Das Ulkus als chronische Wundheilungsstörung
Jede Wunde heilt nach einem vergleichbaren Schema ab, man nennt dies
die physiologische Wundheilung. Nach einer traumatischen Gewebsverletzung geht
die Wunde zunächst in eine Entzündungsphase über, in der
Detritus abgebaut wird. Nach dieser Wundreinigung folgt die Exsudationsphase
und anschließend die Granulationsphase, die von einer Gewebsneubildung
gekennzeichnet ist. Den Abschluss bildet die Epithelialisierungsphase, in der
es zum schlussendlichen Wundverschluss kommt.
In jeder Wundheilungsphase kann es durch unterschiedliche interne
oder externe Faktoren zu einer Verzögerung bis hin zum Stillstand der
Wundheilung kommen, es entsteht eine chronische Wunde.
Ein Ulcus cruris ([Abb. 1]), welches in
der Regel länger besteht, erfüllt meist die Definition einer
chronischen Wunde.
Abb. 1 Ulcus cruris.
Ohne differenzierte Kenntnisse der Physiologie der Wundheilung sowie
einer akuraten Analyse der Wundsituation bleibt die Therapie des Ulcus cruris
insuffizient. Der Schlüssel zu einer erfolgreichen Therapie, also der
Abheilung des Ulkus, liegt in der Optimierung des Wundmilieus und einem
Neustart der physiologischen Wundheilung.
Eine Schlüsselfunktion für das Verständnis und auch
die Therapie des Ulcus cruris mixtum liegt in der Mikrozirkulation des Gewebes.
In dieser wichtigen Austauschzone, in der das Blut mit einer Geschwindigkeit
von weniger als 2 cm/s fließt, können sowohl Störungen
des arteriellen Zustroms als auch des venösen Abstroms zu schwerwiegenden
Störungen führen ([Abb. 2]).
Abb. 2 Circulus vitiosus der
Durchblutungsstörung im Gewebe im Bereich eines Ulkus.
Einzelaspekte der Therapie des Ulcus cruris mixtum
1. Therapie der peripheren arteriellen
Verschlusssymptomatik
Die suffiziente arterielle Perfusion des Gewebes ist eine conditio
sine qua non für die Wundheilung. Soweit zumindest eine arterielle
Komponente an der Entstehung eines Ulcus cruris beteiligt ist, sollte diese
primär angegangen werden.
Hinweise für das Vorliegen einer peripheren arteriellen
Verschlusskrankheit ergeben sich oftmals bereits aus der Anamnese:
Einschränkungen der Gehstrecke, Kältegefühle im betroffenen
Bein, Hautblässe, um nur einige Punkte zu nennen. Diabetiker, die neben
einer Makroangiopathie häufig auch eine Mikroangiopathie aufweisen, sind
Risikopatienten. Aber auch die Lokalisation des Ulkus kann Hinweise auf eine
arterielle Genese geben: Arterielle Ulzera finden sich bevorzugt an der
Außenseite des Unterschenkels, wohingegen venöse Ulzera meist
medialseitig lokalisiert sind. Atypisch gelegene Ulzera sind eher
verdächtig eine arterielle Ursache zu haben.
Zur Basisdiagnostik der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit
gehören neben Anamnese und körperlicher Untersuchung die Bestimmung
der Gehstrecke sowie des Knöchel-Arm-Index. An bildgebender Diagnostik
steht die konventionelle Angiografie zur Verfügung, alternativ die
MR-Angiografie der Becken-Bein-Arterien. Vorteile der MR-Angiografie sind neben
einer geringeren Invasivität die fehlende Strahlenbelastung. Die
Auflösung dieses Untersuchungsverfahrens kommt jedoch häufig bei der
Darstellung der Unterschenkelstrombahn an ihre Grenzen, sodass bei manchen
Patienten sekundär zur Klärung von Details noch eine konventionelle
DSA notwendig ist. Insbesondere trifft dies für Patienten mit Infekten am
Unterschenkel zu, da es aufgrund der infektbedingten Hyperperfusion zu
Überlagerungsartefakten kommt.
