Dr. Ursula Mikulicz, stellvertretende Vorsitzende des DFR
Seit vielen Jahren vertritt der Deutsche Fachverband Reisemedizin e. V. (DFR) die
Auffassung, dass eine fachgerechte arbeitsmedizinische Betreuung in tropische und
subtropische Gebiete entsandter Arbeitnehmer ein hohes Maß auch tropenmedizinischen
Wissens und reisemedizinischer Kompetenz voraussetzt. Das Thema "Arbeitsaufenthalt
im Ausland" hat deshalb seinen Platz als eigenständiges Modul im Fortbildungs-Curriculum
"Reisemedizin" des DFR gefunden. Darüber hinaus behandeln wir dieses Gebiet interessierende
Fragen nicht selten im wissenschaftlichen Teil unserer Jahrestagungen. Das ist vermutlich
der Grund, warum nicht wenige Arbeits- bzw. Betriebsmediziner zu unseren Mitgliedern
zählen.
Seit Ende 2008 gilt eine neue Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge
Seit Ende 2008 gilt eine neue Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge
Wir haben uns daher von Anfang an für die "Verordnung zur Rechtsvereinfachung und
Stärkung der arbeitsmedizinischen Vorsorge" (ArbMedVV), die am 24.12.2008 in Kraft
getreten ist, interessiert. Der DFR hat sich sehr nachhaltig gegenüber dem Verordnungsgeber,
dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), dafür eingesetzt, den Untersuchungsanlass
"Arbeitsaufenthalt im Ausland" auch in Zukunft unter die sogenannten Pflichtuntersuchungen
(und nicht, wie ursprünglich geplant, als "Angebotsuntersuchung") einzuordnen (siehe
ArbMedVV, Anhang. Teil IV, Sonstige Tätigkeiten).
Es gibt jedoch eine weitere wichtige Veränderung, die unsere speziellen Interessen
betrifft: Bekanntlich gibt es für die Durchführung arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen
gewisse rechtliche Vorgaben. Diese legen fest, für welche Arbeitsplätze der Arbeitgeber
Vorsorgeuntersuchungen zu veranlassen hat, und über welche Qualifikation die Ärzte
verfügen müssen, die er damit beauftragt. Nähere Einzelheiten zu diesen Untersuchungen
(nicht aber den Untersuchungsinhalten) werden dann in den "Berufsgenossenschaftlichen
Grundsätzen" durch die Berufsgenossenschaften definiert. Sie dienen als "Orientierungshilfen",
sind aber nicht rechtsverbindlich.
Ermächtigungsvoraussetzungen des G 35 fallen weg
Ermächtigungsvoraussetzungen des G 35 fallen weg
Mit dem sogenannten Arbeitsaufenthalt im Ausland befasst sich auch weiterhin der Grundsatz
35 (G 35) "Arbeitsaufenthalt im Ausland unter besonderen gesundheitlichen Belastungen".
Bisher galt, dass arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen gemäß G 35 nur von Ärzten
durchgeführt werden durften, die dazu "ermächtigt" worden waren. Voraussetzung für
die Ermächtigung war eine nachgewiesene sowohl arbeitsmedizinische als auch tropenmedizinische
Qualifikation.
Diese Ermächtigungsbestimmungen fallen ab sofort weg. § 7 der neuen ArbMedVV legt
sinngemäß fest: Zur Durchführung arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen sind
(ohne Einschränkung) alle Ärzte mit der Gebietsbezeichnung Arbeitsmedizin bzw. der
Zusatzbezeichnung Betriebsmedizin berechtigt. Für den Arbeitsaufenthalt im Ausland
gilt die Ausnahmeregelung, dass auch Ärzte mit der Zusatzbezeichnung Tropenmedizin
eingeschlossen sind.
Der für uns ebenfalls sehr wichtige § 6 der ArbMedVV verpflichtet den mit der Betreuung
beauftragten Arzt, sich "genaue Kenntnisse über die Arbeitsplatzverhältnisse" zu beschaffen
bzw. bei Bedarf einen anderen Arzt mit entsprechender Fachkompetenz hinzuzuziehen.
