht die konventionelle Angiografie zur Verfügung, alternativ die MR-Angiografie der Becken-Bein-Arterien. Vorteile der MR-Angiografie sind neben einer geringeren Invasivität die fehlende Strahlenbelastung. Die Auflösung dieses Untersuchungsverfahrens kommt jedoch häufig bei der Darstellung der Unterschenkelstrombahn an ihre Grenzen, sodass bei manchen Patienten sekundär zur Klärung von Details noch eine konventionelle DSA notwendig ist. Insbesondere trifft dies für Patienten mit Infekten am Unterschenkel zu, da es aufgrund der infektbedingten Hyperperfusion zu Überlagerungsartefakten kommt.

Therapeutisches Ziel ist auf jeden Fall die Behandlung signifikanter Stenosen oder arterieller Verschlüsse, um eine bestmögliche Perfusion der betroffenen Extremität zu sichern. Das gesamte gefäßchirurgische Spektrum sowie die interventionellen Therapieverfahren sollten hierzu eingesetzt werden. Die Wiederherstellung der arteriellen Strombahn erfolgt schrittweise von zentral beginnend. Da von zentral nach peripher die chirurgischen und interventionellen Risiken ebenso wie die technischen Schwierigkeiten zunehmen und die Prognose hinsichtlich der Langzeitoffenheit abnimmt, ist nach jeder erfolgten Korrektur des Einstromes zunächst ein Abwarten des möglichen Erfolges anzuraten.

Domäne der Revaskularisation von Stenosen oder Verschlüssen der Beckenetage ist heute die interventionelle Therapie. Zunehmend werden auch Läsionen der Oberschenkeletage interventionell therapiert, insbesondere dann, wenn es sich um kurzstreckige Verschlüsse (TASC A und B) [15] handelt. Langstreckige Verschlüsse sind primär chirurgisch zu revaskularisieren. Während TASC-C-Verschlüsse (> 15 cm) vorzugsweise chirurgisch behandelt werden, werden TASC-D-Läsionen in der Regel operiert [15] [16].

Während in der Beckenetage bei deutlich reduziertem allgemeinem Risiko der interventionellen Therapie die Langzeitoffenheitsraten vergleichbar sind, sind die chirurgischen Langzeitergebnisse in der Oberschenkeletage etwas besser.

Tab. 2 5-Jahres-Offenheitsraten nach endovaskulärer und offen-chirurgischer Therapie nach TASC II (*3-Jahres-Offenheitsraten).
iliakal oberhalb Knie unterhalb Knie
PTA (Stenose) 71 55
PTA + Stent (Stenose) 66*
PTA (Verschluss) 42
PTA + Stent (Verschluss) 64*
Kunststoffbypass 81 47 – 75 30 – 39
Venenbypass 66 – 80 50 – 75

Infragenuale Interventionen gehören bisher nicht zur Standardtherapie. Die Langzeitergebnisse bei größeren Patientenkollektiven sind bisher nicht veröffentlicht. Vergleichende chirurgische Therapien existieren bisher nicht.

Transplantat der ersten Wahl in der kruralen Chirurgie ist aufgrund der deutlich besseren Langzeitprognose die autologe Vene (V. saphena magna od. parva). Häufig stehen aufgrund einer zusätzlich bestehenden Erkrankung des Venensystems keine oder nur unzureichende Venentransplantate für die krurale Bypasschirurgie zur Verfügung. Bei Kunststoffprothesen kommt es an der distalen Anastomose oft schnell und ausgeprägt zu einer Intimahyperplasie und in der Folge zum Transplantatversagen.

Die Intimahyperplasie ist umso ausgeprägter je geringer der Fluss im Bypass ist.

Venenbypässe bleiben auch bei sehr niedrigen Flussraten (bis 50 ml/min) häufig noch offen. Kunststoffbypässe thrombosieren bei derart niedrigen Flussraten. Eine Verbesserung der Langzeitoffenheit kann durch sog. Compositegrafts erreicht werden. Hier wird an den Kunststoffbypass an der distalen Anastomose ein Veneninterponat eingefügt ([Abb. 3]) [3].

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Abb. 3 Intraoperativer Situs mit einem Composite-Graft.