Therapeutisches Ziel ist auf jeden Fall die Behandlung
signifikanter Stenosen oder arterieller Verschlüsse, um eine
bestmögliche Perfusion der betroffenen Extremität zu sichern. Das
gesamte gefäßchirurgische Spektrum sowie die interventionellen
Therapieverfahren sollten hierzu eingesetzt werden. Die Wiederherstellung der
arteriellen Strombahn erfolgt schrittweise von zentral beginnend. Da von
zentral nach peripher die chirurgischen und interventionellen Risiken ebenso
wie die technischen Schwierigkeiten zunehmen und die Prognose hinsichtlich der
Langzeitoffenheit abnimmt, ist nach jeder erfolgten Korrektur des Einstromes
zunächst ein Abwarten des möglichen Erfolges anzuraten.
Domäne der Revaskularisation von Stenosen oder
Verschlüssen der Beckenetage ist heute die interventionelle Therapie.
Zunehmend werden auch Läsionen der Oberschenkeletage interventionell
therapiert, insbesondere dann, wenn es sich um kurzstreckige Verschlüsse
(TASC A und B) [15] handelt. Langstreckige
Verschlüsse sind primär chirurgisch zu revaskularisieren.
Während TASC-C-Verschlüsse (> 15 cm) vorzugsweise
chirurgisch behandelt werden, werden TASC-D-Läsionen in der Regel operiert
[15]
[16].
Während in der Beckenetage bei deutlich reduziertem
allgemeinem Risiko der interventionellen Therapie die Langzeitoffenheitsraten
vergleichbar sind, sind die chirurgischen Langzeitergebnisse in der
Oberschenkeletage etwas besser.
Tab. 2 5-Jahres-Offenheitsraten nach
endovaskulärer und offen-chirurgischer Therapie nach TASC II
(*3-Jahres-Offenheitsraten).
|
iliakal
|
oberhalb Knie
|
unterhalb Knie
|
PTA
(Stenose)
|
71
|
55
|
|
PTA + Stent (Stenose)
|
|
66*
|
|
PTA
(Verschluss)
|
|
42
|
|
PTA + Stent (Verschluss)
|
|
64*
|
|
Kunststoffbypass
|
81
|
47 – 75
|
30 – 39
|
Venenbypass
|
|
66 – 80
|
50 – 75
|
Infragenuale Interventionen gehören bisher nicht zur
Standardtherapie. Die Langzeitergebnisse bei größeren
Patientenkollektiven sind bisher nicht veröffentlicht. Vergleichende
chirurgische Therapien existieren bisher nicht.
Transplantat der ersten Wahl in der kruralen Chirurgie ist
aufgrund der deutlich besseren Langzeitprognose die autologe Vene (V. saphena
magna od. parva). Häufig stehen aufgrund einer zusätzlich bestehenden
Erkrankung des Venensystems keine oder nur unzureichende Venentransplantate
für die krurale Bypasschirurgie zur Verfügung. Bei
Kunststoffprothesen kommt es an der distalen Anastomose oft schnell und
ausgeprägt zu einer Intimahyperplasie und in der Folge zum
Transplantatversagen.
Die Intimahyperplasie ist umso ausgeprägter je geringer der
Fluss im Bypass ist.
Venenbypässe bleiben auch bei sehr niedrigen Flussraten (bis
50 ml/min) häufig noch offen. Kunststoffbypässe thrombosieren
bei derart niedrigen Flussraten. Eine Verbesserung der Langzeitoffenheit kann
durch sog. Compositegrafts erreicht werden. Hier wird an den Kunststoffbypass
an der distalen Anastomose ein Veneninterponat eingefügt ([Abb. 3]) [3].
Abb. 3 Intraoperativer Situs
mit einem Composite-Graft.