Möglicherweise wird ein in der ArbMedVV vorgesehener, das BMAS beratender Ausschuss
"Arbeitsmedizin" in der Folgezeit dazu noch (dann rechtsverbindliche) weitergehende
Handlungsanleitungen formulieren.
Folgerungen für den DFR
Folgerungen für den DFR
Im Rahmen des "Arbeitsaufenthaltes im Ausland" unterschiedet man zwischen dem sogenannten
"Kurzzeitaufenthalt" (maximal insgesamt 3 Monate pro Jahr) und dem "Langzeitaufenthalt".
Zu Langzeitaufenthalten entsenden wohl mehrheitlich große Unternehmen mit eigenen
arbeitmedizinischen Diensten, die in der Regel dann auch über reisemedizinische Fachkompetenz
verfügen.
Anders die Situation für kurze Aufenthalte: An außenwirtschaftlichen Aktivitäten mit
Entwicklungs- und Schwellenländern sind in nicht unbeträchtlichem Maße auch Klein-
und Mittelbetriebe beteiligt. (Beispiel: Ein Unternehmen verkauft eine Spezialmaschine
in ein tropisches Land und entsendet eine Fachkraft für einige Tage dorthin, um die
Maschine aufzubauen und das Bedienungspersonal einzuweisen). Sie werden oft durch
niedergelassene Betriebsärzte arbeitsmedizinisch betreut, bei denen die spezielle
reisemedizinische Fachkompetenz infolge der neuen Bestimmungen (Wegfall der Ermächtigungsvoraussetzungen!)
nicht mehr unbedingt vorausgesetzt werden kann.
Um gerade diesen Kollegenkreis für die Implikationen einer fachkompetenten arbeitsmedizinischen
Betreuung auf unserem Spezialgebiet zu sensibilisieren, bietet der DFR gemeinsam mit
der Vereinigung der Metallberufsgenossenschaften (VMBG) auf der kommenden Jahrestagung
der Deutsche Gesellschaft für Arbeits- und Umweltmedizin (DGAUM) ein Seminar zum Thema
"Arbeitsmedizinische Vorsorge bei Arbeitsaufenthalt im Ausland" an. Die VMBG konnte
für die Kooperation gewonnen werden, weil unter den Klein- und Mittelbetrieben eben
gerade viele Betriebe der metallverarbeitenden Industrie betroffen sind. Die einzelnen
Themen des Seminars konnten Sie der Ankündigung in der vorigen Ausgabe dieser Zeitschrift
entnehmen.
Was bedeutet das für die reisemedizinisch beratende Kollegenschaft?
Was bedeutet das für die reisemedizinisch beratende Kollegenschaft?
Die Ergebnisse der - bedauerlicherweise nur sehr spärlichen - Erhebungen zeigen einen
ausgeprägten Mangel an Risikobewusstsein gegenüber den gesundheitlichen Gefährdungen
bei einem Aufenthalt in den Tropen. Das gilt sowohl für die entsendenden Unternehmer
als auch für die entsandten Beschäftigten. So gaben bei einer Befragung von Geschäftsreisenden
nur 2 % an, vor Reiseantritt eine reisemedizinische Beratung eingeholt zu haben. Diese
Haltung ist uns im Übrigen ja von Touristen bereits bekannt. Dazu kommt bei geplanten
Kurzzeitaufenthalten die Überzeugung "In der kurzen Zeit kann doch gar nichts passieren".
Daraus ergibt sich die Kausalkette
mangelndes Risikobewusstsein
-> kein Beratungsgespräch
-> keine Aufklärung über notwendige Verhaltensregeln inklusive Impfungen und gegebenenfalls
Malariaprophylaxe
-> erhöhtes Erkrankungsrisiko
-> erhöhte Kosten für die Sozialsysteme und durch Arbeitsunfähigkeit
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Da es sich bei den entsandten Beschäftigten in der Regel um für den Betrieb sehr wichtige
und bei Erkrankung nur schwer ersetzbare Leistungsträger handelt, sind die Folgen
für die Betriebe deutlich spürbar. Andererseits: Wenn überhaupt, wenden sich auch
die beruflich Reisenden erfahrungsgemäß vorzugsweise an ihre reisemedizinisch beratenden
Hausärzte.