Die modernen Innovationen in der Prothesentechnik wie Cuff- Prothesen (z. B. Distaflo®, FA BARD) ([Abb. 4]) oder heparinbeschichtete Prothesen (Propaten®, FA Gore) haben zu einer deutlichen Verbesserung der Offenheitsraten kruraler Bypässe geführt.

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Abb. 4 a Intraoperativer Situs bei Anlage einer Cuff-Prothese. b Intraoperative Angiografie einer Cuff-Prothesenanstomose.

Mit den Cuff-Prothesen können Langzeitoffenheitsraten ähnlich denen von Kunststoffprothesen mit Venencuff an der distalen Anastomose (wie z. B. Miller Cuff, Linton-Patch oder St. Mary's Boot) erreicht werden.

Speziell für die Propaten-Prothese der FA Gore liegen gute Langzeitergebnisse vor. 3-Jahres-Offenheitsraten bis 70 % sind hier dokumentiert [16] [17]. Erste 5-Jahres-Ergebnisse wurden auf der Jahrestagung 2008 der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie vorgestellt. Hier lagen die Offenheitsraten infragenual bei 60 %.

Die Offenheitsraten für krurale Venenbypässe liegen bei 60 – 85 % nach 1 Jahr und 50 – 75 % nach 5 Jahren. Deutlich weniger invasiv ist die interventionelle Therapie. Deshalb sollte sie auch, wenn möglich, Therapie der ersten Wahl sein. Im Normalfall ist dies bei ca. 75 % der Patienten der Fall ([Tab. 2]).

Die krurale PTA stellt vor allem bei multimorbiden Patienten eine hervorragende Alternative zur Operation dar. Durch erfahrene Untersucher können hohe primäre Offenheitsraten bei gleichzeitig niedriger Komplikationsrate [8] erzielt werden. In Fällen kritischer Beinischämie mit vorliegenden Ulzera sind die Langzeitergebnisse zwar deutlich schlechter als die Offenheitsraten, die durch die Bypasschirurgie zu erzielen sind, in den meisten Fällen gelingt es jedoch, das Ulkus auszuheilen und damit die Extremität zu erhalten [8].

Da interventionelle Verfahren auch von Gefäßchirurgen angewendet werden, führt man heute zunehmend Hybridprozeduren durch. In hervorragender Weise lassen sich die Vorteile der chirurgischen und interventionellen Therapie kombinieren. Die intraoperative PTA einer Beckenstenose im Rahmen der inguinalen Bypasschirurgie bedeutet für den Patienten eine entscheidende Minderung seines Morbiditätsrisikos ohne wesentliche Einschränkungen der Langzeitprognose. Es ist sogar möglich, bei distaler PTA das Niveau der distalen Anastomose nach proximal zu verlagern und damit zunächst einen Vorteil im Langzeitverlauf für den Patienten zu erzielen. In einigen Fällen kann auch durch einen „limitierten Eingriff” (Profundaplastik) mit PTA der Ausstrombahn bei guter Profundakollateralisation ein peripherer Bypass noch vermieden werden.

In der heutigen Zeit darf man auch die damit verbundene Kostenreduktion für den Kostenträger nicht außer Acht lassen. Durch die Kombination von Bypasschirurgie und intraoperativer Intervention können sehr gute Sofortergebnisse erzielt werden.

Als einzige Medikamente, die nachweislich die Gewebeperfusion verbessern können, haben sich Prostavasin® [3] [4] und Pletal® erwiesen. Während Pletal oral verabreicht wird und aktuell nicht zur Behandlung von arteriellen Durchblutungsstörungen mit Gewebsnekrosen zugelassen ist, steht Prostavasin nur zur intravenösen Applikation zur Verfügung.

Die Applikation von 2 × tgl. 40 µg i. v. verbessert durch multiple Wirkmechanismen die Gewebedurchblutung und unterstützt so die Abheilung des Ulkus entscheidend. Insbesondere durch eine Beeinflussung der Thrombozyten-Endothel-Interaktion kommt es zu einer Verbesserung der Fließeigenschaften des Blutes.