Die modernen Innovationen in der Prothesentechnik wie Cuff-
Prothesen (z. B. Distaflo®, FA BARD) ([Abb. 4]) oder heparinbeschichtete Prothesen
(Propaten®, FA Gore) haben zu einer deutlichen Verbesserung der
Offenheitsraten kruraler Bypässe geführt.
Abb. 4 a Intraoperativer
Situs bei Anlage einer Cuff-Prothese. b Intraoperative
Angiografie einer Cuff-Prothesenanstomose.
Mit den Cuff-Prothesen können Langzeitoffenheitsraten
ähnlich denen von Kunststoffprothesen mit Venencuff an der distalen
Anastomose (wie z. B. Miller Cuff, Linton-Patch oder St. Mary's
Boot) erreicht werden.
Speziell für die Propaten-Prothese der FA Gore liegen gute
Langzeitergebnisse vor. 3-Jahres-Offenheitsraten bis 70 % sind
hier dokumentiert [16]
[17]. Erste
5-Jahres-Ergebnisse wurden auf der Jahrestagung 2008 der Deutschen Gesellschaft
für Gefäßchirurgie vorgestellt. Hier lagen die Offenheitsraten
infragenual bei 60 %.
Die Offenheitsraten für krurale Venenbypässe liegen bei
60 – 85 % nach 1 Jahr und
50 – 75 % nach 5 Jahren. Deutlich weniger
invasiv ist die interventionelle Therapie. Deshalb sollte sie auch, wenn
möglich, Therapie der ersten Wahl sein. Im Normalfall ist dies bei ca.
75 % der Patienten der Fall ([Tab. 2]).
Die krurale PTA stellt vor allem bei multimorbiden Patienten eine
hervorragende Alternative zur Operation dar. Durch erfahrene Untersucher
können hohe primäre Offenheitsraten bei gleichzeitig niedriger
Komplikationsrate [8] erzielt werden. In Fällen
kritischer Beinischämie mit vorliegenden Ulzera sind die
Langzeitergebnisse zwar deutlich schlechter als die Offenheitsraten, die durch
die Bypasschirurgie zu erzielen sind, in den meisten Fällen gelingt es
jedoch, das Ulkus auszuheilen und damit die Extremität zu erhalten
[8].
Da interventionelle Verfahren auch von Gefäßchirurgen
angewendet werden, führt man heute zunehmend Hybridprozeduren durch. In
hervorragender Weise lassen sich die Vorteile der chirurgischen und
interventionellen Therapie kombinieren. Die intraoperative PTA einer
Beckenstenose im Rahmen der inguinalen Bypasschirurgie bedeutet für den
Patienten eine entscheidende Minderung seines Morbiditätsrisikos ohne
wesentliche Einschränkungen der Langzeitprognose. Es ist sogar
möglich, bei distaler PTA das Niveau der distalen Anastomose nach proximal
zu verlagern und damit zunächst einen Vorteil im Langzeitverlauf für
den Patienten zu erzielen. In einigen Fällen kann auch durch einen
„limitierten Eingriff” (Profundaplastik) mit PTA der Ausstrombahn
bei guter Profundakollateralisation ein peripherer Bypass noch vermieden
werden.
In der heutigen Zeit darf man auch die damit verbundene
Kostenreduktion für den Kostenträger nicht außer Acht lassen.
Durch die Kombination von Bypasschirurgie und intraoperativer Intervention
können sehr gute Sofortergebnisse erzielt werden.
Als einzige Medikamente, die nachweislich die Gewebeperfusion
verbessern können, haben sich Prostavasin® [3]
[4] und Pletal® erwiesen.
Während Pletal oral verabreicht wird und aktuell nicht zur Behandlung von
arteriellen Durchblutungsstörungen mit Gewebsnekrosen zugelassen ist,
steht Prostavasin nur zur intravenösen Applikation zur Verfügung.
Die Applikation von 2 × tgl.
40 µg i. v. verbessert durch multiple Wirkmechanismen die
Gewebedurchblutung und unterstützt so die Abheilung des Ulkus
entscheidend. Insbesondere durch eine Beeinflussung der
Thrombozyten-Endothel-Interaktion kommt es zu einer Verbesserung der
Fließeigenschaften des Blutes.
