Gastroenterologie up2date 2009; 5(2): 92-93
DOI: 10.1055/s-0029-1214617
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Hepatozelluläres Karzinom: Genexpressionsprofil der Leber entscheidet über Spätrezidiv und Langzeitprognose

Matthias  M.  Dollinger
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Publication Date:
30 June 2009 (online)

Kommentar zu:

Genexpressionsprofil in fixierten Gewebeproben und Prognose bei hepatozellulärem Karzinom

Gene Expression in Fixed Tissues and Outcome in Hepatocellular Carcinoma

Hoshida Y, Villanueva A, Kobayashi M, Peix J, Chiang DY, Camargo A, Gupta S, Moore J, Wrobel MJ, Lerner J, Reich M, Chan JA, Glickman JN, Ikeda K, Hashimoto M, Watanabe G, Daidone MG, Roayaie S, Schwartz M, Thung S, Salvesen HB, Gabriel S, Mazzaferro V, Bruix J, Friedman SL, Kumada H, Llovet JM, Golub TR; Broad Institute of Massachusetts Institute of Technology and Harvard University, Cambridge, MA 02142, USA

Hintergrund: Patienten, die nach einem erfolgreich behandelten hepatozellulären Karzinom (HCC) ein erhöhtes Risiko besitzen, erneut zu erkranken, könnte man mit Genexpressionsprofilen identifizieren. Y. Hoshida et al. haben gezeigt, dass eine bestimmte Genexpressionssignatur mit dem Überleben der Patienten assoziiert ist. Diese Methode erlaubt es möglicherweise, Hochrisikopatienten zu erkennen.

Methoden: Zurzeit benötigt man zur Erstellung von Genexpressionsprofilen gefrorenes Gewebe. In Gewebebanken, die klinische Ergebnisse enthalten, stehen in der Regel formalinfixierte, paraffineingebettete Gewebeproben zur Verfügung. Die Autoren modifizierten und testeten eine Methode zur Genexpressionsprofilierung (cDNA-mediated annealing, selection, extension and ligation assay = DASL-Assay) und verwendeten dazu 307 formalinfixierte, paraffineingebettete Gewebeproben. Sie erfassten dazu die Genexpressionsprofile von 6100 Genen. Diese stammten von Patienten mit HCC. Die Autoren berücksichtigten sowohl Tumorgewebe als auch angrenzendes Gewebe.

Ergebnisse: Die Genexpressionsprofilierungsmethode für formalinfixierte, paraffineingebettete Gewebeproben stellte sich als sehr effektiv heraus. Die Wissenschaftler konnten von 90 % aller Patientenproben hochqualitative Daten gewinnen, obwohl einige der Proben älter als 24 Jahre waren. Die Genexpressionsprofile von Tumorgewebe zeigten keine signifikante Assoziation zum Überleben der Patienten. Dagegen korrelierten die Genexpressionsprofile von angrenzendem Gewebe (nicht tumoröses Lebergewebe) stark mit dem Überleben der Patienten. Die Ergebnisse bezogen sich auf ein Übungsset von Gewebeproben von 82 japanischen Patienten und wurden an Geweben von 225 Patienten aus den USA und Europa überprüft (p = 0,04). Die Ergebnisse legen nahe, dass nicht der Tumor selbst, sondern das angrenzende Gewebe die Genexpressionssignatur beherbergt, die mit einer erneuten Leberkrebserkrankung assoziiert ist.

Folgerungen: Mithilfe einer Genexpressionssignatur kann der biologische Status der Leber sehr genau bestimmt werden, so die Autoren. Bevor der Test in der Praxis eingesetzt werden kann, ist allerdings eine klinische Validierung notwendig. Patienten mit einem erhöhten Risiko, erneut an einem HCC zu erkranken, könnten dann identifiziert und einer geeigneten präventiven Behandlung zugeführt werden.

N Engl J Med 2008; 359: 1995 – 2004

zusammengefasst von Dr. Frank Lichert, Weilburg

Standardtherapie. Anders als bei vielen Tumorentitäten bestimmen nicht nur Tumorgröße und -biologie, sondern auch die Restfunktion der Leber die Therapieoptionen beim hepatozellulären Karzinom (HCC). Insbesondere frühe, lokal begrenzte Karzinome werden bei erhaltener Leberfunktion eher reseziert, bei Zeichen der Dekompensation lokal abladiert. Eine Sonderstellung nimmt die Transplantation ein, die bei geeigneten Patienten und eingeschränkter Leberfunktion mit einem 10-Jahres-Überleben von über 60 % als Standard gilt. Sie wird aber auch bei kompensierer Zirrhose als Alternative zur Resektion diskutiert, da eine adjuvante Therapie (noch) nicht existiert und die Transplantation die zirrhotische Leber als Präkanzerose eliminiert. So beträgt das 5-Jahres-Überleben nach Resektion zwar 50 %, die Rezidivrate aber 70 %.