Die aktuell laufende ESPECIAL-Studie wird weiteren Aufschluss über die Ulkusheilung unter alleiniger Therapie mit Prostavasin geben. Die Therapie sollte über 2 – 3 Wochen erfolgen. Bei guter Verträglichkeit und fehlenden Zeichen einer Herzinsuffizienz kann die Dosis bis auf 2 × 60 µg tgl. gesteigert werden.

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2. Therapie der venösen Insuffizienzsymptomatik

Der verlangsamte venöse Abstrom bzw. das durch Reflux erhöhte venöse Abstromvolumen führen zu den typischen Folgen am venösen Schenkel des peripheren Gefäßsystems. Anamnese und klinische Untersuchung sind in der Regel bereits zielführend. Es finden sich die klassischen Zeichen der chronisch venösen Insuffizienz mit Ödem, Purpura jaune d’ocre, Atrophie blanche und Dermatoliposklerose. Der Goldstandard der technischen Untersuchungsverfahren ist heutzutage die Duplex-Sonografie. Bei schwierigen Untersuchungsverhältnissen ist die Phlebografie jedoch auch heute noch nicht aus dem diagnostischen Prozedere wegzudenken.

Die operative Sanierung der Insuffizienz im epifaszialen Venensystem ist eine obligate Maßnahme bei der Therapie des Ulcus cruris venosum und des Ulcus cruris mixtum. Seit über hundert Jahren nahezu unverändert wird hierzu die Crossektomie mit nachfolgendem Stripping der Vena saphena magna durchgeführt. Auf Radiowellen (VNUS-Closure) oder Laserenergie (EVLT) basierende moderne Verfahren führen endoluminal zu einer Obliteration der behandelten Venenabschnitte. Die Komplikationsraten sind niedrig, die Verschlussraten vergleichbar, die posttherapeutische Ausfallzeit des Patienten ist jedoch aufgrund des geringeren Traumas kürzer. Wesentliche Voraussetzung für alle genannten Operationsverfahren ist jedoch ein frei durchgängiges tiefes Venensystem. Bei bestehenden Kontraindikationen sollte zumindest eine Unterbindung insuffizienter Perforansvenen als Minimalziel angestrebt werden. Die subfasziale endoskopische Perforansligatur (SEPS) ist aufgrund der geringeren lokalen Traumatisierung das Verfahren der ersten Wahl.

Soweit Einschränkungen durch eine persistierende arterielle Komponente einer Kompressionstherapie nicht entgegenstehen, sollten zusätzlich zur Behandlung der Unterschenkelödeme Kompressionsstrümpfe getragen werden. Rein venöse Ulzera können in bis zu 70 % durch eine suffiziente Kompressionstherapie zur Abheilung gebracht werden [6]. Durch die äußere Kompression wird trotz zerstörter Venenklappen ein erhöhter venös-orthograder Fluss erreicht, der eine Verringerung des venösen Refluxes bedingt. Dadurch sinken das venöse Blutvolumen und der venöse Druck, konsekutiv steigt die venöse Blutstromgeschwindigkeit.

Neben der direkten Wirkung auf das venöse System kommen addierend Effekte auf das Lymphsystem hinzu. Die verbesserte Lymphdrainage verringert die Lymphflüssigkeit im Gewebe, das Lymphödem wird reduziert. Insgesamt wird so das Beinödem erheblich reduziert, was zu einer Verbesserung der Mikrozirkulation führt.

Die Verringerung des venös gepoolten Blutes bedingt eine Steigerung der Vorlast des Herzens und kann so das Herz-Minuten-Volumen um bis zu 5 % erhöhen. Bei Patienten mit eingeschränkter Herzfunktion ist hier Vorsicht geboten.

Kontraindikation für die Kompressionstherapie ist eine periphere arterielle Verschlusskrankheit mit Absolutwerten des Knöcheldruckes von 30 – 80 mm Hg bzw. des Knöchel-Arm-Indexes von unter 0,8. Valide Studienergebnisse zu dieser weit verbreiteten Meinung gibt es allerdings nicht. In Grenzfällen hat es sich bewährt, den Anpressdruck der Kompressionstherapie zu verringern, um so trotz kritischer arterieller Perfusionswerte nicht auf die Extremitätenkompression verzichten zu müssen.