Die aktuell laufende ESPECIAL-Studie wird weiteren Aufschluss
über die Ulkusheilung unter alleiniger Therapie mit Prostavasin geben. Die
Therapie sollte über 2 – 3 Wochen erfolgen. Bei guter
Verträglichkeit und fehlenden Zeichen einer Herzinsuffizienz kann die
Dosis bis auf 2 × 60 µg tgl. gesteigert
werden.
2. Therapie der venösen Insuffizienzsymptomatik
Der verlangsamte venöse Abstrom bzw. das durch Reflux
erhöhte venöse Abstromvolumen führen zu den typischen Folgen am
venösen Schenkel des peripheren Gefäßsystems. Anamnese und
klinische Untersuchung sind in der Regel bereits zielführend. Es finden
sich die klassischen Zeichen der chronisch venösen Insuffizienz mit
Ödem, Purpura jaune d’ocre, Atrophie blanche und
Dermatoliposklerose. Der Goldstandard der technischen Untersuchungsverfahren
ist heutzutage die Duplex-Sonografie. Bei schwierigen
Untersuchungsverhältnissen ist die Phlebografie jedoch auch heute noch
nicht aus dem diagnostischen Prozedere wegzudenken.
Die operative Sanierung der Insuffizienz im epifaszialen
Venensystem ist eine obligate Maßnahme bei der Therapie des Ulcus cruris
venosum und des Ulcus cruris mixtum. Seit über hundert Jahren nahezu
unverändert wird hierzu die Crossektomie mit nachfolgendem Stripping der
Vena saphena magna durchgeführt. Auf Radiowellen (VNUS-Closure) oder
Laserenergie (EVLT) basierende moderne Verfahren führen endoluminal zu
einer Obliteration der behandelten Venenabschnitte. Die Komplikationsraten sind
niedrig, die Verschlussraten vergleichbar, die posttherapeutische Ausfallzeit
des Patienten ist jedoch aufgrund des geringeren Traumas kürzer.
Wesentliche Voraussetzung für alle genannten Operationsverfahren ist
jedoch ein frei durchgängiges tiefes Venensystem. Bei bestehenden
Kontraindikationen sollte zumindest eine Unterbindung insuffizienter
Perforansvenen als Minimalziel angestrebt werden. Die subfasziale endoskopische
Perforansligatur (SEPS) ist aufgrund der geringeren lokalen Traumatisierung das
Verfahren der ersten Wahl.
Soweit Einschränkungen durch eine persistierende arterielle
Komponente einer Kompressionstherapie nicht entgegenstehen, sollten
zusätzlich zur Behandlung der Unterschenkelödeme
Kompressionsstrümpfe getragen werden. Rein venöse Ulzera können
in bis zu 70 % durch eine suffiziente Kompressionstherapie zur
Abheilung gebracht werden [6]. Durch die
äußere Kompression wird trotz zerstörter Venenklappen ein
erhöhter venös-orthograder Fluss erreicht, der eine Verringerung des
venösen Refluxes bedingt. Dadurch sinken das venöse Blutvolumen und
der venöse Druck, konsekutiv steigt die venöse
Blutstromgeschwindigkeit.
Neben der direkten Wirkung auf das venöse System kommen
addierend Effekte auf das Lymphsystem hinzu. Die verbesserte Lymphdrainage
verringert die Lymphflüssigkeit im Gewebe, das Lymphödem wird
reduziert. Insgesamt wird so das Beinödem erheblich reduziert, was zu
einer Verbesserung der Mikrozirkulation führt.
Die Verringerung des venös gepoolten Blutes bedingt eine
Steigerung der Vorlast des Herzens und kann so das Herz-Minuten-Volumen um bis
zu 5 % erhöhen. Bei Patienten mit eingeschränkter
Herzfunktion ist hier Vorsicht geboten.
