Dialyse aktuell 2009; 13(2): 95-96
DOI: 10.1055/s-0029-1213767
Forum der Industrie

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Nachsorgemanagement bei Nierentransplantierten mit Sirolimus - Extrarenale Zusatzeffekte verbessern Chance auf gute Langzeitprognose

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Publikationsdatum:
30. März 2009 (online)

 
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Etwa jede 3. transplantierte Niere geht verloren, weil der Patient mit einem funktionierenden Organ verstirbt. Verursacht wird der Tod vor allem durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Malignome und Infektionen. Die Daten einer europäischen Studie [1] decken sich weitgehend mit der Dokumentation des Universitätsklinikums München-Großhadern [2].

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Direkte und indirekte Risikofaktoren überlappen

Vor diesem Hintergrund darf sich das Nachsorgemanagement nicht nur auf das transplantierte Organ konzentrieren, sondern muss von Anfang an auch prognostisch relevante, nicht immunologische Risikofaktoren beachten. Die Grenzen sind allerdings fließend.

So erhöht eine Hypertonie nicht nur das Risiko für die Entwicklung kardiovaskulärer Erkrankungen, sondern auch für das Versagen des Nierentransplantats [3]. Umgekehrt ist ein hohes Serumkreatinin nicht nur ein Marker für die nachlassende Leistungsfähigkeit des transplantierten Organs, sondern auch ein Prädiktor für die Wahrscheinlichkeit, innerhalb der nächsten 10 Jahre kardiovaskulär bedingt zu versterben [4]. Ähnliches gilt für opportunistische virale Infektionen. Sie gehen nicht nur per se mit einer hohen Letalität einher, sondern bedrohen - wie vor allem CMV (Zytomegalievirus) oder BKV (Polyomavirus vom Typ 1) - die Integrität der transplantierten Niere auch unmittelbar.

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"Zünglein an der Waage" ist häufig die Immunsuppression

Eine wichtige Stellschraube im Nachsorgemanagement ist die Immunsuppression. Diese ist vor allem jenseits der vulnerablen Frühphase der Nierentransplantation (NTX) wichtig. Der Standard zur initialen Abstoßungsprophylaxe ist gegenwärtig die 3-fach-Kombination von Calcineurininhibitor (Ciclosporin oder Tacrolimus), Steroid und Antimetabolit (Mykophenolsäure oder - selten - Azathioprin).

Nachdem die Wundheilung abgeschlossen und die Organfunktion stabilisiert sind, kann eine Modifikation der Basisimmunsuppression erwogen werden. Das gilt besonders dann, wenn der Nutzen auf lange Sicht durch die Risiken zunichte gemacht wird. Die maßgeblichen prognoselimitierenden Nachteile der Calcineurininhibitoren (CNI) sind ihre nephrotoxischen Eigenschaften, ihre blutdrucksteigernden und diabetogenen Effekte und ihr kanzerogenes Potenzial. Als Alternative bietet sich Sirolimus an, das als mTOR-Inhibitor (mTOR: "mammalian Target of Rapamycin") über eine andersartige pharmakodynamische Zielstruktur in das Immunsystem eingreift und somit über ein anderes Nutzen-Risiko-Profil verfügt.

Anhaltspunkte, unter welchen Voraussetzungen eine Umstellung der Basisimmunsuppression auf Sirolimus sinnvoll sein kann, haben Transplantationsexperten 2005 im Rahmen einer Konsensuskonferenz zusammengestellt [5]. Kandidaten sind unter anderem NTX-Patienten mit

  • CNI-Nebenwirkungen wie Nephrotoxizität, Hochdruck oder Diabetes mellitus

  • einem schleichendem Anstieg des Serumkreatinins oder einer chronischen Transplantatnephropathie

  • einer Tumoranamnese oder einer Tumorerstmanifestation bzw. einem -rezidiv

  • einer therapieresistenten Zytomegalievirusinfektion.

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Vermindertes Krebsrisiko

Immer einen Versuch wert ist die Modifikation der Abstoßungsprophylaxe bei NTX-Patienten mit Tumoranamnese oder Tumorerstmanifestation/-rezidiv. Unter einer Basisimmunsuppression mit Sirolimus erkranken signifikant weniger Nierentransplantatempfänger an Krebs als unter der Therapie mit einem Calcineurininhibitor, wie inzwischen durch die Ergebnisse einer Vielzahl von klinischen Vergleichsstudien belegt wird. Dazu kommen die Daten von Verlaufsbeobachtungen großer Populationen in den USA (Datenbank des "United Network for Organ Sharing"/33 249 NTX-Patienten [14]) und Deutschland (Universitätsklinikum München-Großhadern/2 419 NTX-Patienten [15]).