Ergänzend zu Lymphdrainage und Kompressionstherapie können Patienten mit pneumatischen Kompressionssystemen behandelt werden. Über bis zu zwölf Luftkammern wird intermittierend Druck auf die Extremität ausgeübt. Neben der Behandlung in Klinik oder Praxis können solche Systeme auch zur Heimtherapie verordnet werden [2].

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3. Supportive Therapie

Infektionen: Die Keimbesiedlung des Ulkus kann in eine kritische Kolonisation oder auch in eine Infektion übergehen. Klinische Infektzeichen erfordern eine systemische Antibiose, spezielle gewebegängige Antibiotika mit breitem Spektrum und guter Staphylokokkenwirksamkeit sollten hier bevorzugt werden. Empfehlenswert ist die Entnahme eines Abstriches und Umstellung der Antibiose nach Antibiogramm. Wiederholungen der Abstriche sind in regelmäßigen Abständen, vor allem bei stagnierenden Wunden durchzuführen.

Begleiterkrankungen: Häufig auftretende Begleiterkrankungen sind ein entgleister Hypertonus, eine dekompensierte Herzinsuffizienz oder auch ein schlecht eingestellter Diabetes mellitus. Diese Erkrankungen beeinflussen die zugrunde liegende Gefäßerkrankung negativ, potenzieren teils das klinische Erscheinungsbild, wie zum Beispiel im Rahmen der Herzinsuffizienz, deren konsekutives Ödem sich zusätzlich schädigend auswirkt. Die Therapie der Grunderkrankung, wie beispielsweise eine Einstellung der Diabetes, ist vorrangiges Gebot, um so neben akuten Problemen auch Langzeitschäden wie der diabetischen Makro- und Mikroangiopathie vorzubeugen

Schmerzen: Chronische Wunden haben ein erhebliches Schmerzpotenzial, vor allem, wenn Débridements durchgeführt werden. Ziel einer suffizienten Schmerztherapie ist die Schmerzfreiheit des Patienten. Dadurch verbessert sich neben der Lebensqualität die Therapieakzeptanz und somit auch die Compliance des Patienten.

Ernährung: Mangelzustände können auch zu einer Stagnation der Wundheilung führen. Die ausreichende Versorgung mit Spurenelementen wie Zink und Selen wird neben ausreichender Zufuhr von Vitamin C oder Folsäure gefordert. Eiweißmangel kann ebenfalls die Wundheilung zum Erliegen bringen. Umstritten ist, wie erfolgversprechend eine entsprechende Substitution ist, valide Daten hierzu fehlen.

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4. Ulkuschirurgie

Die Ulkuschirurgie kennt mehrere Eskalationsstufen. Ziel aller Verfahren ist die Reinigung der Wunde, um so die Kaskade der gestörten Wundheilung zu durchbrechen:

Die mildeste Form der chirurgischen Intervention ist das chirurgische Wunddébridement. Es ist die schnellste und effektivste Form der Wundreinigung, auch wenn sie weniger selektiv als autolytisches Débridement oder biochirurgische Verfahren mit Fliegenmaden ist. Das Débridement sollte so radikal wie möglich aber nicht ausgedehnter als nötig sein.

Invasiver ist das Shaving oder auch Dermabrasion genannt, bei dem die oberste Schicht des Ulkus abgetragen wird. Dies geschieht unter Anästhesiebedingungen entweder mit dem Skalpell, dem Handdermatom oder einem Akkudermatom. Operationsziel ist das Abtragen der gesamten Dermatoliposklerose im Ulkus bis zum Auftreten punktförmiger Blutungen im Abtragungsareal. Der Wundgrund ist dann wieder weich und weist deutlich bessere Heilungschancen auf.

Eine ausgedehnte Maßnahme ist die Fasziotomie bzw. besser die Faszieektomie. Hierbei wird in der Minimalvariante die Fascia cruris längsgespalten, in der Maximalvariante großflächig samt sklerotischem Weichteilmantel entfernt. Die Entfernung der Fascia cruris wird durchgeführt, um den durch die sklerotische Faszie ausgeübten Druck auf das Muskelkompartiment abzubauen. Mit dem Druckabbau geht eine Verbesserung der Durchblutung des Wundgrundes und des Gewebes einher. Hierdurch steigt der Sauerstoffpartialdruck im Gewebe, welcher auch transkutan zu bestimmen ist. Eine verbesserte Sauerstoffsättigung im Gewebe ist wesentlicher Faktor für eine Wundheilung.