Kontraindikation für die Kompressionstherapie ist eine
periphere arterielle Verschlusskrankheit mit Absolutwerten des
Knöcheldruckes von 30 – 80 mm Hg bzw.
des Knöchel-Arm-Indexes von unter 0,8. Valide Studienergebnisse zu dieser
weit verbreiteten Meinung gibt es allerdings nicht. In Grenzfällen hat es
sich bewährt, den Anpressdruck der Kompressionstherapie zu verringern, um
so trotz kritischer arterieller Perfusionswerte nicht auf die
Extremitätenkompression verzichten zu müssen.
Ergänzend zu Lymphdrainage und Kompressionstherapie
können Patienten mit pneumatischen Kompressionssystemen behandelt werden.
Über bis zu zwölf Luftkammern wird intermittierend Druck auf die
Extremität ausgeübt. Neben der Behandlung in Klinik oder Praxis
können solche Systeme auch zur Heimtherapie verordnet werden
[2].
3. Supportive Therapie
Infektionen: Die Keimbesiedlung des Ulkus
kann in eine kritische Kolonisation oder auch in eine Infektion übergehen.
Klinische Infektzeichen erfordern eine systemische Antibiose, spezielle
gewebegängige Antibiotika mit breitem Spektrum und guter
Staphylokokkenwirksamkeit sollten hier bevorzugt werden. Empfehlenswert ist die
Entnahme eines Abstriches und Umstellung der Antibiose nach Antibiogramm.
Wiederholungen der Abstriche sind in regelmäßigen Abständen,
vor allem bei stagnierenden Wunden durchzuführen.
Begleiterkrankungen: Häufig
auftretende Begleiterkrankungen sind ein entgleister Hypertonus, eine
dekompensierte Herzinsuffizienz oder auch ein schlecht eingestellter Diabetes
mellitus. Diese Erkrankungen beeinflussen die zugrunde liegende
Gefäßerkrankung negativ, potenzieren teils das klinische
Erscheinungsbild, wie zum Beispiel im Rahmen der Herzinsuffizienz, deren
konsekutives Ödem sich zusätzlich schädigend auswirkt. Die
Therapie der Grunderkrankung, wie beispielsweise eine Einstellung der Diabetes,
ist vorrangiges Gebot, um so neben akuten Problemen auch Langzeitschäden
wie der diabetischen Makro- und Mikroangiopathie vorzubeugen
Schmerzen: Chronische Wunden haben ein
erhebliches Schmerzpotenzial, vor allem, wenn Débridements
durchgeführt werden. Ziel einer suffizienten Schmerztherapie ist die
Schmerzfreiheit des Patienten. Dadurch verbessert sich neben der
Lebensqualität die Therapieakzeptanz und somit auch die Compliance des
Patienten.
Ernährung: Mangelzustände
können auch zu einer Stagnation der Wundheilung führen. Die
ausreichende Versorgung mit Spurenelementen wie Zink und Selen wird neben
ausreichender Zufuhr von Vitamin C oder Folsäure gefordert.
Eiweißmangel kann ebenfalls die Wundheilung zum Erliegen bringen.
Umstritten ist, wie erfolgversprechend eine entsprechende Substitution ist,
valide Daten hierzu fehlen.
4. Ulkuschirurgie
Die Ulkuschirurgie kennt mehrere Eskalationsstufen. Ziel aller
Verfahren ist die Reinigung der Wunde, um so die Kaskade der gestörten
Wundheilung zu durchbrechen:
Die mildeste Form der chirurgischen Intervention ist das
chirurgische Wunddébridement. Es ist die schnellste und effektivste Form
der Wundreinigung, auch wenn sie weniger selektiv als autolytisches
Débridement oder biochirurgische Verfahren mit Fliegenmaden ist. Das
Débridement sollte so radikal wie möglich aber nicht ausgedehnter
als nötig sein.