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Zeitpunkt für die Umstellung nicht verpassen

Zur Diskussion steht noch immer der richtige Zeitpunkt für den Beginn einer Immunsuppression mit Sirolimus. Unmittelbar nach der NTX sollte der Einsatz vermieden werden. Das Konsensuspapier empfiehlt einen Abstand von 3-6 Monaten. Auf der anderen Seite sollte bei Hinweisen auf die Entwicklung einer chronischen Transplantatnephropathie auch nicht zu lange mit der Umstellung von einem CNI auf Sirolimus gewartet werden. Je größer der zeitliche Abstand zur NTX und je schlechter die glomeruläre Filtrationsrate (GFR), desto geringer sind die Chancen für eine Erholung der Nierenfunktion [6]. Den "point of no return" markiert allem Anschein nach eine GFR von 40 ml/min und/oder eine Proteinurie von 800 mg/d [7], [8].

Man muss mit der Umstellung der initialen Basisimmunsuppression nicht unbedingt 3 Monate warten, wie erste Ergebnisse der SMART[1]-Studie erkennen lassen: Der Wechsel von einem CNI auf Sirolimus wirkt sich bereits nach dem Abschluss der Wundheilung positiv auf die Transplantatfunktion aus. In 6 deutschen Transplantationszentren hatte man bei 141 Patienten 10-21 Tage nach einer NTX randomisiert entweder das initiale CNI-basierte Regime (Ciclosporin plus Mykophenolatmofetil plus Steroid nach Induktionstherapie mit Antithymozytenglobulin F) beibehalten oder den Calcineurininhibitor gegen Sirolimus ausgetauscht.

Der Vorteil der Konversion manifestierte sich früh. Die GFR (primärer Endpunkt) war bei Patienten im Sirolimusarm ab dem 7. Tag bis zum Ende des derzeit überschauten 12-monatigen Beobachtungsraums signifikant besser (p < 0,01) als im Vergleichskollektiv unter der Fortsetzung der CNI-basierten Immunsuppression. Der frühe Verzicht auf den CNI ist zudem nicht mit einer höheren Inzidenz akuter Abstoßungsreaktionen oder mehr Wundheilungsstörungen erkauft worden.

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Günstiges kardiovaskuläres Profil

Für die Umstellung auf Sirolimus spricht ebenfalls, dass nicht mit der Entwicklung einer Hypertonie zu rechnen ist bzw. eine gute Chance auf die Reversion eines CNI-bedingten Blutdruckanstiegs besteht. Darüber hinaus scheint Sirolimus einen von hämodynamischen Mechanismen unabhängigen kardioprotektiven Effekt zu besitzen, wie eine Untersuchung an der Universitätsklinik Genua (Italien) erkennen lässt.

Klinikmitarbeiter hatten dort bei 14 NTX-Patienten mit chronischer Transplantatnephropathie vor und 12 Monate nach der Umstellung der Basisimmunsuppression von einem CNI auf den mTOR-Inhibitor eine Echokardiografie durchgeführt. Dabei war eine signifikante (p < 0,001) Reduktion des LVMI (Index für die linksventrikuläre Masse) dokumentiert worden. Abgenommen hatte vor allem die Ventrikelwanddicke, während die enddiastolischen/-systolischen Ventrikeldurchmesser nahezu gleich geblieben waren. Bei der weiterhin mit einem CNI behandelten, bezüglich Alter und NTX-Zeitpunkt gematchten Kontrollgruppe (n = 26) hatten sich dagegen die echokardiografischen Parameter nur unwesentlich verändert. Beide Kollektive waren gleichermaßen gut antihypertensiv eingestellt (ohne Einsatz von Inhibitoren des Renin-Angiotensin-Systems) [9].

Dieses Ergebnis ist vor allem deshalb von klinischer Relevanz, weil die Linksherzhypertrophie - unabhängig von anderen Faktoren - das Risiko, jenseits des 5. Jahres nach einer Nierentransplantation zu versterben oder eine Herzinsuffizienz zu entwickeln, etwa verdoppelt [10].

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Schutz vor CMV- und BKV-Infektionen?

Seit einiger Zeit verdichtet sich der Eindruck, dass Sirolimus einen spezifischen antiviralen Effekt besitzt. Die Hypothese stützt sich vorrangig auf klinische Beobachtungen, während Theorien zu den pharmakodynamischen Mechanismen noch weitgehend Spekulation sind.

Die meisten Daten liegen zum Zytomegalievirus vor: Eine Metaanalyse von 9 kontrollierten Studien mit insgesamt 3 248 Transplantatempfängern kommt zu dem Ergebnis, dass unter einer Immunsuppression mit dem mTOR-Inhibitor das relative Risiko für eine CMV-Infektion um 43 % bzw. 60 % geringer ist als bei dem Einsatz eines Calcineurininhibitors bzw. Antimetaboliten (Abb. [1]). Auch in der SMART-Studie sind im Sirolimus-Arm signifikant seltener CMV-Infektionen aufgetreten als im Vergleichskollektiv unter traditioneller CNI-basierter Immunsuppression (p < 0,01).