Die Deckung der entstandenen Defekte kann ein- oder zweizeitig erfolgen. In der Regel werden für große Defekte autologe gemeshte Spalthauttransplantate ([Abb. 5]) verwendet, kleinere Wunden können auch mit Vollhauttransplantaten versorgt werden.

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Abb. 5 Mit Spalthaut (Mesh-Graft) versorgtes Ulkus.

Bei großen Defekten hat sich der Einsatz einer Vakuumversiegelung bewährt. Diese spezielle Verbandsform verhindert eine weitere Keimbesiedlung, im Gegenzug auch eine Keimverschleppung. Der mechanische Reiz auf den Wundgrund induziert eine stärkere Bildung von tragfähigem Granulationsgewebe. Überschüssiges Ödem sowie Zelldetritus werden über den Verband eliminiert. Der kontinuierliche Sog dehnt die Wundränder, was zu einer langsamen Defektverkleinerung führt. Ob die Vakuumversiegelung vor einer Hauttransplantation oder als primärer Verband nach Applikation einer Spalthauttransplantation genutzt wird, ist häufig Diskussionsthema. Studien haben jedoch gezeigt, dass eine primäre Versorgung des Defektes Vorteile gegenüber der zweizeitigen Variante bei ähnlichen Langzeitergebnissen hat.

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5. Therapie mit modernen Wundauflagen

Im Gegensatz zu althergebrachten Wundauflagen haben die modernen das Ziel, aktiv in das Geschehen einzugreifen, die Wundverhältnisse zu beeinflussen und ein optimales Milieu zu schaffen.

Hydrogele, Salben wie Iruxol® oder Fliegenmaden der Gattung Lucilla sericata bewirken ein hochselektives Wunddébridement, welches jedoch sehr langsam ist. Die Fliegenmaden sondern ein Sekret ab, welches nekrolytisch, bakterizid und granulationsfördernd ist [10] [11].

Hydrokolliode oder auch die moderneren Schaumverbände können Sekret aufnehmen und ein optimal feuchtes Wundmilieu erhalten. Durch ihre Liegezeit von mehreren Tagen tragen sie wesentlich zur Verbesserung der Wundruhe bei, nicht zu vergessen ist auch die Konservierung der Wundtemperatur, die einen ausgeprägten Einfluss auf die Zellteilungsaktivität hat.

Wundauflagen mit einem Silberzusatz bieten zusätzliche antiseptische Effekte, die sogar in der Lokaltherapie multiresistenter Erreger eine Wirksamkeit bieten [12] [13]. Eine MRSA-Besiedelung sollte nach unserer Meinung immer konsequent eradiziert werden.

Dünnschichtige, durchsichtige Produkte wie dünne Hydrokolloide ermöglichen sogar eine Wundbeurteilung bei liegendem Verband [12] [13].

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Zusammenfassung

Aufgrund der Kombination venöser und arterieller Komponenten ist das Ulcus cruris mixtum ein hochkomplexes Krankheitsbild, welches hohe Anforderungen an Diagnostik und Therapie stellt.

Grundbedingung des therapeutischen Regimes ist die erfolgreiche Behandlung der arteriellen Problematik vor bzw. zeitgleich mit der Operation des epifaszialen Venensystems. Die eintretende Verbesserung der peripheren arteriellen Perfusionssituation trägt direkt zur Wundheilung bei. Nach Sanierung des arteriellen Systems ist eine Kompressionstherapie möglich, die durch venöse Entstauung und Reduktion des Lymphödems entscheidend zur Ulkusheilung beiträgt.

Der Einsatz weiterer chirurgischer Maßnahmen wie Débridement, Vakuumtherapie oder gar plastische Deckungen vervollständigt das Repertoire des Gefäßchirurgen bzw. seiner dermatologischen Kooperationspartner.

Ziel ist es, durch passende Eingriffe in das „Ökosystem Wunde” die Abheilung zu ermöglich und die Zeit bis zum Abschluss der Wundheilung erheblich zu verkürzen ([Abb. 6]).

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Abb. 6 Stufentherapie zur Behandlung des Ulcus cruris mixtum.