Ihnen allen fällt also gefragt oder ungefragt die Aufgabe zu, den betroffenen Personenkreis
zunächst einmal auf die gesundheitlichen Gefährdungen eines solchen Aufenthalts hinzuweisen,
also das Risikobewusstsein zu wecken. Denn dem Grundsatz nach können zum Beispiel
sowohl eine Hepatitis A als auch eine Malaria - beides "präventable" Erkrankungen
- durchaus auch bei einem Aufenthalt von nur ganz wenigen Tagen erworben werden.
Wer übernimmt die Kosten?
Wer übernimmt die Kosten?
Für den reisemedizinisch tätigen Hausarzt, der nicht über die Voraussetzungen nach
§ 7 ArbMedVV verfügt, ergibt sich dabei allerdings ein großes Problem: die Kostenregelung.
Die arbeitsmedizinische Vorsorge gemäß G35 umfasst 2 Aufgaben:
Gerade im Falle eines Kurzzeitaufenthaltes kann man sich dabei auf ein Beratungsgespräch
(inklusive Durchführung notwendiger Impfungen etc.) beschränken. Aber:
Der Unternehmer ist verpflichtet, den Reisenden dazu aufzufordern und die Kosten zu
übernehmen. Er hat mit der Untersuchung (ggf. auch nur Beratung) einen Arzt zu beauftragen,
der über die unter § 7 ArbMedVV genannte Qualifikation verfügt.
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Der Unternehmer hat also sowohl die Kosten für Beratung als auch für Impfungen etc.
zu übernehmen, aber nur, wenn er den Arzt damit im Voraus beauftragt hat. Wenn sich
der Geschäftsreisende "aus eigenem Antrieb" von seinem Hausarzt beraten und beispielsweise
impfen lässt, geht die Rechnung zunächst an ihn selbst; im Falle eines Beratungsgespräches
(+ Impfungen etc.) kann der Arbeitgeber im Nachhinein die Kosten übernehmen, muss
es aber nicht.
Bekanntlich übernehmen einige Krankenkassen die Kosten für sogenannte Reiseimpfungen.
Das gilt aber nicht, wenn es sich um eine beruflich bedingte Reise handelt. Die Kostenübernahme
für diese Impfungen schließen die Krankenkassen ausdrücklich aus. Eine Ausnahme dürfte
die Gelbfieberimpfung sein. Wenn der in der Regel einen Betrieb betreuende Arzt sie
nicht selbst durchführen kann, muss der Arbeitgeber logischerweise die Kosten in jedem
Fall übernehmen.
Mit den eigentlichen "Untersuchungen" dürfen ausschließlich Ärzte mit der unter §
7 ArbMedVV genannten Qualifikation beauftragt werden. Der betreuende Betriebsarzt
kann aber einen fachkompetenten Kollegen, etwa einen Tropenmediziner, hinzuziehen,
wenn er sich für die Lösung eines bestimmten Problems als nicht ausreichend qualifiziert
betrachtet.
Ein wichtiger Hinweis in diesem Zusammenhang an alle Kollegen: Wenn Sie eine Erkrankung
feststellen (oder den Verdacht auf eine solche erheben), von der Sie vermuten, dass
sie während einer beruflich bedingten Reise erworben worden ist, veranlassen Sie unbedingt,
dass der Betroffene seinen betreuenden Betriebsarzt informiert. Dann kann die Frage
einer Meldung als Berufskrankheit (bzw. eines Arbeitsunfalls) mit allen Konsequenzen
geklärt werden, insbesondere auch der Übernahme der Kosten für Diagnose, Therapie
etc. durch die zuständige Berufsgenossenschaft.
Dieser Beitrag soll unsere Mitglieder zunächst über die neue Verordnung zur Rechtsvereinfachung
und Stärkung der arbeitsmedizinischen Vorsorge und ihre Folgen für die reisemedizinisch
tätige Ärzteschaft informieren. In der nächsten Ausgabe dieser Zeitschrift werden
wir dann näher über das geplante Seminar berichten.
Dr. Ursula Mikulicz, Kronberg