Invasiver ist das Shaving oder auch Dermabrasion genannt, bei dem
die oberste Schicht des Ulkus abgetragen wird. Dies geschieht unter
Anästhesiebedingungen entweder mit dem Skalpell, dem Handdermatom oder
einem Akkudermatom. Operationsziel ist das Abtragen der gesamten
Dermatoliposklerose im Ulkus bis zum Auftreten punktförmiger Blutungen im
Abtragungsareal. Der Wundgrund ist dann wieder weich und weist deutlich bessere
Heilungschancen auf.
Eine ausgedehnte Maßnahme ist die Fasziotomie bzw. besser
die Faszieektomie. Hierbei wird in der Minimalvariante die Fascia cruris
längsgespalten, in der Maximalvariante großflächig samt
sklerotischem Weichteilmantel entfernt. Die Entfernung der Fascia cruris wird
durchgeführt, um den durch die sklerotische Faszie ausgeübten Druck
auf das Muskelkompartiment abzubauen. Mit dem Druckabbau geht eine Verbesserung
der Durchblutung des Wundgrundes und des Gewebes einher. Hierdurch steigt der
Sauerstoffpartialdruck im Gewebe, welcher auch transkutan zu bestimmen ist.
Eine verbesserte Sauerstoffsättigung im Gewebe ist wesentlicher Faktor
für eine Wundheilung.
Die Deckung der entstandenen Defekte kann ein- oder zweizeitig
erfolgen. In der Regel werden für große Defekte autologe gemeshte
Spalthauttransplantate ([Abb. 5]) verwendet,
kleinere Wunden können auch mit Vollhauttransplantaten versorgt
werden.
Abb. 5 Mit Spalthaut
(Mesh-Graft) versorgtes Ulkus.
Bei großen Defekten hat sich der Einsatz einer
Vakuumversiegelung bewährt. Diese spezielle Verbandsform verhindert eine
weitere Keimbesiedlung, im Gegenzug auch eine Keimverschleppung. Der
mechanische Reiz auf den Wundgrund induziert eine stärkere Bildung von
tragfähigem Granulationsgewebe. Überschüssiges Ödem sowie
Zelldetritus werden über den Verband eliminiert. Der kontinuierliche Sog
dehnt die Wundränder, was zu einer langsamen Defektverkleinerung
führt. Ob die Vakuumversiegelung vor einer Hauttransplantation oder als
primärer Verband nach Applikation einer Spalthauttransplantation genutzt
wird, ist häufig Diskussionsthema. Studien haben jedoch gezeigt, dass eine
primäre Versorgung des Defektes Vorteile gegenüber der zweizeitigen
Variante bei ähnlichen Langzeitergebnissen hat.
5. Therapie mit modernen Wundauflagen
Im Gegensatz zu althergebrachten Wundauflagen haben die modernen
das Ziel, aktiv in das Geschehen einzugreifen, die Wundverhältnisse zu
beeinflussen und ein optimales Milieu zu schaffen.
Hydrogele, Salben wie Iruxol® oder Fliegenmaden der Gattung
Lucilla sericata bewirken ein hochselektives Wunddébridement, welches
jedoch sehr langsam ist. Die Fliegenmaden sondern ein Sekret ab, welches
nekrolytisch, bakterizid und granulationsfördernd ist [10]
[11].
Hydrokolliode oder auch die moderneren Schaumverbände
können Sekret aufnehmen und ein optimal feuchtes Wundmilieu erhalten.
Durch ihre Liegezeit von mehreren Tagen tragen sie wesentlich zur Verbesserung
der Wundruhe bei, nicht zu vergessen ist auch die Konservierung der
Wundtemperatur, die einen ausgeprägten Einfluss auf die
Zellteilungsaktivität hat.
Wundauflagen mit einem Silberzusatz bieten zusätzliche
antiseptische Effekte, die sogar in der Lokaltherapie multiresistenter Erreger
eine Wirksamkeit bieten [12]
[13].
Eine MRSA-Besiedelung sollte nach unserer Meinung immer konsequent eradiziert
werden.
Dünnschichtige, durchsichtige Produkte wie dünne
Hydrokolloide ermöglichen sogar eine Wundbeurteilung bei liegendem Verband
[12]
[13].