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Abb. 1 Risiko für eine CMV-Infektion unter einer Immunsuppression mit und ohne Sirolimus (Metaanalyse von 9 kontrollierten Studien mit 3 248 Transplantatempfängern). nach [11]

Zum Management von Polyomavirämien unter Einbeziehung von Sirolimus liegen ebenfalls klinische Erfahrungen vor. Am Transplantationszentrum in Baltimore (USA) hatte man randomisiert das Screening auf BK-Viren in der 5. Woche nach Transplantation plus gegebenenfalls Modifikation des immunsuppressiven Regimes (n = 648) mit dem Standardvorgehen (n = 260) verglichen. Die signifikant seltenere Persistenz der Polyomavirämien nach 6 (20 versus 52 %; p = 0,009) und 12 (2 versus 33 %; p = 0,003) Monaten kann als Beleg für den Nutzen einer intensivierten Vorgehensweise angesehen werden. Einen nicht unerheblichen Anteil an diesem Erfolg hat - mit einer Odds-Ratio von 10 - allem Anschein nach der Wechsel von Tacrolimus auf Sirolimus gehabt [12]. Ebenfalls engmaschig auf BK-Viren untersucht und bei einem positiven Befund von Tacrolimus auf Sirolimus umgestellt (plus Komedikation mit Leflunomid und Prednisolon) wurde eine Kohorte von NTX-Patienten an der Universität von Calgary (Kanada). Mit dieser Stategie hat man bei 85 % der Fälle eine Clearance der BK-Virämie erreichen können [13].

Gabriele Blaeser-Kiel, Hamburg

Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Wyeth Pharma GmbH, Münster

Die Beitragsinhalte stammen von Vorträgen bei der 17. Jahrestagung der Deutschen Transplantationsgesellschaft

Die Autorin ist freie Journalistin

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Literatur

  • 01 Vanrenterghem VF . et al . Transplantation. 2008;  85 209-216
  • 02 Jauch KW. 13th Congress of the European Society for Organ Transplantation (ESOT) 2007. 
  • 03 Opelz G . et al . Kidney Int. 1998;  53 217-222
  • 04 Meier-Kriesche HU . Transplantation. 2003;  75 1291-1295
  • 05 Arns W . Diekmann F . et al . Nieren- und Hochdruckkrankheiten. 2005;  34 551-555
  • 06 Wali RK . et al . Am J Transplant. 2007;  7 1572-1583
  • 07 Schena FP . et al . 7th American Transplantat Congress/World-Transplantat Congress 2006. 
  • 08 Diekmann F . et al . Transpl Int. 2008;  21 152-155
  • 09 Paoletti E . et al . Transplantation. 2008;  52 324-330
  • 10 Rigatto C . et al . J Am Soc Nephrol. 2003;  14 462-468
  • 11 Singh A et al. Congress of the American Society of Nephrology 2006. 
  • 12 Wali RK . et al . American Transplant Congress 2008. 
  • 13 Tibbles LE . et al . American Transplant Congress 2008. 
  • 14 Kauffmann HM . et al . Transplantation. 2005;  80 883-889
  • 15 Wimmer CD . et al . Kidney Int. 2007;  71 1271-1278

01 Sirolimus and MMF After Renal Transplantation

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Literatur

  • 01 Vanrenterghem VF . et al . Transplantation. 2008;  85 209-216
  • 02 Jauch KW. 13th Congress of the European Society for Organ Transplantation (ESOT) 2007. 
  • 03 Opelz G . et al . Kidney Int. 1998;  53 217-222
  • 04 Meier-Kriesche HU . Transplantation. 2003;  75 1291-1295
  • 05 Arns W . Diekmann F . et al . Nieren- und Hochdruckkrankheiten. 2005;  34 551-555
  • 06 Wali RK . et al . Am J Transplant. 2007;  7 1572-1583
  • 07 Schena FP . et al . 7th American Transplantat Congress/World-Transplantat Congress 2006. 
  • 08 Diekmann F . et al . Transpl Int. 2008;  21 152-155
  • 09 Paoletti E . et al . Transplantation. 2008;  52 324-330
  • 10 Rigatto C . et al . J Am Soc Nephrol. 2003;  14 462-468
  • 11 Singh A et al. Congress of the American Society of Nephrology 2006. 
  • 12 Wali RK . et al . American Transplant Congress 2008. 
  • 13 Tibbles LE . et al . American Transplant Congress 2008. 
  • 14 Kauffmann HM . et al . Transplantation. 2005;  80 883-889
  • 15 Wimmer CD . et al . Kidney Int. 2007;  71 1271-1278

01 Sirolimus and MMF After Renal Transplantation

 
Zoom Image

Abb. 1 Risiko für eine CMV-Infektion unter einer Immunsuppression mit und ohne Sirolimus (Metaanalyse von 9 kontrollierten Studien mit 3 248 Transplantatempfängern). nach [11]