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Literatur

  • 1 Positionspapier der EWMA. Zum Verständnis der Kompressionstherapie. Medica Education Partnership Ltd. 2003
  • 2 Wienert V. et al . S2 Leitlinie Intermittierende pneumatische Kompression (IPK oder AIK).  Phlebologie. 2005;  34 (3) 176-180
  • 3 Creutzig A. et al . Meta-analysis of randomised controlled prostaglandin E1 studies in peripheral arterial occlusive disease stages III and IV.  Vasa. 2004;  33 (3) 137-144
  • 4 Kwan C M. et al . The effect of intravenous infusion of prostaglandin E1 on cutaneous microcirculation in black foot disease.  J Formos Med Assoc. 1993;  92 (7) 603-608
  • 5 Karl T. Ergebnisse der VAC Therapie in der Gefäßchirurgie.  Vasomed. 2004;  5 172-176
  • 6 Hach W. Venenchirurgie. Stuttgart; Schattauer 2006
  • 7 Hepp W, Kogel H. Gefäßchirurgie. München; Urban & Fischer 2001
  • 8 Kudo T. et al . The effectiveness of percutaneous transluminal angioplasty for the treatment of critical limb ischemia: a 10-year experience.  J Vasc Surg. 2005;  41 (3) 423-435 [discussion 435]
  • 9 Amato B. et al . Endovascular procedures in critical leg ischemia of elderly patients.  Acta Biomed. 2005;  76 (Suppl 1) 11-15
  • 10 Mumcuoglu K Y. et al . Maggot therapy for the treatment of intractable wounds.  Int J Dermatol. 1999;  38 (8) 623-627
  • 11 Nigam Y. et al . Maggot Therapy: The Science and Implication for CAM Part II-Maggots Combat Infection.  Evid Based Complement Alternat Med. 2006;  3 (3) 303-308 [Epub 2006 Jun 8]
  • 12 Zoellner P. et al . A prospective, open-label study to assess the clinical performance of a foam dressing in the management of chronic wounds.  Ostomy Wound Manage. 2006;  52 (5) 34-36 [38, 40 – 42 passim]
  • 13 Zoellner P. et al . Clinical performance of a hydrogel dressing in chronic wounds: a prospective observational study.  J Wound Care. 2007;  16 (3) 133-136
  • 14 Fong J, Wood F. Nanocrystalline silver dressings in wound management: a review.  Int J Nanomedicine. 2006;  1 (4) 441-449
  • 15 Norgren L, Hiatt W. et al . Inter- Society Consensus for Management of Peripheral Arterial Disease (TASC II).  Eur J Vasc Endovasc Surg. 2007;  33 (Suppl 1) 1-75
  • 16 Peeters P. et al .Long term results with the Gore Propaten vascular graft in lower limb revascularisation: 3 year results. 30th International Symposium of Charing Cross, Apr. 12 – 15, 2008 London. 
  • 17 Battaglia G. et al . Retrospective comparison of a heparin bonded ePTFE graft and saphenous vein for infragenicular bypass: implications for standard treatment protocol.  J Cardiovasc Surg. 2006;  47 (1) 41-47

Dr. André Schneider

Klinik für Allgemein-, Visceral- und Gefäßchirurgie
Kreiskrankenhaus des Vogelsberges

Schwabenröder Straße 81
36304 Alsfeld

Email: andre@doc-schneider.de

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Literatur

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Dr. André Schneider

Klinik für Allgemein-, Visceral- und Gefäßchirurgie
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Schwabenröder Straße 81
36304 Alsfeld

Email: andre@doc-schneider.de

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Abb. 1 Ulcus cruris.

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Abb. 2 Circulus vitiosus der Durchblutungsstörung im Gewebe im Bereich eines Ulkus.

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Abb. 3 Intraoperativer Situs mit einem Composite-Graft.

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Abb. 4 a Intraoperativer Situs bei Anlage einer Cuff-Prothese. b Intraoperative Angiografie einer Cuff-Prothesenanstomose.

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Abb. 5 Mit Spalthaut (Mesh-Graft) versorgtes Ulkus.

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Abb. 6 Stufentherapie zur Behandlung des Ulcus cruris mixtum.