Prädiktive Marker. Da eine Transplantation bei allen Patienten weder sinnvoll noch möglich wäre, erscheint eine Auswahl der Therapie anhand von prognostischen Markern als sinnvolle Strategie. Rezidive eines HCC können früh – innerhalb von Wochen oder Monaten – auftreten und werden dann auf eine unvollständige Erstbehandlung bzw. Mikrometastasen in der Restleber zurückgeführt. Prädiktive Marker sind Gefäßinvasion und Größe des Tumors, diese sind besonders bei der Transplantation gut etabliert. Spätrezidive dagegen treten nach mehr als 2 Jahren auf und stellen nach weitverbreiteter Meinung eher metachrone Karzinome dar, d. h. sie entstehen aus neuen Tumorklonen innerhalb der präkanzerösen Leber (sog. „Felddefekt”). Prädiktive Marker für Spätrezidive existieren nicht.

Genexpressionsprofile. Biomarker mit therapeutischer Relevanz wurden bisher vor allem aus dem peripheren Blut gewonnen. So dient α-Fetoprotein der Früherkennung eines HCC und kann als Verlaufsparameter unter Behandlung genutzt werden. In der kürzlich publizierten SHARP-Studie waren erhöhte Spiegel von HGF (Hepatocyte Growth Factor) und VEGF (Vascular Endothelial Growth Factor) prognostisch relevant, HGF korrelierte zudem mit dem Therapieansprechen auf Sorafenib. Für Genexpressionsprofile, üblicherweise aus dem Tumor selbst erstellt, fehlte dagegen der Nachweis eines therapeutischen Nutzens. Auch in der vorliegenden Studie von Hoshida et al. erweisen sich nach Resektion die Genexpressionsprofile der Karzinome als prognostisch nicht aussagekräftig. Dagegen exprimiert das Lebergewebe in der Tumorumgebung Profile, die mit dem Langzeitüberleben (186 Gene) sowie Spätrezidiven (132 Gene) korrelieren. Ungünstig erscheint dabei vor allem eine Aktivierung entzündungsassoziierter Gene im Lebergewebe. Die Gruppe adaptiert für ihre Studie eine Methode, die es erlaubt, mehr als 6000 Gene in Paraffinschnitten zu untersuchen und verbindet damit eine maximale Ausbeute mit praxistauglicher Technik.

Relevanz. Um die Methode zu validieren, wurden erst Patienten aus Asien (Übungsset), danach aus Europa und den USA (Validierungsset) untersucht. Neben einer weltweit uniformen Eignung zeigten die Tests unterschiedliche Expressionsprofile bei Ersttumoren und Spätrezidiven als indirekten Hinweis für den noch hypothetischen „Felddefekt”. Klinisch erscheint die Methode vielversprechend als prädiktiver Marker speziell für Spätrezidive. Bevor jedoch therapeutische Entscheidungen darauf basieren können, müssen folgende Fragen beantwortet werden: Ist das Genexpressionsprofil uniform in der gesamten Leber und damit auch in einfachen Leberbiopsien diagnostizierbar? Ist es zeitlich konstant oder müssen wiederholt Proben untersucht werden? Falls lediglich Untersuchungen am Resektat aussagekräftig wären, würde eine adjuvante Therapie – erste Studien sind auf dem Weg – sinnvoll erscheinen. Transplantationen nach Resektion waren in den bisherigen Serien mit hohem Risiko verbunden. Reizvoller wäre es daher, mittels Biopsie Patienten mit präkanzeröser Leber zu detektieren und zu transplantieren.

Fazit. Mit ihrer Studie etablieren Hoshida et al. den ersten Biomarker für Spätrezidive hepatozellulärer Karzinome und bringen dabei die Genexpressionsanalyse durch Verwendung von Paraffinschnitten der Praxis näher. Ausschlaggebend für den Erfolg ist der Wechsel vom Tumor hin zum umgebenden Lebergewebe. Für das Rezidivrisiko und damit das Langzeitüberleben nach Therapie früher Karzinome – die mediane Nachbeobachtungzeit der Studie betrug 7,8 Jahre – erscheinen also präkanzeröse Veränderungen in der Nativleber entscheidender als die Tumorbiologie des Erstkarzinoms. Bevor die Entstehung eines Karzinoms aber nicht verhindert werden kann, muss eine Evaluierung unserer Therapiestrategie und der Transplantationsregeln diskutiert werden.

Dr. med. Matthias M. Dollinger PhD 

Klinik für Innere Medizin I
Universitätsklinikum Kröllwitz
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Ernst-Grube-Straße 40
06120 Halle

Email: matthias.dollinger@medizin.uni-halle.de

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